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Aufforderung zur Anhörung bei Verdachtskündigung
14.02.2015. Will der Arbeitgeber wegen des dringenden Verdachts eines schweren Pflichtverletzung eine (fristlose) Verdachtskündigung aussprechen, muss er den Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung zu den Verdachtsmomenten anhören.
Ohne vorherige Anhörung ist eine Verdachtskündigung nämlich nach der Rechtsprechung unwirksam.
In einem vorgestern bekannt gewordenen Grundsatzurteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, wenn er ihn zu einem Anhörungsgespräch bittet, das Gesprächsthema nicht vorab bekanntgeben muss: BAG, Urteil vom 12.02.2015, 6 AZR 845/13 (Pressemeldung des Gerichts).
- Was muss der Arbeitgeber bei der Einleitung einer Anhörung des Arbeitnehmers im Vorfeld einer Verdachtskündigung beachten?
- Im Streit: Fristlose Kündigung eines spielsüchtigen Banklehrlings wegen des Verdachts, 500,00 EUR gestohlen zu haben
- BAG: Will der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor einer Verdachtskündigung anhören, muss er das Thema des Gesprächs nicht vorab mitteilen
Was muss der Arbeitgeber bei der Einleitung einer Anhörung des Arbeitnehmers im Vorfeld einer Verdachtskündigung beachten?
Arbeitgeber, die von einem Arbeitnehmer bestohlen oder betrogen worden sind, können wegen solcher (schwerer) Pflichtverletzungen in vielen Fällen ohne vorherige Abmahnung eine außerordentliche und fristlose Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen aussprechen.
Rechtliche Grundlage ist § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), der eine fristlose Kündigung erlaubt, wenn der kündigende Vertragspartner dafür einen "wichtigen Grund" hat. Und bei der Arbeit begangene Vermögensdelikte sind praktisch immer ein solcher wichtiger Grund.
Allerdings geben Arbeitnehmer solche Pflichtverstöße oft nicht zu, sondern streiten sie ab. Dann hat der Arbeitgeber meist nur einen mehr oder weniger dringenden Verdacht, d.h. er kann die Tat dem Arbeitnehmer nicht wirklich beweisen.
Trotzdem ist auch in solchen Fällen eine außerordentliche und fristlose Kündigung möglich, und zwar wegen des dringenden Tatverdachts. Will der Arbeitgeber eine solche Verdachtskündigung aussprechen, muss er den Sachverhalt zuvor bestmöglich aufklären und dem Arbeitnehmer Gelegenheit geben, sich zu den Verdachtsmomenten zu äußern, d.h. er muss den Arbeitnehmer anhören.
In den vergangenen Jahren haben einige Arbeits- und Landesarbeitsgericht (LAGs) die Meinung vertreten, dass es für eine faire Anhörung zwingend erforderlich ist, dem Arbeitnehmer vor dem Anhörungsgespräch dessen Thema mitzuteilen, um dem Arbeitnehmer die Gelegenheit zu geben, sich auf das Gespräch vorzubereiten (so z.B. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.03.2012, 10 Sa 2272/11, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 12/276 Arbeitszeitbetrug oder Verdacht des Arbeitszeitbetrugs?).
Dieser Ansicht hat das BAG nunmehr eine Absage erteilt und damit die rechtliche Position des Arbeitgebers bei der Vorbereitung einer Verdachtskündigung verbessert.
Im Streit: Fristlose Kündigung eines spielsüchtigen Banklehrlings wegen des Verdachts, 500,00 EUR gestohlen zu haben
Geklagt hatte ein spielsüchtiger Auszubildender, der eine Banklehre absolvierte und die maximal viermonatige Probezeit (§ 20 Berufsbildungsgesetz - BBiG) hinter sich gebracht hatte, so dass er noch aus wichtigem Grunde gekündigt werden konnte (§ 22 Abs.2 BBiG). Und das war ihm passiert, und zwar deshalb, weil er beim Durchzählen von Geldkassetten am 20.06.2011 angeblich 500,00 EUR bzw. zehn 50-Euro-Scheine gestohlen haben soll.
In der Anhörung zu diesem Kassenfehlbestand vom 20.06.2011 nannte er von sich aus den Fehlbetrag von 500,00 EUR, den er eigentlich gar nicht hätte wissen können, es sei denn, er selbst hätte diesen Betrag gestohlen. Die Bank wertete diese Aussage als sog. Täterwissen und kündigte daraufhin fristlos wegen des dringenden Diebstahlsverdachts.
Der Azubi zog vor das Arbeitsgericht Trier und klagte gegen die Kündigung. Dabei argumentierte er, dass Berufsausbildungsverhältnisse gar nicht per Verdachtskündigung aufgelöst werden könnten. Außerdem hatte die Bank bei der Einladung zu dem Anhörungsgespräch das Thema nicht vorab bekannt gegeben und ihn auch nicht darauf hingewiesen, dass er eine Vertrauensperson hinzuziehen könnte.
