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ARBEITSRECHT AKTUELL // 14/182

Au­ßer­or­dent­li­che Kün­di­gung und Zwei­wo­chen­frist

Der Ar­beit­ge­ber kann ei­ne au­ßer­or­dent­li­che Kün­di­gung vom Aus­gang ei­nes be­am­ten­recht­li­chen Dis­zi­pli­nar­k­la­ge­ver­fah­rens ab­hän­gig ma­chen: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 26.09.2013, 2 AZR 741/12
Gesetzestext mit darauf liegendem Holzkreuz

19.05.2014. Den Aus­spruch ei­ner au­ßer­or­dent­li­chen Kün­di­gung dür­fen Ar­beit­ge­ber nicht lan­ge vor sich her­schie­ben, denn für ei­ne sol­che Kün­di­gung hat man ab Kennt­nis des Kün­di­gungs­grun­des nur zwei Wo­chen Zeit.

Die Zwei­wo­chen­frist er­gibt sich aus § 626 Abs.2 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) und soll dem ge­kün­dig­ten Ar­beit­neh­mer rasch Klar­heit dar­über ver­schaf­fen, ob der Ar­beit­ge­ber das Ver­trags­ver­hält­nis fort­set­zen will oder nicht.

Be­steht der Kün­di­gungs­grund in ei­ner (mög­li­chen) Straf­tat, kön­nen Ar­beit­ge­ber trotz der ge­setz­li­chen Zwei­wo­chen­frist den Aus­gang ei­nes Straf­ver­fah­rens ab­war­ten, um auf die­se Wei­se ge­naue­re In­for­ma­tio­nen über den Kün­di­gungs­sach­ver­halt zu ge­win­nen.

In ei­nem ak­tu­el­len Ur­teil hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ent­schie­den, dass der Ar­beit­ge­ber auch den Aus­gang ei­nes be­am­ten­recht­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens ab­war­ten kann, be­vor er au­ßer­or­dent­lich kün­digt: BAG, Ur­teil vom 26.09.2013, 2 AZR 741/12.

Wie lan­ge können sich Ar­beit­ge­ber mit ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung Zeit las­sen?

Wer al­le kündi­gungs­re­le­van­ten Tat­sa­chen kennt, sich aber länger als zwei Wo­chen mit dem Aus­spruch ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung Zeit lässt, hat sein Kündi­gungs­recht gemäß § 626 Abs.2 BGB ver­wirkt. Denn in ei­nem sol­chen Fall brennt die Kündi­gungs­ent­schei­dung dem Ar­beit­ge­ber of­fen­bar nicht auf den Nägeln, und dann ist ihm auch zu­zu­mu­ten, ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung aus­zu­spre­chen und da­mit die Kündi­gungs­fris­ten ab­zu­war­ten.

Die Zwei­wo­chen­frist läuft al­ler­dings nicht, so­lan­ge der Ar­beit­ge­ber die Tat­sa­chen, auf die er die Kündi­gung stützen möch­te, erst ein­mal aufklärt. In der Re­gel be­ste­hen sol­che Aufklärungs­ver­su­che in ei­ner Be­fra­gung des Ar­beit­neh­mers und/oder von Zeu­gen.

Manch­mal möch­ten sich Ar­beit­ge­ber aber auch die Er­kennt­nis­se zu­nut­ze ma­chen, die das Er­geb­nis ei­nes Straf­ver­fah­rens sind. Das ist nach der Recht­spre­chung in Ord­nung, denn weil der Ar­beit­ge­ber nicht die Möglich­kei­ten der Sach­ver­halts­aufklärung hat, wie sie der Po­li­zei, der Staats­an­walt­schaft und den Straf­ge­rich­ten zur Verfügung ste­hen, läuft die Frist des § 626 Abs.2 BGB nicht, wenn der Ar­beit­ge­ber vor sei­ner Kündi­gung erst ein­mal den Aus­gang ei­nes Er­mitt­lungs­ver­fah­ren oder ei­nes Straf­pro­zes­ses ab­war­ten möch­te.

Aber kann der Ar­beit­ge­ber, der ei­nen Be­am­ten im Ne­ben­job als Ar­beit­neh­mer beschäftigt, bei schwe­ren Ver­feh­lung erst ein­mal ab­war­ten, was aus dem Be­am­ten­verhält­nis wird, d.h. wie ein be­am­ten­recht­li­ches Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren aus­geht?

Der Streit­fall: Ne­ben­be­ruf­lich für die Kir­che ar­bei­ten­der Leh­rer wird aus dem Be­am­ten­verhält­nis we­gen se­xu­el­ler Be­zie­hung zu ei­ner Schüle­rin ent­fernt und erhält dar­auf­hin die Kündi­gung von der Kir­che

Im Streit­fall ging es um ei­nen ne­ben­be­ruf­lich für die evan­ge­li­sche Kir­che ar­bei­ten­den Kir­chen­mu­si­ker, der in sei­nem Haupt­be­ruf ver­be­am­te­ter Leh­rer an ei­ner staat­li­chen Schu­le war.

Im Jah­re 2005 zeig­te ihn ei­ne ehe­ma­li­ge Schüle­rin we­gen ei­ner se­xu­el­len Be­zie­hung an, die er vor vie­len Jah­ren mit ihr als min­derjähri­ger Schutz­be­foh­le­ner un­ter­hal­ten hat­te.

Auf­grund die­ser Vorfälle hat­te die Kir­che kein Ver­trau­en mehr in den Mu­si­ker und stell­te ihn ab Mit­te 2006 von der Ar­beits­leis­tung frei. Ab Ja­nu­ar 2008 zahl­te sie ihm auch sein Ge­halt nicht mehr.

