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LAG Hamm, Urteil vom 14.06.2013, 10 Sa 18/13
Schlagworte: | Kirche, Kündigung: Verhaltensbedingt, AVR, Kündigung: Kirche | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Hamm | |
Aktenzeichen: | 10 Sa 18/13 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 14.06.2013 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | ||
10 Sa 18/13
2 Ca 786/12
ArbG Bocholt
Verkündet am
14. Juni 2013
Neugebauer
Regierungsbeschäftigte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Landesarbeitsgericht Hamm
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2013
durch den Richter am Arbeitsgericht Dr. Niemann als Vorsitzenden
sowie die ehrenamtlichen Richter Linde und Müller
für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen – das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 5. Oktober 2012 – 2 Ca 786/12 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 25. April 2012 aufgelöst worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger hat 2/3, die Beklagte 1/3 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
2
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen fristgerechten Kündigung.
Der im April 1964 geborene Kläger ist seit März 2001 bei der Beklagten, mehr als zehn Vollzeitarbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigenden Kirchengemeinde als Kantor, Organist und Chorleiter (KOCH) gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.535,43 Euro tätig. Im Arbeitsvertrag (Bl. 10 - 11 d.A.) ist klargestellt, dass der Dienst in der katholischen Kirche vom Mitarbeiter erfordert, dass er seine persönliche Lebensführung nach der Glaubens- und Sittenlehre und den sonstigen Normen der katholischen Kirche einrichtet. Zudem wird die Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) in ihrer jeweiligen Fassung einschließlich der Anlagen in Bezug genommen. Nach der Präambel der KAVO ist die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22. September 1993 (GrO) Grundlage und in ihrer jeweiligen Fassung Bestandteil der KAVO. In der GrO heißt es auszugsweise:
„Artikel 1
Grundprinzipien des kirchlichen Dienstes
Alle in einer Einrichtung der katholischen Kirche Tätigen tragen durch ihre Arbeit ohne Rücksicht auf die arbeitsrechtliche Stellung gemeinsam dazu bei, dass die Einrichtung ihren Teil am Sendungsauftrag der Kirche erfüllen kann (Dienstgemeinschaft). Alle Beteiligten, Dienstgeber sowie leitende und ausführende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, müssen anerkennen und ihrem Handeln zugrunde legen, dass Zielsetzung und Tätigkeit, Organisationsstruktur und Leitung der Einrichtung, für die sie tätig sind, sich an der Glaubens- und Sittenlehre und an der Rechtsordnung der katholischen Kirche auszurichten haben.
(...)
3
Artikel 4
Loyalitätsobliegenheiten
(1) Von den katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten. Insbesondere im pastoralen, katechetischen und erzieherischen Dienst sowie bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica tätig sind, ist das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erforderlich. Dies gilt auch für leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
(...)
(4) Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben kirchenfeindliches Verhalten zu unterlassen. Sie dürfen in ihrer persönlichen Lebensführung und in ihrem dienstlichen Verhalten die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, in der sie beschäftigt sind, nicht gefährden.
Artikel 5
Verstöße gegen Loyalitätsobliegenheiten
(1) Erfüllt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Beschäftigungsanforderungen nicht mehr, so muss der Dienstgeber durch Beratung versuchen, dass die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter diesen Mangel auf Dauer beseitigt. Im konkreten Fall ist zu prüfen, ob schon ein solches klärendes Gespräch oder eine Abmahnung, ein formeller Verweis oder eine andere Maßnahme (z.B. Versetzung, Änderungskündigung) geeignet sind, dem Obliegenheitsverstoß zu begegnen. Als letzte Maßnahme kommt eine Kündigung in Betracht.
(2) Für eine Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen sieht die Kirche insbesondere folgende Loyalitätsverstöße als schwerwiegend an.
- Verletzungen der gemäß Art. 3 und 4 von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter zu erfüllenden Obliegenheiten, insbesondere Kirchenaustritt, öffentliches Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (z.B. hinsichtlich der Abtreibung) und schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlungen,
- Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe
- Handlungen, die kirchenrechtlich als eindeutige Distanzierung von der katholischen Kirche anzusehen sind, vor allem Abfall vom Glauben (Apostasie oder Häresie gemäß c. 1364 § 1 i.V. mit c. 751 CIC), Verunehrung der heiligen Eucharistie (c. 1367 CIC),
4
öffentliche Gotteslästerung und Hervorrufen von Hass und Verachtung gegen Religion und Kirche (c. 1369 CIC), Straftaten gegen die kirchlichen Autoritäten und die Freiheit der Kirche (insbesondere gemäß den cc. 1373, 1374 CIC).
(3) Ein nach Absatz 2 generell als Kündigungsgrund in Betracht kommendes Verhalten schließt die Möglichkeit einer
Weiterbeschäftigung aus, wenn es begangen wird, von pastoral, katechetisch oder leitend tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica tätig sind. Von einer Kündigung kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn schwerwiegende Gründe des Einzelfalles diese als unangemessen erscheinen lassen.
(4) Wird eine Weiterbeschäftigung nicht bereits nach Abs. 3 ausgeschlossen, so hängt im Übrigen die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung von den Einzelfallumständen ab, insbesondere vom Ausmaß einer Gefährdung der Glaubwürdigkeit von Kirche und kirchlicher Einrichtung, von der Belastung der kirchlichen Dienstgemeinschaft, der Art der Einrichtung, dem Charakter der übertragenen Aufgabe, deren Nähe zum kirchlichen Verkündigungsauftrag, von der Stellung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters in der Einrichtung sowie von der Art und dem Gewicht der Obliegenheitsverletzung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Lehre der Kirche bekämpft oder sie anerkennt, aber im konkreten Fall versagt.
(5) Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, die aus der katholischen Kirche austreten, können nicht weiterbeschäftigt werden. Im Fall des Abschlusses einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe scheidet eine weitere Beschäftigung jedenfalls dann aus, wenn sie unter öffentliches Ärgernis erregenden oder die Glaubwürdigkeit der Kirche beeinträchtigenden Umständen geschlossen wird (z.B. nach böswilligem Verlassen von Ehepartner und Kindern)."
In der Dienstanweisung für Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker des Bischöflichen Generalvikariats aus Juni 1996 (Bl. 12 - 13 d.A.) heißt es auszugsweise:
„Der Dienst der Kirchenmusikerin und des Kirchenmusikers (nachstehend KM abgekürzt) umfasst die musikalische Gestaltung der Liturgie. Dazu gehören Eucharistiefeiern, andere sakramentale Feiern, Wort- und Gebetsgottesdienste. So nimmt der KM am Auftrag der Kirche teil, die Botschaft Jesu Christi zu verkünden. Deshalb kann der Dienst des KM nur angemessen ausgeübt werden, wenn er selbst die Liturgie als Feier des christlichen Glaubens versteht und begeht.
Der KM nimmt seinen Dienst wahr
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- (...)
- im Bemühen um eine volle und tätige Teilnahme der Gläubigen an den liturgischen Feiern."
Der Kläger ist standesamtlich und kirchlich verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. Er lebt von seiner Ehefrau getrennt. Der Kläger unterhält privaten Kontakt zu dem standesamtlich verheirateten Gemeindemitglied Q1. Die Zeugin Q1 ist Mitglied des vom Kläger geleiteten Propsteichors und nahm bei dem Kläger Unterricht an den Orgeln der Kirche.
Am 19. September 2011 erschien der Ehemann der Zeugin Q1 im Gemeindebüro und erkundigte sich, wie man aus der Kirche austreten könne. Er ertrage den Gedanken nicht, dass er mit seiner Kirchensteuer das Gehalt des Klägers, der sowohl seine Ehe als auch seine Familie zerstört habe, mitfinanziere.
In einem Telefonat mit dem Propst am 27. September 2011 gab der Zeuge Q1 an, der Kläger sei in seine Ehe eingebrochen und unterhalte mittlerweile eine Beziehung zu der Zeugin Q1. Deshalb wolle diese im Oktober aus dem gemeinsamen Haus ausziehen.
Am 29 September 2011 sprach der Propst den Kläger auf das Telefonat mit dem Zeugen Q1 an und teilte ihm mit, er solle in Ruhe überlegen, wie er mit der Angelegenheit umgehe.
Am 30 September 2011 erklärte der Kläger dem Propst, dass er nie die Ehe gebrochen habe. Durch den mehrjährigen Klavierunterricht sei zwar ein gutes Verhältnis zur Zeugin Q1 entstanden. So habe er mehr und mehr von deren Eheproblemen erfahren. Er habe sich jedoch nicht in die Probleme der Q1 eingemischt und beabsichtige auch nicht, eine Ehe und Familie zu zerstören. Der Kläger versicherte, dass er wisse, wie er sich als kirchlicher Mitarbeiter zu verhalten habe. Der Propst teilte dem Kläger mit, dass er auf keinen Fall mit einer ungeklärten Situation leben wolle und bat den Kläger, seine Privatangelegenheiten so zu regeln, dass sie in der Gemeinde und darüber hinaus dem Ruf der Kirche nicht schaden könnten. Zudem kam man auf Betreiben des Propstes überein, dass der Unterricht
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mit Frau Q1 an den Orgeln der Kirche zunächst eingestellt werde. Zuletzt versicherte der Kläger, den Propst sofort zu informieren, wenn er – der Kläger – mit der GrO in Konflikt geraten sollte.
Als der Kläger in der Folge vom Propst darauf angesprochen wurde, dass er ua. mehrfach händchenhaltend mit der Zeugin Q1 gesehen worden sei, entgegnete der Kläger, dass er zwar ein Liebesverhältnis mit der Zeugin Q1 habe, allerdings nichts „Verbotenes" tue.
In einem Dienstgespräch zwischen dem Kläger, dem Propst und einem Mitarbeiter des Generalvikariats am 25. November 2011 stritt der Kläger erneut ab, ein „verbotenes Verhältnis" zu unterhalten.
Mit E-Mail vom 25. November 2011 an den Kläger und mehrere weitere Empfänger (Bl. 23 - 24 d.A.) teilte der Propst ua. mit, dass der Kläger in den von ihm geleiteten Gottesdiensten zwar noch die Orgel spielen, aber keinen Kantorendienst mehr übernehmen werde.
