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ARBEITSRECHT AKTUELL // 13/276

Ar­beits­ver­trag oder Werk­ver­trag?

Wird das "Werk" nicht ab­ge­nom­men und muss der Auf­trag­neh­mer höchst­per­sön­lich ar­bei­ten, liegt kein Werk­ver­trag vor: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 25.09.2013, 10 AZR 282/12
Mobiler Hotdogverkäufer mit Fahrradverkaufsstand Werk­ver­trä­ge sind in Mo­de

26.09.2013. Ar­beit­neh­mer ge­nie­ßen Kün­di­gungs­schutz, ein Recht auf Lohn­fort­zah­lung im Krank­heits­fall und auf Ur­laub, freie Mit­ar­bei­ter oder Werk­un­ter­neh­mer da­ge­gen nicht.

Denn al­le die­se Rech­te set­zen ein Ar­beits­ver­hält­nis vor­aus, wes­halb es für vie­le Ar­beit­ge­ber fi­nan­zi­ell ver­lo­ckend ist, Ar­beits­ver­hält­nis­se durch trick­rei­che Ver­trags­kon­struk­tio­nen zu um­ge­hen. So et­was geht "gut", so­lan­ge die be­trof­fe­nen Schein­selb­stän­di­gen nicht vor die Ar­beits­ge­rich­te zie­hen.

In ei­nem ak­tu­el­len Fall konn­te sich ein baye­ri­scher wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter mit Er­folg ge­gen die un­rich­ti­ge Ein­ord­nung sei­nes Ar­beits­ver­hält­nis­ses als Werk­ver­trag zur Wehr set­zen: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 25.09.2013, 10 AZR 282/12.

Was un­ter­schei­det Ar­beits­verträge von Werk­verträgen?

Ar­beits­verträge sind ei­ne spe­zi­el­le Art von Dienst­verträgen. Dienst­verträge sind tätig­keits­be­zo­gen: Die ver­trag­li­che Haupt­pflicht ist die Tätig­keit als sol­che, d.h. die Ar­beit.

Wer sei­ne dienst­ver­trag­li­chen Auf­ga­ben "frei" erfüllt wie z.B. ein An­walt, Arzt oder Steu­er­be­ra­ter im Verhält­nis zu sei­nem Kli­en­ten, ver­wen­det sei­ne ei­ge­nen Be­triebs­mit­tel und braucht kei­ne An­wei­sun­gen zu be­fol­gen. Er ent­schei­det selbst, wann und wo und vor al­lem wie er sei­nen Auf­trag erfüllt.

Dem­ge­genüber er­brin­gen Ar­beit­neh­mer zwar auch Dienst­leis­tun­gen, sind aber da­bei nicht "frei", son­dern "abhängig". Das be­deu­tet, dass sie An­wei­sun­gen des Auf­trag­ge­bers in Be­zug auf Ort, Zeit oder In­halt ih­rer Ar­beit be­fol­gen müssen und dass sie in den Be­trieb des Auf­trag­ge­bers ein­ge­glie­dert sind, d.h. auf des­sen Be­triebs­mit­tel bzw. Or­ga­ni­sa­ti­on bei der Ar­beit an­ge­wie­sen sind. In die­sem Fall ist der Auf­trag­ge­ber Ar­beit­ge­ber.

Dar­aus folgt: Al­le Ar­beits­verträge sind Dienst­verträge, doch sind nicht al­le Dienst­verträge auch Ar­beits­verträge, denn es gibt auch freie Dienst­verträge.

Von vorn­her­ein kei­ne Ar­beits­verträge sind Werk­verträge. Denn der Werk­un­ter­neh­mer ist ver­trag­lich gar nicht zur Ar­beit ver­pflich­tet, son­dern zur Her­stel­lung ei­nes Wer­kes (§ 631 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB). Sei­ne Ver­trags­pflicht ist er­folgs­be­zo­gen, nicht tätig­keits­be­zo­gen.

Da­her können Werk­un­ter­neh­mer ei­ge­ne Mit­ar­bei­ter oder Nach­un­ter­neh­mer ("Su­b­un­ter­neh­men") ein­set­zen, um das ver­ein­bar­te Werk zu er­stel­len. Denn nicht das wie (die Ar­beit), son­dern das was (der Er­folg) ent­schei­det. Dem­ge­genüber müssen freie Dienst­ver­trags­neh­mer und Ar­beit­neh­mer ih­re Pflicht im Zwei­fel höchst­persönlich er­brin­gen, d.h. sie ha­ben kein Recht zur Sub­sti­tu­ti­on (§ 613 BGB).

