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Kündigung wegen Ehebruchs
04.12.2013. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hatte vor kurzem zu entscheiden, ob die katholische Kirche als Arbeitgeber berechtigt ist, einen verheirateten Kirchenmusiker aus verhaltensbedingten Gründen zu kündigen, weil dieser ein ehebrecherisches Verhältnis mit einer im Kirchenchor aktiven, ebenfalls verheirateten Frau hat.
Eine solche Kündigungsschutzstreitigkeit ist ein "schwieriger Fall", weil der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vor drei Jahren in einem ähnlichen Fall einem gekündigten Kirchenmusiker Recht gegeben hat. Hier lag laut EGMR eine Verletzung von Art.8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vor, d.h. des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (EGMR, Urteil vom 23.09.2010, Beschwerde Nr. 1620/03 - Schüth).
Allerdings hatte der damals betroffene Kirchenmusiker vor dem EGMR "nur" deshalb Erfolg, weil der Gerichtshof meinte, die deutschen Gerichte hätten seine Belange nicht ausreichend in einer Gesamtabwägung berücksichtigt. Ein allgemeines "Recht auf Ehebruch" kirchlicher Arbeitnehmer hat der Gerichtshof keineswegs aufgestellt.
Seit dem Schüth-Urteil ist die Zulässigkeit von Kündigungen mit einem solchen Hintergrund daher schwer zu beurteilen. Entsprechend umfangreich ist die Urteilsbegründung des LAG ausgefallen: LAG Hamm, Urteil vom 14.06.2013, 10 Sa 18/13.
- Kann die katholischen Kirche einem Organisten und Chorleiter wegen einer außerehelichen geschlechtlichen Beziehung kündigen?
- Der Streitfall: Katholische Kirchengemeinde kündigt einen Kantor, Organisten und Chorleiter wegen ehebrecherischer Liebesbeziehung
- LAG Hamm: Ein Kirchenmusiker, der in der Gemeinde eine ehebrecherische Beziehung pflegt und dazu wahrheitswidrige Erklärungen abgibt, kann verhaltensbedingt gekündigt werden
Kann die katholischen Kirche einem Organisten und Chorleiter wegen einer außerehelichen geschlechtlichen Beziehung kündigen?
Wer bei der Kirche oder einer kirchlichen Sozialeinrichtung als Arbeitnehmer beschäftigt ist, kann sich auf den Kündigungsschutz nach dem KSchG berufen, denn er ist Arbeitnehmer. Aber kein gewöhnlicher, denn mit seiner Unterschrift unter den Arbeitsvertrag hat er erklärt, die kirchlichen Rechtsregeln zu beachten.
Im Bereich der katholischen Kirche gehört zu diesen Regeln die "Grundordnung des kirchlichen Dienstes" (Grundordnung), und die schreibt den Beschäftigten in Art.4 Abs.1 vor, die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anzuerkennen und zu beachten.
Konkret heißt das gemäß Art.5 Abs.2 Zweiter Spiegelstrich der Grundordnung, dass der "Abschluß einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe" als schwerwiegender Pflichtverstoß im Allgemeinen eine Kündigung rechtfertigt.
Fraglich ist allerdings, ob auch ein Ehebruch unter diese Vorschrift fällt, denn damit wird ja keine "ungültige Ehe" begründet.
Gegen eine Einbeziehung des Ehebruchs unter diese Vorschrift spricht, dass das katholische Kirchengesetz, der "codex iuris canonici (cic)", den Ehebruch im Jahre 1983 als strafbewehrtes Vergehen ("crimen") abgeschafft hat.
Dafür spricht allerdings, dass die Ehe weiterhin nach kirchlichem Verständnis als Sakrament heilig ist und vom Menschen nicht aufgelöst werden kann (abgesehen vom Ausnahmefall einer kirchlichen "Annullierung" einer Ehe). Außerdem ist der Ehebruch ein Verstoß gegen das Sechste Gebot.
