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ARBEITSRECHT AKTUELL // 14/037

Haf­tung für Dis­kri­mi­nie­rung bei Be­wer­bung

Wer­den Stel­len­be­wer­ber dis­kri­mi­niert, haf­tet nur der mög­li­che Ar­beit­ge­ber auf Ent­schä­di­gung: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 23.01.2014, 8 AZR 118/13
Polier mit Bauarbeitern Wer haf­tet für Dis­kri­mi­nie­run­gen von Be­wer­bern?

30.01.2014. Wer sich auf ei­ne Stel­le be­wirbt und ei­ne Ab­leh­nung er­hält, hat manch­mal auf­grund merk­wür­di­ger For­mu­lie­run­gen in der Stel­len­an­zei­ge den Ver­dacht, er sei we­gen sei­nes Ge­schlechts, sei­ner Her­kunft oder sei­nes Al­ters dis­kri­mi­niert wor­den.

Ent­schließt sich der Be­trof­fe­ne in sol­chen Fäl­len, ge­gen "den Ar­beit­ge­ber" vor­zu­ge­hen, ist manch­mal nicht klar, wel­che Fir­ma bzw. wel­cher Ar­beit­ge­ber hin­ter der Stel­len­aus­schrei­bung steht.

In ei­nem letz­te Wo­che er­gan­ge­nen Ur­teil hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ent­schie­den, dass nur der po­ten­ti­el­le Ar­beit­ge­ber, nicht aber ein Stel­len­ver­mitt­ler auf Dis­kri­mi­nie­rungs­ent­schä­di­gung haf­ten: BAG, Ur­teil vom 23.01.2014, 8 AZR 118/13.

Dis­kri­mi­nier­te Be­wer­ber können gemäß § 15 Abs.2 AGG ei­ne Entschädi­gung ver­lan­gen - aber von wem?

Bei Stel­len­aus­schrei­bun­gen und im Um­gang mit Stel­len­be­wer­bern müssen Ar­beit­ge­ber den Ein­druck ver­mei­den, dass sie jünge­re Be­wer­ber be­vor­zu­gen. Denn das wäre ei­ne un­zulässi­ge Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters. Stel­len­an­zei­gen müssen da­her gemäß § 11 AGG al­ter­s­neu­tral for­mu­liert sein, dürfen älte­re Be­wer­ber al­so nicht ab­schre­cken.

Es kommt aber im­mer wie­der vor, dass Ar­beit­ge­ber ei­ne Verstärkung für ihr "jun­ges krea­ti­ves Team" su­chen, und wer so et­was als älte­rer Mensch liest, wird sich eher nicht be­wer­ben.

Gibt es in ei­ner Stel­len­an­zei­ge sol­che An­halts­punk­te für ei­ne Be­vor­zu­gung jünge­rer Be­wer­ber, sind die­se ein In­diz für ei­ne Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne von § 22 AGG, so dass der Ar­beit­ge­ber gemäß die­ser Be­weis­last­re­ge­lung den Nach­weis führen muss, dass die Ab­leh­nung des (älte­ren) Be­wer­bers aus­sch­ließlich auf sach­li­chen Gründen be­ruht, d.h. mit dem Al­ter des ab­ge­lehn­ten Be­wer­bers nichts zu tun hat.

Kann der Ar­beit­ge­ber die­sen Nach­weis der Ob­jek­ti­vität bzw. Sach­lich­keit sei­ner Ab­leh­nungs­ent­schei­dung nicht führen , muss er gemäß § 15 Abs.2 AGG ei­ne Gel­dentschädi­gung we­gen un­zulässi­ger Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung zah­len.

Frag­lich ist, ob auch Per­so­nal­ver­mitt­ler für Dis­kri­mi­nie­run­gen auf der Grund­la­ge von § 15 Abs.2 AGG haft­bar zu ma­chen sind. Die­se Fra­ge ist vom Ge­setz nicht ein­deu­tig be­ant­wor­tet.

Zwar ist in § 15 Abs.1 AGG ein­deu­tig nur der Ar­beit­ge­ber als der Ver­pflich­te­te ge­nannt, aber bei die­ser Vor­schrift geht es um Scha­dens­er­satz, al­so z.B. um ei­nen Aus­gleich für den kon­kret be­re­chen­ba­ren Ver­dienst­aus­fall, den ein dis­kri­mi­nier­ter Be­wer­ber in­fol­ge ei­ner un­ter­blie­be­nen Beförde­rung er­lit­ten hat.

