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LAG Hannover: Keine Kündigung wegen des Verdachts der Nähe zum militanten Islamismus
12.03.2018. In Großunternehmen mit vielen tausend Arbeitnehmern kommt es unvermeidlicher Weise immer wieder dazu, dass sich der ein oder andere Mitarbeiter als „schwarzes Schaf“ erweist.
In einem aktuellen Urteil hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Hannover entschieden, dass der bloße Verdacht eines rein außerdienstlich zu Tage getretenen islamistischen Extremismus weder eine fristlose noch eine ordentliche Kündigung rechtfertigt: LAG Niedersachsen, Urteil vom 12.03.2018, 15 Sa 319/17 (Pressemeldung des Gerichts).
- Verdachtskündigung wegen des Verdachts außerdienstlichen Fehlverhaltens?
- Muslimischer VW-Montagehelfer steht im Verdacht, den militanten Islamismus zu unterstützen und wird daraufhin gekündigt
- LAG Hannover: Eine fristlose Kündigung kann nicht allein auf den Verdacht eines rein außerdienstlichen islamistischen Extremismus gestützt werden
Verdachtskündigung wegen des Verdachts außerdienstlichen Fehlverhaltens?
Arbeitnehmer können nicht nur wegen einer bewiesenen erheblichen Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten außerordentlich und fristlos gekündigt werden, sondern auch wegen des dringenden Verdachts einer erheblichen Pflichtverletzung (sog. Verdachtskündigung). Voraussetzung ist neben einem „erdrückenden“ Tatverdacht die vorherige Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers, der dadurch die Chance erhalten soll, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsmomente auszuräumen.
Keine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten ist es allerdings, wenn Arbeitnehmer ausschließlich in ihrer Freizeit gegen soziale Regeln oder gegen Strafvorschriften verstoßen. Denn was Arbeitnehmer außerhalb des Betriebs in ihrer Freizeit machen, geht den Arbeitgeber erst mal nichts an. Das gilt insbesondere für politischen Extremismus wie z.B. für rechtsradikale Betätigungen oder islamistische Propaganda.
Ausnahmsweise können aber auch außerdienstliche Verfehlungen eine fristlose Kündigung rechtfertigen, nämlich dann, wenn sie das Ansehen des Arbeitgebers (massiv) beeinträchtigen und/oder wenn Arbeitskollegen durch außerdienstlich begangene Straftaten geschädigt werden. Denn in solchen Fällen wirkt sich das außerdienstliche Fehlverhalten negativ auf das Arbeitsverhältnis aus.
Fraglich ist, ob die Regeln über die Verdachtskündigung auch dann angewendet werden können, wenn ein Arbeitnehmer nicht im Verdacht steht, gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen zu haben, sondern vielmehr in dem Verdacht, durch sein außerdienstliches Verhalten aus persönlichen Gründen „nicht mehr tragbar“ zu sein.
Muslimischer VW-Montagehelfer steht im Verdacht, den militanten Islamismus zu unterstützen und wird daraufhin gekündigt
Der gekündigte Arbeitnehmer ist von Geburt an deutscher Staatsangehöriger. Er war seit dem 01.09.2008 bei der Beklagten Volkswagen AG als Montagewerker beschäftigt.
Der Arbeitnehmer war 2014 aufgrund seiner behördlich bekannten Nähe zum militanten „Jihad“ zur Kontrolle und Grenzfahndung ausgeschrieben. Eine im Dezember 2014 beabsichtigte Flugreise nach Istanbul wurde von der Bundespolizei unterbunden. In der Folge wurde dem Arbeitnehmer der Reisepass entzogen. Die dagegen gerichtete Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig keinen Erfolg (Urteil vom 07.09.2016, 5 A 99/15).
Vor diesem Hintergrund erklärte die VW AG eine außerordentliche und fristlose sowie eine hilfsweise weitere ordentliche Kündigung. Aus Sicht von VW bestand der Verdacht, dass sich der Arbeitnehmer dem militanten „Jihad" anschließen wollte. Dieses Verhalten, so VW, gefährde den Betriebsfrieden und die Sicherheit im Unternehmen.
Der gekündigte Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Braunschweig, das die Klage abwies (Urteil vom 27.02.2017, 8 Ca 507/16).
LAG Hannover: Eine fristlose Kündigung kann nicht allein auf den Verdacht eines rein außerdienstlichen islamistischen Extremismus gestützt werden
Anders als vor dem Arbeitsgericht Braunschweig hatte die Klage vor dem LAG Niedersachsen in Hannover Erfolg. Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des LAG:
Der bloße Verdacht einer Zugehörigkeit zur radikal militanten „Jihad-Bewegung" und der damit begründete präventive Entzug des Reisepasses sind als Grund für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nicht ohne weiteres ausreichend, so die Hannoveraner Richter. Eine Kündigung kann mit solchen Verhaltensweisen nur dann gerechtfertigt werden, wenn diese zu einer konkreten Störung des Arbeitsverhältnisses führen.
Hier im Streitfall konnte die VW AG eine solche konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses aber nicht beweisen. Auch einen dringenden Verdacht, dass der gekündigte Arbeitnehmer den Frieden oder die Sicherheit im Betrieb stören könnte, gab es hier nicht, so das LAG. Damit blieb es im Ergebnis bei rein außerdienstlichen Fehltritten, die nach allgemeiner Ansicht weder die fristlose noch die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen können.
Über den Streitfall wird demnächst voraussichtlich das Bundesarbeitsgericht (BAG) entscheiden, da das LAG Hannover die Revision zugelassen hat. Von diesem Rechtsmittel wird die VW AG aller Voraussicht nach Gebrauch machen.
Fazit: Auch wenn der Arbeitgeber, der Betriebsrat oder Arbeitskollegen der Meinung sind, dass ein politischer oder religiöser Extremist nicht in die „Betriebsgemeinschaft“ hineingehört, rechtfertigt das noch lange keine Kündigung. Die VW AG hätte demzufolge das LAG davon überzeugen müssen, dass der gefeuerte Islamist im Betrieb Arbeitskollegen beleidigt und/oder bedroht hatte. Dies ist der VW AG offensichtlich nicht gelungen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 12.03.2018, 15 Sa 319/16 (Pressemeldung des Gerichts)
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Letzte Überarbeitung: 8. Oktober 2021
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