HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Ber­lin, Be­schluss vom 27.01.2014, 4 Sa 1731/13

   
Schlagworte: Berlin, Anwalt: Arbeitnehmer, Arbeitnehmer: Anwalt
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Aktenzeichen: 4 Sa 1731/13
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 27.01.2014
   
Leitsätze:

In den sog. aut-aut -Fällen richtet sich die Bestimmung des Rechtswegs nach dem Sachvortrag des Klägers, der im Hinblick auf seine Arbeitnehmereigenschaft nicht nur schlüssig sein muss, sondern ggf. auch bewiesen werden muss.

Liegt ein „aut-aut Fall“ vor und ist das Arbeitsgericht der Ansicht, der Kläger sei kein Arbeitnehmer iSd. § 5 ArbGG, so hat es den Rechtstreit nach § 17a Abs. 2 GVG zu verweisen. Nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG hat das Arbeitsgericht auf Rüge einer Partei über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs vorab zu entscheiden.

Trifft das Arbeitsgericht dennoch keinen Verweisungsbeschluss, sondern bejaht es im Urteil den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten, so kann es die Klage bei einem „aut-aut Fall“ nicht mit der Begründung abweisen, es liege kein Arbeitsverhältnis vor. Dem steht bereits § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entgegen.

Die Prüfungssperre des § 65 ArbGG entfällt dann, wenn das erstinstanzliche Gericht trotz Rüge, das heißt unter Verstoß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG nicht durch Beschluss vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs entschieden hat (im Anschluss an BAG 21.5.1999 – 5 AZB - 31/98AP Nr. 1 zu § 611 BGB Zeitungsverlage).

Das Rechtsmittelgericht hat das Verfahren wieder in die Bahn zu lenken, in die es bei richtiger Entscheidung der Vorinstanz und dem danach gegebenen Rechtsmittel gelangt wäre. Dies bedeutet, dass das Berufungsgericht im vorliegenden Fall seine Entscheidung in der Form zu treffen hat, in der es bei richtiger Entscheidung der Vorinstanz hätte entscheiden müssen (BAG 26.03.1992 - 2 AZR 443/91 - AP Nr. 7 zu § 48 ArbGG 1979 = EzA § 48 ArbGG 1979 Nr. 5). Die Entscheidung hatte deswegen gem. § 17a Abs. 4 Satz 3 und 4 GVG durch Beschluss und gem. § 78 Satz 3 ArbGG durch den Vorsitzenden allein zu ergehen.


Stützt das Arbeitsgericht die Klageabweisung in einem aut-aut –Fall unzutreffend allein darauf, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestand, so genügt die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 – 4 ZPO, wenn der Kläger die Annahme, es bestehe kein Arbeitsverhältnis, angreift.
Zwar ist die Frage des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses in diesem Fall für die materielle Begründetheit der geltend gemachten Ansprüche irrelevant; für die Berufungsbegründung ist aber entscheidend, ob sie sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befasst, nicht hingegen, ob die Begründung den Klageanspruch rechtfertigt.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel, Beschluss vom 24.07.13 - 3 Ca 181/13
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

Geschäfts­zei­chen (bei Ant­wort bit­te an­ge­ben)

4 Sa 1731/13


Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg,
Mag­de­bur­ger Platz 1, 10785 Ber­lin

Te­le­fon 030 90171- 320
Ver­mitt­lung 030 90171- 0
in­tern 9171- 320
Te­le­fax 030 90171-
Ver­kehrs­ver­bin­dung 841/842/222/333

u Kurfürs­ten­s­traße, Nol­len­dorf­platz
b M19, M29, M48, M85, 106, 187
r Zwei Be­hin­der­ten­parkplätze be­fin­den sich in der Gen­t­hiner Straße na­he dem Ein­gang.
Ihr Zei­chen: --

 


Be­schluss


In Sa­chen

pp.


I. Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bran­den­burg an der Ha­vel vom 24. Ju­li 2013 – 3 Ca 181/13 - wird auf­ge­ho­ben.

