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Ar­beits­ge­richt Ham­burg: Kei­ne frist­lo­se Kün­di­gung we­gen To­ten­kopf-Fo­to

Ham­bur­ger Po­li­zist darf sei­nen Job be­hal­ten: Fo­to mit To­ten­kopf und Dienst­müt­ze recht­fer­tigt kei­ne frist­lo­se Kün­di­gung: Ar­beits­ge­richt Ham­burg, Ur­teil vom 18.09.2013, 27 Ca 207/13
Polizist auf Motorrad

18.11.2013. Das Ar­beits­ge­richt Ham­burg hat in ei­nem an­ge­stell­ten Po­li­zis­ten der Ham­bur­ger Po­li­zei Recht ge­ge­ben, der ge­gen sei­ne frist­lo­se Kün­di­gung ge­klagt hat­te.

Hin­ter­grund der Kün­di­gung war ein reich­lich selt­sa­mes Fo­to, das der Po­li­zist bei ei­nem Wach­dienst vor ei­ner jü­di­schen Schu­le auf­ge­nom­men hat­te: Das Fo­to zeig­te ei­nen (künst­li­chen) To­ten­kopf mit Po­li­zei­müt­ze.

Ge­schmack­los, aber kein Grund für ei­ne frist­lo­se Kün­di­gung, mein­te das Ar­beits­ge­richt: Ar­beits­ge­richt Ham­burg, Ur­teil vom 18.09.2013, 27 Ca 207/13 (Pres­se­mel­dung des Ar­beits­ge­richts Ham­burg).

Wann sind außer­dienst­li­che Re­gel­verstöße Grund ge­nug für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung?

Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Wer außer­halb der Ar­beits­zeit ge­gen so­zia­le oder recht­li­che Re­geln verstößt, muss im All­ge­mei­nen nicht da­mit rech­nen, dass er da­durch ei­ne Kündi­gung ris­kiert.

Das er­gibt sich in "nor­ma­len" Fällen recht­lich be­reits dar­aus, dass der Ar­beit­ge­ber mit ei­ner ver­hal­tens­be­ding­ten Kündi­gung nur auf Pflicht­verstöße ihm ge­genüber re­agie­ren kann, d.h. auf die Ver­let­zung von Pflich­ten, die sich aus dem Ar­beits­verhält­nis er­ge­ben. Ein Dieb­stahl oder ei­ne Trun­ken­heits­fahrt in der Frei­zeit sind da­her zwar Straf­ta­ten, ha­ben aber im All­ge­mei­nen kei­nen Be­zug zum Ar­beits­verhält­nis.

Erst recht schwie­rig ist es für den Ar­beit­ge­ber, ei­ne frist­lo­se Kündi­gung mit außer­dienst­li­chen Fehl­trit­ten des gekündig­ten Ar­beit­neh­mers zu be­gründen. Denn für ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung braucht der Ar­beit­ge­ber gemäß § 626 Abs.1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) ei­nen wich­ti­gen Grund. Und das ist ein Ver­s­toß ge­gen ar­beits­ver­trag­li­che Pflich­ten, der so schwer wiegt, dass er dem Ar­beit­ge­ber das Ab­war­ten der Kündi­gungs­fris­ten un­zu­mut­bar macht.

Es muss al­so schon "ziem­lich di­cke kom­men", wenn der Ar­beit­ge­ber ei­ne frist­lo­se Kündi­gung we­gen un­trag­ba­ren Fehl­ver­hal­tens in der Frei­zeit aus­spre­chen möch­te. In sol­chen Fällen muss der Ar­beit­neh­mer durch sein Ver­hal­ten das An­se­hen sei­nes Ar­beit­ge­bers schwer geschädigt ha­ben, was vor al­lem im öffent­li­chen Dienst vor­kom­men kann, so z.B. bei langjähri­ger rechts­ex­tre­mis­ti­scher Betäti­gung (wir be­rich­te­ten über ei­nen be­kann­ten Fall in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 12/301 NPD-Ak­ti­vist we­gen Wei­ter­lei­tung ei­nes Auf­rufs zum ge­walt­sa­men Um­sturz gekündigt).

Aber genügt da­zu schon ein Fo­to, das ei­nen To­ten­kopf mit Po­li­zeimütze zeigt?

