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ArbG Stutt­gart, Ur­teil vom 30.01.2014, 10 Ca 1737/13

   
Schlagworte: Kündigung, Auslauffrist
   
Gericht: Arbeitsgericht Stuttgart
Aktenzeichen: 10 Ca 1737/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 30.01.2014
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

Tat­be­stand:

Ge­gen­stand des vor­lie­gen­den Rechts­streits ist nach pro­zes­sua­ler Ab­tren­nung wei­te­rer Streit­ge­genstände ei­ne von der be­klag­ten Ar­beit­ge­be­rin erklärte außer­or­dent­li­che Kündi­gung mit so­zia­ler Aus­lauf­frist.

Die Be­klag­te un­terhält in L. und B. Kran­ken­haus­be­trie­be. Ein Be­triebs­rat be­steht. Die am 28.05.1952 ge­bo­re­ne Kläge­rin ist bei der Be­klag­ten seit April 1991 als Rei­ni­gungs­kraft in Teil­zeit (50 %) an­ge­stellt.

Die Kläge­rin hat seit ge­rau­mer Zeit er­heb­li­che Haut­pro­ble­me, de­ren Ur­sa­che sie im We­sent­li­chen im be­trieb­li­chen Um­gang mit be­stimm­ten star­ken Rei­ni­gungs­mit­teln sieht. Seit 2006 fan­den des­halb ver­schie­de­ne ärzt­li­che bzw. be­triebsärzt­li­che Un­ter­su­chun­gen und Be­ra­tungs­gespräche statt. Fer­ner er­gin­gen ver­schie­de­ne ärzt­li­che Emp­feh­lun­gen über den Ein­satz von Haut­schutz­mit­teln, Des­in­fek­ti­ons­mit­teln oder sons­ti­gen Hilfs­mit­teln wie Schutz­hand­schu­he un­ter­schied­lichs­ter Be­schaf­fen­heit. In­so­weit sind zwi­schen den Par­tei­en zahl­rei­che Ein­zel­hei­ten strei­tig, auch in Be­zug auf die Fra­ge, ob die Be­klag­te den me­di­zi­ni­schen Emp­feh­lun­gen stets aus­rei­chend und recht­zei­tig nach­ge­kom­men ist oder ob die Kläge­rin selbst die zur Verfügung ge­stell­ten Hilfs­mit­tel nicht nutz­te.

Am 11.06. und 13.06.2013 er­hielt die Kläge­rin je­weils ei­ne Ab­mah­nung. Sie er­hob hier­ge­gen am 20.09.2013 vor­lie­gen­de Kla­ge. Gleich­zei­tig be­gehr­te die Kläge­rin die Aushändi­gung von Zeit­er­fas­sungs­aus­dru­cken für ver­schie­de­ne Mo­na­te im Frühjahr 2013, weil sie die Auf­fas­sung ver­tritt, dass ihr in­so­weit im­mer wie­der zu Un­recht St­un­den ab­ge­zo­gen würden.

Auf­grund ei­nes Vor­falls am 11.09.2013, des­sen Ein­zel­hei­ten zwi­schen den Par­tei­en teil­wei­se strei­tig sind, erklärte die Be­klag­te der Kläge­rin im Hin­blick auf den ta­rif­li­chen Son­derkündi­gungs­schutz nach TVÖD die außer­or­dent­li­che Kündi­gung mit so­zia­ler Aus­lauf­frist zum Ab­lauf des 31.03.2014.

Die Kläge­rin hat dies­bezüglich ih­re Kla­ge am 23.09.2013 um ei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge und ei­nen Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag er­wei­tert.