Am 16. Dezember 2011 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger, dem Propst und dem Mitarbeiter des Generalvikariats statt. Es ist streitig, ob der Kläger dabei um das Angebot eines Aufhebungsvertrags bat.
Am 4. Januar 2012 wurde dem Kläger ein Aufhebungsvertrag zugesandt, welchen er nicht unterzeichnete.
In einem Gespräch mit dem Kirchenvorstand am 9. Januar 2012 wurde der Kläger auf seine Loyalitätspflichten aus Art. 5 GrO hingewiesen und um Mitteilung gebeten, wie er sein Verhältnis zur Zeugin Q1 sehe und mit der gesamten Situation umzugehen gedenke. Der Kläger erklärte, dass er nicht gegen die GrO verstoßen habe und zu seiner Beziehung zu der Zeugin Q1 keine Angaben machen wolle. Er wisse zwar, in welcher Straße diese nach dem Auszug aus der ehelichen Wohnung lebe. Er kenne jedoch nicht einmal die Hausnummer.
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Am 2. April 2012 beschloss der Kirchenvorstand der Beklagten, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger durch außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche fristgerechte Kündigung zu beenden.
Nachdem die Aufgaben des Klägers immer weiter beschränkt worden waren, leitete er ein Schlichtungsverfahren mit dem Ziel der vertragsgemäßen Beschäftigung ein. Im Schlichtungstermin am 19. April 2012 erklärte der Kläger, es sei seine „Privatsache", ob er ein Verhältnis habe. Seine nunmehrige Prozessbevollmächtigte wies darauf hin, dass die Q1 lediglich standesamtlich und nicht kirchlich verheiratet seien, sodass von einem Einbrechen in eine bestehende Ehe keine Rede sein könne. Der Zeuge Q1 sei ein Denunziant. Im Anschluss an den Schlichtungstermin hörte die Beklagte den anwaltlich vertretenen Kläger erneut zu dem Vorwurf einer außerehelichen Beziehung an. Der Kläger berief sich wiederum auf sein Privatleben. Seine Prozessbevollmächtigte teilte mit, dass er zu den Vorwürfen keine Erklärung mehr abgeben werde.
Mit Schreiben vom 20. April 2012 (Bl. 111 - 119 d.A.) sowie Korrekturschreiben vom 23. April 2012 (Bl. 120 d.A.) hörte die Beklagte die bei ihr gebildete Mitarbeitervertretung zu einer beabsichtigten außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung an und teilte mit, dass die Kündigungen als Tat- und hilfsweise als Verdachtskündigung ausgesprochen werden sollten. Mit Schreiben vom 24. April 2012 (Bl. 121 d.A.) erklärte die Mitarbeitervertretung, dass sie gegen die beabsichtigten Kündigungen keine Einwendungen erhebe.
Mit gesiegeltem Schreiben vom 25. April 2012 (Bl. 58 d.A.), unterzeichnet von der damaligen stellvertretenden Vorsitzenden und zwei weiteren Mitgliedern des Kirchenvorstands, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich fristgerecht zum 30. September 2012.
Mit der am 26. April 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst begehrt, vertragsgemäß beschäftigt zu werden. Mit der am 8. Mai 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schutzklage wendet er sich gegen die Kündigungen.
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Der Kläger hat zusammengefasst vorgetragen: Die Kündigungen seien unwirksam. Es fehle nach dem eigenen Vortrag der Beklagten sowohl an einem wichtigen Grund als auch an einer sozialen Rechtfertigung. Das ihm vorgeworfene Verhalten verstoße nicht gegen geltendes Recht der katholischen Kirche, insbesondere habe er damit keine Loyalitätspflichten aus Art. 4, 5 GrO verletzt. Ein außereheliches Verhältnis stelle keine schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Spiegelstrich 1 GrO dar. In Art. 5 Abs. 2 Spiegelstrich 2 GrO sei in Bezug auf das Ehesakrament allein die Wiederheirat als schwerer Loyalitätsverstoß vorgesehen. Dem entspreche es, dass der Ehebruch durch den codex iuris canonici (cic) des Jahres 1983 als strafbewehrtes crimen abgeschafft worden sei. Jedenfalls unterliege der Kläger als einfacher weisungsgebundener Kirchenmusiker keinen gesteigerten Loyalitätsanforderungen. Mit der Unterschrift unter den Arbeitsvertrag habe er sich nicht verpflichtet, im Falle der Trennung oder Scheidung lebenslang abstinent zu leben. Selbst wenn man den Vortrag der Beklagten für schlüssig halten wollte, könne er zu den Vorwürfen schweigen, ohne die Geständniswirkung des § 138 Abs. 3 ZPO auszulösen, da ausschließlich sein durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) geschütztes Privatleben betroffen sei. Hilfsweise bestreite er die Vorwürfe. Darüber hinaus behauptet der Kläger, er sei selbst überzeugter Katholik und stehe hinter der Glaubens- und Sittenlehre der katholischen Kirche. Die charakterliche Verschiedenheit zwischen ihm und seiner Ehefrau habe es allerdings unmöglich gemacht, die Ehe fortzusetzen. Er beabsichtigte weder, mit einer anderen Frau in häuslicher Gemeinschaft zu leben oder Kinder zu haben, noch mit einer anderen Frau in der Gemeinde als Paar aufzutreten. Letztes habe er auch in der Vergangenheit nicht getan, insbesondere habe nicht in der Öffentlichkeit die Hand einer anderen Frau gehalten. Die Dienstgemeinschaft sei durch das ihm vorgeworfene Verhalten nicht belastet worden. Die Beteiligung im Propsteichor sei erst nach Ausspruch der Kündigung dramatisch gesunken. Er werde keine andere ausbildungsadäquate Beschäftigung finden. Die Beklagte habe das Verfahren nach Art. 5 Abs. 1 GrO nicht eingehalten und durch den schrittweisen Entzug einzelner Arbeitsaufgaben zu erkennen gegeben, dass sie auf eine Kündigung verzichten werde. Die Kündigung sei vom Kirchenvorstand nicht ordnungsgemäß beschlossen, der Beschluss des Kirchenvorstands nicht kirchenaufsichtlich genehmigt und die Mitarbeitervertretung nicht ordnungsgemäß angehört worden.
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Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche fristlose noch durch die ordentliche fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 25. April 2012 aufgelöst worden ist,
I.
2. im Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag die Beklagten zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Organist und Chorleiter weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat zusammengefasst vorgetragen: Bereits die außerordentliche fristlose, jedenfalls die ordentliche fristgerechte Kündigung sei als Tat-, zumindest aber als Verdachtskündigung wirksam. Der Kläger führe eine außereheliche intime Beziehung mit der Zeugin Q1. Der Propst habe in den auf das Dienstgespräch vom 30. September 2011 folgenden Wochen von verschiedenen Seiten die Information erhalten, dass mehrere Verhaltensweisen des Klägers in der Öffentlichkeit und auch im Propsteichor darauf hindeuteten, dass zwischen dem Kläger und der Zeugin Q1 eine weit intensivere Beziehung bestehe, als von ihm eingeräumt. Am 1. November 2011 (Allerheiligen) seien der Kläger und die Zeugin Q1 Hand in Hand in Anwesenheit vieler Besucher durch den Hauptweg des Friedhofs gegangen. In der gleichen Woche seien der Kläger und die Zeugin Q1 von dem Hintereingang der neuen Wohnung der Zeugin Q1 händchenhaltend in Richtung Dom gegangen. Entgegen der Behauptung, dass er nicht einmal deren Hausnummer kenne, habe der Kläger der Zeugin Q1 beim Umzug geholfen und mehrmals von deren neuem Telefonanschluss bei der Beklagten angerufen. Zudem habe der Zeuge Q1 angegeben, dass seine Ehefrau ihm ein außereheliches Verhältnis mit dem Kläger gestanden habe. Der Kläger und sie liebten sich seit zwei Jahren. Seit einem halben Jahr könnten die beiden nicht mehr gegen ihre Gefühle angehen. Sie plane eine gemeinsame Zukunft mit dem Kläger und wolle mit ihm zusammenziehen. Der Kläger übernachte regelmäßig bei der Zeugin Q1. Letztes könne auch der Sohn der Eheleute Q1 bestätigen. Dieser wolle nur noch ungern bei seiner Mutter übernachten
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und habe sich bei seinem Vater darüber beschwert, dass der Kläger morgens am Küchentisch sitze und alles doppelt so lange dauere, weil der Kläger und die Zeugin Q1 ständig „knutschten". Das Unterhalten einer außerehelichen sexuellen Beziehung stelle eine schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Spiegelstrich 1 GrO dar. Die Ehe sei als Sakrament heilig und könne vom Menschen nicht aufgelöst werden. Indem der Ehebruch als strafbewehrtes crimen abgeschafft worden sei, habe die katholische Kirche nicht einen zentralen Bestandteil ihrer Glaubens- und Sittenlehre aufgegeben. Der Ehebruch stelle nach wie vor einen Verstoß gegen das Sechste Gebot dar. Nach den gesamten Umständen sei der Beklagten jegliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Der Kläger nehme als Kantor Aufgaben in der Liturgie war und stehe dadurch in beträchtlicher Nähe zur Verkündigung des katholischen Glaubens. Es sei nicht hinnehmbar, dass er einerseits ein außereheliches Verhältnis – auch öffentlich – lebe und andererseits den Standpunkt vertrete, kein „verbotenes Verhältnis" zur Zeugin Q1 zu pflegen und ein solches hartnäckig wahrheitswidrig bestreite. Der Kläger habe seit September 2011 ein absolut uneinsichtiges und taktisches Verhalten an den Tag gelegt. Das habe zu erheblichem Unfrieden in der Gemeinde und zu einem schwerwiegenden Vertrauensverlust bei dem Dienstvorgesetzten des Klägers geführt. Die Glaubwürdigkeit seines Dienstherrn werde durch das Verhalten des Klägers beschädigt. Die Beklagte habe alles getan, um die Kündigung zu vermeiden. Sie habe mehrfach vergeblich das Gespräch mit dem Kläger gesucht. Der Kläger habe die Kündigung provoziert anstatt sie zu verhindern. Die Einschränkung seiner Tätigkeiten sei lediglich eine vorübergehende Maßnahme gewesen. Die dauerhafte Beschäftigung eines Kirchenmusikers ohne kirchenmusikalische Aufgaben sei undenkbar. Der Kündigungsbeschluss des Kirchenvorstands vom 2. April 2012 sei, obwohl dies keine Wirksamkeitsvoraussetzung darstelle, kirchenaufsichtlich genehmigt und die Mitarbeitervertretung korrekt beteiligt worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 5. Oktober 2012 (Bl. 167 - 184b d.A.) stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es auf Basis des Beklagtenvortrags sowohl an einem wichtigen Grund als auch an einer sozialen Rechtfertigung fehle. Es sei bereits fraglich, ob der Kläger gegen Loyalitätsverpflichtungen aus Art. 5 GrO verstoßen habe. Jedenfalls seien sowohl die
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außerordentliche fristlose als auch die ordentliche fristgemäße Kündigung unverhältnismäßig. Das Interesse des Klägers am Erhalt seines Arbeitsplatzes und der Achtung seines Privatlebens überwiege das – obgleich erhebliche – Beendigungsinteresse der Beklagten und deren Selbstbestimmungsrecht.
