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Diskriminierung wegen der Religion bei der Diakonie
08.01.2014. Das Arbeitsgericht Berlin hat in einem aktuellen Fall entschieden, dass ein diakonischer, d.h. zur Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) gehörender Arbeitgeber einen Stellenbewerber zu Unrecht wegen seiner Religion diskriminiert hat.
Zwar können kirchliche Arbeitgeber Bewerber in bestimmten Fällen wegen ihrer Religion oder Weltanschauung bevorzugen oder benachteiligen. Dieses Recht besteht aber nur bei der Vergabe von Stellen, bei denen es auf die Religion ankommt.
Dieses Sonderrecht hat das Arbeitsgericht Berlin dem verklagten diakonischen Arbeitgeber abgesprochen, weil die ausgeschriebene Stelle mit der Verkündigung des christlichen Glaubens wenig bis nichts zu tun hatte: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 18.12.2013, 54 Ca 6322/13.
- Wann kommt es bei der Arbeit für einen kirchlichen Arbeitgeber auf die Religion an?
- Der Fall des Arbeitsgerichts Berlin: Konfessionslose Bewerberin für eine wissenschaftliche Referentenstelle wird abgelehnt
- Arbeitsgericht Berlin: Bei einer wissenschaftlichen Referentenstelle ist die christliche Religion keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung
Wann kommt es bei der Arbeit für einen kirchlichen Arbeitgeber auf die Religion an?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierungen im Erwerbsleben aus Gründen der Religion oder Weltanschauung.
Dieses Diskriminierungsverbot erfasst insbesondere auch die Stellenausschreibung und Stellenbesetzung. Arbeitsplätze müssen nämlich gemäß § 11 AGG unter Vermeidung von Diskriminierungen ausgeschrieben werden.
Und natürlich darf der Arbeitgeber auch nicht die Auswahl zwischen mehreren, objektiv gleich gut geeigneten Stellenbewerbern aus Gründen einer ihm liebsamen oder unliebsamen Religion treffen (§ 2 Abs.1 Nr.3 AGG).
Allerdings erlaubt § 8 Abs.1 AGG eine unterschiedliche Behandlung von Stellenbewerbern wegen ihrer Religion, wenn die Religion
- wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder
- der Bedingungen ihrer Ausübung
eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt. Außerdem muss der Zweck einer solchen Ungleichbehandlung von Bewerbern rechtmäßig und die Ungleichbehandlung angemessen sein.
Darüber hinaus dürfen Religionsgemeinschaften und ihre karitativen Einrichtungen gemäß § 9 AGG Stellenbewerber je nach ihrer Religion ungleich behandeln, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung
- im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder
- nach der Art der Tätigkeit
eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.
Fraglich ist, ob kirchliche Arbeitgeber unter Berufung auf diese Ausnahmevorschriften konfessionslose Bewerber ablehnen dürfen, die sich auf für eine wissenschaftliche Referententätigkeit beworben haben.
Der Fall des Arbeitsgerichts Berlin: Konfessionslose Bewerberin für eine wissenschaftliche Referentenstelle wird abgelehnt
Im Streitfall hatte ein diakonisches Werk der EKD eine Stelle für einen Referenten/eine Referentin ausgeschrieben, um einen unabhängigen Bericht zur Umsetzung der Antirassismuskonvention der Vereinten Nationen durch Deutschland erstellen zu lassen.
Entsprechend den kirchlichen Bestimmungen hieß es in der Stellenausschreibung, Einstellungsvoraussetzung sei die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag.
Eine konfessionslose Bewerberin wurde zu einem Vorstellungsgespräch nicht eingeladen und erhielt eine Absage. Daraufhin klagte sie auf Zahlung einer Geldentschädigung gemäß § 15 Abs.2 AGG.
Arbeitsgericht Berlin: Bei einer wissenschaftlichen Referentenstelle ist die christliche Religion keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung
Das Arbeitsgericht Berlin verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung eines Monatsgehalts, denn es war der Meinung, dass hier ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vorlag.
Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des Gerichts, dass die christliche Konfession im vorliegenden Streitfall keine wesentliche bzw. gerechtfertigte berufliche Anforderung war.
Das Thema des Antirassismus ist zwar auch nach religiösen und diakonischen Wertvorstellungen wichtig, so das Gericht, doch führt das nicht dazu, dass die Zugehörigkeit zur christlichen Religion für die ausgeschriebene Tätigkeit als Referent erforderlich ist.
Der verklagte diakonische Arbeitgeber konnte sich daher im Ergebnis nicht auf Art.140 Grundgesetz (GG) berufen, der in Verbindung mit Vorschriften der Weimarer Reichsverfassung das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen garantiert.
Auch durch § 9 AGG war die Ablehnung der Bewerberin nicht gerechtfertigt, so das Arbeitsgericht.