Abgesehen von der Frage, wie Art.5 Abs.2 Zweiter Spiegelstrich der Grundordnung zu verstehen bzw. auszulegen ist, fragt sich aufgrund des o.g. Schüth-Urteils des EGMR, ob eine Kündigung als Reaktion auf den Ehebruch eines angestellten Kirchenmusikers nicht generell eine zu harte Reaktion ist, weil sie sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art.8 EMRK) nicht ausreichend beachtet.
Der Streitfall: Katholische Kirchengemeinde kündigt einen Kantor, Organisten und Chorleiter wegen ehebrecherischer Liebesbeziehung
Im Streitfall ging es um einen 1964 geborenen Kantor, Organisten und Chorleiter einer katholischen Kirchengemeinde, die mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigte. Dort war er seit 2001 beschäftigt, so dass er Kündigungsschutz in Anspruch nehmen konnte. Er war standesamtlich und kirchlich verheiratet, Vater zweier erwachsener Kinder und lebte von seiner Ehefrau getrennt.
Im September 2011 gab es Ärger, denn ein Gemeindemitglied beschwerte sich im Gemeindebüro darüber, dass der Musiker seine Ehe zerstört habe, indem er ein Liebesverhältnis mit seiner Frau unterhalte. Kurz darauf zog die Frau aus dem gemeinsamen Haus aus.
Der Musiker wurde dazu befragt und leugnete zunächst, die Wohnung seiner Geliebten zu kennen, doch gab es handfeste Beweise dafür, dass er dort regelmäßig übernachtete. Später hüllte er sich zu den Einzelheiten seiner Beziehung in Schweigen.
Die Kirche hörte ihn zu den Vorwürfen an, denn er war mehrfach händchenhaltend mit seiner Geliebten gesehen worden. Daraufhin erklärte er, dass er zwar ein Liebesverhältnis mit ihr habe, allerdings nichts „Verbotenes" tue.
Besonders ärgerlich für die Kirche: Die Geliebte des Musikers sang in dem Kirchenchor, den der Musiker leitete, und er gab ihr auch in der Kirche Orgelunterricht.
Schließlich kündigte die Kirche das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos, hilfsweise ordentlich aus verhaltensbedingten Gründen. Diese Kündigungen stützte sie auf den Vorwurf des Ehebruchs, hilfsweise auf den dementsprechenden Tatverdacht, d.h. sie sprach auch entsprechende Verdachtskündigungen aus.
Der Musiker erhob Kündigungsschutzklage und hatte damit in der ersten Instanz Erfolg (Arbeitsgericht Bocholt, Urteil vom 05.10.2012, 2 Ca 786/12).
LAG Hamm: Ein Kirchenmusiker, der in der Gemeinde eine ehebrecherische Beziehung pflegt und dazu wahrheitswidrige Erklärungen abgibt, kann verhaltensbedingt gekündigt werden
Das LAG hielt die fristlose Kündigung zwar für rechtswidrig, meinte aber, dass die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung rechtens war.
Ob der Ehebruch unter Art.5 Abs.2 Zweiter Spiegelstrich der Grundordnung fällt (was der Musiker bestritten hatte), ließ das LAG offen. Wohl auch zurecht, denn Art.5 Abs.2 zählt die schwerwiegenden, d.h. eine Kündigung rechtfertigenden Verfehlungen nur beispielhaft auf.
Statt auf den zweiten Spiegelstrich stützte das Gericht die Kündigung auf Art.5 Abs.2 Erster Spiegelstrich der Grundordnung. Danach kann eine Kündigung bei einer "schwerwiegenden persönlichen sittlichen Verfehlung" ausgesprochen werden. Und der Ehebruch, so das LAG, ist nach wie vor eine solche Verfehlung im Sinne der katholischen Glaubens- und Sittenlehre.