Gegen das ihr am 19. Oktober 2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 6. November 2012 eingelegte und am 18. Dezember 2012 begründete Berufung der Beklagten, mit der sie das Ziel einer vollständigen Klageabweisung unverändert weiterverfolgt.
Die Beklagte wendet sich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens zur Sach- und Rechtslage gegen das Urteil des Arbeitsgerichts und trägt ergänzend vor: Entgegen dem Arbeitsgericht stelle das Unterhalten einer außerehelichen geschlechtlichen Beziehung eine schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GrO dar. Es handele sich um einen der Wiederheirat gleichwertigen Loyalitätsverstoß. Der Kläger habe die Behauptungen der Beklagten in Bezug auf das außereheliche Verhältnis mit der Zeugin Q1 nur unzureichend bestritten. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts überwiege das Interesse der Beklagten an der – sofortigen – Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger sei als in die Liturgie eingebundener Kirchenmusiker in herausgehobener Stellung tätig. Er habe auch nicht einfach sein Recht auf ein selbstbestimmtes Sexualleben ausgeübt. Einerseits habe er sich regelmäßig ganz bewusst in der Öffentlichkeit gezeigt und alles getan, um sein außereheliches Verhältnis in die Gemeinde zu tragen. So sei er auch am 5. November 2011 deutlich nach 20:30 Uhr händchenhaltend mit der Zeugin Q1 gesehen worden. Andererseits habe der Kläger gegenüber der Beklagten das außereheliche Verhältnis geleugnet bzw. sich dazu nicht erklärt und keines der Gesprächsangebote der Beklagten genutzt. Er habe keinerlei Einsicht in die Problematik gezeigt und trotz diverser Hinweise unbeirrt an seinem Verhalten festgehalten. Gerade durch sein Verhalten in der Öffentlichkeit habe der Kläger die Beklagte zu einer Reaktion gezwungen. Er habe das außereheliche Verhältnis zudem am Arbeitsplatz gelebt und mit der Zeugin Q1 während der Chorproben Händchen gehalten. Dadurch sei der Propsteichor in zwei Lager gespalten worden. Der Kläger könne einen neuen ausbildungsadäquaten Arbeitsplatz finden. Falls selbst die ordentliche fristgerechte Kündigung nicht für
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wirksam befunden werden sollte, sei das Arbeitsverhältnis jedenfalls gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit sei nicht mehr möglich. Einerseits habe der Kläger vorsätzlich und beharrlich unwahre Behauptungen im Rechtsstreit aufgestellt. Andererseits zeige er sich auch nach Zugang der Kündigung und während des Rechtsstreits regelmäßig innig in der beschriebenen Weise mit der Zeugin Q1 in der Öffentlichkeit. Der Kläger versuche ganz offensichtlich, die Beklagte zu provozieren und aktiv die Glaubwürdigkeit der Kirche zu untergraben. In diesem Zusammenhang sei auch zu sehen, dass der Kläger entgegen seiner bisherigen Gewohnheit mittlerweile mehrfach die Messe besucht und sich die Kommunion habe erteilen lassen. Es gehe dem Kläger darum, über die Beklagte zu „triumphieren" und sie zu demütigen. Aufgrund des Verhaltens des Klägers sähen sich zumindest 33 Mitglieder des Propsteichors (vgl. das Schreiben vom 18. Februar 2013, Bl. 279 - 281 d.A.) sowie der gesamte Kirchenvorstand und der Pfarrgemeinderat (vgl. das Schreiben vom 2. April 2013, Bl. 290 - 291 d.A.) nicht mehr in der Lage, künftig gedeihlich mit dem Kläger zusammen zu arbeiten. Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf ihre Schriftsätze vom 18. Dezember 2012 (Bl. 221 - 233 d.A.), vom 19. Dezember 2012 (Bl. 239 - 241 d.A.), vom 26. Februar 2013 (Bl. 262 - 267 d.A.), vom 7. März 2013 (Bl. 278 - 281 d.A.), vom 6. Juni 2013 (Bl. 288 - 291 d.A.) sowie vom 11. Juni 2013 (Bl. 298 - 303 d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
1. unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
2. Für den Fall, dass die Berufung zurückgewiesen wird, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Abfindung aufzulösen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und den Auflösungsantrag abzuweisen.
Der Kläger verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens zur Sach- und Rechtslage das Urteil des Arbeitsgerichts und trägt
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ergänzend vor: Die Beklagte wolle einen ganz neuen Kündigungsgrund einführen. Die katholische Kirche könne ihren Mitarbeitern nicht bei Meidung einer Kündigung auferlegen, keine vor- oder außerehelichen sexuellen Handlungen vorzunehmen. Jedenfalls gehöre der Kläger nicht zu dem Personenkreis, den bei einem Loyalitätsverstoß eine „Regelkündigung" treffe. Nach den in Art. 5 Abs. 4 GrO bezeichneten Kriterien sei eine Weiterbeschäftigung möglich. Er sei überzeugter Katholik, habe sich nach der Trennung von seiner Ehefrau stets äußerst diskret verhalten und Einzelheiten seiner privaten Lebensführung nie in die Öffentlichkeit getragen. Die diesbezüglichen Vorhaltungen der Beklagten blieben vage und unkonkret. Er sei nicht mit der Zeugin Q1 Hand in Hand herumgelaufen und weise auf das Entschiedenste die Behauptung zurück, sie hätten während der Chorproben Händchen gehalten. Es gebe wegen des angeblichen Verhaltens des Klägers keine Lagerbildung im Chor. Soweit es überhaupt zu einer Lagerbildung gekommen sein sollte, sei diese nach Ausspruch der Kündigung aufgrund einer Beeinflussung durch den Kirchenvorstand oder einzelne Mitglieder entstanden. Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens des Klägers wird auf dessen Schriftsatz vom 10. Januar 2013 (Bl. 246 - 251 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufung ist teilweise begründet. Entgegen dem Arbeitsgericht ist die angefallene Klage teilweise unbegründet. Die ordentliche Kündigung ist wirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nach § 41 Abs. 2 KAVO mit Ablauf des 30. September 2012 aufgelöst. Hingegen hat das Arbeitsgericht zutreffend angenommen, dass das Arbeitsverhältnis nicht schon durch die außerordentliche fristlose Kündigung beendet worden ist.
14
I. Die ordentliche fristgerechte Kündigung ist wirksam.
1. Die ordentliche fristgerechte Kündigung ist als Tatkündigung sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG. Der Kläger hat sich durch das Unterhalten einer außerehelichen geschlechtlichen Beziehung mit der Zeugin Q1 in Widerspruch zu den berechtigten Loyalitätserwartungen der Beklagten gesetzt. Die Enttäuschung der berechtigten Loyalitätserwartungen der Beklagten ist durch Gründe bedingt, die nicht „lediglich" in der Person, sondern zumindest auch im Verhalten des Klägers liegen.
a) Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine Vertragspflicht erheblich – in der Regel schuldhaft – verletzt hat, die zumutbare Möglichkeit einer anderen, künftige Störungen zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung sozial rechtfertigen. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer sich rechtswirksam zu dem beanstandeten Tun oder Unterlassen hat verpflichten können. Hingegen ist eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe in der Person des Arbeitnehmers bedingt, wenn der Arbeitnehmer aufgrund persönlicher Eigenschaften – ohne dass ihm das vorwerfbar wäre – nicht (mehr) in der Lage ist, die Leistung vertragsgerecht zu erfüllen. Vorausgesetzt ist eine Nicht- oder Schlechterfüllung der geschuldeten Leistung, etwa weil der Arbeitnehmer einer beruflichen Anforderung nicht (mehr) entspricht (vgl. BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 16 f. mwN, NZA 2012, 443).
b) Mit dem Unterhalten einer außerehelichen geschlechtlichen Beziehung zu der Zeugin Q1 hat der Kläger gegen wirksam auferlegte Loyalitätspflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen.
aa) Der Kläger hat seit spätestens Herbst 2011 und noch bei Zugang der Kündigung ein außereheliches geschlechtliches Verhältnis mit der Zeugin Q1
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unterhalten. Das steht aufgrund der unzureichenden Einlassung des Klägers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO fest.
(1) Die Beklagte hat vorgetragen, dass der Kläger vorgerichtlich gegenüber dem Propst eingeräumt habe, dass er eine – wenn auch vermeintlich nicht „verbotene" – Liebesbeziehung zu der Zeugin Q1 unterhalte. Zudem habe der Zeuge Q1 erklärt, dass die Zeugin Q1 ihm gestanden habe, dass sie und der Kläger sich seit zwei Jahren liebten und seit einem halben Jahr nicht mehr gegen ihre Gefühle ankönnten. Dem entsprechen die vorgetragenen Angaben des Sohns der Q1, wonach der Kläger regelmäßig bei der Zeugin Q1 übernachte und morgens am Küchentisch sitze und „alles doppelt so lange dauere", weil der Kläger und die Zeugin Q1 ständig „knutschten".
