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Betriebsübergang trotz Beschäftigungsgesellschaft
28.10.2012. Kauft ein Investor Teile eines insolventen Unternehmens, möchte er in der Regel nicht die gesamte Belegschaft übernehmen, und er möchte auch nicht einfach in die bestehenden Arbeitsverträge einsteigen, da diese aus seiner Sicht zu teuer sind.
Damit gerät der Investor in Konflikt mit § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), denn dieser Paragraph schreibt zwingend vor, dass bei einem Betriebsübergang alle Arbeitsverhältnisse automatisch auf den Erwerber übergehen.
Also suchen Insolvenzverwalter und Investor nach Wegen, § 613a BGB legal zu umgehen, und dabei hilft meist eine Beschäftigungsgesellschaft. Beenden die Arbeitnehmer ihre Arbeitsverhältnisse endgültig zugunsten einer sechs- oder zwölfmonatigen "Arbeit" bei einer Beschäftigungsgesellschaft, kann der Investor mit den dort beschäftigten Arbeitnehmern nach Belieben neue Verträge machen.
Das geht aber schief, wenn die Tätigkeit in der Beschäftigungsgesellschaft nur vorgeschoben ist: BAG, Urteil vom 25.10.2012, 8 AZR 572/11.
- Wem nützen Beschäftigungsgesellschaften und was ist bei ihrem Einsatz rechtlich zu beachten?
- Der Streitfall: Beschäftigungsgesellschaft soll nur eine kleine Minderheit der Arbeitnehmer dauerhaft aufnehmen, die übrigen sollen nur für eine halbe Stunde (!) Arbeitnehmer der Beschäftigungsgesellschaft sein
- BAG: Eine halbstündige "Beschäftigung" bei einer Transfergesellschaft auf dem Weg vom insolventen Arbeitgeber hin zum Investor verhindert keinen Betriebsübergang
Wem nützen Beschäftigungsgesellschaften und was ist bei ihrem Einsatz rechtlich zu beachten?
Wird ein größeres Unternehmen insolvent, ist eine Beschäftigungsgesellschaft ein sinnvolles Auffangangebot für diejenigen (meist älteren) Arbeitnehmer, die nicht sofort eine Anschlussbeschäftigung finden. Sie haben aufgrund der vorübergehenden Tätigkeit in der Beschäftigungsgesellschaft Zeit, sich zu bewerben, und manchmal gibt es nützliche Qualifizierungsangebote.
Aus diesem Grund stehen auch engagierte Betriebsräte und Gewerkschaften hinter einer Beschäftigungsgesellschaft.
Auch der Insolvenzverwalter hat ein Interesse an einer Beschäftigungsgesellschaft, weil sie verhindert, dass die Belegschaft sofort arbeitslos wird. Und je mehr Arbeitsverhältnisse gerettet werden können, desto besser der Job, den der Verwalter gemacht hat.
Ein ganz spezielles Interesse an einer Beschäftigungsgesellschaft hat schließlich der Kaufinteressent, d.h. der Investor, der den Betrieb oder profitable Teile des Betriebs (die "Assets") kaufen möchte. Denn werden die Arbeitnehmer in einem ersten Schritt in eine Beschäftigungsgesellschaft überführt, enden ihre Arbeitsverhältnisse mit dem insolventen Unternehmen, und zwar endgültig. Dann kann sich der Investor aus den Arbeitnehmern "der Beschäftigungsgesellschaft" diejenigen herauspicken, mit denen er weitermachen möchte, und er kann auch neue Verträge machen.
§ 613a BGB gilt dann nicht, denn so etwas wie einen "Betrieb der Beschäftigungsgesellschaft" übernimmt der Investor ja nicht, und auch der Betrieb des insolventen ursprünglichen Arbeitgebers wird nicht übernommen, wenn dessen Arbeitnehmer "endgültig" aus dem ursprünglichen Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind. Das setzt nach der Rechtsprechung des BAG voraus, dass sie beim Wechsel in die Beschäftigungsgesellschaft keine sichere Aussicht auf eine künftige Beschäftigung beim Investor hatten.
Genau diese Aussicht auf eine "übertragende Sanierung" und eine "Kontinutität der Beschäftigung" möchten aber wiederum Gewerkschaft, Betriebsrat und ein bisschen auch der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmern vermitteln, um sie zu beruhigen und um zu verhindern, dass die jüngeren und gut ausgebildeten Arbeitnehmer abwandern. Dann gerät aber die Umgehung von § 613a BGB in Gefahr.
Der Streitfall: Beschäftigungsgesellschaft soll nur eine kleine Minderheit der Arbeitnehmer dauerhaft aufnehmen, die übrigen sollen nur für eine halbe Stunde (!) Arbeitnehmer der Beschäftigungsgesellschaft sein
Im Streitfall war ein Unternehmen mit etwa 1.600 Arbeitnehmer 2007 insolvent geworden.
Der Insolvenzverwalter führte das Unternehmen zunächst fort und versuchte es zu verkaufen. Er hatte auch bald einen ernsthaften Interessenten gefunden, der im März 2008 einen Tarifvertrag mit der IG Metall vereinbarte, in dem er sich verpflichtete, über 1.100 Arbeitnehmer unbefristet und 400 befristet weiter zu beschäftigen.
Im nächsten Schritt kaufte der Investor dem Verwalter die sachlichen Betriebsmittel ab. Kurz darauf, im April 2008, vereinbarte der Insolvenzverwalter einen Interessenausgleich und Sozialplan zu einer „übertragenden Sanierung“. Darin wird u.a. festgehalten, dass die Beschäftigungsgesellschaft nur Geld für maximal 50 Arbeitnehmer hat.
