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LAG Hamm, Urteil vom 21.10.1997, 4 Sa 707/97
Schlagworte: | Abmahnung, Vorsorgliche Abmahnung | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Hamm | |
Aktenzeichen: | 4 Sa 707/97 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 21.10.1997 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Dortmund, Urteil vom 20.02.1997, 6 Ca 4566/96 | |
Geschäfts-Nr.:
4 Sa 707/97
6 Ca 4566/96
ArbG Dortmund
Verkündet am:
21.10.1997
gez.
Sponda
Reg.-Ang.
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
LANDESARBEITSGERICHT HAMM
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts H A M M
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 1997
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Berscheid
und die ehrenamtlichen Richter Schwabedissen und Reppekus
für Recht erkannt:
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Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 20.02.1997 (6 Ca 4566/96) teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien erst mit dem 30.09.1996 sein Ende gefunden hat.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.400,-- DM brutto abzüglich 216,22 DM netto nebst 4% Zinsen aus dem sich aus 3.200,-- DM brutto abzüglich 216,22 DM netto ergebenden Restnettobetrag seit dem 01.09.1996 und 4% Zinsen aus dem sich aus weiteren 3.200,-- DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 01.10.1996 zu zahlen.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 5/8 und die Beklagte zu 3/8 zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 29.112,08 DM festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen und vorsorglich ordentlichen Kündigung.
Die Beklagte ist ein Herrenausstatter mit Hauptsitz in H.............. Sie unterhält in mehreren deutschen Großstädten, darunter in D............., Filialen. Die sogenannte Klassikabteilung erstreckt sich in D............. über zwei Etagen. Sie war im Jahre 1996 wie folgt personell besetzt:
M......... (Substitut),
Z..... (Vollzeitkraft),
T....... (Vollzeitkraft – Klägerin),
C........ (Teilzeitkraft – 3 Tage),
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A..... (Vollzeitkraft),
K....... (Auszubildender),
K------------ (Aushilfskraft),
P............... (Aushilfskraft),
M.......... (Aushilfskraft).
Die am 24.09.1966 geborene Klägerin, die einem Kind zum Unterhalt verpflichtetet ist, war in der Filiale D............. seit dem 22.05.1992 als Verkäuferin beschäftigt und hat zuletzt 3.500,-- DM brutto verdient.
Am 03.07.1996 hat sie eine Flugreise nach Mallorca für die Zeit vom 09. bis zum 20.08.1996 buchen lassen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Klägerin für diesen Zeitraum Erholungsurlaub bewilligt worden ist oder nicht. Die Klägerin hatte mit Schreiben vom 09.08.1996 der Filialleitung in D............. folgendes mitgeteilt:
Hiermit möchte ich Ihnen nochmals mitteilen, daß ich bereits vor zwei Monaten mit Herrn M......... über meinen Urlaub vom 09.08.1996 bis 21.09.1996 gesprochen hatte. Nach Durchsicht der Arbeitspläne und nach Rücksprache mit unserer Teilarbeitskraft, Frau C......, die sich bereit erklärte in diesem Zeitraum durchgehend zu arbeiten, verblieb lediglich noch 1 Tag, der durch eine Aushilfe gefüllt werden sollte. Deshalb deutete mit Herr M......... an, daß einer Urlaubsgenehmigung durch Sie wahrscheinlich nichts im Wege stehen würde. Über diesen Sachverhalt waren Sie auch informiert.
Aufgrund dieser Situation wurde der anstehende Urlaub meiner Familie gebucht, zumal meine Tochter am 21.08.1996 eingeschult wird und wir somit keine andere Möglichkeit haben unseren Sommerurlaub zu nehmen.
Leider erklärten sie mir dann am gestrigen Tag, daß mein Urlaub nicht möglich sei. Falls ich trotzdem fahren sollte, würde es sich dann um einen unbezahlten Urlaub handeln.
Bitte berücksichtigen Sie, daß ich in der Vergangenheit stets ein offenes Ohr für Ihre Probleme hatte und diverse Zeiträume durchgearbeitet habe, an denen ich normalerweise frei gehabt hätte!