Die Kläge­rin hält die Kündi­gung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses für un­ge­recht­fer­tigt. Zum ei­nen tref­fe es nicht zu, dass sie ih­re Vor­ge­setz­te Frau T. in gro­ber, er­heb­li­cher Wei­se be­droht

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ha­be. Es sei rich­tig, dass es am 11.09.2013 zwi­schen ihr und Frau T. zu ei­nem Streit­gespräch ge­kom­men sei. Al­ler­dings ha­be ihr Frau T. auf ih­re Fra­ge we­gen ei­nes be­stimm­ten Ur­laubs­an­trags zunächst kei­ne kon­kre­te Ant­wort ge­ge­ben. Auf den Hin­weis der Kläge­rin, sie ha­be am Sams­tag ge­ar­bei­tet und sei völlig ka­putt und krank, ha­be Frau T. zunächst ge­ant­wor­tet, die Kläge­rin sei selbst schuld. Dies ha­be die Kläge­rin als un­verschämt emp­fun­den und dies auch Frau T. so mit­ge­teilt. Fer­ner ha­be sie geäußert, ihr Sohn ha­be be­reits mit­ge­teilt, er würde bei ei­ner sol­chen er­neu­ten Un­verschämt­heit vor­bei­kom­men und Frau T. ei­ne Ohr­fei­ge ver­pas­sen wol­len. Zu kei­nem Zeit­punkt ha­be die Kläge­rin selbst ei­ne Ohr­fei­ge an­ge­droht, son­dern le­dig­lich da­von be­rich­tet, dass ihr Sohn über das Ver­hal­ten von Frau T. erzürnt sei. An­sch­ließend ha­be die Kläge­rin wei­ter­ge­ar­bei­tet. Sie sei dann zum Be­reichs­lei­ter ge­ru­fen wor­den, der im­mer näher an sie her­an­gerückt sei und sie be­dräng­te. Hier­bei ha­be die Kläge­rin le­dig­lich ge­sagt: „Wenn Frau T. ge­petzt hat, war­um soll ich’s dann noch­mals sa­gen“. Auch hier ha­be die Kläge­rin nicht geäußert, sie würde Frau T. ei­ne Ohr­fei­ge ge­ben. Sie ha­be auch nicht an­ge­droht, dass dies ihr Sohn tun wer­de.
Ein sol­cher Sach­ver­halt sei al­len­falls mit ei­ner Ab­mah­nung zu ahn­den, kei­nes­falls aber mit ei­ner Kündi­gung. Ge­gen die Kündi­gung bestünden im Übri­gen auch grundsätz­li­che Be­den­ken. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt ha­be in ei­ner Ent­schei­dung vom 21.06.2012 kon­kre­te Be­den­ken geäußert, ob bei ei­nem be­ste­hen­den Son­derkündi­gungs­schutz aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung mit so­zia­ler Aus­lauf­frist erklärt wer­den könne, vom Ar­beit­ge­ber al­so zum Aus­druck ge­bracht wer­de, dass die Schwel­le zum wich­ti­gen Grund noch nicht er­reicht sei. Ein sol­cher Sach­ver­halt dürf­te vor­lie­gend ge­ge­ben sein.
Die Kläge­rin be­strei­tet darüber hin­aus, dass der Be­triebs­rat ord­nungs­gemäß an­gehört wor­den sei. Aus den vor­ge­leg­ten Un­ter­la­gen er­ge­be sich, dass man den Be­triebs­rat mit zahl­rei­chen zusätz­li­chen In­for­ma­tio­nen ver­se­hen ha­be, wel­che mit der Sa­che nichts zu tun hätten. In ei­nem sol­chen Fall sei die Be­triebs­rats­anhörung ähn­lich feh­ler­haft, als wenn dem Be­triebs­rat zu we­nig In­for­ma­tio­nen ge­ge­ben würden.

Die Kam­mer hat auf die Kam­mer­ver­hand­lung am 30.10.2014 den Rechts­streit hin­sicht­lich der Ab­mah­nungs­kla­ge und der Kla­ge auf Aushändi­gung von Zeit­er­fas­sungs­aus­dru­cken pro­zes­su­al ab­ge­trennt. Das Ver­fah­ren wird in­so­weit un­ter dem Ak­ten­zei­chen 10 Ca 134/14 fort­geführt.