II. Der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ist un­zulässig

III. Der Recht­streit wird an das Land­ge­richt Pots­dam ver­wie­sen.

IV. Die Rechts­be­schwer­de wird nicht zu­ge­las­sen.
 


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Gründe

I.

 

Die Kläge­rin be­gehrt von der Be­klag­ten zum ei­nen die Zah­lung von Vergütung. Zum an­de­ren be­gehrt sie den Aus­gleich für ei­ne Zah­lung an ei­nen Gläubi­ger, der ge­gen die Rech­t­anwälte M., B., T. und Kläge­rin ei­nen Ti­tel we­gen Schlech­terfüllung ei­nes An­walts­ver­trags er­wirkt hat­te so­wie die Her­aus­ga­be von Vor­schuss­zah­lun­gen von Man­dan­ten der Kläge­rin.

Die Kläge­rin war für die Be­klag­te so­wie ei­ne wei­te­re GbR als Rechts­anwältin tätig. Sie wur­de for­mell als freie Mit­ar­bei­te­rin ein­ge­stellt. Die Kläge­rin war über­wie­gend in dem Büro der Be­klag­ten am Stand­ort Vel­ten tätig und nut­ze dort die In­fra­struk­tur der Be­klag­ten. Die Kläge­rin stell­te der Be­klag­ten Rech­nun­gen, die auch Um­satz­steu­er aus­wie­sen.

Die Be­klag­te kündig­te der Kläge­rin Mit­te De­zem­ber 2012 mit ei­ner Frist von zwei Wo­chen. Ge­gen die­se Kündi­gung hat­te die Kläge­rin Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben. Am 21.1.2013 er­ging ge­gen die Be­klag­te ein Versäum­nis­ur­teil durch das Ar­beits­ge­richt Bran­den­burg an der Ha­vel zum Geschäfts­zei­chen 3 Ca 5/13, des­sen Te­nor lau­te­te:

„Es wird fest­ge­stellt, dass das An­stel­lungs­verhält­nis der Par­tei­en durch die or­dent­li­che Kündi­gung vom 14.12.2012 nicht zum 31.12.2012 en­det.“

Die Be­klag­te hat im Schrift­satz vom 26.4.2013 auf S. 10 (Bl. 118 d. A.) den Rechts­weg zu den Ar­beits­ge­rich­ten gerügt. Das Ar­beits­ge­richt hat den­noch nicht nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG vor­ab über den Rechts­weg durch Be­schluss ent­schie­den. Es hat viel­mehr die Kla­ge mit Ur­teil vom 24.07.2013 al­lein mit der Be­gründung ab­ge­wie­sen, die Kläge­rin sei nicht Ar­beit­neh­me­rin. Hin­sicht­lich des ge­nau­en In­halts des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils wird auf Bl. 431 – 439 d. A. ver­wie­sen. Ge­gen das ihr am 13.9.2013 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die Kläge­rin mit beim Lan­des­ar­beits­ge­richt am 9.10.2013 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum 13.12.2013 mit beim Lan­des­ar­beits­ge­richt am 12.12.2013 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet.

Die Kläge­rin ist wei­ter­hin der Auf­fas­sung, dass zwi­schen den Par­tei­en ein Ar­beits­verhält­nis be­stand, so dass der Rechts­weg zu den Ar­beits­ge­rich­ten eröff­net sei. Die Kläge­rin trägt vor, sie ha­be Man­da­te be­ar­bei­tet, die von der Be­klag­ten zu ihr ge­schickt wur­den. Sie sei grundsätz­lich zu den nor­ma­len Büro­zei­ten in Vel­ten an­we­send ge­we­sen, wo­bei sie in der Re­gel die Ar­beit zwi­schen 9 Uhr und 9.30 Uhr be­gann und das Büro je nach Ar­beits­an­fall zwi­schen 17 und 19 Uhr ver­ließ. Ar­beits­zei­ten sei­en zwar nicht aus­drück­lich ver­ein­bart wor­den, sie er­ga­ben sich je­doch aus der

