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Betriebsübergang und Betriebsführungsvertrag
03.08.2016. Wer einen Produktionsbetrieb übernimmt und damit gemäß § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) neuer Arbeitgeber der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer wird, muss vorhandene Betriebsmittel und gewerbliche Rechte nicht unbedingt kaufen.
Vielmehr genügt es, wenn er den Betrieb pachtet, wie das z.B. im Hotelgewerbe und in der Gastronomie oft vorkommt.
Hat der "Erwerber" mit dem "Veräußerer" aber nur einen Betriebsführungsvertrag geschlossen und sich darin verpflichtet, den Betrieb im Namen und auf Rechnung des "Veräußerers" zu führen, stellt eine solche Lohnfertigung keinen Betriebsübergang dar. Die Arbeitnehmer gehen dann nicht auf die Betriebsführungsgesellschaft über: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.05.2016, 15 Sa 108/16.
- Betriebsübergang auf eine Betriebsführungsgesellschaft, die die Geschäfte im Namen und auf Rechnung des bisherigen Inhabers führt?
- Der Streitfall: Betriebsführungsgesellschaft übernimmt die Arbeitgeberstellung unter Berufung auf § 613a BGB, wird aber im Namen der Inhabergesellschaft tätig
- LAG Berlin-Brandenburg: Handelt eine Betriebsführungsgesellschaft im Namen und für Rechnung der Trägergesellschaft, liegt kein Betriebsübergang vor
Betriebsübergang auf eine Betriebsführungsgesellschaft, die die Geschäfte im Namen und auf Rechnung des bisherigen Inhabers führt?
Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Vertrag auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser gemäß § 613a Abs.1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Der Erwerber wird automatisch, d.h. kraft Gesetzes, Arbeitgeber der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer.
Da diese rechtliche Regelung zum Schutz der betroffenen Arbeitnehmer zwingend ist, d.h. vertraglich nicht abgeändert werden kann, besteht oft Streit darüber, ob die gesetzlichen Voraussetzungen eines solchen Betriebsübergangs gegeben sind oder nicht. Leider definiert das Gesetz nicht, was unter einem Betriebsübergang zu verstehen ist.
Die Arbeitsgerichte prüfen daher nach entsprechenden Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), ob es im Einzelfall eine „wirtschaftliche Einheit“ gab und ob diese Einheit unter Beibehaltung ihrer "Identität" vom alten auf den neuen Inhaber übergegangen ist. Wichtig sind dabei folgende Umstände, die den Charakter des Betriebs und des möglichen Übergangs ausmachen:
- Art des Betriebes: produktionsmittelgeprägter Betrieb oder Dienstleistungsbetrieb?
- Wert und Übertragung materieller Betriebsmittel wie Gebäude und/oder bewegliche Güter?
- Wert und Übertragung immaterieller Vermögensgegenstände?
- Übernahme der Hauptbelegschaft?
- Übernahme der Kundschaft und Fortsetzung der Kundenbeziehungen?
- Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem (möglichen) Übergang im Betrieb verrichteten Tätigkeiten?
- Kurze oder längere Dauer einer Unterbrechung dieser Tätigkeiten?
Hinter dieser Checkliste steht letztlich die Frage, ob der (mögliche) Erwerber die wirtschaftlichen Früchte seines Vorgängers weiter ernten kann (und daher nach dem Gesetz auch dessen Arbeitnehmer weiter bezahlen muss). Dadurch soll vermieden werden, dass sich Betriebserwerber nur die wirtschaftlich interessanten Rosinen eines Betriebs herauspicken.
Die gesetzliche Überleitung von Arbeitsverhältnissen gemäß § 613a Abs.1 Satz 1 BGB kann sich aber auch zu Ungunsten der Arbeitnehmer auswirken, nämlich dann, wenn sie statt ihres bisherigen finanzstarken Arbeitgebers einen windigen Pappkameraden als Arbeitgeber vorgesetzt bekommen, der nur deshalb als Betriebserwerber in Erscheinung tritt, um den Betrieb möglichst rasch nach dessen Übergang abzuwickeln, und zwar "kostengünstig".
Anhaltspunkte für eine solche Strategie bestehen dann, wenn ein Schwester- oder Tochterunternehmen des bisherigen Arbeitgebers als (angeblicher) Betriebserwerber auftritt, dabei aber im Namen und auf Rechnung des bisherigen Arbeitgebers den Betrieb "führt". Bei einem solchen Betriebsführungsvertrag kann man bezweifeln, ob der "Betriebserwerber" überhaupt Inhaber des Betriebs geworden ist. Falls nicht, liegt kein Betriebsübergang vor.
Über einen solchen Fall hatte vor kurzem das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg zu entscheiden: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.05.2016, 15 Sa 108/16.
Der Streitfall: Betriebsführungsgesellschaft übernimmt die Arbeitgeberstellung unter Berufung auf § 613a BGB, wird aber im Namen der Inhabergesellschaft tätig
Ein Hersteller von Fensterbänken und Türen mit drei Standorten in Deutschland hatte im März 2011 die Führung seiner drei Betriebe auf eine Schwestergesellschaft übertragen, dabei aber sämtliche Immobilien, Produktionsmittel und Patente behalten. Die Aufgabe der Schwestergesellschaft bestand gemäß einem Betriebsführungsvertrag im Wesentlichen darin, gegen geringfügige Bezahlung die Arbeitsverhältnisse fortzuführen. Im Übrigen musste die Schwester- bzw. Betriebsführungsgesellschaft alle Geschäfte im Namen und auf Rechnung der Inhabergesellschaft führen.