(2) Der Kläger hat sich im Rechtsstreit auf ein einfaches Bestreiten „der Vorwürfe" zurückgezogen und sich lediglich zu einzelnen Fällen des von der Beklagten behaupteten „Händchenhaltens" erklärt. Demgegenüber hat er nicht einmal pauschal behauptet, dass seine Beziehung zu der Zeugin Q1 rein freundschaftlicher Natur sei. Seiner vorgerichtlichen Äußerung, die „Liebesbeziehung" sei keine „verbotene", ist ebenfalls nicht die Behauptung zu entnehmen, dass das Verhältnis zu der Zeugin Q1 nicht (auch) geschlechtlicher Natur sei. Vielmehr beruhte sie auf der Annahme, dass einerseits die Beklagte von ihm nach der Trennung von seiner Ehefrau keine Enthaltsamkeit verlangen könne und andererseits ein Einbrechen in eine fremde Ehe schon deshalb nicht vorliegen könne, weil die Q1 nur standesamtlich verheiratet sind.
(3) Der Kläger meint, er sei mit Blick auf sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 EMRK selbst zu dem hilfsweise erfolgten pauschalen Bestreiten nicht bei Meidung der Geständniswirkung des § 138 Abs. 3 ZPO gezwungen und müsse erst recht keine positiven Erklärungen zu seiner Beziehung zu der Zeugin Q1 abgeben. Diese Auffassung ist rechtsirrig. Zwar ist der Kläger nicht im Sinne einer Rechtspflicht gehalten, gegenüber seinem Arbeitgeber Auskunft über sein Privat- und Familienleben zu erteilen (vgl. Joussen in: Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht S. 27 [29]). Die Verweigerung einer derartigen Auskunft kann nicht arbeitsrechtlich sanktioniert werden (vgl. LAG Hamm 14. Januar 1998 - 3 Sa 1087/97 - zu II 3 b bb der Gründe, LAGE BGB § 626 Nr. 119). Davon zu trennen ist
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jedoch die den Kläger im Rahmen eines Rechtsstreits in seinem wohlverstandenen Eigeninteresse treffende Obliegenheit, auf schlüssigen und substantiierten Vortrag der Beklagten zu in seinem Kenntnisbereich liegenden Tatsachen in ebenfalls substantiierter Weise zu erwidern, wenn die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO nicht eingreifen soll. Es liegt hier nicht anders, als in einem Rechtsstreit um die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung. In einem solchen Verfahren kann den Arbeitnehmer die prozessuale Mitwirkungsobliegenheit treffen, seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden (vgl. BAG 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zu BI1b der Gründe, DB 1990, 429). Hier wie dort ist der Arbeitnehmer vor einem „Blankziehen" in zweierlei Hinsicht geschützt: Zum einen muss er sich ohne Inkaufnahme von Rechtsnachteilen überhaupt nicht erklären, wenn der Vortrag des Arbeitgebers bereits aus Rechtsgründen unschlüssig ist (so wie es bei einer außerehelichen Beziehung in einem säkularen Arbeitsverhältnis regelmäßig der Fall sein wird) oder ohne greifbare tatsächliche Anhaltspunkte ersichtlich „ins Blaue hinein" erfolgt. Damit ist zugleich der – an sich berechtigten – Befürchtung des Klägers vorgebeugt, dass die staatlichen Gerichte für Schnüffeleien des Arbeitgebers im Privat- und Familienleben eines Arbeitnehmers „instrumentalisiert" werden könnten. Zum anderen und jedenfalls bleibt es die freie Entscheidung des Arbeitnehmers, ob und inwieweit er sich im Rechtsstreit erklären möchte. Auch im Prozess kann er zu einer Erklärung in keinem Fall gezwungen werden. Er muss dann „nur" gegebenenfalls die Folge des § 138 Abs. 3 ZPO tragen (vgl. BAG 30. Juni 1983 - 2 AZR 524/81 - zu B II 4 der Gründe, NJW 1984, 1917).
bb) Mit dem Unterhalten eines außerehelichen geschlechtlichen Verhältnisses hat der Kläger gegen wesentliche Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre verstoßen, nämlich einen Ehebruch begangen. Das Gebot der ehelichen Treue (vgl. can. 1063 cic) ist entgegen der Ansicht des Klägers nach wie vor ein zentraler Grundsatz der katholischen Glaubens- und Sittenlehre. Es gilt auch nach einer Trennung der Eheleute (vgl. BAG 16. September 1999 - 2 AZR 712/98 - NZA 2000, 208; 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 43, NZA 2012, 443; LAG Düsseldorf 13. August 1998 - 7 Sa 425/98 - KirchE 36, 343). Zu den tragenden Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre gehört die herausragende Bedeutung der Ehe, die nicht lediglich ein Bund oder Vertrag, sondern vielmehr auch ein Sakrament (göttliches Heilsmittel) ist (can. 1055 cic). Dass der Ehebruch nach
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der Neufassung des codex iuris canonici im Jahre 1983 nicht länger als Verbrechen angesehen wird (so noch can. 2357 § 2 cic aF), ist ohne Belang. Das kanonische Recht nennt als Wesenseigenschaft einer Ehe nach wie vor deren Unauflöslichkeit (can. 1056 und 1141 cic) sowie ihre lebenslange und ausschließliche Natur (can. 1134 cic) (vgl. BAG 16. September 1999 - 2 AZR 712/98 - zu V 5 a bb der Gründe, NZA 2000, 208). Nach der katholischen Glaubens- und Sittenlehre kommt der Ehe nicht eine formelle Funktion im Sinne eines frei zu schließenden und auch wieder zu lösenden privatrechtlichen Vertrags zu, sondern sie ist als Sakrament unauflöslich und ausschließlich sowie integraler Bestandteil der göttlichen Schöpfungs- und Erlösungsordnung (vgl. BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 36, NZA 2012, 443). Nach katholischem Kirchenrecht ist deshalb der Ehebruch (vgl. can. 1152 cic) nach wie vor als schwerwiegendes Fehlverhalten anzusehen (vgl. BAG 16. September 1999 - 2 AZR 712/98 - zu II 5 b der Gründe, NZA 2000, 208).
cc) Das Verlangen der Beklagten nach Einhaltung der Vorschriften der katholischen Glaubens- und Sittenlehre steht in Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
(1) Dem Kläger steht allerdings das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG zu. Die Gestaltung des privaten Lebensbereichs liegt außerhalb der Einflusssphäre des Arbeitgebers und wird durch arbeitsvertragliche Pflichten nur insoweit eingeschränkt, wie sich das private Verhalten auf den betrieblichen Bereich auswirkt und dort zu Störungen führt. Berührt außerdienstliches Verhalten den arbeitsvertraglichen Pflichtenkreis nicht, ist der Arbeitgeber regelmäßig nicht berechtigt, die ihm bekannt gewordenen Umstände aus der Privatsphäre des Arbeitnehmers durch den Ausspruch einer Kündigung zu missbilligen (BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 21, NZA 2012, 443 unter Bezugnahme auf BAG 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60; 16. September 2004 - 2 AZR 447/03 - Rn. 43, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 44).
(2) Das Grundrecht des Arbeitnehmers nach Art. 2 Abs. 1 GG besteht indes nicht uneingeschränkt. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juni 1985 (- 2 BvR 1718/83 ua. - BVerfGE 70, 138), dem das Bundesarbeitsgericht in
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ständiger Rechtsprechung gefolgt ist (zB BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 139/00 - NZA 2001, 1136; 24. April 1997 - 2 AZR 268/96 - NZA 1998, 145; 18. November 1986 - 7 AZR 274/85 - AP GG Art. 140 Nr. 35), gewährleistet das durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV verfassungsrechtlich verbürgte Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht den verfassten Kirchen im Sinne eines Selbstbestimmungsrechts darüber zu befinden, welche Dienste es in ihren Einrichtungen geben soll und in welchen Rechtsformen sie wahrzunehmen sind. Die Kirchen können sich dabei der staatlichen Privatautonomie bedienen, um ein Arbeitsverhältnis zu begründen und zu regeln (BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 22, NZA 2012, 443 mwN).
(3) Bedienen sich die Kirchen wie jedermann der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen, findet auf diese das staatliche Arbeitsrecht Anwendung. Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt indes deren Zugehörigkeit zu den „eigenen Angelegenheiten" der Kirche im Sinne von Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV nicht auf. Das ermöglicht es den Kirchen, in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst nach ihrem Selbstverständnis zu regeln und dazu die spezifischen Obliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer verbindlich zu machen. Werden Loyalitätsanforderungen in einem Arbeitsvertrag festgelegt, nimmt der kirchliche Arbeitnehmer nicht nur die allgemeine Vertragsfreiheit für sich in Anspruch; er macht zugleich von seinem verfassungskräftigen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1718/03 ua. - Rn. 59, BVerfGE 70, 138; BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 23, NZA 2012, 443).
(4) Welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können, richtet sich nach den von der verfassten Kirche anerkannten Maßstäben. Dagegen kommt es weder auf die Auffassung der einzelnen betroffenen kirchlichen Einrichtungen, bei denen die Meinungsbildung von verschiedenen Motiven beeinflusst sein kann, noch auf diejenige breiter Kreise unter Kirchenmitgliedern oder gar einzelner, bestimmten Tendenzen verbundener Mitarbeiter an (BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 139/00 - Rn. 53, NZA 2011, 1136). Die Arbeitsgerichte haben die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung einzelner Loyalitätsanforderungen zugrunde zu legen,
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soweit die Verfassung das Recht der Kirche anerkennt, hierüber selbst zu befinden. Es bleibt danach grundsätzlich den verfassten Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was die „Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtungen, in der sie beschäftigt sind" (vgl. Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 5 GrO) erfordert, welches die zu beachtenden „Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre" sind (vgl. Art. 4 Abs. 1 GrO) und welche „Loyalitätsverstöße" (vgl. Art. 5 Abs. 2 GrO) aus „kirchenspezifischen Gründen" als „schwerwiegend" anzusehen sind. Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Arbeitnehmer eine Abstufung der Loyalitätsanforderungen eingreifen soll (vgl. Art. 5 Abs. 3 und Abs. 4 GrO) ist grundsätzlich eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit (vgl. BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 139/00 - Rn. 53, NZA 2001, 1136; 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 24, NZA 2012, 443; bestätigend: EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - NZA 2012, 199).
dd) Nach den damit maßgeblichen kirchlichen Vorschriften liegt ein an sich kündigungsrelevanter Loyalitätsverstoß vor.