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ge­sam­ten Büro­or­ga­ni­sa­ti­on und dem Cha­rak­ter der Man­da­te. So­bald die Kläge­rin im Büro war, sei sie von den Se­kretärin­nen in ein An­we­sen­heits­tool ein­ge­tra­gen wor­den. Sie ha­be Ur­laub je­weils in Ab­spra­che mit den Ge­sell­schaf­tern der Be­klag­ten ge­nom­men. Sie ha­be je­weils zwi­schen 28 und 30 Ta­gen Ur­laub im Jahr ge­nom­men und sich da­bei an der ar­beit­neh­mer­ty­pi­schen Dau­er ori­en­tiert. Ein­zel­nen Ur­laubs­ta­ge und Arzt­ter­mi­ne ha­be sie in den Ter­min­ka­len­der ein­ge­tra­gen und so die Be­klag­te von ih­rer Ab­we­sen­heit in Kennt­nis ge­setzt. Ent­ge­gen den ge­stell­ten Rech­nun­gen sei mit der Be­klag­ten ein Fest­ge­halt ver­ein­bart wor­den. Die „krum­men“ Beträge sei­en auf An­wei­sung der Be­klag­ten in den Rech­nun­gen auf­ge­nom­men wor­den. Im Schnitt der Rech­nun­gen sei aber in dem Ka­len­der­jahr die ver­ein­bar­te Vergütung er­reicht wor­den. Wenn der Kläge­rin kei­ne Wei­sun­gen er­teilt wor­den sei­en, lie­ge dies al­lein dar­an, dass es Ar­beits­verhält­nis­se mit höher­wer­ti­ger Tätig­keit ge­ra­de aus­zeich­ne, dass der Ar­beit­neh­mer in ei­nem ge­setz­ten Rah­men ei­gen­ver­ant­wort­lich und ei­gen­in­itia­tiv tätig sei. Die Kläge­rin sei auch sei­tens der Be­klag­ten auf­ge­for­dert wor­den, Ar­ti­kel zu schrei­ben. Die Kläge­rin ist des Wei­te­ren der Auf­fas­sung, dass von dem Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­se zu­min­dest des­we­gen aus­zu­ge­hen sei, weil dies durch das Versäum­nis­ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bran­den­burg an der Ha­vel zum Geschäfts­zei­chen 3 Ca 5713 rechts­kräftig fest­ge­stellt wor­den sei.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung als un­zulässig zu ver­wer­fen,

hilfs­wei­se,

den Recht­streit an das Land­ge­richt Pots­dam zu ver­wei­sen,

hilfs­wei­se,

die Be­ru­fung als un­be­gründet zurück­zu­wei­sen.

Sie hält die Be­ru­fung be­reits in Er­man­ge­lung ei­ner aus­rei­chen­den Be­gründung für un­zulässig. Die Kläge­rin sei auch nicht als Ar­beit­neh­me­rin, son­dern als freie Mit­ar­bei­te­rin für die Be­klag­te tätig ge­we­sen. Die Kläge­rin sei in kei­ner Hin­sicht wei­sungs­ge­bun­den ge­we­sen; kei­ner der Ge­sell­schaf­ter der Be­klag­ten ha­be der Kläge­rin Vor­ga­ben für die Man­dats­be­ar­bei­tung er­teilt. Es sei­en auch kei­ne Ar­beits­zei­ten ver­ein­bart wor­den. Die Kläge­rin ha­be ih­re Zeit frei ein­ge­teilt und in un­ter­schied­li­chen Büros und auch zu Hau­se ge­ar­bei­tet. Die Ar­beits­zei­ten der Kläge­rin sei­en auch in kei­ner Wei­se kon­trol­liert wor­den. Das „An­we­sen­heits­tool“ sei ge­ra­de des­we­gen ein­geführt wor­den, weil be­dingt durch die freie Zeit­ein­tei­lung der Rechts­anwälte völlig un­klar ge­we­sen sei, wo sich wel­cher Rechts­an­walt ge­ra­de be­fin­de. Mit der Kläge­rin sei auch kein fes­ter Ur­laub ver­ein­bart