Die Berechtigung der Kirche, ihre Arbeitnehmer vertraglich zur Einhaltung kirchlicher bzw. religiöser Moralregeln zu verpflichteten, leitet das Gericht unter Berufung auf die einschlägige Rechtsprechung aus dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen her, das durch Art.140 Grundgesetz (GG) in Verb. mit Art.137 Abs.3 Weimarer Rechtsverfassung (WRV) und auch aufgrund der Religionsfreiheit (Art. 4 GG) geschützt ist.
Und dass der Kläger einen fortgesetzten Ehebruch begangen hatte, stand zur Überzeugung des Gerichts fest, da der Kläger zu den vielen von der Kirche vorgetragenen Details der Affäre vor Gericht geschwiegen hatte.
Damit lag ein erheblicher Pflichtverstoß vor, der die Kirche im Allgemeinen zur Kündigung berechtigen würde, so dass sich die Frage stellte, die Kündigung auch verhältnismäßig war. Bei der hier erforderlichen Abwägung der beiderseitigen Interessen gab sich das Gericht mit Blick auf die o.g. Schüth-Entscheidung des EGMR besonders viel Mühe.
Letztlich bewertete das LAG das Interesse des Kirche an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus folgenden Gründen als wichtiger im Vergleich zu dem Fortsetzungsinteresse des Klägers und seiner durch Art.8 EMRK geschützten Privatsphäre:
- Der Kläger hatte sich von den Glaubensgrundsätzen der katholischen Kirche abgewandt, indem er mehrfach behauptete, "nichts Verbotenes" zu tun.
- Der Arbeitgeber war keine "entfernt kirchliche Einrichtung" wie z.B. ein Kindergarten oder ein Krankenhaus, sondern eine Kirchengemeinde.
- Der Kläger war als Kirchenmusiker im "verkündigungsnahen" Bereich tätig, denn man kann als Laie der Verkündigung "schwerlich näher kommen (...) als ein Mitarbeiter im liturgischen Dienst", so das LAG.
- Der Ehebruch spielte sich nicht allein in der Privatsphäre des Klägers ab, sondern hatte eine besondere Nähe zum Arbeitsverhältnis. Denn die Geliebte des Musikers war Mitglied des von diesem geleiteten Kirchenchors und nahm bei ihm Unterricht an den Orgeln der Kirche. Zu allem Überfluss war auch die Ehefrau des Klägers Mitglied des Kirchenchors.
- Schließlich hatte der Kläger nicht nur zu seiner ehebrecherischen Beziehung geschwiegen, sondern seinem Arbeitgeber gegenüber zunächst wahrheitswidrige Angaben gemacht, d.h. er hatte seine Vorgesetzten belogen. Dadurch hatte er das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem Arbeitgeber zusätzlich schwer belastet.
Fazit: Der Musiker ist in dem hier vom LAG Hamm entschiedenen Streitfall bewusst auf Konfrontation gegangen, d.h. er hatte von vornherein das Recht auf Achtung der Privatsphäre (Art.8 EMRK) und das Schüth-Urteil des EGMR ausgereizt. Ob er damit zu weit gegangen ist oder nicht, wird der weitere Verlauf des Verfahrens zeigen, denn das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen, und der Kläger hat von diesem Rechtsmittel mittlerweile Gebrauch gemacht.
Wie das BAG entscheiden wird, ist offen, aber es spricht einiges dafür, dass die Kirche auch vor dem BAG Recht behalten wird. Möglicherweise wird dieser Fall dann erneut zum EGMR gehen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 14.06.2013, 10 Sa 18/13
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 08.09.2011, 2 AZR 543/10
- Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 01.07.2010, 5 Sa 996/09
- Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 23.09.2010, Beschwerde Nr. 1620/03 (Bernhard Josef Schüth gg. Deutschland)
- Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 23.09.2010, Beschwerde Nr. 425/03 (Michael Heinz Obst gg. Deutschland)
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Letzte Überarbeitung: 16. November 2020
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