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LAG Berlin: Anwalt als Arbeitnehmer
24.04.2014. Manchmal streiten Rechtsanwälte in eigener Angelegenheit vor dem Arbeitsgericht gegen ihre Berufskollegen, d.h. gegen die Kanzlei, für die sie tätig sind oder waren.
Dabei geht es wie in anderen arbeitsgerichtlichen Prozessen auch um Kündigungsschutz, Gehaltsklagen, Zeugnisstreitigkeiten oder auch um Urlaub oder Urlaubsabgeltung.
Voraussetzung für den Zugang zur klägerfreundlichen Arbeitsgerichtsbarkeit ist allerdings, dass der klagende Anwalt Arbeitnehmer ist, d.h. als Angestellter seinen Anwaltsberuf ausübt. Dazu muss der Rechtsanwalt von der beauftragenden Kanzlei sozial abhängig sein. Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg vor kurzem entschieden: LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.01.2014, 4 Sa 1731/13.
- Wann arbeitet ein Anwalt als Arbeitnehmer der ihn beauftragenden Kanzlei?
- Im Streit: Zahlungsansprüche im Verhältnis Anwalt - Kanzlei
- LAG Berlin: Ein Rechtsanwalt ist Arbeitnehmer und hat damit Kündigungsschutz und Zugang zum Arbeitsgericht, wenn er von der beauftragenden Kanzlei sozial abhängig ist
Wann arbeitet ein Anwalt als Arbeitnehmer der ihn beauftragenden Kanzlei?
Anwälte können sich nicht nur für Arbeitnehmer einsetzen, sondern auch selbst Arbeitnehmer sein. Arbeitnehmer ist, wer für seinen Auftraggeber auf Basis eines Arbeitsvertrags tätigt ist.
Arbeitsverträge sind eine besondere Art von Dienstverträgen und damit tätigkeitsbezogen: Die vertragliche Hauptpflicht ist die Tätigkeit als solche, d.h. die Arbeit.
Wer seine dienstvertraglichen Aufgaben "frei" erfüllt wie ein Anwalt mit eigener Kanzlei, verwendet seine eigenen Betriebsmittel und braucht keine Anweisungen zu befolgen. Er entscheidet selbst, wann und wo und wie er für seine Mandanten tätig wird.
Demgegenüber erbringen Arbeitnehmer-Anwälte dieselben mandatsbezogenen Dienstleistungen wie ihre selbständigen Kollegen, sind aber dabei nicht "frei", sondern von der Kanzlei, für die sie arbeiten, "sozial abhängig". Das bedeutet, dass sie Anweisungen des oder der Kanzleiinhaber in Bezug auf
- den Ort,
- die Zeit und/oder
- den Inhalt
ihrer anwaltlichen Tätigkeit befolgen müssen und dass sie
- in den Betrieb der Kanzlei, für die sie arbeiten, eingegliedert sind, d.h. auf deren Betriebsmittel und Organisation bei der Arbeit angewiesen sind.
In diesem Fall ist die Kanzlei bzw. deren Inhaber Arbeitgeber.
Anwälte, die ihre Beruf als Arbeitnehmer ausüben, haben davon wie alle Arbeitnehmer rechtliche Vorteile, die sie nicht beanspruchen können, wenn sie als freier Mitarbeiter bzw. als Selbständiger arbeiten. Dazu gehören vor allem der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, der Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub, der Mutterschutz und der Kündigungsschutz.
Außerdem sind Anwälte, die als Arbeitnehmer tätig sind, praktisch immer auch Beschäftigte im Sinne des Sozialversicherungsrechts. Das bedeutet Versicherungsschutz in der Rentenversicherung der Anwälte, in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung sowie in der Pflege- und Unfallversicherung, jeweils mit Kostenbeteiligung des Arbeitgebers.
Kein Wunder, dass Anwälte als Kanzleiinhaber Berufskollegen meist lieber als freie Mitarbeiter einsetzen wollen als mit ihnen ein Arbeitsverhältnis einzugehen.
Im Streit: Zahlungsansprüche im Verhältnis Anwalt - Kanzlei
Im Streitfall ging es um eine Anwältin, die in Velten für eine dort nicht primär ansässige Kanzlei arbeitete, d.h. als Veltener "Außenposten" dieser Kanzlei. Sie war formell als freie Mitarbeiterin eingestellt worden und stellte der Kanzlei daher Rechnungen, die Umsatzsteuer auswiesen.