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wor­den; man ha­be die Kläge­rin viel­mehr be­reits im Be­wer­bungs­gespräch dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Kläge­rin selbst ent­schei­den möge, wann und wie lan­ge sie Ur­laub ma­che. Die Kläge­rin ha­be im Fal­le ei­ner Ar­beits­unfähig­keit auch kei­ne Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gung vor­le­gen müssen; sie sei auch in­so­weit frei ge­we­sen und ha­be selbst ent­schei­den müssen, wann sie in der La­ge war, ih­rer be­ruf­li­chen Tätig­keit nach­zu­ge­hen und wann nicht. Mit der Kläge­rin sei auch kei­ne fes­te mo­nat­li­che Vergütung ver­ein­bart wor­den. Die Vergütung sei da­von abhängig ge­we­sen, wel­che kon­kre­ten Leis­tun­gen die Kläge­rin für die Be­klag­te und wel­che sie für die an­de­re GbR er­brach­te. Der Kläge­rin sei auch nicht un­ter­sagt wor­den, wei­ter­ge­hen­de Tätig­kei­ten an­zu­neh­men.

II.

Auf­grund des Rechts­mit­tels war das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil auf­zu­he­ben und der Rechts­streit an das zuständi­ge Land­ge­richt Pots­dam zu ver­wei­sen.

1. Das Rechts­mit­tel der Kläge­rin war – ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten - nicht als un­zulässig zu ver­wer­fen.

a. Ei­ne Be­ru­fungs­be­gründung genügt den An­for­de­run­gen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 – 4 ZPO nur dann, wenn sie er­ken­nen lässt, in wel­chen Punk­ten tatsäch­li­cher oder recht­li­cher Art das an­ge­foch­te­ne Ur­teil nach An­sicht des Be­ru­fungsklägers un­rich­tig ist und auf wel­chen Gründen die­se An­sicht im Ein­zel­nen be­ruht. Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Be­ru­fungs­be­gründung die Umstände be­zeich­nen, aus de­nen sich die Rechts­ver­let­zung durch das an­ge­foch­te­ne Ur­teil und de­ren Er­heb­lich­keit für das Er­geb­nis der Ent­schei­dung er­gibt. Die Be­ru­fungs­be­gründung muss des­halb auf den zur Ent­schei­dung ste­hen­den Fall zu­ge­schnit­ten sein und sich mit den recht­li­chen oder tatsächli­chen Ar­gu­men­ten des an­ge­foch­te­nen Ur­teils be­fas­sen, wenn sie die­se bekämp­fen will. Für die er­for­der­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit den Ur­teils­gründen der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung reicht es nicht aus, die tatsächli­che oder recht­li­che Würdi­gung durch das Ar­beits­ge­richt mit for­mel­haf­ten Wen­dun­gen zu rügen und le­dig­lich auf das erst­in­stanz­li­che Vor­brin­gen zu ver­wei­sen oder die­ses zu wie­der­ho­len (BAG 16.05.2012 - 4 AZR 245/10 - NZA-RR 2012, 599).

b. Die­sen An­for­de­run­gen wird die Rechts­mit­tel­be­gründung ge­recht. Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge mit der Be­gründung ab­ge­wie­sen, dass die Kläge­rin nicht Ar­beit­neh­me­rin sei. Dem ist die Kläge­rin in der Be­ru­fungs­be­gründung im Ein­zel­nen ent­ge­gen­ge­tre­ten. Zwar ist die Fra­ge des Be­ste­hens ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses für die ma­te­ri­el­le Be­gründet­heit der gel­tend ge­mach­ten Ansprüche ir­re­le­vant. Da das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge­ab­wei­sung aber recht­feh­ler­haft al­lein dar­auf gestützt hat, dass zwi­schen den Par­tei­en kein Ar­beits­verhält­nis, son­dern ein frei­es

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Mit­ar­bei­ter­verhält­nis be­stand, reich­te es aus, dass die Kläge­rin die An­nah­me, es be­ste­he kein Ar­beits­verhält­nis, an­greift.