(1) Das Unterhalten einer außerehelichen geschlechtlichen Beziehung stellt eine schwere persönliche sittliche Verfehlung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Spiegelstrich 1 der im Bistum Münster wirksam in Kraft gesetzten, über die Präambel der KAVO für das Arbeitsverhältnis der Parteien in Bezug genommenen und deshalb die Parteien arbeitsvertraglich bindenden GrO dar. Der Kläger hat sich damit in erheblichem Maße illoyal im Sinne des Ethos der Beklagten verhalten. Das Gegenteil folgt entgegen seiner Ansicht nicht in einem Umkehrschluss aus Art. 5 Abs. 2
Spiegelstrich 2 GrO (vgl. BAG 16. September 1999 - 2 AZR 712/98 - zu II 5 b der Gründe, NZA 2000, 2008; LAG Düsseldorf 13. August 1998 - 7 Sa 425/98 - zu A II der Gründe, LAGE BGB § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 9 jeweils jedenfalls für das geschlechtliche Zusammenleben Unverheirateter; insoweit als unbedenklich eingestuft durch EGMR 23. September 2010 - 1620/03 - Rn. 68, NZA 2011, 279). Zum einen stellt nach dem allein maßgeblichen – wenn auch der Bevölkerungsmehrheit möglicherweise unplausibel, rückwärtsgerichtet und irrational erscheinenden (vgl. BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 39, NZA 2012, 443) – Verständnis der katholischen Kirche eine voreheliche geschlechtliche
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Beziehung keine Vorstufe zur Ehe dar. „Ehen auf Probe" sind im katholischen Verständnis nicht vorgesehen, insbesondere hat die Sexualität nur in der – insofern ausschließlichen – Ehe ihren berechtigten Platz. Danach kann auch eine außereheliche geschlechtliche Beziehung keine Vorstufe zur Wiederheirat sein. Zum anderen ist die Wiederheirat (can. 1085 cic) nicht der einzige Fall des Abschlusses „einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe" im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Spiegelstrich 2 GrO. Vielmehr kann eine ungültige Ehe nach Kapitel III (Die Trennenden Hindernisse im Allgemeinen) und IV (Ehekonsens) des codex iuris canonici aus zahlreichen anderen Gründen vorliegen. Zu diesen Ungültigkeitsgründen rechnet auch, dass zumindest ein Partner ein Wesenselement oder eine Wesenseigenschaft der Ehe durch positiven Willensakt ausgeschlossen hat (vgl. can. 1101 § 2 cic; zB Ablehnung der Zeugung von Nachkommenschaft durch geschlechtliches Zusammenwirken oder Infragestellen der Unauflöslichkeit oder Ausschließlichkeit der Ehe). Schließlich richtet sich die Wiederheirat vor allem gegen die Unauflöslichkeit der Ehe, während das Unterhalten einer außerehelichen geschlechtlichen Beziehung einen schweren Verstoß gegen den Grundsatz der Ausschließlichkeit der Ehe darstellt.
(2) Die Vorstellungen der katholischen Kirche zur Ausschließlichkeit der Ehe stehen nicht in Widerspruch zu den Grundprinzipien der Rechtsordnung. Der Bruch einer bestehenden (bürgerlichen) Ehe, die gemäß Art. 6 Abs. 1 GG unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht, wird auch vom bürgerlichen Recht als ein schwerwiegendes Fehlverhalten angesehen (vgl. § 1579 Nr. 7 BGB). Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass dies in der gelebten Praxis auch anders gesehen wird (vgl. BAG 16. September 1999 - 2 AZR 712/98 - zu II 5 a cc der Gründe, NZA 2000, 208; 24. April 1997 - 2 AZR 258/96 - zu II 1 b bb (2) der Gründe, NZA 1998, 145; insoweit anerkannt durch EGMR 23. September 2010 - 425/03 - Rn. 48, NZA 2011, 277). Die negative Härteklausel des § 1579 Nr. 7 BGB, bei der Verstöße gegen die eheliche Treuepflicht im Vordergrund stehen (vgl. MünchKomm-BGB/Maurer 5. Aufl. § 1579 Rn. 44 und 47; OLG Hamm 3. Juni 1997 - 7 UF 523/96 - FamRZ 1997, 1484), gewährleistet gerade die Verfassungsmäßigkeit des verschuldensunabhängigen Unterhaltsrechts (vgl. BVerfG 14. Juli 1981 - 1 BvL 28/77 ua. - NJW 1981, 1771; BGH 16. April 2008 - XII ZR 7/05 - Rn. 27, NJW 2008, 2779; vgl. auch BVerfG 20. Mai 2003 - 1 BvR 237/97 - NJW 2003, 2819 für die
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Härtefallklausel im Versorgungsausgleich in § 1587c BGB). Der Grundsatz der Unauflöslichkeit der kirchlichen Ehe spielt vorliegend keine Rolle, weil der Kläger nicht einmal die Scheidung seiner bürgerlichen Ehe betreibt. Im Übrigen sieht auch das kirchliche Recht die Auflösung zumindest der nicht vollzogenen Ehe „aus einem gerechten Grund" vor (can. 1142 cic). Mit alledem ist im Übrigen nicht entschieden, dass der kirchliche Arbeitgeber seine Arbeitnehmer bei Meidung einer Kündigung zu lebenslanger bedingungsloser Abstinenz nach dem Scheitern einer Ehe verpflichten darf. Denn es sind nicht Inhalt und Verhältnismäßigkeit der kirchlichen Loyalitätspflichten, sondern es ist die Verhältnismäßigkeit einer auf deren konkrete Verletzung gestützten arbeitsrechtlichen Maßnahme zu überprüfen (vgl. LAG Hamm 17. Februar 2012 - 18 Sa 867/11 - jurisRn. 82; Grabenwarter in: Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht S. 9 [18]; Plum NZA 2011, 1194, 1199).
c) Die ordentliche Kündigung ist nicht unverhältnismäßig wegen Missachtung der Verfahrensvorschrift des Art. 5 Abs. 1 GrO. Nach Art. 5 Abs. 1 GrO muss der kirchliche Dienstgeber, wenn ein Mitarbeiter die Beschäftigungsanforderungen nicht mehr erfüllt, durch „Beratung", dh. „ein klärendes Gespräch" versuchen, dass der Mitarbeiter diesen Mangel auf Dauer beseitigt (vgl. BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 29, NZA 2012, 443). Dem ist die Beklagte durch mehrere Gesprächsangebote nachgekommen.
d) Das Recht der Beklagten zum Ausspruch der ordentlichen fristgerechten Kündigung ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht verwirkt. Die Beklagte hat die Kündigung nicht mit illoyaler Verspätung (§ 242 BGB) ausgesprochen. Einerseits musste sie zuvor das in der Grundordnung vorgeschriebene beratende Gespräch mit dem Kläger führen, einen Beschluss des Kirchenvorstands herbeiführen und die Mitarbeitervertretung beteiligen. Angesichts der für beide Parteien weitreichenden Folgen des Kündigungsentschlusses ist es nicht zu beanstanden, dass sie dabei umsichtig und ohne Hast vorgegangen ist (vgl. BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 13, NZA 2012, 443), gleich mehrere Gesprächsangebote unterbreitet und auch das Generalvikariat begleitend in den Vorgang einbezogen hat. Andererseits und vor allem ist der Zeitablauf zwischen dem 19. September 2011 (der Zeuge Q1 erscheint im Gemeindebüro) und dem Ausspruch der Kündigung am 25. April 2012 maßgeblich darauf zurückzuführen, dass der Kläger versichert hatte,
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nichts „Verbotenes" zu tun, sich seiner Verantwortung als kirchlicher Mitarbeiter bewusst zu sein und den Propst von sich aus zu informieren, wenn er – der Kläger – mit der GrO in Konflikt geraten sollte. Schließlich konnte sich bei dem Kläger jedenfalls nach der Übersendung des Aufhebungsvertrags im Januar 2012 kein schutzwürdiges Vertrauen mehr dahin bilden, dass die Beklagte eine – ggf. einseitige – Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinesfalls in Betracht ziehen, sondern es dauerhaft bei den – zumal von ihm angegriffenen – Beschränkungen des Tätigkeitsbereichs belassen werde.
e) Eine Abmahnung war entbehrlich und die Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien ergibt, dass das Beendigungsinteresse der Beklagten die Belange des Klägers überwiegt.
aa) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Eine Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber alle milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Eine Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 18, NZA 2011, 1027).
bb) Eine Abmahnung war im Streitfall entbehrlich, weil eine Verhaltensänderung in der Zukunft keinesfalls zu erwarten stand. Der Kläger war ersichtlich nicht gewillt, die außereheliche geschlechtliche Beziehung mit der Zeugin Q1 zu beenden. Schon vor Ausspruch der Kündigung hatte er in anwaltlicher Vertretung und trotz diverser Gespräche mit Vertretern der Beklagten und des Generalvikariats unverrückbar den Standpunkt eingenommen, dass das ihm vorgeworfene Verhalten nach dem eigenen
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Vortrag der Beklagten keinen Verstoß gegen geltendes Recht der katholischen Kirche darstelle. Im Übrigen hatte die hartnäckig fortgesetzte Loyalitätsverletzung angesichts des gesamten Verhaltens des Klägers zwischenzeitlich eine solche Schwere erreicht, dass ihre weitere Hinnahme durch die Beklagte offensichtlich – auch für den Kläger erkennbar – ausgeschlossen war.
cc) Die Interessenabwägung im Übrigen ergibt, dass das Beendigungsinteresse der Beklagten das Interesse des Klägers sowohl an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als auch an der Achtung seines Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK überwiegt.