Vor die­sem Hin­ter­grund sind Werk­verträge für kos­ten­be­wuss­te Un­ter­neh­men ei­ne "in­ter­es­san­te" Al­ter­na­ti­ve zu Ar­beits­verträgen: An­statt freie Mit­ar­bei­ter ein­zu­set­zen, die sich im Nach­hin­ein mögli­cher­wei­se als Schein­selbständi­ge (= Ar­beit­neh­mer) ent­pup­pen, schließt man Werk­verträge mit Ein­zel­per­so­nen ab und um­geht das un­ge­lieb­te Ar­beits­recht da­durch so weiträum­ig wie möglich.

Al­ler­dings können auch Ein­zel­per­so­nen, die auf dem Pa­pier Werk­un­ter­neh­mer sind, Schein­selbständi­ge bzw. in Wahr­heit Ar­beit­neh­mer sein,

  • wenn ih­re Ver­trags­pflich­ten in Wahr­heit tätig­keits­be­zo­gen sind und sie kein Recht zur Sub­sti­tu­ti­on ha­ben (dann liegt ein Dienst­ver­trag vor und kein Werk­ver­trag), und
  • wenn sie ih­ren Dienst­ver­trag in so­zia­ler bzw. persönli­cher Abhängig­keit erfüllen müssen, d.h. wenn sie Wei­sun­gen zu be­fol­gen ha­ben und in die Or­ga­ni­sa­ti­on des Auf­trag­ge­bers ein­ge­glie­dert sind.

So war es in ei­nem ges­tern vom BAG ent­schie­de­nen Fall.

Der Fall des BAG: Baye­ri­sches Denk­mal­amt setzt Wis­sen­schaft­ler voll­zei­tig für die Übe­r­ar­bei­tung der Denk­mal­lis­te ein

Im Streit­fall un­terstütz­te ein Aka­de­mi­ker von Sep­tem­ber 2005 bis No­vem­ber 2009 mit kurz­zei­ti­gen Un­ter­bre­chun­gen das Baye­ri­sche Lan­des­amt für Denk­mal­pfle­ge (BLfD) bei der Übe­r­ar­bei­tung der Denk­mal­lis­te. Grund­la­ge sei­ner Ar­beit wa­ren ins­ge­samt zehn hin­ter­ein­an­der ge­schal­te­te Verträge, die als "Werk­verträge" be­zeich­net wur­den.

Im letz­ten Ver­trag war als Werk ver­ein­bart die „Vor­ar­beit für die Nach­qua­li­fi­zie­rung der Denk­mal­lis­te für die kreis­freie Stadt und den Land­kreis Fürth so­wie für den Land­kreis Nürn­ber­ger Land“. Kon­kret hat­te der Auf­trag­neh­mer Bo­den­denkmäler in ei­nem EDV-gestütz­ten Sys­tem zu er­fas­sen und da­bei denk­mal­pfle­ge­risch zu be­wer­ten.

Je nach Stand­ort der Orts­ak­ten konn­te er da­bei nur in den Dienst­stel­len des BLfD ar­bei­ten. Ei­nen Schlüssel zu den Dienst­stel­len hat­te nicht und muss­te sich da­her an die übli­chen Büro­zei­ten hal­ten. Da­her ar­bei­te­te er re­gelmäßig von 07.30 Uhr bis 17.00 Uhr an ihm zur Verfügung ge­stell­ten PC-Ar­beits­platz mit persönli­cher Be­nut­zer­ken­nung und Zu­gang zu den Ein­ga­be­mas­ken.

Der Ter­min zur Fer­tig­stel­lung der Leis­tun­gen wur­de an­hand der Zahl der zu be­ar­bei­ten­den Fund­stel­len be­rech­net und auf den En­de No­vem­ber 2009 fest­ge­legt. Dem Auf­trag­neh­mer war es ge­stat­tet, sei­ne Be­zah­lung von ins­ge­samt 31.200 Eu­ro nach Ab­schluss der Be­ar­bei­tung be­stimm­ter Ge­bie­te in sechs glei­chen Ein­zel­beträgen von je­weils 5.200 Eu­ro ab­zu­rech­nen.

Der Auf­trag­neh­mer mein­te, sein "Werk­ver­trag" sei in Wahr­heit ein Ar­beits­ver­trag und er­hob vor dem Ar­beits­ge­richt München Ent­fris­tungs­kla­ge. Da­mit hat­te er Er­folg (Ar­beits­ge­richt München, Ur­teil vom 12.05.2010, 35 Ca 14694/09). Auch das für die Be­ru­fung zuständi­ge Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) München ur­teil­te ge­gen den Ar­beit­ge­ber (LAG München, Ur­teil vom 23.11.2011, 5 Sa 575/10).

Ein Werk­ver­trag lag hier nicht vor, so das LAG, denn der Ar­beit­neh­mer pfleg­te sei­ne Ar­beits­er­geb­nis­se oh­ne ir­gend­ei­ne Ab­nah­me sei­nes an­geb­li­chen Wer­kes so­fort in die EDV des Auf­trag­ge­bers ein. Außer­dem hätte er kei­nen Su­b­un­ter­neh­mer oder ei­ge­nen Ar­beit­neh­mer ein­set­zen können, d.h. er hat­te kein Sub­sti­tu­ti­ons­recht. Da­her war sei­ne Ver­trags­pflicht tätig­keits- und nicht er­folgs­be­zo­gen. Al­so lag ein Dienst­ver­trag vor.

