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Kündigung einer lesbischen Erzieherin
19.06.2012. Mütter und Väter von Kleinkindern können bis zum dritten Lebensjahr Elternzeit in Anspruch nehmen. Das bedeutet, dass sie für längere Zeit von der Arbeit ohne Bezahlung freigestellt werden. Für die ersten 12, maximal 13 Monate gibt es dafür eine staatliche Lohnersatzleistung, das Elterngeld. Die Kündigung eines Arbeitnehmers während der Elternzeit ist gemäß § 18 Abs.1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) generell ausgeschlossen.
In Ausnahmefällen ist eine Kündigung aber trotz Elternzeit möglich. Dafür muss die Kündigung aber vorab behördlich für zulässig erklärt werden. Das ist nach § 18 Abs.1 Satz 1 BEEG aber nur "in besonderen Fällen" und nur "ausnahmsweise" möglich. In einem heute entschiedenen Fall musste das Verwaltungsgericht (VG) Augsburg die Frage beantworten, ob die katholische Kirche als Arbeitgeber einer lesbischen Erzieherin während der Elternzeit kündigen kann, d.h. ob unter solchen Umständen ein "besonderer Fall" vorliegt: VG Augsburg, Urteil vom 19.06.2012, Au 3 K 12.266 (Pressemitteilung juris).
- Droht schwulen und lesbischen Arbeitnehmern der katholischen Kirche eine Kündigung?
- Der Streitfall: Lesbische Erzieherin in katholischem Kindergarten geht wähernd der Elternzeit eine Lebenspartnerschaft ein
- Verwaltungsgericht Augsburg: Während der Elternzeit muss sich die Kirche vorübergehend mit einer lesbischen Angestellten arrangieren
Droht schwulen und lesbischen Arbeitnehmern der katholischen Kirche eine Kündigung?
Arbeitnehmer, die direkt bei der Kirche oder bei einer kirchlich getragenen Einrichtung beschäftigt sind, haben eine arbeitsrechtliche Sonderstellung. Einerseits richtet sich ihr Arbeitsverhältnis nach dem Kirchenrecht, das in aller Regel über arbeitsvertragliche Klausel in Bezug genommen wird. Andererseits unterstehen natürlich auch solche Arbeitsverhältnisse dem deutschen Arbeitsrecht.
Daher können sich Arbeitnehmer in kirchlichen Einrichtungen wie alle Arbeitnehmer auf den arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz berufen, nach dem Kündigungen des Arbeitgebers nur wirksam sind, wenn sie „sozial gerechtfertigt“, d.h. durch Gründe in der Person oder Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers oder durch betriebsbedingte Gründe bedingt sind.
Allerdings: Verstößt ein bei der Kirche beschäftigter Arbeitnehmer gegen kirchliche Moralregeln, kann das eine verhaltensbedingte Kündigung und/oder eine personenbedingte Kündigung zur Folge haben. Denn während die Religion bei "normalen" Arbeitnehmern Privatsache ist, ist sie bei Arbeitnehmern kirchlicher Einrichtungen - auch - Bestandteil des Arbeitsverhältnisses.
Wird über die Wirksamkeit solcher Kündigungen vor Gericht gestritten, müssen die Gerichte grundrechtlich geschützte Positionen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber (Kirche) gegeneinander abwägen.
Die Kirche bzw. die kirchliche Einrichtung kann sich auf ihr Selbstbestimmungsrecht berufen, das durch Art. 140 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art.137 Abs. 3 Weimarer Rechtsverfassung (WRV) garantiert ist, und auf die dahinter stehende Religionsfreiheit (Art. 4 GG). Der Arbeitnehmer kann sich auf seine - ebenfalls verfassungsrechtlich garantierte - allgemeine Handlungsfreiheit und auf sein Persönlichkeitsrecht berufen.
Wie diese Rechtspositionen im Einzelfall zu bewerten sind, ist schwierig zu entscheiden. In dem heute entschiedenen Fall des VG Augsburg war die streitige Kündigung noch gar nicht ausgesprochen, sondern stand nur als Ziel des Arbeitgebers im Raum. Denn der Arbeitgeber wollte eine Arbeitnehmerin in der Elternzeit wegen Verstoßes gegen katholische Moralgrundsätze kündigen. Und da Arbeitnehmer während der Elternzeit im Allgemeinen unkündbar sind, brauchte der Arbeitgeber gemäß § 18 Abs.1 Sätze 2, 3 BEEG die vorherige Zustimmung der Behörde.