2. Das Ar­beits­ge­richt hat­te über den Rechts­weg un­ter Ver­s­toß ge­gen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG nicht durch Be­schluss vor­ab ent­schie­den. Den­noch ist ei­ne Zurück­ver­wei­sung an das Ar­beits­ge­richt nicht möglich. Viel­mehr hat­te das Be­ru­fungs­ge­richt auf­grund der Rüge der Be­klag­ten selbst über die Rechts­weg­zuständig­keit zu ent­schei­den.

a. Das Be­ru­fungs­ge­richt ist vor­lie­gend nicht durch § 65 ArbGG dar­an ge­hin­dert, über den Rechts­weg selbst zu ent­schei­den. Die Prüfungs­sper­re entfällt dann, wenn das erst­in­stanz­li­che Ge­richt trotz Rüge, das heißt un­ter Ver­s­toß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG nicht durch Be­schluss vor­ab über die Zulässig­keit des Rechts­wegs ent­schie­den hat (BAG 21.5.1999 – 5 AZB - 31/98AP Nr. 1 zu § 611 BGB Zei­tungs­ver­la­ge). Die Ent­schei­dung hat eben­falls durch Be­schluss zu er­ge­hen. Das Rechts­mit­tel­ge­richt hat das Ver­fah­ren wie­der in die Bahn zu len­ken, in die es bei rich­ti­ger Ent­schei­dung der Vor­in­stanz und dem da­nach ge­ge­be­nen Rechts­mit­tel ge­langt wäre. Dies be­deu­tet, dass das Be­ru­fungs­ge­richt im vor­lie­gen­den Fall sei­ne Ent­schei­dung in der Form zu tref­fen hat, in der es bei rich­ti­ger Ent­schei­dung der Vor­in­stanz hätte ent­schei­den müssen (BAG 26.03.1992 - 2 AZR 443/91 - AP Nr. 7 zu § 48 ArbGG 1979 = EzA § 48 ArbGG 1979 Nr. 5). Die Ent­schei­dung hat­te des­we­gen gem. § 17a Abs. 4 Satz 3 und 4 GVG durch Be­schluss und gem. § 78 Satz 3 ArbGG durch den Vor­sit­zen­den al­lein zu er­ge­hen.

b. Der Rechts­weg zu den Ar­beits­ge­rich­ten ist nicht eröff­net.

aa. Hin­sicht­lich der Ent­schei­dungs­grund­la­gen für die Prüfung der Rechts­weg­zuständig­keit wird in ständi­ger Recht­spre­chung nach Fall­grup­pen ent­schie­den. Kann die vor dem Ar­beits­ge­richt in ei­ner bürger­lich-recht­li­chen Strei­tig­keit er­ho­be­ne Kla­ge nur dann Er­folg ha­ben, wenn der Kläger Ar­beit­neh­mer ist (sog. sic-non-Fall), so reicht die bloße Rechts­an­sicht des Klägers, er sei Ar­beit­neh­mer, zur Be­ja­hung der ar­beits­ge­richt­li­chen Zuständig­keit aus. Ist der Kläger kein Ar­beit­neh­mer, so ist die Kla­ge als un­be­gründet ab­zu­wei­sen. Kom­men da­ge­gen für ei­nen An­spruch so­wohl ar­beits­recht­li­che als auch bürger­lich-recht­li­che An­spruchs­grund­la­gen in Be­tracht (sog. aut-aut-Fälle und et.-et.-Fälle), so kann die bloße Rechts­an­sicht des Klägers, er sei Ar­beit­neh­mer, die ar­beits­ge­richt­li­che Zuständig­keit nicht be­gründen (BAG 31.08.1998 - 5 AZB 21/98 – ju­ris). In den sog. aut-aut -Fällen rich­tet sich die Be­stim­mung des Rechts­wegs nach dem Sach­vor­trag des Klägers, der im Hin­blick auf sei­ne Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft nicht nur schlüssig sein muss, son­dern ggf. auch be­wie­sen wer­den muss (LAG Schles­wig-Hol­stein 11.12.2012 - 1 Ta 129/12 – ju­ris mwN).

