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BAG setzt Chefarzt-Urteil des EuGH um
22.02.2019. Im September 2018 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) über den bekannten Fall eines katholischen Chefarztes, Prof. Romuald A., der von seinem (ebenfalls katholischen) Arbeitgeber wegen einer kirchenrechtlich unzulässigen Wiederverheiratung gekündigt worden war (EuGH, Urteil vom 09.11.2018, C-68/17, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 18/224 EuGH entscheidet im Düsseldorfer Chefarzt-Fall gegen die Caritas).
Die Kernaussage des EuGH-Urteils lautete:
Die von einem katholischen Krankenhaus gestellte Erwartung, ein katholischer Chefarzt müsse in seinem Privatleben das katholische Eheverständnis der Unauflöslichkeit der Ehe befolgen, entspricht nicht den Voraussetzungen, unter denen kirchliche Arbeitgeber ausnahmsweise religiöse Anforderungen an das Privatleben ihrer Arbeitnehmer stellen können, wenn das Krankenhaus auch nicht-katholische Chefärzte beschäftigt, denen es ein solches strikt-katholisches Privatleben nicht abverlangt (EuGH, Urteil vom 11.09.2018, C-68/17, Rn.58 bis 61).
Anders gesagt: Es ist eine unzulässige Diskriminierung wegen der (katholischen) Religion, wenn ein katholischer Arbeitgeber katholischen Führungskräften eine strengere Befolgung der katholischen Rechts- und Sittenvorschriften in ihrem Privatleben abverlangt als vergleichbaren nicht-katholischen Führungskräften.
Im Ergebnis machte der Gerichtshof im September 2018 kein Geheimnis aus seiner Beurteilung des Streitfalls, der zufolge das zur Caritas gehörende Düsseldorfer St. Vinzenz-Krankenhaus seinem Chefarzt für Innere Medizin Prof. Romuald A. zu Unrecht gekündigt hatte.
Nach Ansicht des EuGH konnte sich das Krankenhaus hier nicht auf Art.4 Abs.2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2000/78/EG berufen, d.h. darauf, dass die Beachtung des katholischen Eheverständnisses durch den Chefarzt eines katholischen Krankenhauses eine "wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation" sein soll.
Das letzte Wort in dem deutschen Kündigungs-Fall musste der EuGH allerdings dem Bundesarbeitsgericht (BAG) überlassen, das dem EuGH den Fall im Sommer 2016 zur Vorabentscheidung vorgelegt hatte (BAG, Beschluss vom 28.07.2016, 2 AZR 746/14 (A), wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 16/249 Kündigung wegen Wiederverheiratung als Diskriminierung).
Entsprechend den Vorgaben des EuGH kam das BAG, wie nicht anders zu erwarten war, vorgestern zu dem Schluss, dass die Kündigung des Chefarztes nicht gerechtfertigt war, und wies daher die Revision des Krankenhauses gegen das (zugunsten des Chefarztes ergangene) Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 01.07.2010 (5 Sa 996/09) zurück (BAG, Urteil vom 20.02.2019, 2 AZR 746/14).
Mit diesem Urteil zieht das BAG einen Schlussstrich unter einen fast zehnjährigen Rechtsstreit. Sein erstes Urteil in dieser Angelegenheit aus dem Jahr 2011 (BAG, Urteil vom 08.09.2011, 2 AZR 543/10, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 11/177 Kündigung eines Chefarztes wegen Wiederverheiratung?) hatte nämlich keinen Bestand, da es vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) auf Betreiben des Krankenhauses aufgehoben worden war (BVerfG, Beschluss vom 22.10.2014, 2 BvR 661/12, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 14/388 Kündigung durch kirchliche Arbeitgeber aus sittlich-moralischen Gründen). Damit allerdings wollte sich das BAG nicht abfinden und legte den Fall im Sommer 2016 wie erwähnt dem EuGH vor.
Auf der Grundlage des EuGH-Urteils vom 09.11.2018 (C-68/17) stellt das BAG nunmehr in seinem Urteil vom 20.02.2019 klar, dass die streitige Kündigung gegen das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) verstößt und daher unwirksam ist. Denn das Krankenhaus konnte sich zur Rechtfertigung der Kündigung weder auf Gründe im Verhalten des Chefarztes noch auf Gründe in seiner Person Person berufen, d.h. die Kündigung war weder als verhaltensbedingte noch als personenbedingte Kündigung gerechtfertigt.
Insbesondere verletzte der Chefarzt mit seiner Wiederverheiratung weder eine arbeitsvertraglich vereinbarte Loyalitätspflicht noch eine berechtigte Loyalitätserwartung des Krankenhauses, so die Erfurter Richter.
Die Arbeitsvertragsklausel, mit der auf die (heute nicht mehr geltende) Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (vom 22.09.1993) verwiesen wird, ist nämlich laut BAG gemäß § 7 Abs.2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) insoweit unwirksam, als dadurch das Leben in kirchlich ungültiger Ehe als Kündigungsgrund bzw. als "schwerwiegender Loyalitätsverstoß" bewertet wird.