In § 15 Abs.2 AGG ist da­ge­gen der An­spruch des Dis­kri­mi­nier­ten auf ei­ne Gel­dentschädi­gung ge­re­gelt, d.h. auf ei­ne Art Schmer­zens­geld für ei­ne Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts. Und in § 15 Abs.2 AGG fehlt ein Hin­weis dar­auf, wer ei­gent­lich Schuld­ner die­ses An­spruchs ist, d.h. die Gel­dentschädi­gung zah­len muss - nur der Ar­beit­ge­ber (wie in Abs.1) oder auch an­de­re Per­so­nen?  

Bis­her gibt es nur ei­ni­ge we­ni­ge Ur­tei­le, die sich mit die­ser Fra­ge be­fas­sen. Nun­mehr hat sich erst­mals das BAG da­zu geäußert.

Der Fall des BAG: Ab­ge­lehn­ter Be­wer­ber ver­klagt ein Schwes­ter­un­ter­neh­men des po­ten­ti­el­len Ar­beit­ge­bers auf Entschädi­gung we­gen an­geb­li­cher Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung

Ein 42jähri­ger Dipl.-Be­triebs­wirt (FH) mit be­ruf­li­chen Er­fah­run­gen als Do­zent be­warb sich En­de Sep­tem­ber 2011 auf ei­ne im In­ter­net aus­ge­schrie­be­ne Stel­le als Per­so­nal­ver­mitt­ler. Die Auf­ga­ben be­stan­den laut Stel­len­aus­schrei­bung vor al­lem im Ver­trieb von Dienst­leis­tun­gen der Per­so­nal­ver­mitt­lung und in der Kun­den­ak­qui­se, d.h. in der "Ge­win­nung von Neu­kun­den für den Be­reich Per­so­nal­ver­mitt­lung".

In der Stel­len­aus­schrei­bung war die gewünsch­te Be­rufs­er­fah­rung mit "1 bis 2 Jah­re" an­ge­ge­ben und der "Kar­rie­re­sta­tus" mit "Be­rufs­ein­stei­ger". Aus die­sen An­ga­ben lei­te­te der Be­wer­ber ei­ne al­ters­dis­kri­mi­nie­ren­de Be­vor­zu­gung jünge­rer Be­wer­ber ab und ver­klag­te ei­ne UPN GmbH in Ah­rens­burg auf Gel­dentschädi­gung von drei Mo­nats­ver­diens­ten, die er auf je 4.000,00 EUR schätz­te, so dass sich ei­ne Kla­ge­for­de­rung von 16.000,00 EUR er­gab.

Die UPN GmbH hat­te zwar die Stel­len­an­zei­ge ge­schal­tet und auch dar­um ge­be­ten, Be­wer­bun­gen an sie zu rich­ten, doch hieß es am En­de der Stel­len­an­zei­ge außer­dem, „Kon­tak­t­in­for­ma­tio­nen für Be­wer­ber“ ge­be es bei ei­ner UP GmbH. Der Be­wer­ber über­sand­te sei­ne Be­wer­bung per E-Mail an die UPN GmbH und zu­dem per Post an die in der Stel­len­an­zei­ge ge­nann­te An­schrift der UP GmbH.

Wie sich im Ge­richts­ver­fah­ren her­aus­stell­te, han­del­te es sich bei der UPN GmbH und der UP GmbH um Schwes­ter­un­ter­neh­men ei­nes Kon­zerns, wo­bei die UPN GmbH le­dig­lich für ih­re Schwes­ter­fir­ma die Stel­len­an­zei­ge ge­schal­tet hat­te. Den Ar­beits­ver­trag hätte aber, wenn er denn zu­stan­de ge­kom­men wäre, die UP GmbH als Ar­beit­ge­ber ab­ge­schlos­sen.

Dar­auf­hin wie­sen das Ar­beits­ge­richt Lübeck (Ur­teil vom 12.06.2012, 6 Ca 323/12) und das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Schles­wig-Hol­stein (Ur­teil vom 22.11.2012, 4 Sa 246/12) die Kla­ge ab, und zwar mit der Be­gründung, dass der hier strei­ti­ge An­spruch auf Gel­dentschädi­gung gemäß § 15 Abs.2 AGG nur ge­gen den po­ten­ti­el­len Ar­beit­ge­ber bestünde, nicht aber ge­gen ei­nen Per­so­nal­ver­mitt­ler.

BAG: Der An­spruch auf Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG kann nur ge­gen den po­ten­ti­el­len Ar­beit­ge­ber ge­rich­tet wer­den

Das BAG bestätig­te die Ur­tei­le der Vor­in­stan­zen und wies die Re­vi­si­on des Be­wer­bers zurück. In der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung heißt es zur Be­gründung:

Ansprüche auf Entschädi­gung bei Dis­kri­mi­nie­run­gen auf der Grund­la­ge von § 15 Abs.2 AGG müssen aus­sch­ließlich ge­gen den (po­ten­ti­el­len) Ar­beit­ge­ber ge­rich­tet wer­den. Das be­deu­tet bei ei­nem Streit um ei­ne Be­wer­ber­dis­kri­mi­nie­rung: Wird bei der Stel­len­aus­schrei­bung ein Per­so­nal­ver­mitt­ler ein­ge­schal­tet, haf­tet der Ver­mitt­ler nicht für Ansprüche aus § 15 Abs.2 AGG.