Nachdem die Anwaltskanzlei ihr Mitte Dezember 2012 gekündigt hatte, erhob die Anwältin vor dem Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel Kündigungsschutzklage. Anscheinend nahmen die verklagten Rechtsanwälte diese Klage nicht sonderlich ernst, denn das Arbeitsgericht stellte per Versäumnisurteil fest, "dass das Anstellungsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 14.12.2012 nicht zum 31.12.2012 endet".
Durch diesen Erfolg ermutigt verklagte die Anwältin die Kanzlei erneut vor dem Arbeitsgericht Brandenburg. Diesmal klagte sie auf Zahlung von Arbeitslohn, auf Herausgabe von Vorschusszahlungen, die Mandanten der Anwältin geleistet hatten, und auf Ausgleich für eine Zahlung, die die Anwältin in einer Haftungsangelegenheit (auch?) für ihre Anwaltskollegen der Kanzlei an einen Ex-Mandanten geleistet hatte (hier hatte der Ex-Mandant einen Titel wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrags erwirkt).
Das Arbeitsgericht Brandenburg wies die Klage durch Urteil ab, weil es meinte, die klagende Anwältin sei keine Arbeitnehmerin gewesen, sondern freie Mitarbeiterin (Urteil vom 24.07.2013, 3 Ca 181/13).
Das war verfahrensfehlerhaft, denn die verklagte Rechtsanwaltskanzlei hatte auf die (aus ihrer Sicht gegebene) Unzuständigkeit des Arbeitsgerichts hingewiesen, so dass das Arbeitsgericht per Beschluss vorab (und nicht durch Urteil) über die Frage des Rechtswegs hätte entscheiden müssen. Und da das Arbeitsgericht die Anwältin ja nicht als Arbeitnehmerin ansah und die eingeklagten Ansprüche nicht vom Bestand eines Arbeitsverhältnisses abhängig waren, hätte es den Prozess an das Landgericht Potsdam verweisen müssen.
LAG Berlin: Ein Rechtsanwalt ist Arbeitnehmer und hat damit Kündigungsschutz und Zugang zum Arbeitsgericht, wenn er von der beauftragenden Kanzlei sozial abhängig ist
Auf die Berufung der klagenden Anwältin hin hob das LAG das Urteil des Arbeitsgerichts auf und verwies den Prozess per Beschluss an das Landgericht Potsdam. Denn hier im Streitfall konnte von einem Arbeitnehmer-Anwalt nicht die Rede sein:
Wenn ein Anwalt - wie hier - tägliche feste Bürozeiten einhält, muss das noch nicht auf einer einseitigen Arbeitszeitvorgabe (= Weisung) der beauftragenden Kanzlei beruhen. Und auch der Eintrag von Arbeitsbeginn und -ende in ein Anwesenheits-Tool ist mit einer freiberuflichen Anwaltstätigkeit vereinbar und spricht daher erst einmal nicht für ein Arbeitsverhältnis, so das LAG.
Fachliche Weisungen, d.h. Vorgaben bezüglich der Mandatsbearbeitung, hatten die verklagten Rechtsanwälte unstreitig nie gemacht.
Damit ist im Wesentlichen bereits klar, dass hier kein Arbeitsverhältnis vorlag. Dieses Ergebnis wurde dadurch noch bestätigt,
- dass die Klägerin die Dauer des Urlaubs selbst festlegen konnte und keine Genehmigung für den Urlaubsantritt brauchte,
- dass sie monatlich schwankende Beträge abrechnete, ohne die Vereinbarung einer Art Durchschnittsbezahlung nachweisen zu können, und
- dass sie bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet war, eine ärztliche Krankschreibung vorzulegen.
Schließlich meinte das LAG, dass das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses auch nicht durch das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts in der Kündigungsangelegenheit rechtskräftig festgestellt worden war. Denn das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ergab sich nicht aus dem Urteilsausspruch ("Tenor"), so das LAG.
Fazit: Auch Anwälte sollten, wenn sie in eigener Angelegenheit vor Gericht stehen, "zum Anwalt gehen", wobei hier ein Fachanwalt für Arbeitsrecht die richtige Adresse gewesen wäre. Denn mit klägerseitigen Vortrag hier im Streitfall lässt sich ein Arbeitsgericht nicht davon überzeugen, dass ein Rechtsanwalt als Arbeitnehmer tätig ist, d.h. der Vortrag zum Thema "Arbeitnehmer" war unschlüssig. Im Ergebnis hatte die Anwältin daher ein Jahr Zeit verloren, weil sie ihre Klageschrift beim falschen Gericht eingereicht hatte.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.01.2014, 4 Sa 1731/13
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.09.2013, 10 AZR 282/12
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Letzte Überarbeitung: 19. März 2018
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