Auf einer Betriebsversammlung Anfang Mai 2008 erhielten die Arbeitnehmern fünf Vertragsformulare mit der Bitte, diese zu unterschreiben. Eines der Formulare war ein Vertrag zwischen Verwalter, Arbeitnehmer und Beschäftigungsgesellschaft, dem zufolge das alte Arbeitsverhältnis am 31.05.2008 enden und am 01.06.2008 ein neues mit der Beschäftigungsgesellschaft beginnen sollte.
Die vier weiteren Vertragsformuare sahen zeitlich befristete Arbeitsverträge mit dem Investor vor, und zwar mit verschieden langer Laufzeit. Beginn dieser Arbeitsverträge war ebenfalls der 01.06.2008.
Lustigerweise sollten die Arbeitsverhältnisse mit dem Investor aber nicht am 01. Juni um 00:00 Uhr beginnen, sondern erst eine halbe Stunde später, d.h. um 00:30 Uhr, so dass die Arbeitnehmer im Ergebnis eine halbe Stunde "bei der Beschäftigungsgesellschaft tätig" waren.
Einer der betroffenen Arbeitnehmer bekam einen auf 20 Monate befristeten Arbeitsvertrag und klagte vor Ablauf auf Entfristung. Damit hatte er vor dem Arbeitsgericht Siegburg keinen Erfolg, wohl aber in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Köln (LAG Köln, Urteil vom 25.02.2011, 3 Sa 673/10).
Denn das LAG meinte, der Zeitvertrag hätte nicht auf der Grundlage einer sachgrundlosen Befristung wegen Neueinstellung abgeschlossen werden dürfen, da hier keine Neueinstellung vorlag. Vielmehr hatte der Investor den klagenden Arbeitnehmer automatisch und mit dem alten Arbeitsvertrag übernommen, nämlich wegen eines Betriebsübergangs. Das halbstünde Zwischenspiel bei der Beschäftigungsgesellschaft bewertete das LAG als Versuch der Umgehung von § 613a BGB.
BAG: Eine halbstündige "Beschäftigung" bei einer Transfergesellschaft auf dem Weg vom insolventen Arbeitgeber hin zum Investor verhindert keinen Betriebsübergang
Auch vor dem BAG bekam der Arbeitnehmer recht. Soweit man das der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG entnehmen kann, stützte das BAG sein Urteil auf folgende Überlegungen:
Der Betriebserwerber kann sich auf die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses durch den mit der Beschäftigungsgesellschaft geschlossenen Arbeitsvertrag, der nur eine halbe Stunde bestand, nicht berufen.
Nach den Umständen, unter denen der Vertrag mit der Beschäftigungsgesellschaft zustande kam, musste allen Beteiligten klar sein, dass er dem Zweck diente, "die Kontinuität des Arbeitsverhältnisses zu unterbrechen und die Rechtsfolgen des § 613a BGB zu umgehen".
Dass der Arbeitnehmer nicht dauerhaft aus dem Betrieb ausscheiden sollte, ergab sich für ihn zum einen aus dem vom Verwalter mit der IG Metall vereinbarten Tarifvertrag und dem späteren Interessenausgleich und Sozialplan, so das BAG. Zum anderen war die Weiterbeschäftigung beim Erwerber aber auch deshalb für den Arbeitnehmer praktisch sicher, weil er zeitgleich einen Arbeitsvertrag mit der Beschäftigungsgesellschaft und vier Angebote für ein neues Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber abzugeben hatte.
Fazit: Der Arbeitnehmerschutz bei Betriebsübergängen auf der Grundlage von § 613a BGB gilt zwar auch beim Betriebserwerb aus der Insolvenzmasse, doch lassen die Arbeitsgerichte eine "Vermeidung" dieser Vorschrift zu, wenn die Arbeitnehmer eine gewisse Weile von einer Beschäftigungsgesellschaft beschäftigt werden.
Der Übergang in die Beschäftigungsgesellschaft muss allerdings mit einer "ernsthaften" Aufgabe des alten Arbeitsverhältnisses verbunden sein, d.h. die Arbeitnehmer dürfen nicht schon bei Überleitung in die Beschäftigungsgesellschaft eine sichere Aussicht auf Weiterbeschäftigung beim Erwerber haben. Eine solche sichere Aussicht kann sich aus vielen Umständen ergeben, z.B. auch aus vorbereitend abgeschlossenen Tarifverträgen zur Beschäftigungssicherung.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.10.2012, 8 AZR 572/11 (BAG-Pressemeldung Nr. 76/12 vom 25.10.2012)
- Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 25.02.2011, 3 Sa 673/10
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung des Arbeitsvertrags (befristeter Arbeitsvertrag, Zeitvertrag)
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsübergang
- Handbuch Arbeitsrecht: Insolvenz des Arbeitgebers
- Handbuch Arbeitsrecht: Klage gegen Befristung (Befristungskontrollklage, Entfristungsklage)
- Arbeitsrecht aktuell: 18/025 Betriebsübergang als Täuschungsmanöver
- Arbeitsrecht aktuell: 11/167 Betriebsübergang trotz Transfergesellschaft als Zwischenstation
- Arbeitsrecht aktuell: 10/131 Versuchte Umgehung des § 613a BGB durch eintägige Transfergesellschaft und Losverfahren
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 30. Januar 2018
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