Ob­wohl die Pres­se­mel­dung zu die­ser Fra­ge kei­ne An­ga­ben enthält, hat das BAG mit der Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on gleich­zei­tig auch die Fra­ge ent­schie­den, ob der Per­so­nal­ver­mitt­ler mögli­cher­wei­se des­halb haft­bar ge­macht wer­den kann, weil er den fal­schen An­schein er­weckt hat, in sei­nem ei­ge­nen Na­men bzw. für sich selbst ei­nen Be­wer­ber zu su­chen. Für die­sen Fall sieht das Stell­ver­tre­tungs­recht nämlich vor, dass der "Ver­tre­ter" selbst bzw. persönlich an ei­ne Erklärung ge­bun­den ist, wenn er nicht hin­rei­chend deut­lich macht, in frem­dem Na­men zu han­deln (§ 164 Abs.2 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB).

Die­se Vor­schrift ist aber nicht auf den Entschädi­gungs­an­spruch we­gen ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung an­zu­wen­den, so das LAG Schles­wig-Hol­stein in sei­ner Ur­teils­be­gründung. Denn die Ei­gen­haf­tung des (Pseu­do-)Ver­tre­ters gemäß § 164 Abs.2 BGB ist ja nur des­halb not­wen­dig, weil der Geschäfts­geg­ner an­dern­falls leer aus­ge­hen würde: Es gibt ja im rechts­geschäft­li­chen Ver­kehr, d.h. wenn es um Verträge geht, bei un­kla­rem "Ver­tre­ter"-Han­deln kei­nen auf Ver­trags­erfüllung haf­ten­den Ver­tre­te­nen, so dass dann eben der Erklären­de selbst gemäß § 164 Abs.2 BGB für die recht­li­chen Fol­gen sei­ner un­kla­ren Erklärun­gen ein­ste­hen muss.

Im Un­ter­schied da­zu exis­tiert in Dis­kri­mi­nie­rungsfällen ein Haf­tungs­ver­ant­wort­li­cher im­mer. Das ist der ("rich­ti­ge") Ar­beit­ge­ber, d.h. der­je­ni­ge, der die Stel­len­aus­schrei­bung ver­an­lasst hat. Er haf­tet gemäß § 15 Abs.2 AGG auf Gel­dentschädi­gung und muss sich da­bei auch das dis­kri­mi­nie­ren­de Ver­hal­ten der von ihm ein­ge­schal­te­ten Per­so­nal­ver­mitt­ler zu­rech­nen las­sen.

Fa­zit: Das BAG hat mit die­sem Ur­teil geklärt, dass sich al­le Entschädi­gungs­ansprüche aus § 15 Abs.2 AGG nur ge­gen den Ar­beit­ge­ber rich­ten können und nicht ge­gen an­de­re Per­so­nen.

Für ab­ge­lehn­te Be­wer­ber folgt dar­aus die Emp­feh­lung, Ansprüche we­gen ei­ner mögli­chen Dis­kri­mi­nie­rung im­mer ge­gen al­le Ar­beit­ge­ber zu rich­ten, die nach den An­ga­ben der Stel­len­an­zei­ge als Ar­beit­ge­ber in Be­tracht kom­men. Denn an­dern­falls sind die zwei­mo­na­ti­ge Aus­schluss­frist gemäß § 15 Abs.4 AGG und drei­mo­na­ti­ge Kla­ge­frist gemäß § 61b Abs.1 Ar­beits­ge­richts­ge­setz (ArbGG) oft schon ab­ge­lau­fen, wenn der ab­ge­lehn­te Be­wer­ber erst­mals im Pro­zess erfährt, wen er rich­ti­ger­wei­se hätte ver­kla­gen müssen.

Zu die­ser Fra­ge deu­tet das LAG Schles­wig-Hol­stein zwar an, dass die Aus­schluss­frist erst ab dem Zeit­punkt lau­fen "dürf­te", zu dem der ab­ge­lehn­te Be­wer­ber Kennt­nis von der Per­son des rich­ti­gen Ar­beit­ge­bers er­langt. Auf die­se recht­li­che Einschätzung soll­ten sich ab­ge­lehn­te Be­wer­ber aber bes­ser nicht ver­las­sen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­gründe veröffent­licht. Das vollständig be­gründe­te Ur­teil des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 22. August 2014

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