Fazit: Das Arbeitsgericht Hamburg hatte vor sechs Jahren einen ähnlichen Fall entschieden, und zwar zugunsten einer abgelehnten moslemischen Bewerberin (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell 08/028: Wer die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt wird), doch hatte sich dann in der Berufungs- und Revisionsinstanz herausgestellt, dass die Hamburger Klägerin nicht alle fachlichen Voraussetzungen für eine Einstellung vorweisen konnte und eine Diskriminierung daher nicht vorlag (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 10/177 Unsachliche Motive für Ablehnung eines Bewerbers).
Umso wichtiger ist das jetzt ergangene Urteil des Arbeitsgerichts Berlin, da kirchliche Arbeitgeber bei vielen Stellenausschreibungen routinemäßig die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche zur Einstellungsvoraussetzung machen. Das ist rechtlich unzulässig und kann Ansprüche auf Geldentschädigung wegen religionsbedingter Diskriminierung zur Folge haben.
So jedenfalls das Arbeitsgericht Berlin. Sollte die Diakonie in Berufung gehen oder sollte das Verfahren bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) getrieben werden, kann es durchaus sein, dass die nächsten Instanzen anders entscheiden.
Die Bewertung des Arbeitsgerichts ist jedenfalls nachvollziehbar. Denn obwohl § 9 AGG den Spielraum der Kirchen bei der Festlegung von Einstellungsvoraussetzungen gegenüber § 8 Abs.1 AGG erweitert, ist auch § 9 AGG nicht so zu verstehen, dass kirchliche Arbeitgeber ein beliebig großes Ermessen bei der Betätigung ihres "Selbstbestimmungsrechts" haben.
Auch kirchliche Arbeitgeber können nicht einfach unter Verweis auf ihr Selbstbestimmungsrecht unterschiedslos bei allen Stellenausschreibungen ein christliches Bekenntnis zur Einstellungsvoraussetzung machen. Denn wenn die Kirchenmitgliedschaft als berufliche Anforderung im Hinblick auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht "gerechtfertigt" sein soll, setzt das eine rational nachvollziehbare Begründung dafür voraus, bei welchen Positionen dem kirchlichen Arbeitgeber ein christliches Bekenntnis wichtig ist und bei welchen anderen Positionen nicht (oder nicht so sehr).
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 18.12.2013, 54 Ca 6322/13 (Pressemeldung des Gerichts)
- Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 18.12.2013, 54 Ca 6322/13
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.08.2010, 8 AZR 466/09
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.08.2010, 8 AZR 466/09 (Pressemitteilung 62/10)
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Allgemein
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Religion oder Weltanschauung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/096 Konfession als Voraussetzung der Einstellung?
- Arbeitsrecht aktuell: 16/094 Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche bei der Bewerbung
- Arbeitsrecht aktuell: 16/045 Kein Anspruch auf Wiedereinstellung unmittelbar aus der Menschenrechtskonvention
- Arbeitsrecht aktuell: 14/210 Diskriminierung durch kirchliche Arbeitgeber
- Arbeitsrecht aktuell: 13/359 Kündigung wegen Ehebruchs
- Arbeitsrecht aktuell: 13/182 Diskriminierung wegen der Weltanschauung
- Arbeitsrecht aktuell: 11/132 Keine Diskriminierung bei Onlinebewerbung durch Abfrage von Geschlecht und Geburtsdatum
- Arbeitsrecht aktuell: 11/076 Diskriminierung durch falsche Anrede in Bewerbungsabsage?
- Arbeitsrecht aktuell: 10/177 Unsachliche Motive für Ablehnung eines Bewerbers
- Arbeitsrecht aktuell: 08/028 Wer die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt wird
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Arbeitsgericht seine Urteilsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil finden Sie hier:
Hinweis: Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg im Mai 2014 als Berufungsgericht über das Verfahren entschieden und dem Arbeitgeber Recht gegeben. Als nächste Instanz hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) im März 2016 das Verfahren ausgesetzt und den Europäischen Gerichtshof um Klärung der Frage gebeten, ob die nach deutschem Recht (bisher) anerkannten Sonderrechte kirchlicher Arbeitgeber bei der Festlegung der Konfession als Stellenanforderung mit dem Europarecht vereinbar sind. In einem Grundsatzurteil vom April 2018 hat der EuGH die Fragen des BAG beantwortet und dabei die rechtlichen Spielräume kirchlicher Arbeitgeber beschränkt. Informationen zu diesen Entscheidungen, die in diesem Streitfall ergangen sind, finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.05.2014, 4 Sa 157/14 und 4 Sa 238/14
- Arbeitsrecht aktuell: 14/210 Diskriminierung durch kirchliche Arbeitgeber
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17.03.2016, 8 AZR 501/14 (A)
- Arbeitsrecht aktuell: 16/094 Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche bei der Bewerbung
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 17.04.2018, C-414/16 (Egenberger)
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Arbeitsrecht aktuell: 18/096 Konfession als Voraussetzung der Einstellung?
Letzte Überarbeitung: 20. April 2018
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