Ein frei­er Dienst­ver­trag war das aber nicht, denn der Kläger war eng in die Or­ga­ni­sa­ti­on des Auf­trag­ge­bers ein­ge­glie­dert und von des­sen Wei­sun­gen abhängig. Er hat­te nämlich die übli­chen Büro­zei­ten ein­zu­hal­ten und konn­te da­her sei­ne Ar­beits­zei­ten nicht frei fest­le­gen. Außer­dem hat­te er klei­ne­re Ar­bei­ten, die im an­geb­li­chen "Werk­ver­trag" nicht erwähnt wa­ren, auf Wei­sung ei­nes Vor­ge­setz­ten aus­geführt.

BAG: Ist nicht die Her­stel­lung ei­ner Sa­che oder ei­nes Er­folgs, son­dern ei­ne be­stimm­te Tätig­keit ge­schul­det, liegt kein Werk­ver­trag vor

Auch vor dem BAG zog der Auf­trag­ge­ber den Kürze­ren, der sich da­her über ei­nen neu­en so­zi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Beschäftig­ten freu­en darf. In der der­zeit nur als Pres­se­mel­dung vor­lie­gen­den Be­gründung des BAG heißt es da­zu:

An­ders als bei ei­nem Werk­ver­trag ist Ge­gen­stand ei­nes Dienst­ver­trags die Tätig­keit als sol­che. Im Streit­fall ließ aber die Ge­stal­tung des an­geb­li­chen „Werk­ver­trags“ er­ken­nen, dass nicht die Her­stel­lung ei­ner Sa­che oder ei­nes Er­folgs, son­dern ei­ne be­stimm­te Tätig­keit ge­schul­det war.

Außer­dem lag hier kein frei­er Dienst­ver­trag, son­dern ein Ar­beits­ver­trag vor. Bei ei­nem Ar­beits­verhält­nis, so das BAG, wird die ver­ein­bar­te Tätig­keit wei­sungs­ge­bun­den, d.h. in persönli­cher Abhängig­keit ge­leis­tet. Wel­ches Ver­trags­verhält­nis vor­liegt, ist an­hand ei­ner "Ge­samtwürdi­gung al­ler maßge­ben­den Umstände des Ein­zel­falls" fest­zu­stel­len. Wi­der­spre­chen sich Pa­pier­form und tatsächli­che Durchführung des Ver­trags, ist die tatsächli­che Durchführung maßge­bend.

Die hier vom LAG vor­ge­nom­me­ne um­fas­sen­de Be­wer­tung des Streit­falls als Ar­beits­verhält­nis ließ das BAG gel­ten. Sie war "re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den".

Fa­zit: In vie­len neue­ren Ur­tei­len des BAG spielt die Fra­ge der "Ein­glie­de­rung" des Dienst­ver­trag­neh­mers in die Or­ga­ni­sa­ti­on des Auf­trag­ge­bers kei­ne Rol­le (mehr), während sie tra­di­tio­nell als ei­nes der ent­schei­den­den Merk­ma­le für die Ab­gren­zung von frei­em Dienst­ver­trag und Ar­beits­ver­trag an­ge­se­hen wird.

Da­ge­gen ist die Ein­bin­dung des Klägers in die Büroabläufe und die EDV des Denk­mal­am­tes ein zen­tra­les Ar­gu­ment des LAG München. Da des­sen Ur­teil vom BAG ab­ge­seg­net wur­de, könn­te es sein, dass die Ein­glie­de­rung künf­tig auch von den Er­fur­ter Rich­tern wie­der wich­ti­ger ge­nom­men wird.

Das wäre auch gut, denn in den letz­ten Jah­ren hat­te man den Ein­druck ge­win­nen können, dass sich das BAG in Schein­selbständig­keitsfällen im We­sent­li­chen nur noch dar­auf kon­zen­triert, ob der Auf­trag­neh­mer sei­ne Ar­beits­zei­ten frei be­stim­men kann (dann freie Mit­ar­beit) oder Wei­sun­gen in punc­to Ar­beits­zeit be­fol­gen muss (dann Ar­beits­verhält­nis). Das ist ei­ne zu ein­sei­ti­ge Be­trach­tung und im Er­geb­nis ei­ne Ein­la­dung zur Um­ge­hung des Ar­beits­rechts.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Ge­richt sei­ne Ent­schei­dungs­gründe schrift­lich ab­ge­fasst und veröffent­licht. Die Ent­schei­dungs­gründe im Voll­text fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 29. Juni 2020

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