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Betriebsübergang als Täuschungsmanöver
29.01.2018. Vor einiger Zeit berichteten wir über einen Fall des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg, in dem ein Hersteller von Fensterbänken und Türen seine Belegschaft loswerden wollte, indem er sie durch einen (angeblichen) Betriebsübergang auf eine Betriebsführungsgesellschaft verschob, die den Betrieb dann schloss und alle Arbeitnehmer entließ (Arbeitsrecht aktuell: 16/245 Betriebsübergang und Betriebsführungsvertrag).
Nachdem die entlassenen Arbeitnehmer ohne Erfolg gegen ihre Kündigungen geklagt hatten, verlangten einige von dem Fensterproduzenten die Fortsetzung ihrer Arbeitsverhältnisse. Ihr Argument: Der Deal zwischen Fensterproduzent und Betriebsführungsgesellschaft war überhaupt kein Betriebsübergang im Sinne von § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Damit hatten sie recht, so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Urteil vom Donnerstag letzter Woche: BAG, Urteil vom 25.01.2018, 8 AZR 338/16 (Pressemeldung des Gerichts).
- Was unterscheidet einen echten Betriebserwerber von einem Stellvertreter des (bisherigen) Betriebsinhabers?
- Im Streit: Betriebsführungsgesellschaft tritt unter Berufung auf § 613a BGB als neuer Arbeitgeber auf, führt den Betrieb aber nur im Namen der Inhabergesellschaft
- BAG: Bei einem Betriebsübergang muss die Person wechseln, die für den Betrieb der wirtschaftlichen Einheit verantwortlich ist
Was unterscheidet einen echten Betriebserwerber von einem Stellvertreter des (bisherigen) Betriebsinhabers?
§ 613a Abs.1 Satz 1 BGB schreibt vor, dass der Erwerber eines Betriebes automatisch als neuer Arbeitgeber in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen eintritt, die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestanden. Voraussetzung für diese Arbeitnehmerschutzvorschrift ist, dass ein kompletter Betrieb oder zumindest ein deutlich abgrenzbarer Betriebsteil "durch Rechtsgeschäft", d.h. auf vertraglicher Grundlage auf einen neuen Betriebsinhaber übertragen wird.
Da § 613a BGB nicht definiert, was unter einem Betriebsübergang zu verstehen ist, prüfen die Arbeitsgerichte auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des BAG, ob im Streitfall eine „wirtschaftliche Einheit“ vorliegt, die unter Beibehaltung ihrer "Identität" von dem bisherigen auf einen neuen Inhaber übergegangen ist.
Vor Gericht wird dann oft darüber gestritten, ob der (mögliche) Betriebserwerber die wesentlichen Betriebsmittel, Kunden und Know-how-Träger unter den Arbeitnehmern übernommen hat und ob er ohne (lange) Unterbrechung auf dieselbe Weise wie sein Vorgänger weiterwirtschaftet, denn dann hat der Erwerber eine vorhandene wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität übernommen und es liegt ein Betriebs(teil)übergang vor.
Dabei sind es in der Regel die nicht übernommenen Arbeitnehmer, die vom neuen Inhaber die Fortsetzung ihrer Arbeitsverhältnisse verlangen und daher vor Gericht einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang nachweisen wollen. Ausnahmsweise ist es aber umgekehrt so, dass sich die Arbeitnehmer durch einen vom Arbeitgeber behaupteten Betriebsübergang verschlechtern würden, wenn ihnen nämlich statt ihres bisherigen finanzstarken Arbeitgebers ein wirtschaftlich schwaches Unternehmen als (angeblicher) Betriebserwerber vorgesetzt wird.
Legt dieser den Betrieb dann auch noch still und entlässt die Belegschaft, hat der alte Arbeitgeber ein Interesse an dem Nachweis, dass er seinen Betrieb samt Belegschaft per Betriebsübergang losgeworden ist. Umgekehrt müssen die entlassenen Arbeitnehmer in einem solchen Fall nachweisen, dass es nie einen Betriebsübergang gab. Denn dann bestehen ihre Arbeitsverhältnisse mit dem (vermeintlichen) Betriebsveräußerer fort, d.h. mit dem wirtschaftlich soliden Unternehmen.
An dieser Stelle kann es darauf ankommen, ob der angebliche Betriebserwerber überhaupt in seinem eigenen Namen und in eigener wirtschaftlicher Verantwortung den Betrieb führt oder als Managementgesellschaft nur der verlängerte Arm des bisherigen Betriebsinhabers ist.
Im Streit: Betriebsführungsgesellschaft tritt unter Berufung auf § 613a BGB als neuer Arbeitgeber auf, führt den Betrieb aber nur im Namen der Inhabergesellschaft
Eine Gesellschaft mit Betrieben in Berlin, Oberstenfeld und Niederorschel hatte zu Anfang April 2011 die Führung ihrer drei Betriebe auf eine Schwestergesellschaft übertragen. Dabei hatte sie alle Immobilien, Produktionsmittel und Patente behalten, die für ihr Geschäft, die Herstellung von Fensterbänken und Türen, erforderlich waren.
