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ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/301

NPD-Ak­ti­vist we­gen Wei­ter­lei­tung ei­nes Auf­rufs zum ge­walt­sa­men Um­sturz ge­kün­digt

Ein zwei­tes Mal beim BAG: Im In­nen­dienst der Karls­ru­her Ober­fi­nanz­di­rek­ti­on tä­ti­ger NPD-Ak­ti­vist zieht dies­mal im Kün­di­gungs­schutz­ver­fah­ren den Kür­ze­ren: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 06.09.2012, 2 AZR 372/11
Rechte Hand mit roter Karte Darf ein Ver­wal­tungs­an­ge­stell­ter "in der Frei­zeit" zum Um­sturz auf­ru­fen?

06.09.2012. Auch Ar­beit­neh­mer des öf­fent­li­chen Diens­tes dür­fen sich po­li­tisch frei be­tä­ti­gen und ih­re grund­recht­lich ge­schütz­te Mei­nungs­frei­heit (Art.5 Abs.1 Grund­ge­setz - GG) aus­üben. Das be­deu­tet, dass we­der ver­fas­sungs­feind­li­che Ein­stel­lun­gen noch ver­fas­sungs­feind­li­che Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten den Dienst­herrn oh­ne wei­te­res zur Kün­di­gung be­rech­ti­gen.

Denn für ei­ne or­dent­li­che ver­hal­tens­be­ding­te Kün­di­gun­gen müss­te der ex­tre­mis­ti­sche Ar­beit­neh­mer sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten ver­let­zen, und die­se en­den bei "nor­ma­len" Ar­beit­neh­mern am Be­triebs­tor: Was ein "Ra­di­ka­ler" in sei­ner Frei­zeit macht, geht den Ar­beit­ge­ber im All­ge­mei­nen nichts an. Und auch ei­ne per­so­nen­be­ding­te Kün­di­gun­gen we­gen feh­len­der Eig­nung ist nur schwer vor Ge­richt zu recht­fer­ti­gen, wenn der Ge­kün­dig­te kei­ne re­prä­sen­tie­ren­den oder mei­nungs­bil­den­den Auf­ga­ben hat wie z.B. ein Leh­rer oder gar ein Schul­di­rek­tor.

Al­ler­dings soll­te man auch als Ar­beit­neh­mer mit eher un­ter­ge­ord­ne­ten Auf­ga­ben in sei­ner Frei­zeit nicht so weit ge­hen, zum ge­walt­sa­men po­li­ti­schen Um­sturz auf­zu­ru­fen. Das hat­te ein Karls­ru­her NPD-Ak­ti­vist ge­tan, der aus die­sem Grund ge­kün­digt wur­de und ges­tern das zwei­te Mal das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) be­schäf­tig­te. Dies­mal ging sein Ar­beit­ge­ber als Sie­ger vom Platz: BAG, Ur­teil vom 06.09.2012, 2 AZR 372/11.

Wann kann ein öffent­li­cher Ar­beit­ge­ber ei­nen Ar­beit­neh­mer, der sich als rechts­ra­di­ka­ler po­li­ti­scher Ak­ti­vist betätigt, kündi­gen?

Ar­beit­neh­mer des öffent­li­chen Diens­tes ris­kie­ren durch rechts­ra­di­ka­le Ak­ti­vitäten ih­ren Job. Al­ler­dings kann der öffent­li­che Ar­beit­ge­ber nicht ein­fach "we­gen Rechts­ra­di­ka­lis­mus" kündi­gen, son­dern er braucht ei­nen ju­ris­tisch an­er­kann­ten Grund für die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses.

Ein sol­cher Grund kann im Aus­nah­men­fall die An­fech­tung des Ar­beits­ver­trags we­gen „arg­lis­ti­ger Täuschung“ gemäß § 123 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) sein, falls der rechts­ra­di­ka­le Ar­beit­neh­mer bei der Ein­stel­lung Fra­gen zu ver­fas­sungs­feind­li­chen Ak­ti­vitäten falsch be­ant­wor­tet hat.

Im Nor­mal­fall spricht der Ar­beit­ge­ber da­ge­gen kei­ne An­fech­tung, son­dern ei­ne (or­dent­li­che) Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses aus.

Ei­ne sol­che Kündi­gung kann durch ver­hal­tens­be­ding­te Gründe ge­recht­fer­tigt sein, was aber vor­aus­setzt, dass der Gekündig­te durch sei­ne ra­di­ka­len Ein­stel­lun­gen und/oder Ak­ti­vitäten kon­kre­te be­trieb­li­che Störun­gen ver­ur­sacht hat, z.B. Un­zu­frie­den­heit von „Kun­den“ oder ei­nen Streit un­ter Kol­le­gen. Die­ser Kündi­gungs­grund schei­det da­her aus, wenn sich die rechts­ra­di­ka­len Ak­ti­vitäten al­lein in der Frei­zeit ab­spie­len.

Bleibt ei­ne Kündi­gung aus per­so­nen­be­ding­ten Gründen, wenn der Rechts­ra­di­ka­le we­gen sei­ner Ein­stel­lun­gen und/oder (Frei­zeit-)Ak­ti­vitäten für sei­ne Ar­beit nicht mehr persönlich ge­eig­net ist. Sol­che Kündi­gun­gen ge­hen aber vor Ge­richt meist nur durch, wenn der Ar­beit­neh­mer ei­ne her­aus­ge­ho­be­ne (re­präsen­tie­ren­de und/oder mei­nungs­bil­den­de) Po­si­ti­on hat.