(1) Die stets notwendige Abwägung der rechtlich geschützten Interessen der Parteien muss bei Kündigungen aus kirchenspezifischen Gründen dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen ein besonderes Gewicht beimessen (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1718/83 ua. - zu B II 1 e der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die Arbeitsgerichte haben zwischen dem Recht des Arbeitnehmers auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG und auf Achtung seines Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) einerseits und den nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV sowie nach Art. 9 EMRK (Religionsfreiheit) und Art. 11 EMRK (Vereinigungsfreiheit) geschützten Rechten der Religionsgemeinschaft andererseits abzuwägen. Dieses Abwägungsgebot folgt auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - NZA 2012, 199; 23. September 2010 - 425/03 - NZA 2011, 277; 23. September 2010 - 1620/03 - NZA 2011, 279), deren Beachtung verfassungsrechtlich geboten ist (BVerfG 4. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08 ua. - BVerfGE 128, 326; 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307; BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 18, NZA 2012, 443; kritisch bzgl. der nach seiner Ansicht die Rezeptionsgrenzen des Grundgesetzes überschreitenden Entscheidung des BAG: Magen in: Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht S. 41 [48 ff.]).
(2) Nach diesen Grundsätzen überwiegt im Streitfall das Beendigungsinteresse
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(a) Allerdings hat der Kläger ein erhebliches Interesse sowohl an der Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses als auch an der Achtung seines Privat- und Familienleben. Der Kläger war bei Zugang der Kündigung elf Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Seine fachlichen Fähigkeiten sind unbestritten. Bis in den Herbst 2011 verlief das Arbeitsverhältnis vollkommen störungsfrei. Als KOCH ist der Kläger kein Mitarbeiter mit gesteigerten Loyalitätsobliegenheiten im Sinne von § 5 Abs. 3 GrO. Er nimmt zu einem nicht unerheblichen Teil „weltliche" Arbeitsaufgaben wahr. Zudem erfährt der Kläger starken Schutz durch Art. 8 EMRK, weil das Loyalitätshindernis auch seiner privaten Sphäre zuzuordnen ist. Dabei ging einerseits die Aufnahme der außerehelichen Beziehung zu der Zeugin Q1 nicht mit einem böswilligen Verlassen seiner Ehefrau und seiner – erwachsenen – Kinder einher (vgl. § 5 Abs. 5 GrO für den Fall des Abschlusses einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der katholischen Kirche ungültigen Ehe). Andererseits hat die Beklagte den Vorwurf nicht substantiiert, der Kläger sei in eine bis dahin intakte – standesamtliche – Ehe der Q1 „eingebrochen". Freilich kommt beiden Umständen nur eingeschränkt „entlastende" Bedeutung zu, weil es um den außenstehenden Dritten unbekannten Zustand beider betroffener Ehen geht, während es – was die Glaubwürdigkeit der Beklagten anbelangt – entscheidend auf das äußere Erscheinungsbild und damit darauf ankommt, ob zumindest in den Augen Dritter ein Verstoß gegen die kirchlichen Sittengesetze vorliegt (vgl. BAG 3. November 1981 - 1 AZR 38/81 - jurisRn. 22). Insofern genügt eine scheinbar auch geschlechtliche Beziehung mit einer anderen Frau während einer fortbestehenden Ehe, ohne dass es maßgeblich darauf ankäme, ob der andere Ehegatte diesen sexuellen Kontakt als Bruch einer intakten Ehe empfindet. Zugunsten des Klägers unterstellt das Landesarbeitsgericht weiterhin, dass er nicht mit der Zeugin Q1 in der Gemeindeöffentlichkeit oder während der Chorproben Händchen gehalten hat. Schließlich dürfte der Kläger als Kirchenmusiker mit spezifischer Ausbildung schlechte Chancen haben, eine – gleichwertige – Beschäftigung zu finden (vgl. EGMR 23. September 2010 - 1620/03 - Rn. 73, NZA 2011, 279; zweifelnd: Grabenwarter in Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht S. 9 [21] unter Hinweis auf die Möglichkeiten einer Tätigkeit im Bereich des Musikunterrichts). Indes dürfen ungünstige Aussichten des Arbeitnehmers, eine – angemessene – Anschlussbeschäftigung zu finden, jedenfalls dann nicht überbewertet werden, wenn die Gründe für die Kündigung zumindest auch in seinem Verhalten liegen.
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Anderenfalls erhielte der Arbeitnehmer einen „Freifahrtschein" für von ihm steuerbare erhebliche Verstöße gegen kirchenspezifische Loyalitäts- oder allgemeine Vertragspflichten. Das gölte insbesondere für „verkündigungsnahe" Mitarbeiter, an deren persönliche Lebensführung zwar besondere Anforderungen gestellt werden dürften, die aber oftmals bei Verlust des Arbeitsplatzes auf einen neuen kirchlichen Arbeitgeber angewiesen sind (deshalb insgesamt kritisch gegenüber der Argumentation des EMGR: Grabenwarter aaO).
(b) Entgegen dem Arbeitsgericht kann zu Gunsten des Klägers nicht berücksichtigt werden, dass er im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 2 GrO die Lehre der Kirche anerkenne und lediglich im konkreten Fall versagt habe. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger die notwendige Übereinstimmung mit einem wesentlichen Grundsatz der katholischen Glaubens- und Sittenlehre, dem Gebot der ehelichen Treue, aufgegeben hat. Es spricht nach dem gesamten Verhalten und Vortrag des Klägers alles dafür, dass er Teile der Lehre, die er offenbar ablehnt, eigenmächtig unter Hinweis darauf verworfen hat, es handele sich um seine „Privatsache". Der Kläger behauptet zwar pauschal, dass er aus voller Überzeugung Katholik sei. Diese Aussage erweist sich jedoch als reines Lippenbekenntnis. Der Kläger hat nichts dazu vorgetragen, dass er sich die Entscheidung, eine außereheliche geschlechtliche Beziehung zu der Zeugin Q1 aufzunehmen, nicht leicht gemacht habe. Er teilt nicht mit, was er unternommen haben will, um sich rechtzeitig „zurückzuziehen" und warum ihm dies nicht gelungen sei. Vielmehr hat er schon vor Ausspruch der Kündigung stets nur die Auffassung verlautbart, nichts „Verbotenes" zu tun. Auch im Rechtsstreit verteidigt er sich – primär – damit, dass eine außereheliche sexuelle Beziehung keinen – jedenfalls keinen kündigungsrelevanten – Loyalitätsverstoß darstelle, sondern erst / nur die von ihm nicht angestrebte Wiederheirat einen solchen bilde. Insgesamt zeigt sich, dass der Kläger das – von seiner Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Berufungsverhandlung sogar vehement geleugnete – Verbot des Ehebruchs entweder überhaupt nicht oder wenigstens nicht als für sich selbst verbindlich empfindet. Es handelt sich weder um ein Versagen in einem konkreten Fall (Zeugin Q1) noch um ein solches in einem bestimmten Obliegenheitskreis (Gebot ehelicher Treue), sondern um eine zumindest gleichgültige, wenn nicht sogar ablehnende
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Haltung gegenüber der katholischen Glaubens- und Sittenlehre zur Frage der Ausschließlichkeit der Ehe.
(c) Das Interesse der Beklagten an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegt zumindest unter den besonderen Umständen des Streitfalls die gegenläufigen Interessen des Klägers trotz deren starker sozialer, verfassungsrechtlicher und konventionsrechtlicher Fundierung.
(aa) Im Ausgangspunkt ist zu beachten, dass es sich bei der Beklagten nicht um eine entfernt kirchliche Einrichtung, sondern um eine katholische Kirchengemeinde handelt. Zudem hat sich der Kläger mit der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags willentlich den Loyalitätsanforderungen der katholischen Kirche unterworfen und damit sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens zu einem gewissen Maß eingeschränkt. Es stand ihm frei, ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu begründen oder nicht (vgl. LAG Baden-Württemberg 9. März 2012 - 12 Sa 55/11 - jurisRn. 57; EGMR 23. September 2010 - 425/03 - Rn. 50, NZA 2011, 277, 23. September 2010 - 1620/03 - Rn. 71, NZA 2011, 279; 3. Februar 2011 - 18136/02 - Rn. 46, NZA 2012, 199). Des Weiteren steht der Kläger als Kirchenmusiker in unmittelbarer Nähe zum Verkündigungsauftrag der katholischen Kirche im Sinne von Art. 5 Abs. 4 GrO. Diese Frage unterliegt richtigerweise einer durch das deutsche Verfassungsrecht abgesicherten, lediglich einer Willkür- oder Plausibilitätskontrolle unterliegenden Einschätzungsprärogative der Kirche (vgl. Grabenwarter in: Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht S. 9 [19]; Joussen aaO S. 27 [39]; Magen aaO S. 41 [48]). Soweit man mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (23. September 2010 - 1620/03 - Rn. 69, NZA 2011, 279) eine uneingeschränkte gerichtliche Kontrolle der Nähe zum Verkündigungsauftrag für eröffnet halten wollte, gilt, dass man als Laie (nicht geweihte Person) in der katholischen Kirche der Verkündigung schwerlich näher kommen kann als ein Mitarbeiter im liturgischen Dienst (vgl. BAG 16. September 1999 - 2 AZR 712/98 - zu II 5 b der Gründe, NZA 2000, 208; LAG Düsseldorf 13. August 1998 - 7 Sa 425/98 - zu A I der Gründe, LAGE BGB § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 9; Magen aaO S. 48). Nach der Dienstanweisung für Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker des Bischöflichen Generalvikariats wirkt der Kläger maßgeblich daran mit, das für die katholische Kirche zentrale Ereignis der Messfeier (Eucharistiefeier) sowie andere sakramentale
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Feiern und Wort- und Gebetsgottesdienste würdig zu gestalten. Er hat seinen Dienst auszuüben im Bemühen, um eine volle und tätige Teilnahme der Gläubigen an den liturgischen Feiern. Seine Weisungsgebundenheit spielt hierbei keine Rolle. Neben der damit jedenfalls gegebenen besonderen Nähe zur Verkündigung ist schließlich zu beachten, dass das – entscheidende – Loyalitätshindernis (die fortbestehende Ehe) nicht aus der Sphäre von Frau Q1, sondern aus der eigenen Sphäre des Klägers herrührt, der Kläger es aber bei dem status quo belassen und nicht den ihm nach kanonischen Recht verbleibenden Weg zur kirchenrechtlichen Auflösung seiner Ehe beschreiten möchte (vgl. BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 46, NZA 2012, 443).