Die Kläge­rin be­an­tragt im vor­lie­gen­den Rechts­streit:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch die außer­or­dent­li­che Kündi­gung der

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Be­klag­ten vom 19. Sep­tem­ber 2013 nicht be­en­det wird, son­dern un­verändert über den 31.03.2014 hin­aus fort­be­steht.

2. Die Be­klag­te wird ver­pflich­tet, die Kläge­rin für den Fall des Schei­terns der Güte­ver­hand­lung zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen nach dem 31.03.2014 bis zur Rechts­kraft als Rei­ni­gungs­kraft wei­ter­zu­beschäfti­gen.


Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te stützt die Kündi­gung auf den Vor­wurf der Be­dro­hung der Mit­ar­bei­te­rin T. mit körper­li­cher Ge­walt, wel­che not­falls durch den Sohn der Kläge­rin aus­geübt wer­den würde. Die­se Dro­hung ha­be die Kläge­rin so­dann ge­genüber ih­rem Be­reichs­lei­ter am sel­ben Tag noch­mals aus­drück­lich bestätigt. So­gar im Güte­ter­min vor dem Ar­beits­ge­richt ha­be sie ei­ne ent­spre­chen­de Dro­hung wie­der­holt. Kon­kret ha­be sich am Mor­gen des 11.09.2013 Fol­gen­des zu­ge­tra­gen: Es sei zunächst zu ei­nem Wort­wech­sel zwi­schen der Kläge­rin und ih­rer Vor­ge­setz­ten, Frau T., ge­kom­men. Frau T. ha­be die Kläge­rin an­ge­wie­sen, be­stimm­te blaue Bo­xen, wel­che für sie be­stimmt wa­ren, zu neh­men. Hier­auf ha­be die Kläge­rin geäußert: „Wenn Sie sol­che Sprüche wie ges­tern äußern, be­kom­men Sie von mir ei­ne Ohr­fei­ge“. Hier­auf ha­be Frau T. ge­fragt, was sie der Kläge­rin denn ge­sagt ha­be. Die Kläge­rin ha­be dar­auf Fol­gen­des ge­sagt: „Ich war nicht in der Kur, ich war nicht in der Re­ha, ich ru­fe heu­te noch in H. an. Wenn ich Ih­nen kei­ne Ohr­fei­ge ge­be, dann sa­ge ich es mei­nem Sohn, der weiß Be­scheid, der gibt Ih­nen dann die Ohr­fei­ge“. Frau T. sei verängs­tigt ge­we­sen und ha­be die­sen Vor­fall dem Be­reichs­lei­ter Herrn H. mit­ge­teilt. Die­ser ha­be die Kläge­rin am sel­ben Tag um 8.30 Uhr an ih­rem Ar­beits­platz auf­ge­sucht und ge­fragt, was die Kläge­rin zu Frau T. ge­sagt ha­be. Hier­bei ha­be die Kläge­rin Fol­gen­des erklärt: „Ihr habt mich krank ge­macht, Frau T. ist schuld, dass ich auf der Trep­pe gestürzt bin. Frau T. gibt mir mei­nen Ur­laub nicht“. Auf die Fra­ge von Herrn H., ob es rich­tig sei, dass sie Frau T. ei­ne Ohr­fei­ge an­ge­droht ha­be, sei von der Kläge­rin geäußert wor­den, ja, das ha­be sie ge­sagt, sie ge­be ihr ei­ne Ohr­fei­ge oder ihr Sohn, der wis­se Be­scheid. Auch im Güte­ter­min vor dem Ar­beits­ge­richt ha­be die Kläge­rin zu die­sem Sach­ver­halt noch­mals geäußert, ihr Sohn sei „auf 180“, weil sie seit zwei Jah­ren Haut­er­kran­kun­gen ha­be.
Es ha­be sich mit­hin bei der von der Kläge­rin aus­ge­spro­che­nen er­heb­li­chen Dro­hung nicht et­wa um ei­ne mo­men­ta­ne Ent­glei­sung ge­han­delt. Viel­mehr sei die Kläge­rin von dem Ge­dan­ken be­seelt, der Vor­ge­setz­ten et­was an­zu­tun. Da­bei sei an­zu­mer­ken, dass die Be­klag­te seit dem Auf­tre­ten von Haut­pro­ble­men bei der Kläge­rin al­les ge­tan ha­be, was

