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Unsachliche Motive für Ablehnung eines Bewerbers
Bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden war die Frage, ob man auch dann von einer unzulässigen Benachteiligung eines Bewerbers sprechen kann, wenn diesem diskriminierend abgesagt wird, er aber auch nicht alle sachlich gerechtfertigen Anforderungen erfüllt.
Das Bundesarbeitsgericht meint "Nein.": Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.08.2010, 8 AZR 466/09.
- Darf schlechten Bewerbern diskriminierend abgesagt werden?
- Der Fall: kirchliche Diakonie möchte unterqualifizierte Muslimin nicht einstellen
- Bundesarbeitsgericht: Wer die Einstellungsvoraussetzungen nicht erfüllt, kann durch eine Absage nicht diskriminiert werden
Darf schlechten Bewerbern diskriminierend abgesagt werden?
Diskriminierungen im Erwerbsleben aus Gründen der „Rasse“, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung oder der sexuellen Identität sind nach den Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verboten.
Die Diskriminierungsverbote erfassen insbesondere auch die Stellenausschreibung und Stellenbesetzung: Gemäß § 11 AGG müssen Arbeitsplätze nämlich unter Vermeidung von Diskriminierungen ausgeschrieben werden, und auch die Auswahl zwischen mehreren, objektiv gleich gut geeigneten Stellenbewerbern darf nicht aus einem der oben genannten Arbeitgebermotive heraus vorgenommen werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 AGG).
Bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, ob man auch dann von einer unzulässigen Diskriminierung eines Bewerbers sprechen kann, wenn ein Bewerber nicht alle vom Arbeitgeber geforderten und sachlich gerechtfertigten Stellenanforderungen erfüllt, die Ablehnung aber - auch - auf gesetzlich untersagten diskriminierenden Gründen beruht.
Anders gesagt: Liegt eine gesetzlich verbotene Bewerberdiskriminierung schon dann vor, wenn ein vom Gesetz als unzulässig erklärtes Motiv bei der Bewerberablehnung eine Rolle gespielt hat, aber nur als einer von verschiedenen, teilweise auch sachlich gerechtfertigten Ablehnungsgründen? Zu dieser Frage hat sich vor kurzem das Bundesarbeitsgericht (BAG) geäußert (Urteil vom 19.08.2010, 8 AZR 466/09).
Der Fall: kirchliche Diakonie möchte unterqualifizierte Muslimin nicht einstellen
Der beklagte Arbeitgeber ist der für Hamburg zuständige Landesverband des Diakonischen Werkes. Er gehört der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) an. Im November 2006 schrieb er eine befristete Projektstelle öffentlich aus. Gesucht wurde ein Sozialarbeiter bzw. eine Sozialarbeiterin.
Zu den in der Ausschreibung genannten Aufgaben gehörte die Erstellung von Informationsmaterial und die Durchführung von Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem Projekt „Integrationslotse Hamburg“. Das Ziel des Projekts war die Verbesserung der beruflichen Integration erwachsener Zuwanderer. In der Stellenausschreibung hieß es:
„Sie verfügen über ein abgeschlossenes Studium der Sozialwissenschaft/Sozialpädagogik (o. Ä.), Erfahrungen in der Projektarbeit sowie Erfahrungen und Kompetenzen in den Themenbereichen Migration, Arbeitsmarkt und Interkulturalität… Als diakonische Einrichtung setzen wir die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche voraus.“
Die Klägerin, eine deutsche Staatsangehörige türkischer Herkunft, gehört keiner christlichen Kirche an. Sie kann als gelernte Reiseverkehrskauffrau keinen Hochschulabschluss vorweisen.
Nachdem sie sich auf die Stelle beworben hatte, wurde sie von einer Mitarbeiterin des Beklagten, Frau K., angerufen. Diese sagte der Klägerin, ihre Bewerbung sei zwar sehr interessant, lasse jedoch die Frage der Religionszugehörigkeit unbeantwortet. Darauf sagte die Klägerin, sie praktiziere keine Religion, sei aber als Türkin gebürtige Muslimin. Frau K. wiederum fragte sodann, ob sich die Klägerin den Eintritt in die Kirche vorstellen könne. Denn die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche sei nun einmal unbedingte Voraussetzung für die Stelle.
Als die Klägerin später eine Absage erhielt, verlangte sie vom Beklagten eine Geldentschädigung unter Berufung auf § 15 Abs. 2 AGG. Aus ihrer Sicht war sie bei der Stellenbesetzung wegen ihrer Religion - und damit auch wegen ihrer ethnischen Herkunft als Türkin - diskriminiert worden. Das in erster Instanz zuständige Arbeitsgericht Hamburg sprach ihr eine Geldentschädigung in drei Monatsgehältern zu (Urteil vom 04.12.2007, 20 Ca 105/07 - wir berichteten darüber in Arbeitsrecht aktuell 08/028: Wer die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt wird).
Auf die Berufung des diakonischen Werkes wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg die Klage mit der Begründung ab, dass die Klägerin wegen ihres fehlenden Hochschulabschlusses für die ausgeschriebene Stelle objektiv ungeeignet sei (Urteil vom 29.10.2008, 3 Sa 15/08).