bb. Vor­lie­gend kom­men für die gel­tend ge­mach­ten Ansprüche so­wohl ar­beits­recht­li­che als auch bürger­lich-recht­li­che An­spruchs­grund­la­gen in Be­tracht. Ein Vergütungs­an­spruch kommt auch

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in Be­tracht, wenn zwi­schen den Par­tei­en kein Ar­beits-, son­dern ein frei­es Mit­ar­bei­ter­verhält­nis be­stan­den hat. Die Zuständig­keit der Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen folgt auch nicht aus der Gel­tend­ma­chung ei­ner Brut­to­for­de­rung. Hier­in liegt kein sic-non-Fall im Sin­ne der Recht­spre­chung des BAG (BAG 26.9.2002 – 5 AZB 19/01 - EzA § 2 ArbGG 1979 Nr. 57). Ein et­wai­ger Aus­gleichs­an­spruch für die Zah­lung an den Gläubi­ger, der ge­genüber den Rech­t­anwälten M., B., T. und der Kläge­rin ei­nen Ti­tel we­gen Schlech­terfüllung ei­nes An­walts­ver­trags er­wirkt hat­te, kann eben­so auf ei­ne rein zi­vil­recht­li­che An­spruchs­grund­la­ge gestützt wer­den. Glei­ches gilt für die Her­aus­ga­be von Vor­schuss­zah­lun­gen von Man­dan­ten der Kläge­rin.

cc. Bei al­len Streit­ge­genständen han­delt sich je­weils nicht um Kla­gen aus dem Ar­beits­verhält­nis iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 3a) ArbGG. Die dar­le­gungs- und be­weis­be­las­te­te Kläge­rin hat nicht aus­rei­chend dar­ge­legt, dass sie Ar­beit­neh­me­rin iSd. § 5 Abs. 1 ArbGG war.