Das Arbeitsgericht Trier (Urteil vom 06.09.2012, 2 Ca 994/11) und auch das LAG Rheinland-Pfalz als Berufungsgericht wiesen die Klage ab (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.04.2013, 2 Sa 490/12). Sie hielten die Kündigung für wirksam.
BAG: Will der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor einer Verdachtskündigung anhören, muss er das Thema des Gesprächs nicht vorab mitteilen
Auch das BAG entschied gegen den Auszubildenden, der damit seinen Prozess in allen drei Instanzen verloren hatte. Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG:
Eine Verdachtskündigung ist nicht nur im Arbeitsverhältnis auf der Grundlage von § 626 BGB möglich, sondern auch im Ausbildungsverhältnis auf der Grundlage von § 22 Abs.2 Nr.1 BBiG. Voraussetzung ist, dass ein dringender Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Azubi besteht und dass dieser Verdacht dem Ausbildenden die Fortsetzung der Ausbildung objektiv unzumutbar macht. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Streitfall gegeben.
Praktisch wichtiger als diese für Ausbildungsverhältnisse geltenden Aussagen des BAG ist die Klarstellung, dass die Bank
- nicht verpflichtet war, bei der Einladung zum Anhörungsgespräch das Gesprächsthema vorab bekannt zu geben,
- und auch nicht darauf hinzuweisen musste, dass der Azubi eine Vertrauensperson kontaktieren dürfe.
Diese Grundsätze sind zwar zunächst auch nur auf Ausbildungsverhältnisse bezogen, lassen sich aber auf Arbeitsverhältnisse übertragen.
Fazit: Arbeitgeber sind auf der Grundlage dieses Urteils künftig nicht mehr verpflichtet, dem Arbeitnehmer bei der Anberaumung eines Anhörungsgesprächs zu sagen, dass es um den Verdacht schwerer Pflichtverletzungen (und damit um den Bestand des Arbeitsverhältnisses) geht.
Arbeitnehmern ist zu raten, solche "Überrumpelungs-Anhörungen" sofort und ohne Aussagen zum Sachverhalt abzubrechen und dabei gleichzeitig in Aussicht zu stellen, das Anhörungsgespräch in einigen Tagen fortzusetzen, d.h.
- nach Überprüfung der Vorwürfe und
- in Begleitung eines Rechtsanwalts oder Mitglied des Betriebsrats.
Denn auch wenn der Arbeitgeber nach Ansicht des BAG zur Überrumpelung des Arbeitnehmers bei der Anhörung berechtigt ist, ist dieser nicht dazu verpflichtet, mitzuspielen. Und wenn man sachliche Gründe dafür hat, ein erstes Gespräch abzubrechen und dessen Fortsetzung in einigen Tagen vorzuschlagen (Einholung von Informationen, Zuziehung eines Beistandes), wird sich der Arbeitgeber wohl oder übel darauf einlassen müssen, da er sonst riskiert, im Kündigungsschutzprozess den Kürzeren zu ziehen. Denn wenn es der Wahrheitsfindung dient und nicht zu großen Verzögerungen führt, sind Anhörungsgespräche auch mehrfach zu führen.
Und schließlich: Ist an den Vorwürfen bzw. Verdachtsmomenten gar nichts dran bzw. beruhen diese auf Irrtümern des Arbeitgebers, ist es dem auf dem Anklagebänkchen sitzenden Arbeitnehmer unbenommen, zu schweigen. Denn die Verdachtsmomente kann der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung immer noch im Kündigungsschutzprozess entkräften, d.h. lange nach Ausspruch einer Verdachtskündigung.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.02.2015, 6 AZR 845/13 (Pressemeldung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.02.2015, 6 AZR 845/13
- Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.04.2013, 2 Sa 490/12
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.03.2012, 10 Sa 2272/11
- Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung und Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Fristlose Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Fristlose Kündigung - Kündigungsgründe
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verdachtskündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verhaltensbedingte Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 20/111 Verdachtskündigung wegen Erschleichens rechtswidriger Vorteile
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- Arbeitsrecht aktuell: 14/053 Ordentliche fristgemäße Verdachtskündigung?
- Arbeitsrecht aktuell: 13/304 Begründung einer Verdachtskündigung mit nachträglich bekannt gewordenen Verdachtsmomenten
- Arbeitsrecht aktuell: 12/276 Arbeitszeitbetrug oder Verdacht des Arbeitszeitbetrugs?
- Arbeitsrecht aktuell: 12/033 Verdachtskündigung nur bei dringendem Verdacht
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- Arbeitsrecht aktuell: 10/220 Fristlose Kündigung unwirksam trotz Betruges mit 166 Euro Schaden
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Gericht seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 8. Januar 2021
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