Bundesarbeitsgericht: Wer die Einstellungsvoraussetzungen nicht erfüllt, kann durch eine Absage nicht diskriminiert werden
Das BAG bestätigte nunmehr die klageabweisende Entscheidung des LAG. Somit hatte die Klägerin auch in der Revision keinen Erfolg.
Soweit sich dies der derzeit allein vorliegenden Pressemitteilung des BAG entnehmen lässt, war für das BAG ebenso wie für das LAG die Überlegung entscheidend, dass die Klägerin wegen ihres fehlenden Hochschulabschlusses die vom Arbeitgeber geforderten - sachlichen - Einstellungsvoraussetzungen nicht erfüllte.
Daher war sie erst gar nicht mit der Bewerberin vergleichbar, die letztlich eingestellt wurde. Dabei handelte es sich um eine gebürtige Inderin mit einem sozialwissenschaftlichem Studienabschluss.
Wer aber infolge fehlender objektiver Eignung nicht mit anderen Stellenbewerbern vergleichbar ist, wird im Falle einer Ablehnung nicht „wegen“ eines gesetzlich verbotenen Diskriminierungsmerkmals schlechter gestellt. Seine schlechtere Behandlung (d.h. die unterbliebene Einstellung) ist dann nicht auf das vom AGG verbotene Unterscheidungsmerkmal zurückzuführen.
Die Klägerin war zwar der Meinung, ein abgeschlossenes Studium sei keine objektiv nachvollziehbare Voraussetzung für die zu besetzende Stelle. Das BAG und das LAG waren in diesem Punkt aber übereinstimmend der Ansicht, dass über die Stellenanforderungen allein der Arbeitgeber zu entscheiden habe. Außerdem meinte das BAG, dass es auch „der Verkehrsanschauung“ entspreche, bei der Besetzung von Stellen wie der hier streitigen eine Hochschulausbildung zu verlangen.
Schließlich hielt das BAG auch fest, dass der Arbeitgeber bei seiner Besetzungsentscheidung die Anforderung der öffentlichen Stellenausschreibung nicht fallengelassen hatte. Denn er hatte sich für eine Bewerberin mit Hochschulabschluss entschieden und damit seine zuvor bereits benannten Einstellungsanforderungen umgesetzt.
Dass eine Mitarbeiterin des Beklagten, Frau K., die Bewerbung der Klägerin vor der Ablehnung als „interessant“ bezeichnet und die Klägerin gefragt hatte, ob sie sich einen Kirchenbeitritt vorstellen könnte, bewertete das BAG nicht als Abkehr von den in der Stellenausschreibung genannten Einstellungsvoraussetzungen.
Wie schon das LAG Hamburg festgestellt hatte, ist allein aufgrund dieser Äußerung nicht anzunehmen, dass der Arbeitgeber bei einem Religionswechsel von seinen fachlichen Einstellungsvoraussetzungen abgewichen wäre und die Kläger trotz fehlenden Hochschulabschlusses eingestellt hätte.
Fazit: Eine dem AGG widersprechende Bewerberdiskriminierung liegt nicht schon dann vor, wenn ein vom AGG genanntes persönliches Merkmal - hier die Religionszugehörigkeit - neben anderen, teils sachlichen Motiven für die Bewerberablehnung eine Rolle spielt. Eine Diskriminierung setzt stets voraus, dass der abgelehnte Bewerber alle zulässigen bzw. objektiven Einstellungsvoraussetzungen erfüllt und die Stelle nur deshalb nicht erhält, weil er im Sinne des AGG diskriminiert wurde.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.08.2010, 8 AZR 466/09
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.08.2010, 8 AZR 466/09 (Pressemitteilung 62/10)
- Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 29.10.2008, 3 Sa 15/08
- Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 04.12.2007, 20 Ca 105/07
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Allgemein
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Religion oder Weltanschauung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/262 Kirchen dürfen von Bewerbern keine Religionszugehörigkeit verlangen
- Arbeitsrecht aktuell: 18/096 Konfession als Voraussetzung der Einstellung?
- Arbeitsrecht aktuell: 16/094 Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche bei der Bewerbung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/210 Diskriminierung durch kirchliche Arbeitgeber
- Arbeitsrecht aktuell: 14/153 AGG-Entschädigungsklage kann Rechtsmissbrauch sein
- Arbeitsrecht aktuell: 14/011 Diskriminierung wegen der Religion bei der Diakonie
- Arbeitsrecht aktuell: 11/132 Keine Diskriminierung bei Onlinebewerbung durch Abfrage von Geschlecht und Geburtsdatum
- Arbeitsrecht aktuell: 11/076 Diskriminierung durch falsche Anrede in Bewerbungsabsage?
- Arbeitsrecht aktuell: 08/028 Wer die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt wird
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine Entscheidungsgründe schriftlich abgefasst und veröffentlicht. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die gegen die BAG-Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde der Klägerin nicht zu Entscheidung angenommen. Das BAG-Urteil im Volltext und den Ablehnungsbeschluss des BVerfG finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.08.2010, 8 AZR 466/09
- Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23.12.2013, 1 BvR 512/11
Letzte Überarbeitung: 28. Oktober 2018
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