Der Streitfall: Lesbische Erzieherin in katholischem Kindergarten geht wähernd der Elternzeit eine Lebenspartnerschaft ein
Die Leiterin eines katholischen Kindergartens beantragte wegen der Geburt eines Kindes Elternzeit. Bei dieser Gelegenheit teilte sie ihrem Arbeitgeber mit, dass sie eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft begründet hatte.
Die Pfarrkirchenstiftung fasste daraufhin den Entschluss, der Erzieherin wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre zu kündigen. Wegen der Elternzeit brauchte sie dafür die Zustimmung des Gewerbeaufsichtsamtes.
Das Amt lehnte den Antrag mit der Begründung ab, es habe sich weltanschaulich neutral zu verhalten und sei an die Wertung der Kirche nicht gebunden.
Daraufhin zog die Kirche vor das Verwaltungsgericht Augsburg, um dort die behördliche Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung zu erlangen.
Verwaltungsgericht Augsburg: Während der Elternzeit muss sich die Kirche vorübergehend mit einer lesbischen Angestellten arrangieren
Auch vor dem Verwaltungsgericht war die Kirche nur zweiter Sieger.
In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung (juris) heißt es zur Begründung, dass nach Auffassung des Gerichts die Behörde sehr wohl "das kirchliche Selbstbestimmungsrecht hätte berücksichtigen müssen". Das war aber noch nicht genug, um den Prozess zu gewinnen. Denn einen "besonderen Fall" im Sinne von § 18 Abs.1 Satz 2 BEEG, in dem eine Kündigung auch während der Elternzeit ausnahmsweise einmal für zulässig erklärt werden kann, konnte das Gericht hier im Streitfall nicht erkennen.
Letztlich bewertete das Gericht das Interesse der Erzieherin an einem kontinuierlichen Erwerbsleben und an der Einhaltung der Kündigungsfrist nach Ablauf ihrer Elternzeit als wichtiger gegenüber dem Interesse der Kirche, das Arbeitsverhältnis schon während der Elternzeit zu beenden.
Bei der Abwägung spielte auch eine Rolle, dass der Staat seit einigen Jahren Lebenspartnerschaften ausdrücklich zulässt, dass die Erzieherin schon seit 13 Jahren in dem Kindergarten beschäftigt war und dass nicht sie es war, die den Fall öffentlich gemacht hatte, sondern ihr Arbeitgeber.
Dieses Urteil ist nicht selbstverständlich. Denn nach der Grundordnung des kirchlichen Dienstes soll eine Kündigung ausgesprochen werden, wenn ein leitend tätiger Mitarbeiter einen von der Grundordnung als schwerwiegend bewerteten Loyalitätsverstoß begeht und damit in gravierender Weise gegen Grundsätze der katholischen Kirche verstößt. Das ist nach der Grundordnung unter anderem dann der Fall beim "Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe".
Daher sind Personalverantwortliche katholischer Einrichtungen infolge der Grundordnung gehalten, auf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit leitenden Mitarbeitern hinwirken, wenn diese in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft leben oder wenn sie nach einer "weltlichen" Scheidung erneut heiraten, ohne zuvor die Ehe nach kirchlichem Recht annulieren zu lassen.
Damit haben katholische Einrichtungen in den letzten Jahren aber vor Gericht nur noch selten Erfolg. Denn die Gerichte bekennen sich zwar zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht, lassen aber Kündigungen, die mit Verstößen gegen die kirchliche Moral begründet werden, oft bei der Interessenabwägung scheitern.
Fazit: Nach der aktuellen Rechtsprechung haben das Persönlichkeitsrecht und die Privatsphäre leitender Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen bei der Abwägung Vorrang gegenüber den moralischen Regeln, die in der Grundordnung des kirchlichen Dienstes festgeschrieben sind. Das zeigt auch der vorliegende Fall.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Verwaltungsgericht Augsburg, Urteil vom 19.06.2012, Au 3 K 12.266 (Pressemitteilung juris)
- Süddeutsche Zeitung: Kirche unterliegt vor Gericht. Lesbische Erzieherin darf ihren Job behalten
- Handbuch Arbeitsrecht: Elternzeit, Elterngeld
- Handbuch Arbeitsrecht: Unkündbarkeit
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das VG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des VG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 16. November 2020
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