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Arbeitszeitverkürzung kann Diskriminierung wegen des Alters sein
01.07.2016. Haben "ältere" Arbeitnehmer ein medizinisch bzw. physisch begründetes größeres Bedürfnis nach Ruhe- und Erholung als ihre jüngeren Kollegen?
Und falls ja, ab welchem Lebensalter wäre ein solches Bedürfnis ein Rechtfertigungsgrund, Arbeitnehmern bei vollem Lohnausgleich eine Verringerung ihrer Arbeitszeit zuzugestehen?
In einem aktuellen Fall hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass eine nur vom Lebensalter abhängige Verkürzung der Wochenarbeitszeit ab 40 bzw. 50 Jahren bei vollem Lohausgleich eine Altersdiskriminierung jüngerer Arbeitnehmer ist: BAG, Urteil vom 22.10.2015, 8 AZR 168/14.
- Werden jüngere Arbeitnehmer durch eine altersabhängige Verkürzung der Arbeitszeit diskriminiert?
- Verwaltungsangestellte der Gewerkschaft ver.di klagt mit Ende 40 auf Anpassung ihres Gehalts entsprechend den Arbeitszeit- und Gehaltsregeln, die ab 50 Jahren gelten
- BAG: Eine nur vom Alter abhängige Verkürzung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich ab 40 und ab 50 Jahren ist altersdiskriminierend
Werden jüngere Arbeitnehmer durch eine altersabhängige Verkürzung der Arbeitszeit diskriminiert?
Nach § 7 Abs.1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dürfen Arbeitnehmer nicht wegen ihres Alters gegenüber vergleichbaren Kollegen benachteiligt werden. Allerdings kann eine vom Alter abhängige unterschiedliche Behandlung in Ausnahmefällen gemäß § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt sein. Dazu müsste die altersabhängige Ungleichbehandlung "objektiv und angemessen" sein und sie müsste durch ein "legitimes Ziel" gerechtfertigt sein.
Traditionell enthalten viele Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen Regelungen zum Thema Urlaub oder Arbeitszeit, die "ältere" Arbeitnehmer besserstellen.
Das ist jedenfalls dann rechtens bzw. keine Altersdiskriminierung der schlechter gestellten jüngeren Arbeitnehmer, wenn die Gruppe der begünstigten "älteren" Arbeitnehmer überschaubar ist, d.h. die Arbeitnehmer ab 60 Jahren oder ab "Ende 50" betriff. So hat das BAG 2014 entschieden, dass zwei Tage mehr Urlaub für Arbeitnehmer ab 58 Jahren keine Altersdiskriminierung jüngerer Arbeitnehmer sind (BAG, Urteil vom 21.10.2014, 9 AZR 956/12, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 14/357 Mehr Urlaubstage für ältere Arbeitnehmer).
Fraglich ist allerdings, ob das Argument, man wolle "ältere" Arbeitnehmer durch eine Arbeitszeitverringerung bei vollem Lohnausgleiche schützen, auch dann überzeugend ist, wenn man bereits mit 40 bzw. 50 Jahren zu der "geschützten" Gruppe gehört.
Verwaltungsangestellte der Gewerkschaft ver.di klagt mit Ende 40 auf Anpassung ihres Gehalts entsprechend den Arbeitszeit- und Gehaltsregeln, die ab 50 Jahren gelten
Im Streitfall verklagte eine Teilzeit-Verwaltungsangestellte der Gewerkschaft ver.di mit einer Wochenarbeitszeit von 28,5 Stunden ihren Arbeitgeber, die ver.di, auf eine Lohnnachzahlung von monatlich 104,00 EUR brutto. Streitig war die Zeit von Oktober 2011 bis Mai 2013. In diesem Zeitraum war die Angestellte zwischen 47 und 49 Jahre alt, verlangte aber die Vergütung, die die ver.di den Arbeitnehmer ab Alter 50 zahlte.
Dabei berief sie sich auf eine Gesamtbetriebsvereinbarung „Allgemeine Arbeitsbedingungen“ (AAB), der zufolge die vollzeitig tätigen Arbeitnehmer der ver.di
- bis zum Alter von 39 Jahren 38 Stunden pro Woche,
- ab 40 Jahren nur 36,5 Stunden pro Woche und
- ab 50 Jahren nur 35 Stunden pro Woche arbeiten mussten.
Da die Angestellte eh nur 28,5 Stunden arbeiten musste, wählte sie ab ihrem 40. Geburtstag die anteilige Lohnerhöhung, die ver.di Teilzeitkräften gewährte, damit auch sie in den Genuss der Arbeitszeitverkürzung gemäß den AAB kommen konnten. Dabei legte die ver.di die Vollzeitarbeit für die 40 bis 49jährigen Arbeitnehmer zugrunde, d.h. eine Wochenarbeitszeit von 36,5 Stunden, und zahlte der Angestellten anteilig 2.426,74 EUR brutto.
Die Angestellte wollte aber bereits vor ihrem 50. Geburtstag eine Lohnanpassung auf der Grundlage der Vollzeitarbeitszeit von 35 Stunden, wie sie nach den AAB erst ab 50 Jahren galt. Ihr Argument: Die Besserstellung der Kollegen ab 50 Jahren sei altersdiskriminierend.
Damit hatte sie vor dem Arbeitsgericht Herford (Urteil vom 18.06.2013, 1 Ca 1445/13) und in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm überwiegend Erfolg (LAG Hamm, Urteil vom 30.01.2014, 8 Sa 942/13). Beide Gerichte bewerteten die Besserstellung der Arbeitnehmer ab 50 Jahren als Diskriminierung zulasten der jüngeren. Allerdings hatte die Angestellte die ver.di erstmals mit Schreiben vom April 2012 zur Zahlung aufgefordert, so dass die Ansprüche für die Monate von Oktober 2011 bis Januar 2012 wegen der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Abs.4 Satz 1 AGG verfallen waren.
