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AGG-Entschädigungsklage kann Rechtsmissbrauch sein
29.04.2014. Immer wieder beschäftigen einige prominente AGG-Hopper die Arbeitsgerichte. Anlass sind missbräuchliche Entschädigungsklagen, die darauf gestützt werden, dass der Kläger angeblich bei der Bewerbung vom verklagten Arbeitgeber diskriminiert wurde.
Wer sich aber nur deshalb auf eine Stellenausschreibung hin bewirbt, um eine Absage zu erhalten und den Arbeitgeber dann auf Geldentschädigung verklagen zu können, bewirbt sich nicht "ernsthaft" und wird daher nicht diskriminiert.
Aus diesem Grund hat das Landesarbeitsgericht (LAG) in einem aktuellen Urteil die ziemlich abwegige Klage eines AGG-Hoppers abgewiesen: LAG Hamburg, Urteil vom 19.02.2014, 3 Sa 39/13.
- Wann sind Entschädigungsklagen wegen Diskriminierug rechtsmissbräuchlich?
- Der Hamburger Streitfall: Gerichtsbekannte ältere AGG-Hopperin mit Migrationshintergrund (Russland) und Informatikstudium bewirbt sich wieder einmal ohne Erfolg
- LAG Hamburg: Anhaltspunkte für die Rechtsmissbräuchlichkeit einer Entschädigungsklage können sich auch aus dem Prozessverhalten des klagenden Arbeitnehmers ergeben
Wann sind Entschädigungsklagen wegen Diskriminierug rechtsmissbräuchlich?
Nicht jeder abgelehnte Bewerber, der sich diskriminiert fühlt und ohne Erfolg auf Entschädigung klagt, ist ein AGG-Hopper, aber es gibt AGG-Hopper.
AGG-Hopper sind Bewerber, die sich häufig und zielgerichtet in der Absicht bewerben, abgelehnt zu werden, um im nächsten Schritt Entschädigungsforderungen zu stellen und einzuklagen.
Ist dem verklagten Arbeitgeber bekannt, dass der klagende Bewerber in einer Vielzahl von anderen Fällen auf Diskriminierungsentschädigung klagt bzw. geklagt hat, wird er ihn vor Gericht des AGG-Hoppings bezichtigen. Damit will der Arbeitgeber nachweisen, dass die Bewerbung "nicht ernsthaft" war, und wenn sie das nicht war, ist der (nicht ernsthafte) Bewerber nicht mit den anderen, zum Vorstellungsgespräch eingeladenen und/oder eingestellten Bewerbern vergleichbar. Und dann liegt keine Diskriminierung vor.
Der Vorwurf des AGG-Hoppings allein hilft dem Arbeitgeber vor Gericht aber nicht, denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist das häufige Einklagen von Entschädigungen wegen angeblicher Diskriminierungen bei der Bewerbung kein ausreichender Umstand, die Bewerbung als "nicht ernsthaft" zu bewerten (BAG, Urteil vom 13.10.2011, 8 AZR 608/10). Denn dass ein abgelehnter Bewerber viele Arbeitgeber verklagt, kann ja auch daran liegen, dass er eben oft diskriminiert wird.
Also müssen weitere Umstände hinzukommen, um das Gericht davon zu überzeugen, dass sich der klagende Arbeitnehmer nicht ernsthaft beworben hat und seine AGG-Klage daher rechtsmissbräuchlich erhoben hat.
In einem vor kurzem entschiedenen Fall hat das LAG Berlin-Brandenburg eine Entschädigungsklage abgelehnt und argumentiert, dass es für eine nicht ernsthafte Bewerbung spricht, wenn der Bewerber - z.B. wegen seines Alters und seiner beruflichen Erfahrungen - zu der ausgeschriebenen Stelle nicht "passt", sich aber in seinem Bewerbungsschreiben keine Mühe gibt zu erklären, warum er sich trotzdem bewirbt (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.10.2013, 21 Sa 1380/13, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 14/059 Altersdiskriminierung durch Suche nach Berufseinsteigern). In diesem Fall ging es um einen jahrelang selbständig tätigen Anwalt und bundesweit aktiven AGG-Hopper, der sich mit 60 Jahren auf die Stelle eines anwaltlichen Berufseinsteigers beworben hatte, ohne die erforderlichen juristischen Schwerpunktkenntnisse vorweisen zu können.
Einen ähnlichen Fall hatte das LAG Hamburg Mitte Februar 2014 zu entscheiden.
Der Hamburger Streitfall: Gerichtsbekannte ältere AGG-Hopperin mit Migrationshintergrund (Russland) und Informatikstudium bewirbt sich wieder einmal ohne Erfolg
Im Hamburger Fall ging es um eine über 50 Jahre alte Informatikerin russischer Herkunft, die nach den Feststellungen des LAG "im Zusammenhang mit Klagen auf Zahlung von Entschädigungen wegen behaupteter Diskriminierung bundesweit aktiv" ist. Sie hatte den verklagten Arbeitgeber in der Vergangenheit bereits zweimal ohne Erfolg auf Entschädigung wegen angeblicher Diskriminierung bei der Bewerbung verklagt und schuldete ihm daher noch Kostenerstattung. Mittlerweile lebt sie von Hartz IV.