Kurz nachdem den Arbeitnehmern, unter anderem am Standort Berlin, der (angebliche) Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse auf die Betriebsführungsgesellschaft verkündet worden war, geriet diese in wirtschaftliche Schwierigkeiten und beschloss nach vorübergehender Unterschreitung von Tariflohnerhöhungen und Kurzarbeit die Schließung aller drei Standorte. Die Kündigungsschutzklagen der betroffenen Berliner Arbeitnehmer hatten keinen Erfolg.
Nachdem sich der Rauch der juristischen Schlachtgetümmels verzogen hatte, stellten die verdutzten Berliner Arbeitnehmer im Sommer 2015 fest, dass die Produktion von Fensterbänken und Türen an den anderen beiden Standorten weiter betrieben wurde, und zwar im Namen ihres ursprünglichen Arbeitgebers.
Daraufhin traten einige der Betroffenen, unter ihnen ein seit 1980 beschäftigter Betriebselektriker und Betriebsratsmitglied, an ihren ursprünglichen Arbeitgeber heran und forderten ihn auf, das Fortbestehen ihrer Arbeitsverhältnisse zu bestätigen.
Der Arbeitgeber reagierte nervös und erhob eine negative Feststellungsklage, d.h. er begehrte die gerichtliche Feststellung, dass zwischen ihm und dem Betriebselektriker seit Ende März 2011 kein Arbeitsverhältnis mehr bestand bzw. besteht. Das Arbeitsgericht Berlin gab der Klage statt (Urteil vom 18.11.2015, 39 Ca 8638/15).
LAG Berlin-Brandenburg: Handelt eine Betriebsführungsgesellschaft im Namen und für Rechnung der Trägergesellschaft, liegt kein Betriebsübergang vor
Vor dem LAG zog der Arbeitgeber den Kürzeren, d.h. das LAG wies die Klage ab. Begründung des Gerichts: Der angebliche Betriebsübergang per Ende März 2011 war gar keiner, denn der angebliche Betriebserwerber war nie Inhaber des Betriebs geworden.
Denn weil die Betriebsführungsgesellschaft hier gemäß dem Betriebsführungsvertrag nach außen gegenüber Kunden und Lieferanten nicht als Betriebsinhaber auftrat, sondern im Namen und auf Rechnung der Inhabergesellschaft bzw. des ursprünglichen Inhabers, hatte dieser seine Inhaberstellung nie aufgegeben. Ein Wechsel in der Person des Betriebsinhabers hatte nicht stattgefunden, so das LAG.
Die wirtschaftliche Zielsetzung eines solchen Verwirrspiels kommentieren die Berliner Richter zurecht mit deutlichen Worten. Die Regelungen zum Betriebsübergang, so das Gericht, "sind nicht dazu da, den Arbeitnehmern einen neuen, möglichst >armen< Vertragspartner zuzuweisen".
Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass das BAG den Fall eines Betriebsführungsvertrags, bei welchem die Betriebsführungsgesellschaft im Namen und auf Rechnung der Inhabergesellschaft auftritt, anders beurteilt.
Fazit: Tritt eine Betriebsführungsgesellschaft gar nicht als Betriebsinhaber auf, kann ein Betriebsführungsvertrag keine Grundlage für einen Betriebsübergang sein. Anders ist es dann, wenn der Betriebsführungsvertrag die Betriebsführungsgesellschaft dazu ermächtigt, den Betrieb im eigenen Namen zu führen.
Dann allerdings müssen die beteiligten Arbeitgeber die Arbeitnehmer darauf hinweisen, dass sie künftig für einen "Habenichts" arbeiten sollen, der in wirtschaftlicher Abhängigkeit von der Inhabergesellschaft letztlich nur Managementaufgaben wahrnimmt. Arbeitnehmern ist in einem solchen Fall dazu zu raten, zusammen mit einem Anwalt oder einem gewerkschaftlichen Rechtssekretär zu überlegen, ob sie dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse gemäß § 613a Abs.6 BGB widersprechen sollten.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.05.2016, 15 Sa 108/16
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsübergang
- Arbeitsrecht aktuell: 19/192 Betriebsübergang zwecks Liquidation
- Arbeitsrecht aktuell: 18/025 Betriebsübergang als Täuschungsmanöver
- Arbeitsrecht aktuell: 16/378 Fehlerhafte Information zum Betriebsübergang und Widerspruchsrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 16/213 Informationspflicht und Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang
- Arbeitsrecht aktuell: 14/364 EuGH zum Betriebsübergang im Konzern
- Arbeitsrecht aktuell: 12/357 Betriebsübergang durch Grundstückskauf?
- Arbeitsrecht aktuell: 12/341 Betriebsübergang trotz Beschäftigungsgesellschaft
- Arbeitsrecht aktuell: 12/190 Betriebsübergang bei Rettungszweckverband
- Arbeitsrecht aktuell: 11/167 Betriebsübergang trotz Transfergesellschaft als Zwischenstation
- Arbeitsrecht aktuell: 10/005 Kein Betriebsübergang bei grundlegender Änderung des Betriebskonzepts
- Arbeitsrecht aktuell: 09/140 Betriebsübergang auch bei schwierigeren Arbeitsaufgaben
- Arbeitsrecht aktuell: 09/034 Betriebsteilübergang auch bei Verlust der organisatorischen Selbständigkeit
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) über den Fall entschieden und das Urteil des LAG Berlin-Brandenburg bestätigt. Nähere Informationen zu dem BAG-Urteil finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.01.2018, 8 AZR 338/16 (Pressemeldung des Gerichts)
- Arbeitsrecht aktuell: 18/025 Betriebsübergang als Täuschungsmanöver
Letzte Überarbeitung: 2. September 2019
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