Der Dienst­herr streng­te in der Zwi­schen­zeit ein Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ge­gen den Leh­rer an, das im De­zem­ber 2010 in der zwei­ten ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen In­stanz mit ei­nem rechts­kräfti­gen Ur­teil des Baye­ri­schen Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs (VGH) zu sei­nen Las­ten en­de­te, d.h. ab die­sem Zeit­punkt war er kein Be­am­ter mehr.

Knapp zwei Wo­chen nach­dem der VGH sein Ur­teil gefällt hat­te sprach die Kir­che ei­ne außer­or­dent­li­che und frist­lo­se Kündi­gung aus, die sie auf ei­ne von dem Mu­si­ker be­gan­ge­ne schwe­re sitt­li­che Ver­feh­lung stütz­te. Der Mu­si­ker er­hob Kündi­gungs­schutz­kla­ge.

Da­bei be­stritt er die se­xu­el­le Be­zie­hung zu der ehe­ma­li­gen Schüle­rin nicht, son­dern be­rief sich dar­auf, dass die Kir­che viel früher hätte kündi­gen können, da ihr doch al­le Ein­zel­hei­ten des Fal­les spätes­tens seit Ok­to­ber 2010 auf­grund von Zei­tungs­be­rich­ten be­kannt wa­ren. Da­her war aus Sicht des Mu­si­kers die Zwei­wo­chen­frist des § 626 Abs.2 BGB zum Zeit­punkt der Kündi­gung schon ab­ge­lau­fen und die Kündi­gung un­wirk­sam.

Das Ar­beits­ge­richt Nürn­berg wies die Kla­ge ab (Ur­teil vom 07.11.2011, 3 Ca 284/11), wo­hin­ge­gen der Kläger vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nürn­berg Er­folg hat­te (Ur­teil vom 12.06.2012, 7 Sa 33/12). Aus Sicht des LAG hat­te das Be­ob­ach­ten des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens durch die Kir­che hier kei­nen Sinn (so dass die Zwei­wo­chen­frist ab­ge­lau­fen war), weil die se­xu­el­le Be­zie­hung des Klägers zu ei­ner min­derjähri­gen Schüle­rin auch oh­ne das Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren bei der Kir­che be­reits be­kannt wa­ren. 

BAG: Der Ar­beit­ge­ber kann ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung vom Aus­gang ei­nes be­am­ten­recht­li­chen Dis­zi­pli­nar­k­la­ge­ver­fah­rens abhängig ma­chen

Das BAG hob die Ent­schei­dung des LAG auf und wies die Be­ru­fung des Kir­chen­mu­si­kers ge­gen das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil zurück. Da­mit hat­te der Mu­si­ker nicht nur sein Be­am­ten­verhält­nis ver­lo­ren, son­dern auch sei­nen Ne­ben­job bei der Kir­che.

Zur Be­gründung ver­weist das BAG zunächst dar­auf, dass die Kir­che ei­nen "wich­ti­gen Grund" für die strei­ti­ge außer­or­dent­li­che und frist­lo­se Kündi­gung des An­stel­lungs­verhält­nis­ses hat­te, denn nach den kirch­li­chen Ar­beits­rechts­re­ge­lung (ARR), die der Mu­si­ker be­ach­ten muss­te, stellt ei­ne "schwer­wie­gen­de persönli­che sitt­li­che Ver­feh­lung" ei­nen Loya­litäts­ver­s­toß dar, der die Kir­che zur Kündi­gung be­rech­tigt. Ei­ne sol­che Ver­feh­lung hat­te sich der Kläger hier im Streit­fall zu­schul­den kom­men las­sen, so das BAG.

Nach An­sicht des BAG hat­te die Kir­che auch die Zwei­wo­chen­frist ein­ge­hal­ten, denn sie durf­te sich mit dem Aus­spruch der Kündi­gung Zeit las­sen, bis das Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren rechts­kräftig ab­ge­schlos­sen war. Denn ob­wohl die Kir­che die Ver­feh­lun­gen des Klägers be­reits kann­te und das Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren da­her nicht zu ei­ner wei­te­ren Sach­ver­halts­aufklärung bei­tra­gen konn­te, durf­te die Kir­che den Aus­gang des Ver­fah­rens ab­war­ten, weil es ihr auf das ver­wal­tungs­ge­richt­li­che Wert­ur­teil an­kam, das mit ei­ner Ent­fer­nung des Klägers aus dem Schul­dienst ver­bun­den war.

Hier­zu hat­te die Kir­che vor­ge­tra­gen, sie ha­be sich nur schwer vor­stel­len können, den Kläger aus ih­ren Diens­ten zu ent­las­sen, wenn er als Leh­rer im staat­li­chen Schul­dienst wei­ter hätte un­ter­rich­ten dürfen. Die­se Un­si­cher­heit bei der Be­wer­tung wa­ren ein sach­li­cher Grund, vor Aus­spruch der Kündi­gung das Ur­teil des VGH ab­zu­war­ten, so das BAG.

Fa­zit: Der Ar­beit­ge­ber darf nicht nur Straf­ver­fah­ren, son­dern auch be­am­ten­recht­li­che Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ab­war­ten, um ei­ne bes­se­re Grund­la­ge für ei­ne in Aus­sicht ge­nom­me­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung zu er­hal­ten. Die­se Grund­la­ge kann nicht nur in ei­ner ge­naue­ren Tat­sa­chen­kennt­nis be­ste­hen, son­dern auch in ei­ner Ver­ge­wis­se­rung über die recht­li­che Be­wer­tung des Ver­hal­tens, auf das der Ar­beit­ge­ber sei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung stützen will.

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Letzte Überarbeitung: 13. September 2018

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