Aufgrund dieser im Urteil enthaltenen Angaben wird es sich bei der Klägerin mit großer Wahrscheinlichkeit um Galina Meister handeln, deren damalige Entschädigungsklage 2007 vor Arbeitsgericht Hamburg keinen Erfolg hatte, aufgrund eines Vorlagebeschlusses des BAG bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) ging und dann im April 2013 vom BAG schlussendlich abgewiesen wurde (wir berichteten immer wieder über diesen Fall, zuletzt in Arbeitsrecht aktuell: 13/119 Beweislast für Diskriminierung bei der Einstellung).
Im vorliegenden Streitfall hatte es die Klägerin erneut versucht, und zwar bei dem aufgrund von Vorprozessen "altbekannten" Arbeitgeber, der wieder einmal eine Stelle als Informatiker (m/w) ausgeschrieben und Bewerbern ein Online-Bewerbungstool zur Verfügung gestellt hatte, in welches die Klägerin ihre Bewerbung einstellte. Dabei machte sie entsprechend den Vorgaben des Bewerbungsformulars Angaben zu ihrem Geschlecht, ihrem Geburtsdatum und zu ihren Deutschkenntnissen, die die Bewerber mit „Muttersprache", "Fließend", "Fortgeschritten", oder "Grundkenntnisse“ kennzeichnen sollten.
Noch während des laufenden Bewerbungsverfahrens setzte sie dem Arbeitgeber eine zweiwöchige Frist mit der Aufforderung, über ihre Bewerbung zu entscheiden, und verklagte ihn sofort nach Fristablauf vor dem Arbeitsgericht Hamburg, und zwar zunächst auf Auskunft zu ihrer Bewerbung. Als der Arbeitgeber ihr dann seine Ablehnungsentscheidung mitteilte, stellte sie die Klage um und verlangte eine zeitlich unbefristete laufende Geldentschädigung (!) von zunächst 1.000,00 EUR und schließlich von 3.000,00 EUR (!) pro Monat.
Das Arbeitsgericht Hamburg wies die Klage ab (Urteil vom 02.05.2013, 5 Ca 370/12).
LAG Hamburg: Anhaltspunkte für die Rechtsmissbräuchlichkeit einer Entschädigungsklage können sich auch aus dem Prozessverhalten des klagenden Arbeitnehmers ergeben
Das LAG wies die Berufung zurück und begründete das damit, dass die Klage missbräuchlich und damit unter Verstoß gegen das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) erhoben worden war.
Auf der Grundlage der oben genannten BAG-Rechtsprechung konnte das LAG diesen Vorwurf nicht allein darauf stützen, dass die Klägerin bundesweit AGG-Hopping betreibt. Aber es kamen weitere Anhaltspunkte hinzu, aus denen das LAG den Schluss zog, dass sich die Klägerin nur deshalb beworben hatte, um einen Vorwand für die Erhebung einer Klage zu erhalten. Dafür sprachen laut LAG folgende Umstände:
Erstens war die Klägerin dem Arbeitgeber bereits aus den erfolglosen Entschädigungsklagen bekannt und schuldete ihm Kostenerstattung aus einem dieser Prozesse. Vor einem solchen Hintergrund kann kein Bewerber von einem Arbeitgeber erwarten, dass seine Bewerbung Erfolg hat, so das LAG.
Zweitens hatte die Klägerin dem Arbeitgeber nur zwei Wochen Zeit gelassen, zu der Erinnerung an ihre Bewerbung Stellung zu nehmen, und ihn dann sofort verklagt. Daraus zog das LAG den Schluss, dass es der Klägerin letztlich nicht auf ihre Bewerbung, sondern nur darauf ankam, den Arbeitgeber erneut zu veklagen.
Drittens waren da die völlig überzogenen Zahlungsanträge und ihre seltsame "Begründung", der Klägerin seien weitere erfolglose Bewerbungen bei dem verklagten Arbeitgeber nicht "zumutbar" und er könne sie ja ohne Probezeit einstellen. Auch daraus zog das LAG den Schluss, die Bewerbung sei nicht ernsthaft.
Viertens schließlich warf das Gericht der Klägerin vor, den Arbeitgeber mit unsinnig hochgejazzten Zahlungsanträge in einen teuren Prozess hineintreiben zu wollen, und zwar in dem Bewusstsein, selbst zur Kosten wegen des Bezugs von Hartz IV nicht in der Lage zu sein.
Ergänzend wies das LAG darauf hin, dass die Klägerin ohnehin keinerlei Indizien für eine Diskriminierung vorgebracht hatte. Denn die Abfrage von Geburtsdatum, Geschlecht und Deutschkenntnissen bei der Bewerbung sind zulässig, so das LAG im Anschluss an die gängige Rechtsprechung (vgl. dazu z.B. Arbeitsrecht aktuell: 11/132 Keine Diskriminierung bei Onlinebewerbung durch Abfrage von Geschlecht und Geburtsdatum).
Fazit: Das Urteil zeigt, dass sich AGG-Hopping nicht lohnt. Wenn so viele Indizien wie hier im Streitfall dafür vorliegen, dass sich der Kläger nur beworben hat, um den Arbeitgeber später verklagen zu können, spielen die Gerichte nicht mit und halten dem (Schein-)Bewerber zurecht vor, Rechtsmissbrauch zu treiben.
Nähere Informationen finden sie hier:
- Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 19.02.2014, 3 Sa 39/13
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.10.2013, 21 Sa 1380/13
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Allgemein
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- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Ethnische Herkunft
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Geschlecht
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Letzte Überarbeitung: 8. Januar 2021
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