(bb) Es kommt hinzu, dass der Loyalitätsverstoß sich nicht ausschließlich in der privaten Sphäre des Klägers abgespielt hat, sondern eine besondere Nähe zum Arbeitsverhältnis aufweist. Die Zeugin Q1 ist Mitglied des vom Kläger geleiteten Propsteichors. Zudem hat sie bei dem Kläger Unterricht an den Orgeln der Kirche genommen. Da auch die Ehefrau des Klägers Mitglied des Propsteichors war, bestand ein erhebliches – letztlich auch realisiertes – Potential, Irritationen nicht bloß in der Gemeinde, sondern insbesondere auch in dem vom Kläger zu leitenden Chor hervorzurufen und damit das arbeitsvertragliche Austauschverhältnis zu beeinträchtigen. In Abgrenzung zu dem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entschiedenen Fall Schüth (23. September 2010 - 1620/03 - NZA 2011, 279) konnte und durfte die Beklagte von dem Kläger auch bei Meidung einer Kündigung erwarten, dass dieser nicht ehebrecherische Beziehungen zu einem – ihrerseits standesamtlich verheirateten – Chormitglied aufnimmt, dem er zudem in den Räumlichkeiten der beklagten Kirchengemeinde Orgelunterricht erteilt, und hierbei die Entstehung von Unfrieden im Propsteichor in Kauf nimmt. Eine auf eine ehewidrige Beziehung gestützte Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann jedenfalls dann regelmäßig nicht als sozialwidrig angesehen werden, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers zu einer erheblichen Störung des Arbeitsablaufs führt (vgl. LAG Hamm 3. April 1984 - 7 Sa 1711/83 - juris). Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Pflicht, auf die berechtigten Belange des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen, sich bereits als allgemeine vertragliche Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB ergibt. Diese allgemeine Leistungstreuepflicht ist keine Besonderheit kirchlicher Arbeitsverhältnisse, sondern jedem Schuldverhältnis immanent (vgl. LAG Hamm 17.
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Februar 2012 - 18 Sa 867/11 - jurisRn. 67; Joussen in: Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht S. 27 [29]). Selbst in säkularen Arbeitsverhältnissen gilt, dass die Gestaltung des privaten Lebensbereichs zwar grundsätzlich außerhalb der Einflusssphäre des Arbeitgebers steht, jedoch durch arbeitsvertragliche Pflichten insoweit eingeschränkt wird, als sich das private Verhalten auf den betrieblichen Bereich auswirkt und dort zu Störungen führt. Es kommt darauf an, ob das außerdienstliche Verhalten den Pflichtenkreis berührt (vgl. BAG 16. September 2004 - 2 AZR 447/03 - zu BI4d bb der Gründe, ZMV 2005, 152).
(cc) Das die erheblichen berechtigten Interessen des Klägers überwiegende Beendigungsinteresse der Beklagten gründet sich über die zu verzeichnende Störung des Leistungsaustauschs hinaus darauf, dass der Sachverhalt eine starke verhaltensbedingte Komponente aufweist und einerseits das Vertrauen zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses und andererseits die Glaubwürdigkeit der Beklagten allgemein und gegenüber ihren Gemeindemitgliedern in besonderem Maße betroffen sind (vgl. BAG 3. November 1981 - 1 AZR 38/81 - jurisRn. 20; 31. Januar 1984 - 7 AZR 232/83 - zu III 3 a der Gründe, NZA 1985, 215; 12. Dezember 1984 - 7 AZR 418/83 - zu IV 1 der Gründe, NJW 1985, 2781; 25. Mai 1988 - 7 AZR 506/87 - zu I 2 b der Gründe, AP GG Art. 140 Nr. 36; 7. Oktober 1993 - 2 AZR 226/93 - zu B II 1 a der Gründe, NZA 1994, 443).
(α) Ein wesentliches Kriterium bei der Beurteilung, ob eine Weiterbeschäftigung zumutbar ist, ist gemäß § 5 Abs. 4 GrO das Ausmaß einer Gefährdung der Glaubwürdigkeit von Kirche und kirchlicher Einrichtungen. Die GrO soll ausweislich ihrer Präambel die Glaubwürdigkeit der Einrichtungen, die die Kirche unterhält und anerkennt, um ihren Auftrag in der Gesellschaft wahrzunehmen, sichern. Die Gefährdung der Glaubwürdigkeit des kirchlichen Arbeitgebers wird auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als ein entscheidendes Abwägungskriterium anerkannt (vgl. EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - Rn. 46, NZA 2012, 199). Die beklagte Kirchengemeinde muss es nicht hinnehmen, durch die dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitiger Fortsetzung der außerehelichen Beziehung des Klägers mit der Zeugin Q1 in den Augen – nicht nur – ihrer Gemeindemitglieder gleichsam als „Ehebruchsanbahnungs- und Ehebruchsduldungsinstitut" dazustehen. Die unbegrenzte Fortsetzung des
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Arbeitsverhältnisses trotz des weiteren – vollkommen uneinsichtigen – Unterhaltens der ehebrecherischen Beziehung mit der Zeugin Q1 würde den Verkündigungsauftrag der katholischen Kirche und deren Glaubwürdigkeit ernsthaft gefährden. Außenstehende könnten den Eindruck gewinnen, die katholische Kirche lasse eine Relativierung ihrer Glaubensüberzeugungen zu und halte Glaubenswahrheiten für disponibel. Zwänge man der Beklagten dies auf, wäre das kirchliche Selbstbestimmungsrecht im Kernbereich beeinträchtigt und könnten die Beklagte und die katholische Kirche erheblichen Schaden nehmen. Es könnte der Eindruck entstehen, die Kirche nehme ihre Glaubensgrundsätze und ihrer Verkündigungsauftrag nicht mehr ernst (vgl. LAG Hamm 17. Februar 2012 - 18 Sa 867/11 - jurisRn. 69 und 74) und messe ihren zentralen Wertvorstellungen selbst keine allzu große Bedeutung bei (vgl. BAG 25. Mai 1988 - 7 AZR 506/87 - zu I 2 c der Gründe, AP GG Art. 140 Nr. 36). Letztlich würde die Beklagte ihre Identität aufgeben, wäre es für sie unerheblich, wie ihre Mitarbeiter zur katholischen Glaubens- und Sittenlehre stehen (vgl. LAG Baden-Württemberg 9. März 2012 - 12 Sa 55/11 - jurisRn. 76). All dies gilt umso mehr, wenn es sich – wie vorliegend – um einen Dauerzustand handelt, der die Glaubwürdigkeit des Arbeitgebers und der Kirche allgemein fortlaufend berührt (vgl. BAG 25. Mai 1988 - 7 AZR 506/87 - zu I 3 b der Gründe, AP GG Art. 140 Nr. 36). Der Kläger unternimmt weder den Versuch, seine Ehe kirchenrechtlich auflösen zu lassen, noch macht er Anstalten, die außereheliche Beziehung zu der Zeugin Q1 zu beenden. Vielmehr treten beide gemeinsam in der Gemeinde – wenn auch möglicherweise nicht händchenhaltend – auf. All dies stellt für einen katholischen Arbeitgeber ein besonderes Problem dar. Denn nach katholischem Selbstverständnis handelt es sich um eine fortwährende schwerwiegende Sünde gegen ein göttliches Verbot und kann lediglich eine abgeschlossene sündhafte Handlung vergeben werden.
(β) Zu der fortlaufenden Gefährdung der Glaubwürdigkeit der Kirche tritt eine über den Loyalitätsverstoß als solchen hinausgehende, in einem schuldhaften Verhalten des Klägers begründete Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum Dienstvorgesetztem (Propst Serries) und zum Kirchenvorstand hinzu. Zwar war der Kläger – wie gezeigt – nicht im Sinne einer Rechtspflicht gehalten, Erklärungen über sein Privatleben abzugeben. Diesen berechtigten Standpunkt hat der Kläger jedoch in vorwerfbarer Weise dadurch verlassen, dass er wahrheitswidrige Angaben zu
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seiner Beziehung mit der Zeugin Q1 gemacht hat. So hat er nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten am 9. Januar 2012 in einem Gespräch gegenüber dem Kirchenvorstand erklärt, er kenne nicht einmal die neue Hausnummer der Zeugin Q1. Hingegen hatte er dieser nach dem ebenfalls unbestrittenen Vortrag der Beklagten beim Umzug und bei der Renovierung ihrer neuen Wohnung geholfen und mehrfach von ihrem Telefonanschluss bei der Beklagten angerufen. Außerdem hat die Beklagte unbestritten vorgetragen, dass der Kläger seit Herbst 2011 regelmäßig bei der Zeugin Q1 übernachte und der Sohn der Zeugin sich bei dem Zeugen Q1 darüber beschwert habe, dass der Kläger morgens bei der Zeugin am Frühstückstisch sitze.