(1) Ar­beit­neh­mer ist, wer auf­grund ei­nes pri­vat­recht­li­chen Ver­trags im Diens­te ei­nes an­de­ren zur Leis­tung wei­sungs­ge­bun­de­ner, fremd­be­stimm­ter Ar­beit in persönli­cher Abhängig­keit ver­pflich­tet ist (BAG 20. Mai 2009 – 5 AZR 31/08 - AP Nr. 16 zu § 611 BGB Ar­beit­neh­merähn­lich­keit = EzA § 611 BGB 2002 Ar­beit­neh­mer­be­griff Nr. 15; BAG 14. März 2007 - 5 AZR 499/06 - AP Nr. 13 zu § 611 BGB Ar­beit­neh­merähn­lich­keit = EzA § 611 BGB 2002 Ar­beit­neh­mer­be­griff Nr. 10; BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 347/04 - BA­GE 115, 1; BAG 16. Fe­bru­ar 2000 - 5 AZB 71/99 - BA­GE 93, 310; GK-ArbGG/Schleu­se­ner § 5 Rn. 20 mwN). Das Wei­sungs­recht kann In­halt, Durchführung, Zeit, Dau­er und Ort der Tätig­keit be­tref­fen. Ar­beit­neh­mer ist da­her der­je­ni­ge Mit­ar­bei­ter, der nicht im We­sent­li­chen frei sei­ne Tätig­keit ge­stal­ten und sei­ne Ar­beits­zeit be­stim­men kann (BAG 20. Mai 2009 – 5 AZR 31/08 - AP Nr. 16 zu § 611 BGB Ar­beit­neh­merähn­lich­keit = EzA § 611 BGB 2002 Ar­beit­neh­mer­be­griff Nr. 15; BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 347/04 - BA­GE 115, 1; BAG 22. April 1998 - 5 AZR 342/97 - BA­GE 88, 263). Da­bei sind al­le Umstände des Ein­zel­falls in Be­tracht zu zie­hen und in ih­rer Ge­samt­heit zu würdi­gen. Der je­wei­li­ge Ver­trags­typ er­gibt sich aus dem wirk­li­chen Geschäfts­in­halt (vgl. BAG 22. Au­gust 2001 - 5 AZR 502/99 - AP Nr. 109 zu § 611 BGB Anhängig­keit = EzA § 611 BGB Ar­beit­neh­mer­be­griff Nr. 86; BAG 12. Sep­tem­ber 1996 - 5 AZR 1066/94 - BA­GE 84, 108). Der ob­jek­ti­ve Geschäfts­in­halt ist den aus­drück­lich ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen und der prak­ti­schen Durchführung des Ver­trags zu ent­neh­men. Wi­der­spre­chen sich Ver­ein­ba­rung und tatsächli­che Durchführung, ist Letz­te­re maßge­bend (BAG 20. Mai 2009 – 5 AZR 31/08 - AP Nr. 16 zu § 611 BGB Ar­beit­neh­merähn­lich­keit = EzA § 611 BGB 2002 Ar­beit­neh­mer­be­griff Nr. 15; BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 347/04 - BA­GE 115, 1; BAG 30. Sep­tem­ber 1998 - 5 AZR 563/97- BA­GE 90, 36).

(2) Un­ter An­le­gung die­ser Maßstäbe hat die Kläge­rin ih­re Ar­beit­neh­mer­ein­ge­schaft nicht dar­ge­legt. Ei­ne wei­sungs­ge­bun­de­ne, fremd­be­stimm­ter Ar­beit in persönli­cher Abhängig­keit ist nicht

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aus­rei­chend dar­ge­legt. Kon­kre­te Wei­sun­gen hin­sicht­lich In­halt, Durchführung, Zeit, Dau­er und Ort der Tätig­keit hat die Kläge­rin nicht vor­ge­tra­gen.

(a) Kon­kre­te Ar­beits­zeit­vor­ga­ben hat die Be­klag­te der Kläge­rin un­strei­tig nicht ge­macht. Aus der Tat­sa­che, dass die Kläge­rin nach ih­rem ei­ge­nen Vor­trag zu be­stimm­ten Zei­ten in dem Büro in Vel­ten an­we­send war, er­gibt sich kei­ne dies­bezügli­che Wei­sung der Be­klag­ten.

(b) Ei­ne je­weils kon­kre­te Ge­neh­mi­gung des Ur­laubs durch die Be­klag­te hat die Kläge­rin eben­falls nicht vor­ge­tra­gen. Die Tat­sa­che, dass ggf. ei­ne Ab­stim­mung des Ur­laubs er­folg­te, spricht nicht zwin­gend für ei­ne Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft. Viel­mehr kann ein ent­spre­chen­des Er­for­der­nis auch bei frei­en Mit­ar­bei­tern be­ste­hen. Of­fen­sicht­lich konn­te die Kläge­rin die Dau­er ih­res Ur­laubs selbst fest­le­gen. In­so­weit hat die Kläge­rin vor­ge­tra­gen, sie ha­be je­weils zwi­schen 28 und 30 Ta­gen Ur­laub im Jahr ge­nom­men und sich da­bei an der ar­beit­neh­mer­ty­pi­schen Dau­er ori­en­tiert. Die Dau­er des Jah­res­ur­laubs hat da­mit die Kläge­rin al­lein be­stimmt. Dies wäre äußert un­ty­pisch in ei­nem Ar­beits­verhält­nis.