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ärzt­li­cher­seits emp­foh­len wor­den sei. Es sei die Kläge­rin ge­we­sen, die im­mer wie­der die emp­foh­le­nen Hilfs­mit­tel nicht be­nutzt ha­be.
Der Be­triebs­rat sei am 16.09.2013 zum ei­nen münd­lich und zum an­de­ren schrift­lich an­gehört wor­den. Die münd­li­che In­for­ma­ti­on ha­be et­wa ei­ne St­un­de in An­spruch ge­nom­men. Am 17.09.2013 sei­en dem Be­triebs­rat noch­mals al­le Un­ter­la­gen ein­sch­ließlich der Per­so­nal­da­ten der Kläge­rin über­mit­telt wor­den. Der Be­triebs­rat ha­be am 18.09.2013 zu­ge­stimmt.

 

Ent­schei­dungs­gründe:

I.

Die nach pro­zes­sua­ler Ab­tren­nung noch al­lein streit­ge­genständ­li­che Kündi­gungs­schutz­kla­ge hat Er­folg. Die der Kläge­rin mit Schrei­ben vom 19.09.2013 erklärte außer­or­dent­li­che Kündi­gung mit so­zia­ler Aus­lauf­frist ist rechts­un­wirk­sam.

1. Die Kläge­rin hat ge­gen die Kündi­gung vom 19.09.2013 am 20.09.2013, al­so be­reits ei­nen Tag nach Kündi­gungs­zu­gang, Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben. Da­mit ist die dreiwöchi­ge Kla­ge­frist gemäß §§ 4 Satz 1, 13 Abs. 1 KSchG ge­wahrt.

2.
a) Die Par­tei­en ge­hen übe­rein­stim­mend da­von aus, dass das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin auf­grund der an­zu­wen­den­den Ta­rif­be­stim­mun­gen für den Öffent­li­chen Dienst gemäß § 34 Abs. 2 TVÖD nur noch aus wich­ti­gem Grund gekündigt wer­den kann. Nach die­ser Be­stim­mung können Ar­beits­verhält­nis­se von Beschäftig­ten, die das 40. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben und für die die Re­ge­lun­gen des Ta­rif­ge­biets West An­wen­dung fin­den, nach ei­ner Beschäfti­gungs­zeit von mehr als 15 Jah­ren durch den Ar­beit­ge­ber nur aus ei­nem wich­ti­gen Grund gekündigt wer­den. Die seit 1991 beschäftig­te und 61 Jah­re al­te Kläge­rin erfüllt die dort ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen für den ta­rif­li­chen Son­derkündi­gungs­schutz.

b) Nach § 34 Abs. 2 TVÖD kann das Ar­beits­verhält­nis ei­ner al­ters­ge­si­cher­ten Mit­ar­bei­te­rin nur aus wich­ti­gem Grund gekündigt wer­den. Der Ta­rif­ver­trag nimmt da­mit auf § 626 Abs. 1 BGB, die all­ge­mei­ne zi­vil­recht­li­che Be­stim­mung über das

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Recht zur so­for­ti­gen Kündi­gung von Dienst­verhält­nis­sen, Be­zug. Der wich­ti­ge Grund im Sin­ne von § 34 Abs. 2 TVÖD hat die iden­ti­schen Vor­aus­set­zun­gen wie der wich­ti­ge Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB (Bre­de­mei­er/Neff­ke, TVÖD/TV-L, Kom­men­tar, 4. Aufl., RNn 532 vor § 34, 11 zu § 34).

Ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung gemäß § 626 Abs. 1 BGB setzt vor­aus, dass der Kündi­gungs­grund so schwer wiegt, dass ei­ne so­for­ti­ge Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses als ein­zi­ge zu­mut­ba­re Re­ak­ti­on des Ar­beit­ge­bers in Be­tracht kommt. Dies setzt nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vor­aus, dass ne­ben ei­nem an sich zur so­for­ti­gen Ent­las­sung ge­eig­ne­ten wich­ti­gen Grund auf­grund ei­ner um­fas­sen­den In­ter­es­sen­abwägung fest­steht, dass dem Ar­beit­ge­ber die Wei­ter­beschäfti­gung selbst für die Dau­er der or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist nicht mehr zu­zu­mu­ten ist (z.B. BAG v. 16.12.2004, 2 ABR 7/04; v. 27.04.2006, 2 AZB 415/05, Ju­ris). Dem­ent­spre­chend ist auch im Rah­men von § 34 Abs. 2 TVÖD un­ter ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung das ein­sei­ti­ge Ge­stal­tungs­recht zu ver­ste­hen, das Ar­beits­verhält­nis so­fort (d.h. mit Zu­gang), al­so oh­ne Ein­hal­tung der ge­setz­li­chen oder ta­rif­li­chen Kündi­gungs­frist bzw. vor Ab­lauf ei­ner ver­ein­bar­ten Be­fris­tung zu be­en­den (Bre­de­mei­er/Neff­ke, aaO, RN 533 vor § 34).

c) Die Be­klag­te hat der Kläge­rin am 19.09.2013 „außer­or­dent­lich mit so­zia­ler Aus­lauf­frist zum Ab­lauf des 31.03.2014“ gekündigt. Die Be­klag­te hat da­mit zwar for­mal von dem Recht zur Kündi­gung aus wich­ti­gem Grund Ge­brach ge­macht. In­dem sie der Kläge­rin aber die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der (fik­ti­ven) or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist zu­ge­bil­ligt hat, hat sie wer­tungsmäßig bzw. im Er­geb­nis ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung aus­ge­spro­chen. Je­den­falls hat die Be­klag­te mit der Zu­bil­li­gung ei­ner so­zia­len Aus­lauf­frist von mehr als 6 Mo­na­ten zum Aus­druck ge­bracht, dass ihr die Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin je­den­falls für die­sen Zeit­raum noch zu­mut­bar er­scheint. Die Be­klag­te hat er­kannt, dass sie der Kläge­rin kei­ne or­dent­li­che Kündi­gung mehr aus­spre­chen kann. Sie woll­te aber er­kenn­bar je­den­falls von den wirt­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen her das glei­che Er­geb­nis her­beiführen. Sie hat sich hier­zu for­mal des Rechts zur Kündi­gung aus wich­ti­gem Grund be­dient, zu­gleich aber noch als wei­te­re Ver­trags­lauf­zeit die Dau­er der or­dent­li­chen Kündi­gung zu­er­kannt.  

In die­ser Vor­ge­hens­wei­se liegt ein Wer­tungs­wi­der­spruch. Ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung kommt nur in Be­tracht, wenn es kei­nen an­ge­mes­se­nen Weg gibt, das Ar­beits­verhält­nis fort­zu­set­zen, weil dem Ar­beit­ge­ber sämt­li­che mil­de­ren Re­ak­ti­onsmöglich­kei­ten un­zu­mut­bar sind. Als mil­de­re Re­ak­tio­nen sind ins­be­son­de­re

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Ab­mah­nung und or­dent­li­che Kündi­gung an­zu­se­hen. Sie sind dann al­ter­na­ti­ve Ge­stal­tungs­mit­tel, wenn schon sie ge­eig­net sind, den mit der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung ver­folg­ten Zweck - die Ver­mei­dung des Ri­si­kos künf­ti­ger Störun­gen - zu er­rei­chen (BAG vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09, AP Nr. 229 § 626 BGB). Wenn nach § 34 Abs. 2 TVÖD ge­genüber der Kläge­rin nur noch die außer­or­dent­li­che, d.h. so­for­ti­ge Ent­las­sung in Be­tracht kam, und dies von Rechts we­gen vor­aus­setzt, dass der Be­klag­ten selbst die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses für die Dau­er der fik­ti­ven Kündi­gungs­frist nicht zu­mut­bar ist, kann die Be­klag­te nicht das Recht zur Kündi­gung aus wich­ti­gem Grund in An­spruch neh­men, zu­gleich aber die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses für die Dau­er die­ser Frist zu­zu­bil­li­gen. Die Be­klag­te hat mit der Ent­schei­dung, das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin nicht so­fort auf­zulösen, son­dern erst zum 31.03.2014 zu be­en­den, ih­re ei­ge­ne Be­wer­tung von der Schwe­re und den Aus­wir­kun­gen des Kündi­gungs­an­las­ses zu er­ken­nen ge­ge­ben. Sie muss sich hier­an fest­hal­ten las­sen. In­so­weit lie­gen die Din­ge nach Auf­fas­sung der Kam­mer nicht an­ders als in den Fällen, in de­nen der Ar­beit­ge­ber ein Ver­hal­ten mit ei­ner Ab­mah­nung ahn­det. Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts kann der Ar­beit­ge­ber dann we­gen des glei­chen Ver­hal­tens nicht nach­fol­gend noch­mals ei­ne Kündi­gung aus­spre­chen, wenn nach Aus­spruch der Ab­mah­nung we­der neue Vorfälle auf­ge­tre­ten oder be­kannt ge­wor­den sind (z.B. BAG vom 10.11.1988, 2 AZR 215/88, AP Nr. 3 § 1 KSchG 1969 Ab­mah­nung; v. 26.08.1993, 2 AZR 159/93, Ju­ris).


d) Der Wer­tungs­wi­der­spruch kann nicht mit Hin­weis auf die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zur Zulässig­keit der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung mit so­zia­ler Aus­lauf­frist bei be­triebs- oder per­so­nen­be­ding­tem Kündi­gungs­an­lass ge­recht­fer­tigt wer­den. Zwar er­kennt das Bun­des­ar­beits­ge­richt in Fällen, in de­nen das Recht zur or­dent­li­chen Kündi­gung ar­beits­ver­trag­lich oder ta­rif­ver­trag­lich aus­ge­schlos­sen ist, aus­nahms­wei­se das Recht des Ar­beit­ge­bers an, ein Ar­beits­verhält­nis aus Gründen, die re­gelmäßig nur ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung recht­fer­ti­gen, außer­or­dent­lich zu kündi­gen (z.B. BAG vom 12.01.2006, 2 AZR 242/05, AP Nr. 13 § 626 BGB Krank­heit; BAG vom 27.06.2002, 2 AZR 367/01, Ju­ris). Weil be­triebs- oder per­so­nen­be­ding­te Gründe re­gelmäßig aus­sch­ließlich ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung recht­fer­ti­gen, wäre der Ar­beit­ge­ber selbst bei vollständi­gem Weg­fall je­der denk­ba­ren Beschäfti­gungsmöglich­keit ge­zwun­gen, even­tu­ell über Jah­re hin­weg ein völlig sinn­ent­leer­tes Ar­beits­verhält­nis fort­zu­set­zen, bei­spiels­wei­se bei dau­er­haf­ter Ar­beits­unfähig­keit des Ar­beit­neh­mers oder vollständi­ger Be­triebs­stil­le­gung. Hier wäre auf Jah­re hin­aus kein Leis­tungs­aus­tausch der Ar­beits­ver­trags­part­ner mehr möglich. Dar­in liegt die Recht­fer­ti­gung für die aus­nahms­wei­se Zulässig­keit der