Aus diesem Grund hoffe ich auf Ihr Verständnis für meine urlaubsbedingte Abwesenheit und bitte hiermit nochmals um eine kulante Überprüfung dieser Angelegenheit.
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Mit Schreiben vom 14.08.1996 kündigte die Beklagte der Klägerin fristlos und vorsorglich fristgemäß wie folgt:
Da Sie trotz nochmaliger Aufforderung ab dem 09.08.1996 der Arbeit ferngeblieben sind und außerdem noch erklärten, Sie würden Ihre Arbeit nicht aufnehmen und Ihren angekündigten, nicht genehmigten Urlaub antreten, sehen wir uns veranlaßt, das Arbeitsverhältnis hiermit fristlos zu kündigen.
Nur vorsorglich kündigen wir hiermit das Arbeitsverhältnis auch zum nächstzulässigen ordentlichen Kündigungstermin.
Hiergegen hatte die Klägerin sich mit ihrer Klage vom 26.08.1996 zur Wehr gesetzt.
Sie hat vorgetragen, Anfang Juni 1996 habe sie den Zeugen M........., ihren unmittelbaren Vorgesetzten, über den geplanten Urlaub ab 09.08.1996 informiert. Daraufhin habe dieser gesagt, der Urlaub gehe in Ordnung. Dies sei betriebsüblich als Genehmigung anzusehen. Zwar sei für die Genehmigung des Urlaubs der Filialleiter des Hauses in D............. zuständig, dies sei jedoch eine reine Formsache. Im übrigen gebe es bei der Beklagten weder Urlaubsscheine noch werde ein Urlaubskalender zeitnah geführt. Etwa eine Woche vor Antritt des Urlaubs habe der Zeuge M......... sie mit dem Bemerken angesprochen, daß der Zeuge H......... ihren Urlaub nicht genehmigen wolle, obwohl er nichts dagegen habe. Grund dafür sei, daß die Zentrale in H............. die Anweisung erteilt habe, daß zwei Mitarbeiter nicht gleichzeitig in Urlaub gehen könnten. Im folgenden habe es dann Gespräche auch mit dem Filialleiter H......... darüber gegeben, ob die von ihr gewünschte Urlaubswoche durch Überbrückungsmaßnahmen geregelt werden könnte. Fazit des Gespräches sei gewesen, daß der Zeuge H......... noch einmal auf sie zukommen werde. Als sie ihn zwei Tage später erneut angesprochen habe, habe er wieder erklärt, daß er auf sie zukommen werde. Endgültig drei Tage vor dem geplanten Urlaubsantritt habe er dann mitgeteilt, daß sie nicht in Urlaub fahren könne. Er habe ihr angeboten, unbezahlten Urlaub zu nehmen. Der genehmigte Urlaub habe von der Beklagten schon deswegen nicht widerrufen werden können, da sie, die Klägerin, auf diesen Urlaub wegen der nahenden Einschulung ihrer Tochter nicht habe verzichten können. Auch zu anderen Zeitpunkten hätten mehrere Mitarbeiter gleichzeitig Urlaub gemacht.
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Die Klägerin hat beantragt:
1. festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die mit Schreiben der Beklagten vom 14.08. 1996 gegenüber der Klägerin erklärte Kündigung aufgelöst worden ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin folgende Bruttobeträge zu zahlen,
a) 3.200,-- DM brutto abzüglich 216,22 DM netto nebst 4% Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 01.09.1996,
b) 3.200,-- DM nebst 4% Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 01.10.1996,
c) 3.200,-- DM nebst 4% Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 01.11.1996,
d) 3.200,-- DM abzüglich 1.484,28 DM übergegangenen Arbeitslosengeldes nebst 4% Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Gesamtnettobetrag seit dem 01.12.1996,
e) 3.200,-- DM abzüglich 1.187,42 DM nebst 4% Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Gesamtnettobetrag seit dem 01.01. 1997;
3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin weiterzubeschäftigen, und zwar zu den bisherigen Bedingungen als Verkäuferin im Einzelhandel mit 37,5 Std. in der Woche.