Denn die Verpflichtung auf ein Leben im Einklang mit dem katholischen Eheverständnis benachteiligt den Chefarzt gegenüber nicht-katholischen Chefarzt-Kollegen, und zwar wegen seiner Zugehörigkeit zur katholischen Religion, d.h. hier liegt eine Benachteiligung wegen der Religion im Sinne von § 1 AGG vor.
Diese religionsbedingte Benachteiligung ist nicht gerechtfertigt, denn der einzige denkbare Rechtfertigungsgrund (§ 9 Abs.2 AGG) liegt hier nicht vor. Diese Vorschrift, der zufolge kirchliche Arbeitgeber "von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können", kann nicht in einem so weitgehenden (arbeitgeberfreundlichen) Sinne ausgelegt werden, dass die Kündigung im Streitfall rechtens wäre. Das ergibt sich aus dem EuGH-Urteil vom 09.11.2018 (C-68/17) bzw.
"aus einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 9 Abs.2 AGG, jedenfalls aber aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts. Die Loyalitätspflicht, keine nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der katholischen Kirche ungültige Ehe zu schließen, war im Hinblick auf die Art der Tätigkeiten des Klägers und die Umstände ihrer Ausübung keine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung." (BAG-Pressemeldung)
Fazit: Kirchliche Einrichtungen können heutzutage nicht mehr sämtliche Führungspositionen wie z.B. die eines Chefarztes mit Personen besetzen, die sich zu dem Glauben bekennen, den auch die Einrichtung vertritt. Demzufolge sind viele Führungsetagen "kirchlicher" Arbeitgeber weltanschaulich bunt gemischt, so z.B. im Düsseldorfer St. Vinzenz-Krankenhaus. In der arbeitsrechtlichen Konsequenz heißt das: Das Privatleben der Führungskräfte, die die zu der kirchlichen Einrichtung "passende" Konfession haben, geht den Arbeitgeber ebenso viel und ebenso wenig an wie das Privatleben der übrigen Führungskräfte.
Dem trägt mittlerweile auch die 2015 reformierte Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (vom 27.04.2015) Rechnung. Ihr zufolge ist die kirchenrechtlich unzulässige Ehe eines Kirchen-Mitarbeiters nur noch dann ein Kündigungsgrund, wenn sie "objektiv geeignet ist, ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen" (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 15/141 Reform der Grundordnung für den kirchlichen Dienst). Auf dieser Grundlage wäre die Kündigung des Düsseldorfer Chefarztes heute bereits kirchenrechtlich ausgeschlossen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.02.2019, 2 AZR 746/14
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.02.2019, 2 AZR 746/14 (Pressemeldung des BAG)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 09.11.2018, C-68/17 (katholischer Chefarzt)
- Generalanwalt beim EuGH Melchior Wathelet, Schlussanträge vom 31.05.2018, Rs. C-68/17 (katholischer Chefarzt)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 17.04.2018, C-414/16 (Egenberger)
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28.07.2016, 2 AZR 746/14 (A)
- Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22.10.2014, 2 BvR 661/12
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 08.09.2011, 2 AZR 543/10
- Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 01.07.2010, 5 Sa 996/09
- Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse, vom 27.04.2015
- Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse, vom 22.09.1993
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR)
- Handbuch Arbeitsrecht: Chefarzt
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Religion oder Weltanschauung
- Handbuch Arbeitsrecht: Gleichbehandlungsgrundsatz
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Personenbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verhaltensbedingte Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 20/089 Kündigung einer Pflegekraft wegen Misshandlung
- Arbeitsrecht aktuell: 20/063 Ausschlussfristen in Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) gekippt
- Arbeitsrecht aktuell: 18/262 Kirchen dürfen von Bewerbern keine Religionszugehörigkeit verlangen
- Arbeitsrecht aktuell: 18/224 EuGH entscheidet im Düsseldorfer Chefarzt-Fall gegen die Caritas
- Arbeitsrecht aktuell: 18/181 Gesteigerte Loyalitätspflichten christlicher Führungskräfte christlicher Einrichtungen?
- Arbeitsrecht aktuell: 18/096 Konfession als Voraussetzung der Einstellung?
- Arbeitsrecht aktuell: 16/249 Kündigung wegen Wiederverheiratung als Diskriminierung
- Arbeitsrecht aktuell: 15/141 Reform der Grundordnung für den kirchlichen Dienst
- Arbeitsrecht aktuell: 14/388 Kündigung durch kirchliche Arbeitgeber aus sittlich-moralischen Gründen
- Arbeitsrecht aktuell: 13/359 Kündigung wegen Ehebruchs
- Arbeitsrecht aktuell: 13/122 Kündigung nach Kirchenaustritt
- Arbeitsrecht aktuell: 12/235 Kündigung einer lesbischen Erzieherin
- Arbeitsrecht aktuell: 11/177 Kündigung eines Chefarztes wegen Wiederverheiratung?
- Arbeitsrecht aktuell: 10/205 Zweite Heirat als Kündigungsgrund?
Letzte Überarbeitung: 28. September 2021
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