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außer­or­dent­li­chen Kündi­gung in die­sen Fällen. Ei­ne ver­gleich­ba­re Si­tua­ti­on be­steht vor­lie­gend nicht. Denn die Be­klag­te hat der Kläge­rin (we­gen Be­dro­hung) aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen gekündigt. Bei ei­ner ver­hal­tens­be­ding­ten Kündi­gung be­steht kein Re­gel- und Aus­nah­me­verhält­nis. Viel­mehr sind bei­de Kündi­gungs­va­ri­an­ten je nach Schwe­re des zu­grun­de lie­gen­den Sach­ver­halts grundsätz­lich kündi­gungs­ge­eig­net. Zu Recht gibt das Bun­des­ar­beits­ge­richt des­halb in der auch von der Kläge­rin her­an­ge­zo­ge­nen Ent­schei­dung vom 21.06.2012 (2 AZR 343/11) zu er­ken­nen, dass ge­gen die Zu­bil­li­gung ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung mit so­zia­ler Aus­lauf­frist im Be­reich der ver­hal­tens­be­ding­ten Kündi­gung er­heb­li­che Be­den­ken be­ste­hen.

e) Et­was an­de­res er­gibt sich nicht dar­aus, dass das Bun­des­ar­beits­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung vom 11.03.1999 (2 AZR 427/98, NZA 1999, 818 ff.) aus­geführt hat, dass bei ei­ner Un­zu­mut­bar­keit der Wei­ter­beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers bis zum Pen­si­ons­al­ter zur Ver­mei­dung ei­nes Wer­tungs­wi­der­spruchs ei­ne der fik­ti­ven or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist ent­spre­chen­de Aus­lauf­frist ein­geräumt wer­den müss­te, wo­bei es sich in dem ent­schie­de­nen Fall tatsächlich um ei­ne auf dem Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers be­ru­hen­de Kündi­gung han­del­te. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat in die­ser Ent­schei­dung wei­ter aus­geführt, es wi­der­spre­che dem Sinn und Zweck des ta­rif­li­chen Al­terskündi­gungs­schut­zes, dem al­ters­ge­si­cher­ten Ar­beit­neh­mer ei­ne der fik­ti­ven Kündi­gungs­frist ent­spre­chen­de Aus­lauf­frist zu ver­wei­gern, wenn ei­nem ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mer oh­ne ge­stei­ger­ten Kündi­gungs­schutz bei (theo­re­tisch) glei­chem Kündi­gungs­sach­ver­halt - und Zu­mut­bar­keit der Wei­ter­beschäfti­gung bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist - nur frist­ge­recht gekündigt wer­den könn­te; es ge­he hier­bei nicht dar­um, ei­ne Kündi­gungsmöglich­keit bei min­der wich­ti­gem Grund zu schaf­fen, son­dern un­ter Bei­be­hal­tung der ständi­gen Recht­spre­chung zum wich­ti­gen Grund im Sin­ne der ein­schlägi­gen Vor­schrif­ten den ge­schil­der­ten Wer­tungs­wi­der­spruch im In­ter­es­se des durch Ta­rif­ver­trag al­ters­geschütz­ten Ar­beit­neh­mers le­dig­lich auf der Rechts­fol­gen­sei­te auf­zulösen. Ei­ne sol­che Kon­stel­la­ti­on ist vor­lie­gend nicht ge­ge­ben. Das Ver­hal­ten der Kläge­rin recht­fer­tig­te al­len­falls ei­ne „re­guläre“ or­dent­li­che Kündi­gung. Dies gilt je­den­falls nach der zu­ta­ge ge­tre­te­nen Ei­gen­wer­tung der Be­klag­ten. Auch ge­genüber ei­ner ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­me­rin oh­ne ta­rif­li­chen Son­derkündi­gungs­schutz wäre nach Auf­fas­sung der Kam­mer al­len­falls ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung, nicht aber ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung in Be­tracht ge­kom­men. Ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung ist aber zu­guns­ten der Kläge­rin ta­rif­ver­trag­lich aus­ge­schlos­sen. Es be­steht des­halb kein Be­darf, zu­las­ten der Kläge­rin ei­ne Kor­rek­tur vor­zu­neh­men. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat in der ge­nann­ten Ent­schei­dung die Kor­rek­tur zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers für er­for­der­lich ge­se­hen. Ei­ne Kor­rek­tur der vor­be­schrie­be­nen Grund­wer­tung zu­guns­ten