BAG: Eine nur vom Alter abhängige Verkürzung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich ab 40 und ab 50 Jahren ist altersdiskriminierend
Auch in Erfurt hatte die ver.di-Angestellte Erfolg, und zwar in vollem Umfang. Das BAG sprach ihr nämlich auch die Lohndifferenz für die Zeit für Oktober 2011 bis Januar 2012 zu.
Wie die Vorinstanzen war das BAG der Meinung, dass eine allgemeine Verringerung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich nicht pauschal so große Gruppen begünstigen kann wie alle Arbeitnehmer ab 50 (oder gar ab 40 Jahren).
Denn eine so erhebliche Privilegierung wegen des Alters ist gemäß § 10 Satz 1 AGG nur in Ausnahmefällen zulässig, d.h. unter engen Voraussetzungen, die hier nicht vorlagen. Dazu hätte ver.di konkrete Tatsachen bzw. wissenschaftliche Untersuchungen zum erhöhten Erholungsbedürfnis der über 40jährigen bzw. der über 50jährigen vortragen müssen.
Den Anspruch der Klägerin leiteten die Erfurter Richter nicht aus dem Schadensersatz-Paragraphen des AGG (§ 15 AGG) her, sondern aus § 4 Abs.2 Satz 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Danach dürfen Teilzeitkräfte nicht schlechter als Vollzeitkräfte behandelt werden. Und da Vollzeitkräfte bereits im Alter zwischen 40 und 49 Anspruch auf eine Arbeitszeit von 35 Stunden hatten (denn die Besserstellung der Arbeitnehmer ab 50 war diskriminierend, so dass auch die jüngeren schon eine 35-Stunden-Woche verlangen konnten), konnte sich die Klägerin auf § 4 TzBfG berufen, denn die ver.di verweigerte ihr die volle zeitanteilige Bezahlung auf der Grundlage des Stundenlohns, der sich aus einer 35-Stunden-Woche errechnete.
Kritisch ist anzumerken, dass die Herleitung des Anspruchs der Klägerin aus § 4 TzBfG ziemlich gekünstelt wirkt und offenbar dem "Zweck" dient, die Ausschlussfrist des § 15 Abs.4 AGG auszuhebeln. Es fragt sich auch, worauf sich vergleichbare Vollzeitarbeitnehmer der ver.di berufen sollten, denn § 4 TzBfG gilt ja nur für Teilzeitkräfte. Hierzu enthält das BAG-Urteil nur die (nicht begründete) Behauptung, auch Vollzeitkräfte bräuchten sich nicht auf den Schadensersatzanspruch des § 15 Abs.1, 2 AGG zu berufen und würden daher nicht (durch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs.4 AGG) schlechter gestellt als die hier klagende Teilzeitkraft (Urteil, S.27 oben).
Fazit: Das Argument der nachlassenden Leistungsfähigkeit zieht bei altersabhängigen Arbeitszeitverkürzungen oder bei zusätzlichen Urlaubstagen erst ab Ende 50, frühestens vielleicht ab Mitte 50. Wer bereits den 50jährigen Arbeitnehmern mehr Urlaubstage oder eine verkürzte Wochenarbeitszeit zugute kommen lassen möchte, begeht damit eine verbotene Altersdiskriminierung zulasten vergleichbarer jüngerer Arbeitnehmer.
Das wird teuer, denn die diskriminierten Arbeitnehmer können nach dem Prinzip der Angleichung nach oben die Vergünstigungen beanspruchen, die die altersdiskriminierenden Regelungen den Älteren vorbehalten soll.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.10.2015. 8 AZR 168/14
- Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 30.01.2014, 8 Sa 942/13
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.10.2014, 9 AZR 956/12
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitszeit und Arbeitszeitrecht
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitszeitverringerung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsvereinbarung
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Rechte Betroffener
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Alter
- Handbuch Arbeitsrecht: Gleichbehandlungsgrundsatz
- Handbuch Arbeitsrecht: Teilzeitbeschäftigung
- Arbeitsrecht aktuell: 19/080 Urlaub nach Betriebszugehörigkeit ist keine Diskriminierung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/104 Anspruch auf Brückenteilzeit
- Arbeitsrecht aktuell: 17/070 Tariflicher Mehrurlaub und Diskriminierung
- Arbeitsrecht aktuell: 16/119 Altersgrenze 65 für Piloten
- Arbeitsrecht aktuell: 14/357 Mehr Urlaubstage für ältere Arbeitnehmer
- Arbeitsrecht aktuell: 14/320 Altersdiskriminierung und Kündigungsfrist
- Arbeitsrecht aktuell: 12/321 Zwangspensionierung ist auch bei geringerer Rente keine verbotene Diskriminierung
- Arbeitsrecht aktuell: 12/225 Altersdiskriminierung und Anerkennung von Berufserfahrung
- Arbeitsrecht aktuell: 12/126 Urlaub nach Alter ist eine Diskriminierung
- Arbeitsrecht aktuell: 12/011 BAT Altersstufen
- Arbeitsrecht aktuell: 11/027 Altersdiskriminierung durch tariflichen Urlaubsanspruch
- Arbeitsrecht aktuell: 10/247 Längerer tariflicher Urlaub für 30jährige als für 19jährige ist diskriminierend
Letzte Überarbeitung: 2. November 2020
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