(d) Insgesamt ist unter den gegebenen Umständen der Beklagten eine Weiterbeschäftigung nicht auf Dauer zumutbar. Ihr Beendigungsinteresse überwiegt, obwohl die ordentliche Kündigung starken Bezug zur privaten Lebensgestaltung des Klägers hat und für ihn nach langjährigem beanstandungslosem Arbeitsverhältnis infolge des verengten Arbeitsmarkts zu schwerwiegenden Nachteilen führen dürfte. Dem kirchlichen Arbeitgeber ist es nicht zumutbar, auf Dauer einen an der Verkündigung unmittelbar teilhabenden Arbeitnehmer einzusetzen, der in seiner persönlichen Lebensführung fortwährend die von ihm zu repräsentierenden Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre der Kirche nicht nur nicht beachtet, sondern sogar nicht anerkennt und deshalb die persönliche Eignung für die ihm übertragene Tätigkeit in keinem Fall besitzt (vgl. BAG 25. Mai 1988 - 7 AZR 506/87 - zu II 2 der Gründe, AP GG Art. 140 Nr. 36). Das gilt jedenfalls dann, wenn die Glaubwürdigkeit des kirchlichen Arbeitgebers dadurch in besonderem Maße gefährdet ist, dass sich ein fortgesetztes ehebrecherische Verhältnis aus der maßgeblichen Sicht außenstehender Dritter gleichsam „unter seinen Augen" zumindest angebahnt hat und zudem eine erhebliche verhaltensbezogene Komponente dadurch hinzutritt, dass der Arbeitnehmer wahrheitswidrige Erklärungen abgegeben und dadurch das Vertrauen in seine Person und das Verhältnis zu seinem Dienstvorgesetzten und dem Arbeitgeber in einer Weise zerstört hat, die auch eine dauerhafte Weiterbeschäftigung allein mit „weltlichen" Aufgaben ausschließt.
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f) Die Kündigung ist nicht nach § 1 KSchG iVm. §§ 1, 7 AGG sozialwidrig. Selbst wenn dem Kläger nicht gekündigt worden wäre, wenn er nicht kirchlich verheiratet wäre, wäre diese unmittelbare Benachteiligung (§ 3 Abs. 1 AGG) wegen seiner Religion jedenfalls gemäß § 9 Abs. 2 AGG gerechtfertigt. Die aufgezeigte besondere Position, die der Kläger als Kirchenmusiker in der Liturgie innehat und die ihn in eine besondere Nähe zum Verkündigungsauftrag der katholischen Kirche bringt, rechtfertigt es, dass die Beklagte von ihm eine Identifikation mit den Kernpunkten der katholischen Glaubens- und Sittenlehre fordert (vgl. BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 30 ff. mwN, NZA 2012, 443).
2. Das Kündigungsschreiben ist durch Unterschrift der damaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Kirchenvorstands und zweier weiterer Kirchenvorstandsmitglieder sowie unter Beidrückung des Amtssiegels ordnungsgemäß im Sinne von § 14 Satz 2 des weiterhin gültigen Preußischen Gesetzes über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens (VermVerwG; juris: KiVermVwG NW 1924) vom 24. Juli 1924 ordnungsgemäß ausgefertigt worden. Deshalb kann dahinstehen, ob es sich bei § 14 Satz 2 VermVerwG um ein Formerfordernis (vgl. ArbG Essen 15. Dezember 2006 - 2 Ca 3652/05 - KirchE 48, 476) oder eine Vertretungsregelung (vgl. BAG 29. Juni 1988 - 7 AZR 180/87 - ZTR 1988, 432; OLG Frankfurt 11. März 1997 - 11 U (Kart) 60/96 - juris) handelt.
3. Der Kündigung lag ein Beschluss des Kirchenvorstands vom 2. April 2012 zu Grunde. Der Kläger hat sein Bestreiten aus der Kündigungsschutzschrift – anders als für die Anhörung der Mitarbeitervertretung – auf den Vortrag der Beklagten mit Schriftsatz vom 10. Juli 2012 (dort S. 10 = Bl. 106 d.A.) mit Schriftsatz vom 27. Juli 2012 (vgl. dort S. 9 = Bl. 133 d.A.) mit der Folge des § 138 Abs. 3 ZPO nicht aufrechterhalten. Die Ordnungsgemäßheit der Beschlussfassung des Kirchenvorstands wird gemäß § 14 Satz 3 VermVerwG durch die vorschriftsmäßige Ausfertigung des Kündigungsschreibens nach außen festgestellt und steht deshalb im maßgeblichen Verhältnis zum Kläger fest (vgl. LAG Köln 28. August 1996 - 11 Sa 64/96 - KirchE 34, 317).
4. Es bedurfte keiner kirchenaufsichtlichen Genehmigung des Kündigungsbeschlusses. Das Erfordernis einer kirchenaufsichtlichen Genehmigung
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bestimmt sich für das Bistum M2 gemäß § 21 Abs. 2 VermVerwG iVm. Art. 3 der Geschäftsanweisung (KA Münster 2011/Nr. 15, Art. 141). Nach dessen § 1 Nr. 8 bedürfen Beschlüsse der Kirchenvorstände über den Abschluss und die vertragliche Änderung von Dienst- und Arbeitsverträgen zu ihrer Rechtsgültigkeit grundsätzlich einer schriftlichen Genehmigung der bischöflichen Behörde. Damit gilt das Genehmigungserfordernis gerade nicht für einseitige Rechtsgeschäfte, die zudem auf die Beendigung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses abzielen.
5. Die Mitarbeitervertretung ist vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Beklagte hat nach § 30 Abs. 1 MAVO der Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 20. April 2012 und Korrekturschreiben vom 23. April 2012 die Absicht der Kündigung unter Darlegung der Kündigungsgründe mitgeteilt. Die Mitarbeitervertretung hat mit Schreiben vom 24. April 2012 erklärt, dass sie gegen die ordentliche Kündigung keine Einwendungen erhebe. Damit war das Anhörungsverfahren abgeschlossen und konnte die Kündigung ohne das Erfordernis einer Mitberatung nach § 30 Abs. 2 Satz 3 MAVO ausgesprochen werden. Unschädlich ist, dass die Mitarbeitervertretung nur zu einer verhaltensbedingten Kündigung angehört worden ist, obwohl möglicherweise auch in der Person des Klägers liegende Gründe die Kündigung bedingen. Denn es kommt nicht auf die Subsumtion durch den Arbeitgeber, sondern darauf an, dass der Mitarbeitervertretung der Kündigungssachverhalt zutreffend und umfassend referiert wird (vgl. Richardi/Thüsing BetrVG 12. Aufl. § 102 Rn. 71 für die Anhörung des Betriebsrats). Für die – hier bereits durchgreifende – Tatkündigung bedurfte es keiner vorherigen Anhörung des Klägers und deshalb auch keiner entsprechenden Mitteilung an die Mitarbeitervertretung. Im Übrigen ist durch die mehreren mit dem Kläger geführten Gespräche „in der Sache" eine Anhörung vor Ausspruch einer Verdachtskündigung erfolgt und der dazugehörige Sachverhalt nebst der – verweigerten – „Einlassung" des Klägers der Mitarbeitervertretung geschildert worden.
II. Die in der Hauptsache ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung ist unwirksam. Es kann dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen das Unterhalten einer außerehelichen geschlechtlichen Beziehung einen „an sich" wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB iVm. § 42 Abs. 1 KAVO darstellen
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kann. Jedenfalls überwiegt im Streitfall das Interesse des Klägers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Lauf der Kündigungsfrist. Zu Gunsten des Klägers sind insofern zunächst die oben unter AI1e cc (2) (a) angeführten Umstände zu berücksichtigen. Es kommt hinzu, dass der Kläger bei der Suche nach einer adäquaten Anschlussbeschäftigung im vorliegenden „Grenzbereich" zwischen verhaltens- und personenbedingten Gründen durch den Makel einer außerordentlichen fristlosen Kündigung über Gebühr belastet würde (vgl. BAG 25. Mai 1988 - 7 AZR 506/87 - zu I 3 c der Gründe, AP GG Art. 140 Nr. 36). Insofern war es der Beklagten zuzumuten, die bereits vor Ausspruch der Kündigung getroffenen „Überbrückungsmaßnahmen" noch für den Lauf der Kündigungsfrist aufrechtzuerhalten. Das gilt auch, wenn man ihren Vortrag als wahr unterstellt, der Kläger sei „händchenhaltend" mit der Zeugin Q1 in der Gemeindeöffentlichkeit aufgetreten. Es handelte sich dann um nur drei von der Beklagten konkret bezeichnete Vorfälle vor Ausspruch der Kündigung, die – unter Einschluss des gemeinsamen Friedhofsbesuchs an Allerheiligen 2011 – die Absicht einer gezielten Provokation durch den Kläger (noch) nicht in ausreichendem Maße erkennen ließen. Hingegen ist der Vortrag der Beklagten unsubstantiiert und damit unbeachtlich, dass der Kläger auch während der Chorproben mit der Zeugin Q1 „händchengehalten" habe.
III. Die lediglich für den Fall des vollständigen Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag erhobene Klage mit dem Weiterbeschäftigungsantrag ist nicht zur Entscheidung angefallen.
B.
Der nur für den Fall der vollständigen Zurückweisung ihrer Berufung gestellte Auflösungsantrag der Beklagten war ebenfalls nicht zu bescheiden.
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C.
Die Parteien haben gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits anteilig zu tragen. Bei der Quotenbildung war zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht den dauerhaften Fortbestand des Arbeitsverhältnisses erstreiten konnte. Der erstinstanzliche Übergang vom Beschäftigungsantrag im unangefochten bestehenden Arbeitsverhältnis zum – nicht angefallenen – vorläufigen Weiterbeschäftigungsantrag im gekündigten Arbeitsverhältnis stellte eine kostenprivilegierte Klageänderung entsprechend § 264 Nr. 3 ZPO ohne teilweise Klagerücknahme gemäß § 269 ZPO dar, obwohl mit ihm ein unechter Hilfsantrag an die Stelle eines unbedingten Antrags getreten ist.
D.
Die Revision war für den Kläger nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Insofern ist die entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob ein außereheliches geschlechtliches Verhältnis auch ohne Begründung eines gemeinsamen Hausstands bzw. ohne ein eheähnliches Zusammenleben als schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Spiegelstrich 1 GrO einzuordnen ist. Hingegen bestand kein Grund, die Revision auch für die Beklagte zuzulassen. Die Unwirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung beruht als Ergebnis der abschließenden Interessenabwägung ausschließlich auf den Umständen des Streitfalls.
RECHTSMITTELBELEHRUNG
Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
REVISION
eingelegt werden.
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Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in
elektronischer Form beim
Bundesarbeitsgericht
Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
eingelegt werden.
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
Dr. Niemann
Linde
Müller
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