Die Beklagten hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, regelmäßig finde Ende des Jahres, nämlich in der Zeit November/Dezember, ein Treffen der Führungskräfte im Modehaus in D............. statt, bei dem die Planung des Urlaubs für das nächste Jahr besprochen werde. Bei dieser Planung würden 75% des Jahresurlaubs festgelegt und alsdann dem Filialleiter H......... zur Gesamtplanung vorgelegt. In diesem Rahmen habe die Klägerin Urlaub für die Zeit vom 22.01. bis 03.02.1996 sowie vom 01.04. bis 13.04.1996 beantragt, wobei sie den erstgenannten Urlaub nicht angetreten habe. Im Verlauf der ersten Hälfte des Jahres 1996 habe die Klägerin dann noch kurzfristig Urlaub für die Zeit vom 03.06. bis 08.06.1996 beantragt, der auch
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bewilligt worden sei. Ende Juni habe sie sich sowohl bei dem zuständigen Abteilungsleiter M......... als auch bei dem Filialleiter H......... wegen eines Urlaubs ab dem 09.08.1996 erkundigt. Beide Zeugen hätten ihr allerdings damals erklärt, ein derartiger Urlaub ab dem 09.08.1996 sei wegen Personalengpässen im Verkaufsbereich nicht möglich. In der Folgezeit habe sich die Klägerin in Abständen wiederholt bei ihrem Fachvorgesetzten M......... erkundigt, ob ihr Urlaub nicht doch genehmigt werden könne. Bei jeder Anfrage habe der Zeuge M......... ihr unmißverständlich erklärt, daß dies nicht möglich sei, weil sich die in Rede stehenden Personalengpässe in dieser Zeit nicht geändert hätten. Ab dem 08.08.1996 sei ein weiteres Gespräch mit der Klägerin in den Geschäftsräumen in D............. geführt worden. Dabei habe der Zeuge H......... die Klägerin erneut unmißverständlich darauf hingewiesen, daß für sie kein Urlaub ab 09.08.1996 genehmigt sei und sie bei einem eigenmächtigen Urlaubsantritt mit der Entlassung rechnen müsse. Als die Klägerin am 09.08.1996 ihre Arbeit nicht aufgenommen habe, habe der Zeuge H......... auf den Anrufbeantworter der Klägerin die Bitte um Rückruf hinterlassen. In dem gegen Mittag unstreitig erfolgten Telefongespräch habe die Klägerin mitgeteilt, daß sie auf keinen Fall zu Arbeit erscheinen werde, sondern daß am Nachmittag ihr Flugzeug ginge. Dabei habe der Zeuge H......... die Klägerin noch einmal darauf hingewiesen, daß ein Urlaub nicht genehmigt sei und sie bei einem eigenmächtigen Urlaubsantritt mit ihrer Entlassung zu rechnen habe. Der Urlaub der Klägerin sei auch wegen personeller Engpässe nicht genehmigungsfähig gewesen. Die einzig in Betracht zu ziehende Möglichkeit, daß die an drei Tagen beschäftigte Mitarbeiterin C........ sich bereit erklärt hätte, eine Woche voll zu arbeiten, habe nicht realisiert werden können. Dies habe eine Nachfrage der Geschäftsleitung bei der Zeugin C........ ergeben.
Das Arbeitsgericht Dortmund hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung des Substituten W........... M......... und des Filialleiters T............. H...-....... Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 20.02.1997 verwiesen.
Das Arbeitsgericht Dortmund hat durch Urteil vom 20.07.1997 (6 Ca 4566/96), auf welches vollinhaltlich Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen, der Klägerin
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die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Wert des Streitgegenstandes auf 29.328,30 DM festgesetzt.
Gegen das ihr am 19.03.1997 zugestellte Urteil hatte die Klägerin am 10.04.1997 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Sie hält das arbeitsgerichtliche Urteil für rechtsfehlerhaft und meint die Berufung müsse Erfolg haben, weil die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung unbegründet sei. