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Diskriminierung bei der Bewerbung wegen des Alters
24.08.2012. Ungerechtfertigte Benachteiligungen im Berufsleben wegen des Alters, des Geschlechts oder ähnlicher persönlicher Merkmale sind durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verboten (§ 7 Abs.1 in Verb. mit § 1 AGG). Das gilt auch bei der Ausschreibung einer freien Stelle, die "diskriminierungsfrei" sein muss (§ 11 AGG), und natürlich auch bei der Auswahl zwischen verschiedenen Bewerbern.
Allerdings fällt es abgelehnten Bewerbern schwer, dem Arbeitgeber eine verbotene Diskriminierung nachzuweisen, da sie ja keinen Einblick in die Entscheidungsprozesse beim Arbeitgeber haben. Hier hilft § 22 AGG. Nach dieser gesetzlichen Beweiserleichterung genügt es, wenn ein möglicherweise diskriminierter Arbeitnehmer oder Bewerber Indizien ("Vermutungstatsachen") beweisen kann, die eine Diskriminierung vermuten lassen. Kann der Bewerber solche Indizien beweisen, muss der Arbeitgeber die Vermutung der Diskriminierung widerlegen, d.h. er muss beweisen, dass die Stellenbesetzung diskriminierungsfrei war.
Mit einer Entscheidung vom gestrigen Tage hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Rechte abgelehnter Stellenbewerber erheblich gestärkt. Bislang blieben Diskriminierungen bei Bewerbungsverfahren meist folgenlos, wenn der Arbeitgeber letztlich niemanden eingestellt hat. Der Verzicht auf eine Einstellung genügt aber jetzt nicht mehr, damit der Arbeitgeber trotz einer diskriminierenden Stellenausschreibung ungeschoren davonkommt: BAG, Urteil vom 23.08.2012, 8 AZR 285/11.
- Kann man von einer Diskriminierung bei der Bewerbung nur dann sprechen, wenn Mitbewerber eingestellt wurden?
- Der Streitfall: Arbeitgeber sucht zwei Mitarbeiter "zwischen 25 und 35 Jahren“ als „Net Entwickler“ und „SQL Datenbankentwickler“
- BAG: Altersdiskriminierende Stellenausschreibungen können auch dann Entschädigungen zur Folge haben, wenn der Arbeitgeber niemanden einstellt
Kann man von einer Diskriminierung bei der Bewerbung nur dann sprechen, wenn Mitbewerber eingestellt wurden?
Obwohl das AGG nun schon viele Jahre in Kraft ist, kommt es immer noch vor, dass Arbeitgeber mit öffentlichen Stellenausschreibung einen "jungen" Verkäufer oder einen Programmierer "im Alter zwischen 25 und 35 Jahren" suchen. Das ist verboten, weil Arbeitsplätze gemäß § 11 AGG nicht so ausgeschrieben werden dürfen, dass "zu alte" Interessenten von einer Bewerbung abgehalten werden. Schlechterstellungen wegen des Alters bei der Einstellung sind nur dann erlaubt, wenn der Arbeitgeber dafür sehr triftige sachliche Gründe hat, die im Gesetz abschließend aufgelistet sind.
Begeht der Arbeitgeber einen Ausschreibungs-Patzer und meldet sich trotzdem ein "zu alter" Bewerber, wird es für den Arbeitgeber eng. Denn wenn er einen solchen Bewerber nicht zum Vorstellungsgespräch einlädt und die Stelle an einen jüngeren Konkurrenten mit dem "passenden" Alter vergibt, muss er in aller Regel eine Geldentschädigung wegen unzulässiger Altersdiskriminierung bei der Bewerbung zahlen (§ 15 Abs.2 AGG).
Die rechtliche Begründung lautet in einem solchen Fall: Der abgelehnte Bewerber wurde nicht eingestellt und hat daher eine "weniger günstige Behandlung" erfahren als derjenige Konkurrent, der die Stelle bekommen hat. Und diese Schlechterstellung geht vermutlich auf eine verbotene Diskriminierung wegen des Alters zurück, da eine diskriminierende Stellenausschreibung im Sinne von § 11 AGG gemäß § 22 AGG ein Indiz dafür ist, dass die Stellenvergabe auf einer Diskriminierung beruht.
Fraglich ist allerdings, ob unter solchen Umständen abgelehnte Stellenbewerber auch dann eine "weniger günstige Behandlung" erfahren haben und daher diskriminiert wurden, wenn der Arbeitgeber letztlich niemanden eingestellt hat. Dann könnte man sagen, dass trotz der unrechtmäßigen Ausschreibung eine Diskriminierung im Ergebnis nicht vorliegt, weil ja niemand besser behandelt wurde als der "zu alte" Stellenbewerber. Die jüngeren ging ja auch leer aus.
Der Streitfall: Arbeitgeber sucht zwei Mitarbeiter "zwischen 25 und 35 Jahren“ als „Net Entwickler“ und „SQL Datenbankentwickler“
Im Streitfall hatte eine Firma Mitte 2009 zwei Stellen ausgeschrieben, nämlich eine als „Net Entwickler“ und eine andere als „SQL Datenbankentwickler“. Dabei wollte sie „zwei freiberufliche Mitarbeiter … zwischen 25 und 35 Jahren“ haben. Ein 1956 geborener Bewerber meldete sich auf diese Stellenausschreibung hin, wurde aber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und letztlich abgelehnt. Die Firma sah allerdings im Ergebnis dieser Stellenausschreibung von einer Einstellung überhaupt ab.
Der abgelehnte Bewerber meinte, er sei wegen seines Alters von 53 Jahren bei der Einstellung diskriminiert worden und klagte auf eine Geldentschädigung von 26.400,00 EUR. Das Arbeitsgericht Berlin wies die Klage ab, da der Bewerber seiner Meinung nach gar nicht objektiv für die Stelle geeignet war (Urteil vom 06.05.2010, 54 Ca 19216/09).
Das mit der Berufung befasste Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg ließ die Frage der objektiven Eignung des Bewerbers offen und wies seine Berufung aus einem anderen Grund ab: Der Kläger hatte nach Ansicht des LAG keine schlechtere Behandlung als die übrigen Bewerber erfahren, weil diese ja ebenfalls nicht eingestellt worden waren (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.11.2010, 17 Sa 1410/10).
BAG: Altersdiskriminierende Stellenausschreibungen können auch dann Entschädigungen zur Folge haben, wenn der Arbeitgeber niemanden einstellt
Das BAG hob die Entscheidungen des Arbeitsgerichts und des LAG auf und verwies den Fall an das LAG zurück mit dem Hinweis, das LAG möge doch bitte die Frage der Eignung des Bewerbers klären. Denn das BAG teilt nicht die Meinung des LAG, dass abgelehnte Bewerber niemals eine Diskriminierungsentschädigung verlangen können, wenn es keinen Konkurrenten gibt, der eingestellt wurde.
Obwohl sich dies aus der derzeit allein vorliegenden Pressemitteilung des BAG nicht ergibt, ist zu vermuten, dass das BAG hier § 3 Abs.1 Satz 1 AGG vor Augen hatte. Diese Vorschrift lautet:
"Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde."
Wie diese Vorschrift deutlich macht, setzt eine Diskriminierung nicht immer voraus, dass der Betroffene auf eine tatsächlich besser gestellte Vergleichsperson verweisen kann. Vielmehr reicht es aus, wenn der Betroffene weniger günstig behandelt wird als eine mögliche bzw. eine gedachte Vergleichsperson: Es genügt, dass der Betroffene eine schlechtere Behandlung erfährt als sie eine vergleichbare Person "erfahren würde".
Demzufolge ist es kein ausreichendes Argument, wenn der Arbeitgeber nach einer diskriminierenden Stellenausschreibung darauf verweist, er hätte doch letztlich niemanden eingestellt. Denn damit ist noch nicht bewiesen, dass ein objektiv geeigneter Bewerber, der die diskriminierenden Kriterien der Stellenausschreibung nicht erfüllt, nicht vielleicht doch genommen worden wäre. Vielleicht waren ja alle jüngeren Bewerber fachlich zu schlecht oder passten nicht ins Team, wohingegen der abgelehnte "zu alte" Bewerber an diesen Hürden nicht gescheitert wäre.
Außerdem kann eine Benachteiligung auch darin liegen, dass der "zu alte" Bewerber nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird, wie es dem Kläger im vorliegenden Fall geschehen ist. Bereits das allein kann als eine "weniger günstige Behandlung" im Sinne von § 3 Abs.1 Satz 1 AGG angesehen werden.
Fazit: Ist eine Stellenausschreibung altersdiskriminierend, weil nur Mitarbeiter eines bestimmten Alters gesucht werden, dann ist der Entschädigungsanspruch eines abgelehnten "zu alten" Bewerbers auf der Grundlage von § 15 Abs.2 AGG nicht allgemein ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber letztlich niemanden und daher auch keine jüngeren Konkurrenten eingestellt hat.
Mit dieser Entscheidung stärkt das BAG die Rechte abgelehnter Stellenbewerber erheblich. Denn auf der Grundlage dieses BAG-Urteils müssen Arbeitgeber als Folge einer diskriminierenden Ausschreibung gegenüber jedem durch die Ausschreibung diskriminierten Bewerber den Beweis führen, dass er aus sachlichen Gründen abgelehnt wurde. Dieser Beweis ist nicht schon dadurch erbracht, dass niemand eingestellt wurde.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- BAG, Urteil vom 23.08.2012, 8 AZR 285/11 (Pressemitteilung)
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.11.2010, 17 Sa 1410/10
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 16. November 2020
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