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Körpergröße als Einstellungsvoraussetzung diskriminiert Frauen
27.06.2014. Frauen sind im Durchschnitt kleiner als Männer und werden daher wegen ihres Geschlechts diskriminiert, wenn der Arbeitgeber bei der Einstellung eine körperliche Mindestgröße verlangt.
Zu diesem Ergebnis kam das Arbeitsgericht Köln vor einem halben Jahr, als es über die Entschädigungsklage einer jungen Frau zu entscheiden hatte, die sich vergeblich bei der Lufthansa um eine Ausbildung als Pilotin beworben hatte (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 13/356 Mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts bei der Pilotenausbildung).
Die Bewerberin war trotz bestandener Eignungstests unter Verweis auf einen Tarifvertrag, den die Lufthansa mit der Pilotenvereinigung Cockpit abgeschlossen hatte, abgelehnt worden. Nach diesem Tarifvertrag müssen Pilotenanwärter und Pilotenanwärterinnen zwischen 1,65 bis 1,98 Meter groß sein. Da die Bewerberin nur eine Körpergröße von 1,61 Meter und einen halben Zentimeter vorweisen konnte, war sie zu klein. Daraufhin erhob sie Klage auf Entschädigung.
Da es nach Ansicht des Arbeitsgerichts Köln keine triftigen Sachgründe für die Größenanforderungen gab, hätte die Klägerin eigentlich gemäß § 15 Abs.2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine Geldentschädigung verlangen können.
Hier im Streitfall konnte sich die Lufthansa aber vor dem Arbeitsgericht mit Erfolg darauf berufen, sie sei gutgläubig von der Rechtmäßigkeit des Tarifvertrags ausgegangen. Gemäß § 15 Abs.3 AGG ist der Arbeitgeber nämlich bei der Anwendung von diskriminierenden Tarifverträgen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt, und das war hier nicht der Fall.
Vorgestern musste das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln als Berufungsgericht über den Streitfall entscheiden. Und auch vor dem LAG Köln konnte sich die Klägerin mit ihrer Forderung von immerhin 135.000,00 EUR nicht durchsetzen. Soviel hatte sie als Schadensersatz und als Entschädigung für die erlittene geschlechtsbedingte Diskriminierung bzw. die darin liegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts verlangt.
Denn die Klägerin hatte, so das LAG in seiner derzeit allein vorliegenden Pressemeldung, neben der Lufthansa AG eine Tochtergesellschaft der Lufthansa verklagt, nämlich die Lufthansa Flight Training GmbH. Während die Lufthansa AG das Bewerbungsverfahren mit Pilotenanwärtern durchführt, schließt die Lufthansa Flight Training GmbH den Schulungsvertrag mit erfolgreichen Bewerberinnen und Bewerbern ab. Der Vertragspartner wäre also, wenn es zu einem Ausbildungsvertrag gekommen wäre, nicht etwa die Lufthansa AG gewesen, sondern die Lufthansa Flight Training GmbH.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sind aber Entschädigungsforderungen, die auf eine Diskriminierung bei der Bewerbung gestützt und mit § 15 Abs.1 und 2 AGG begründet werden, allein gegen den potentiellen Arbeitgeber zu richten (BAG, Urteil vom 23.01.2014, 8 AZR 118/13, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 14/037 Haftung für Diskriminierung bei Bewerbung). Daher konnte die Klage gegen die Lufthansa AG keinen Erfolg haben, so das LAG, denn die Lufthansa AG wäre ohnehin nicht Arbeitgeber geworden.
Ansprüche gegen die Lufthansa AG hätte die Klägerin daher nur auf Vorschriften außerhalb des AGG stützen können, und dazu hätte - nach allgemeinem Zivilrecht - bereits das Auswahlverfahren als solches das Persönlichkeitsrecht der Klägerin in erheblicher Weise verletzen müssen. Das war nach Meinung des LAG Köln aber nicht der Fall.
Nun hatte die Klägerin bzw. ihr Anwalt Klage und Berufung zwar auch gegen die Lufthansa Flight Training GmbH gerichtet, doch war die Berufungsbegründung offenbar in der Hinsicht fehlerhaft, dass sie sich nicht ausreichend mit den Urteilsgründen des Arbeitsgerichts auseinandersetzte. Eine solche Nachlässigkeit führt zur Unzulässigkeit der Berufung.
In der Pressemeldung des LAG heißt es zu diesem Punkt:
"Das Gericht sah aber die Berufung der Klägerin gegenüber dieser Beklagten als unzulässig an, weil die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung nicht in formell ausreichender Weise auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts eingegangen war."
Das LAG Köln ließ die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zu, allerdings nur in Bezug auf die Klage gegen die Lufthansa AG, und hier ist für die Bewerberin nicht viel zu holen. Ob der Fall zum BAG kommt, ist auch aus anderen Gründen fraglich. Wie in der Wirtschaftswoche zu lesen war, will die abgewiesene Bewerberin vielleicht eine Piloten-Ausbildung bei Swissair machen. Dort wird nämlich nur eine Mindestgröße von 160 cm verlangt.
Fazit: Der Fall ist arbeitsrechtlich interessant, weil nach Ansicht des Arbeitsgerichts Köln und des LAG Köln hier eine mittelbare Frauendiskriminierung vorliegt und weil sich die Lufthansa Flight Training GmbH auf die Haftungsbegrenzung gemäß § 15 Abs.3 AGG berufen hatte. Ob diese Privilegierung von Arbeitgebern, die diskriminierende Tarifverträge anwenden, rechtlich haltbar oder wegen Verstoßes gegen das Europarecht "unangewendet" bleiben müsste, ist in der arbeitsrechtlichen Literatur umstritten.
Allerdings bietet der vorliegende Fall keine Möglichkeit mehr für das BAG, diese Streitfrage zu klären. Denn die vom LAG zugelassene Revision betrifft nur die Klage gegen die Lufthansa AG, und hier ist § 15 AGG nicht anwendbar, so dass die Streitfrage zu § 15 Abs.3 AGG keine Rolle spielt.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 25.06.2014, 5 Sa 75/14 (Pressemitteilung 9/2014)
- Wirtschaftswoche, 25.06.2014: Pilotin zu klein. Lufthansa diskriminiert Frauen
- Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 28.11.2013, 15 Ca 3879/13 (Pressemitteilung 10/2013)
- Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 28.11.2013, 15 Ca 3879/13
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Rechte Betroffener
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- Arbeitsrecht aktuell: 13/356 Mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts bei der Pilotenausbildung
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Letzte Überarbeitung: 16. November 2020
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