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der Be­klag­ten er­scheint vor­lie­gend we­der ge­bo­ten noch ta­rif­lich zulässig. Sonst würde auf die­sem Um­weg der ta­rif­li­che Son­derkündi­gungs­schutz schlicht außer Kraft ge­setzt.

f) Es wäre eben­falls oh­ne Be­deu­tung, wenn die Be­klag­te der Kläge­rin bei ei­nem an sich ei­ne so­for­ti­ge Kündi­gung recht­fer­ti­gen­den Ver­hal­ten nur aus rein so­zia­len Erwägun­gen noch ei­ne wei­te­re Ver­trags­lauf­zeit ent­spre­chend der Dau­er der Kündi­gungs­frist zu­bil­li­gen woll­te. In ei­nem sol­chen Fall könn­te er­wo­gen wer­den, dass sich der ta­rif­li­che Son­derkündi­gungs­schutz zu Las­ten des Ar­beit­neh­mers aus­wir­ken würde, wenn man dem Ar­beit­ge­ber ei­ne sol­che Großzügig­keit mit dem Ar­gu­ment ver­weh­ren würde, er ver­hal­te sich wer­tungs­wi­dersprüchlich. Der Mo­ti­va­ti­on des Ar­beit­ge­bers, al­lein im In­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers und aus so­zia­len Gründen noch ei­ne ge­wis­se Ver­trags­lauf­zeit zu­zu­bil­li­gen, könn­te aber al­len­falls dann Be­deu­tung bei­ge­mes­sen wer­den, wenn der Ar­beit­ge­ber zu­gleich mit der Zu­bil­li­gung der Aus­lauf­frist endgültig und un­wi­der­ruf­lich auf die Wei­ter­beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers ver­zich­ten würde. In die­sem Fall würde sich die so­zia­le Aus­lauf­frist al­lein auf der Vergütungs­sei­te aus­wir­ken. Der Ar­beit­ge­ber hätte ent­spre­chend der ta­rif­li­chen und ge­setz­li­chen Sys­te­ma­tik kon­se­quent ge­han­delt, in­dem er das Ar­beits­verhält­nis - in tatsäch­li­cher Hin­sicht - be­en­det und nur noch im Hin­blick auf die Vergütung für ei­ne ge­wis­se Zeit auf­recht erhält. Die­ser Fall ist aber vor­lie­gend nicht ge­ge­ben. Die Be­klag­te hat die Kläge­rin nicht frei­ge­stellt. Die Kläge­rin wird bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist re­gulär wei­ter­beschäftigt.

Weil die Be­klag­te da­mit zu er­ken­nen ge­ge­ben hat, dass ihr je­den­falls die Wei­ter­beschäfti­gung bis zum Ab­lauf der fik­ti­ven Kündi­gungs­frist zu­mut­bar ist, lie­gen die ta­rif­li­chen Kündi­gungs­vor­aus­set­zun­gen gemäß § 34 Abs. 2 TVÖD nicht vor. Der Kündi­gungs­schutz­kla­ge war zu ent­spre­chen.

3. Da sich die streit­ge­genständ­li­che Kündi­gung als un­wirk­sam er­weist, war die Be­klag­te nach den Grundsätzen der Recht­spre­chung des Großen Se­nats beim Bun­des­ar­beits­ge­richt zur einst­wei­li­gen Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss die­ses Rechts­streits zu ver­ur­tei­len (vgl. Be­schluss vom 01.02.1985, 1 GS/84, AP Nr. 17 § 611 BGB Beschäfti­gungs­pflicht).

II.

Die Be­klag­te hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

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Da ge­gen die Ent­schei­dung über die Wirk­sam­keit der Kündi­gung gemäß § 64 Abs. 2 c ArbGG un­abhängig vom Be­schwer­de­wert die Be­ru­fung zulässig ist, hat die Kam­mer von ei­ner Wert­fest­set­zung im Ur­teil in­so­weit § 61 Abs. 1 ArbGG ab­ge­se­hen. Der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag wur­de mit ei­ner Brut­to­mo­nats­vergütung = 1.200,- EUR be­wer­tet.

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