Der Fall des Ar­beits­ge­richts Ham­burg: An­ge­stell­ter Po­li­zist fo­to­gra­fiert ei­nen To­tenschädel mit Dienstmütze und lädt das Fo­to in Face­book hoch

Im Streit­fall ging es um ei­nen seit 2003 an­ge­stell­ten Po­li­zis­ten der Frei­en und Han­se­stadt Ham­burg. Er war 2007 im Ob­jekt­schutz vor der Jo­seph-Car­le­bach-Schu­le (Ro­ther­baum) der Jüdi­schen Ge­mein­de ein­ge­setzt. Dort nahm er während ei­ner Pau­se im Dienst­raum, ei­nem Pos­ten­con­tai­ner, ein Fo­to auf, das ei­nen (un­ech­ten) To­tenschädel mit Po­li­zis­tenmütze zeig­te.

Das Fo­to lud er später auf Face­book hoch, was im März 2013 her­aus­kam und in den Me­di­en the­ma­ti­siert wur­de. Dar­auf­hin sprach der Ar­beit­ge­ber nach vor­he­ri­ger Anhörung im April 2013 ei­ne außer­or­dent­li­che und frist­lo­se Kündi­gung aus.

Be­gründung des Dienst­herrn: Das Fo­to sei dem Dienst­be­trieb zu­zu­ord­nen und es sei zu er­ken­nen ge­we­sen, dass es vor der Jo­seph-Car­le­bach-Schu­le auf­ge­nom­men wur­de. Die­se Ver­bin­dung zwi­schen dem Fo­to und der jüdi­schen Schu­le sei "zu­min­dest ge­schmack­los" und "vor dem Hin­ter­grund der deut­schen Ge­schich­te äußerst be­fremd­lich".

Außer­dem soll sich der Po­li­zist be­reits in frühe­ren Jah­ren in frem­den­feind­li­cher Wei­se geäußert ha­ben (was die­ser be­stritt). Je­den­falls we­gen der me­dia­len Außen­wir­kung der An­ge­le­gen­heit und der da­durch ver­ur­sach­ten Störung des Be­triebs­frie­dens sei ei­ne wei­te­re Beschäfti­gung nicht zu­mut­bar, so der Ar­beit­ge­ber.

Ar­beits­ge­richt Ham­burg: Das Fo­to mit To­ten­kopf und Po­li­zis­tenmütze ist kein aus­rei­chen­der Be­leg für ei­ne rechts­ra­di­ka­le Ge­sin­nung

Das Ar­beits­ge­richt Ham­burg gab der Kündi­gungs­schutz­kla­ge des Po­li­zis­ten statt. Die Ham­bur­ger Po­li­zei muss ihn da­her wei­ter beschäfti­gen.

Denn, so das Ar­beits­ge­richt: Ein ge­schmack­lo­ses Fo­to ist noch kein aus­rei­chen­der ("wich­ti­ger") Grund für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung gemäß § 626 Abs.1 BGB. Ein Zu­sam­men­hang zwi­schen dem Fo­to und ei­ner von der Po­li­zei ver­mu­te­ten rechts­ra­di­ka­len bzw. frem­den­feind­li­chen Ein­stel­lung war nicht er­kenn­bar, so das Ge­richt.

Im­mer­hin tau­chen To­tenschädel in Ju­gend­kul­tu­ren, bei Fußball­fans oder als Ge­fahr­zei­chen auf. Ei­ne Ähn­lich­keit des fo­to­gra­fier­ten To­ten­kop­fes mit dem von na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Or­ga­ni­sa­tio­nen ver­wen­de­ten To­ten­kopf sei we­der er­kenn­bar noch vom Ar­beit­ge­ber be­haup­tet wor­den.

Fa­zit: Frei­zeit­ak­ti­vitäten, die "ge­schmack­los" oder "be­fremd­lich" sein mögen, recht­fer­ti­gen noch kei­ne Kündi­gung. In al­ler Re­gel muss der gekündig­te Ar­beit­neh­mer zu­min­dest ei­ne Straf­tat verübt ha­ben, was hier un­strei­tig nicht der Fall war. Und auch der Zu­sam­men­hang zwi­schen dem To­ten­kopf-Fo­to und ei­ner vom Ar­beit­ge­ber ver­mu­te­ten rechts­ra­di­ka­len Ge­sin­nung war im vor­lie­gen­den Fall ziem­lich weit her­ge­holt.

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Letzte Überarbeitung: 14. Juli 2020

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