Die Schwestergesellschaft musste gemäß einem "Betriebsführungsvertrag" gegen eine geringe Bezahlung die Arbeitsverhältnisse der Belegschaft führen und im Übrigen alle Geschäfte im Namen und auf Rechnung der Inhabergesellschaft betreiben.
Drei Jahre nach dem (angeblichen) Betriebsübergang beschloss die Betriebsführungsgesellschaft die Schließung aller drei Standorte und kündigte den Arbeitnehmern betriebsbedingt. Dagegen erhoben einige der in Berlin betroffenen Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage, aber ohne Erfolg.
Im Sommer 2015 erfuhren die Berliner Arbeitnehmer, dass ihr alter Arbeitgeber die Produktion von Fensterbänken und Türen an den anderen beiden Standorten (Oberstenfeld und Niederorschel) fortsetzte. Daraufhin verlangten einige von ihrem alten Arbeitgeber die Fortsetzung der Arbeitsverhältnisse.
Der Arbeitgeber reagierte darauf mit arbeitsgerichtlichen Feststellungsklagen, d.h. er klagte auf die gerichtliche Feststellung, dass zwischen ihm und den beklagten Arbeitnehmern nach dem 31.03.2011 kein Arbeitsverhältnis mehr bestand bzw. besteht.
In dem Fall eines langjährig beschäftigten gewerbliche Arbeitnehmers und Betriebsratsmitglieds gab das Arbeitsgericht Berlin der Klage des Arbeitgebers statt (Urteil vom 18.11.2015, 39 Ca 8638/15), wohingegen das LAG Berlin-Brandenburg die Klage abwies (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.05.2016, 15 Sa 108/16, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 16/245 Betriebsübergang und Betriebsführungsvertrag). Denn seiner Meinung nach gab es hier keinen Betriebsübergang, weil die angebliche Erwerbergesellschaft nie als Betriebsinhaber auftrat.
BAG: Bei einem Betriebsübergang muss die Person wechseln, die für den Betrieb der wirtschaftlichen Einheit verantwortlich ist
Auch das BAG gab dem beklagten Arbeitnehmer recht. In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des Gerichts heißt es zur Begründung:
Das Arbeitsverhältnis des beklagten Arbeitnehmers ist hier nicht durch Betriebsübergang gemäß § 613a Abs.1 Satz 1 BGB von der klagenden Inhabergesellschaft auf die Betriebsführungsgesellschaft übergegangen, so die Erfurter Richter.
Denn ein Betriebsübergang setzt laut BAG voraus, dass die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche (natürliche oder juristische) Person, "die insoweit die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt". Diese notwendige Bedingung für einen Betriebsübergang war im Streitfall nicht gegeben, denn die klagende Inhabergesellschaft hatte ihre Verantwortung für ihren Betrieb nicht wirklich an die Betriebsführungsgesellschaft abgegeben.
Ergänzend stellt das BAG klar, dass es dem beklagten Arbeitnehmer auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) versagt war, sich auf den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses mit der Inhabergesellschaft zu berufen. Denn allein aufgrund der Tatsache, dass sich der Arbeitnehmer zunächst gegen die Kündigung der Betriebsführungsgesellschaft mit einer Kündigungsschutzklage zu Wehr gesetzt hatte (ohne Erfolg), konnte die Inhabergesellschaft nicht darauf vertrauen, dass sie ihre Arbeitgeberpflichten nicht mehr erfüllen müsste. Der gegen den falschen Arbeitgeber geführte Vorprozess war, so das BAG, hier im Streitfall "ohne Belang".
Fazit: Eine Betriebsführungsgesellschaft ist kein Betriebserwerber im Sinne von § 613a Abs.1 Satz 1 BGB, wenn der Betriebsführungsvertrag sie nicht dazu ermächtigt, den Betrieb im eigenen Namen zu führen. Anders gesagt: Ist die Betriebsführungsgesellschaft nur im Auftrag und in Vollmacht der Inhabergesellschaft tätigt, bleibt die Inhabergesellschaft Betriebsinhaber und Arbeitgeber.
Ermächtigt ein Betriebsführungsvertrag eine Betriebsführungsgesellschaft allerdings dazu, den Betrieb im eigenen Namen zu führen, liegt ein Betriebsübergang vor. Dann müssen die betroffenen Arbeitnehmer aber darüber informiert werden, dass sie künftig für eine Gesellschaft arbeiten sollen, die von der Inhabergesellschaft wirtschaftlich abhängig ist und letztlich nur Managementaufgaben wahrnimmt. Auf dieser Grundlage liegt es für die Arbeitnehmer nahe, dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse gemäß § 613a Abs.6 BGB zu widersprechen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.01.2018, 8 AZR 338/16 (Pressemeldung des Gerichts)
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.05.2016, 15 Sa 108/16
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsstilllegung, Betriebsschließung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsübergang
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratsmitglied
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Betriebsbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
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Letzte Überarbeitung: 2. September 2019
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