Al­ler­dings soll­te man sei­ne ex­tre­mis­ti­schen po­li­ti­schen Äußerun­gen bzw. Ak­ti­vitäten auch "in der Frei­zeit" nicht auf die Spit­ze trei­ben. Wer öffent­lich zur po­li­ti­schen Ge­walt ge­gen den Staat, d.h. zum ge­walt­sa­men po­li­ti­schen Um­sturz auf­ruft, kann je nach La­ge des Ein­zel­falls aus per­so­nen­be­ding­ten Gründen gekündigt wer­den.

Der Streit­fall: Bei der Karls­ru­her Ober­fi­nanz­di­rek­ti­on an­ge­stell­ter NDP-Ak­ti­vist ver­teilt ei­nen Auf­ruf zum ge­walt­sa­men Um­sturz und wird des­halb zum wie­der­hol­ten Mal gekündigt

Ein bei der Karls­ru­her Fi­nanz­ver­wal­tung beschäftig­ter In­nen­dienst­mit­ar­bei­ter war in sei­ner Frei­zeit für die NPD ak­tiv. Un­ter an­de­rem hat­te er - trotz vor­he­ri­ger Ab­mah­nung - auf ei­ner NPD-Ver­an­stal­tung ak­tiv teil­ge­nom­men. Dafür kündig­te ihm sein Ar­beit­ge­ber aus ver­hal­tens- und aus per­so­nen­be­ding­ten Gründen und erklärte oben­drein die An­fech­tung des Ar­beits­ver­trags.

Al­le die­se Ver­su­che, das Ar­beits­verhält­nis mit dem NPD­ler zu be­en­den, schlu­gen fehl. So­wohl das Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Ba­den-Würt­tem­berg (Ur­teil vom 02.06.2009, 14 Sa 101/08) als auch das BAG erklärten An­fech­tung und Kündi­gun­gen für un­wirk­sam (BAG, Ur­teil vom 12.05.2011, 2 AZR 479/09, wir be­rich­te­ten in: Ar­beits­recht ak­tu­ell: 11/135 Kündi­gung we­gen außer­dienst­li­cher NPD-Ak­ti­vität). Denn der NPD-Ak­ti­vist war trotz sei­nes un­ap­pe­tit­li­chen Frei­zeit­ver­hal­tens wei­ter­hin für sei­ne Ar­beit ge­eig­net und ver­rich­te­te die­se oh­ne Be­an­stan­dun­gen.

Der Ar­beit­ge­ber ließ sich von die­sen ju­ris­ti­schen Nie­der­la­gen nicht ent­mu­ti­gen und erklärte drei Mo­na­te nach dem LAG-Ur­teil vom 02.06.2009 (14 Sa 101/08), d.h. im Sep­tem­ber 2009, ei­ne er­neu­te Kündi­gung. Dies­mal wur­de die Kündi­gung da­mit be­gründet, dass der NPD­ler ei­nen ziem­lich blutrüns­ti­gen Auf­ruf zum ge­walt­sa­men po­li­ti­schen Um­sturz per E-Mail wei­ter­ge­lei­tet hat­te.

Und sie­he da: Dies­mal zog der NPD-Ak­ti­vist mit sei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge so­wohl vor dem Ar­beits­ge­richt Karls­ru­he (Ur­teil vom 10.03.2010, 4 Ca 403/09) als auch vor dem LAG Ba­den-Würt­tem­berg den Kürze­ren (Ur­teil vom 26.01.2011, 19 Sa 67/10). Bei­de Ge­rich­te mein­ten, die Kündi­gung sei aus per­so­nen­be­ding­ten Gründen ge­recht­fer­tigt, da der be­klag­ten Staat als Ar­beit­ge­ber nicht ver­pflich­tet sei, ei­nen Ar­beit­neh­mer zu beschäfti­gen, der ak­tiv des­sen Ab­schaf­fung an­strebt.

BAG: Auch Ar­beit­neh­mer oh­ne ge­stei­ger­te Loya­litäts­pflich­ten dürfen nicht an­stre­ben, den Staat oder die Ver­fas­sung zu be­sei­ti­gen

Das BAG hat sich die­ser Mei­nung ges­tern an­ge­schlos­sen und die Re­vi­si­on des NPLDers zurückgwie­sen. Die­ser hat da­mit sei­nen Job bei der Karls­ru­her Fi­nanz­ver­wal­tung endgültig ver­lo­ren. Das Land Ba­den-Würt­tem­berg hat da­mit ei­nen jah­re­lan­gen ju­ris­ti­schen Kampf für sich ent­schei­den können.

So­weit der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des BAG ent­nom­men wer­den kann, ging den Er­fur­ter Rich­tern der Auf­ruf zur po­li­ti­schen Ge­walt zu weit, den der Kläger per E-Mail wei­ter­ge­lei­tet und von dem er sich auf Be­fra­gen im Pro­zess nicht dis­tan­ziert hat­te.

Fa­zit: Auch wenn man ge­genüber der frei­heit­lich-de­mo­kra­ti­schen Grund­ord­nung ("FDGO") po­li­tisch "il­loy­al" ist und den be­rech­tig­ten Ver­dacht auf sich zieht, po­li­tisch ex­tre­mis­ti­sche An­sich­ten zu ver­tre­ten, und auch wenn man in ent­spre­chen­den Par­tei­en ak­tiv ist, ist es noch ein wei­te­rer Schritt hin zu ei­nem Auf­ruf, in dem der Tod der "eta­blier­ten Mei­nungs­dik­ta­to­ren" in­fol­ge ei­nes re­vo­lu­ti­onären Um­stur­zes her­bei­ge­sehnt wird.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­gründe veröffent­licht. Das vollständig be­gründe­te Ur­teil des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 14. Juli 2020

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