(c) Es kann of­fen­blei­ben, ob die Kläge­rin, was von der Be­klag­ten be­strit­ten ist, je­weils ei­nen fes­ten Be­trag er­hal­ten soll­te. Un­abhängig da­von, dass die Be­haup­tung der Kläge­rin, die Rech­nun­gen in un­ter­schied­li­cher Höhe ergäben auf das Jahr ge­se­hen den ent­spre­chen­den Durch­schnitt­be­trag oh­ne die vollständi­ge Rech­nungs­ein­rei­chung nicht nach­prüfbar ist, wäre die Ver­ein­ba­rung ei­ner ste­ti­gen Vergütung auch im Rah­men ei­nes frei­en Mit­ar­bei­ter­verhält­nis­ses möglich.

(d) Auch die Führung des An­we­sen­heits­tools spricht nicht dafür, dass die Be­klag­te der Kläge­rin An­wei­sun­gen hin­sicht­lich Zeit, Dau­er und Ort der Tätig­keit ge­macht hat. Hätte die Be­klag­te die Möglich­keit ge­habt, der Kläge­rin im Rah­men des ar­beit­ge­be­ri­schen Di­rek­ti­ons­rechts kla­re An­wei­sun­gen hin­sicht­lich Zeit, Dau­er und Ort der Tätig­keit zu ma­chen, wäre das An­we­sen­heits­tool viel­mehr gar nicht er­for­der­lich ge­we­sen, da die An­we­sen­heit stets ge­si­chert wäre.

(e) Ge­gen ei­ne Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft spricht auch, dass die Kläge­rin un­strei­ti­ge nicht ver­pflich­tet war, ei­ne Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gung vor­zu­le­gen.

(f) Auch die Tat­sa­che, dass die Kläge­rin die ein­zel­nen Ur­laubs­ta­ge und Arzt­ter­mi­ne in den Ter­min­ka­len­der ein­ge­tra­gen und so die Be­klag­te von ih­rer Ab­we­sen­heit in Kennt­nis ge­setzt hat, spricht nicht für ein Ar­beits­verhält­nis. Viel­mehr spricht die Not­wen­dig­keit, die Be­klag­te in Kennt­nis zu set­zen, ge­ra­de dafür, dass es kein Er­for­der­nis der vor­he­ri­gen Ge­neh­mi­gung gab.

- 8 -

dd. Das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses ist auch nicht durch das Versäum­nis­ur­teil vom 21.1.2013 rechts­kräftig fest­ge­stellt wor­den. Das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses war nicht Ge­gen­stand des Te­nors. In Er­man­ge­lung ei­nes Tat­be­stands kann nicht ein­mal fest­ge­stellt wer­den, ob das Ar­beits­ge­richt von ei­nem frei­en Mit­ar­bei­ter­verhält­nis oder ei­nem Ar­beits­verhält­nis aus­ging. In­so­weit hat das al­ler­dings die er­ken­nen­de 3. Kam­mer des Ar­beits­ge­richt Bran­den­burg an der Ha­vel, die so­wohl das Versäum­nis­ur­teil er­las­sen hat­te als auch glei­cher­maßen Vor­in­stanz im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren war, aus­drück­lich erklärt, ei­ne Wer­tung des Ge­richts zum Be­ste­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses sei nicht ge­ge­ben wor­den (S. 6 des Ur­teils = Bl. 436 d. A.).

3. Ei­ne Kos­ten­ent­schei­dung war im Hin­blick auf § 17b Abs. 2 GVG nicht zu tref­fen.

4. Für die Zu­las­sung der Rechts­be­schwer­de be­stand nach § 78 Satz 2 ArbGG iVm. § 72 Abs. 2 ArbGG kei­ne Ver­an­las­sung.

 


Ge­gen die­se Ent­schei­dung ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben

Ber­lin, den 27. Ja­nu­ar 2014
Kam­mer 4

Der Vor­sit­zen­de
Dr. S.
Vor­sit­zen­der Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt 

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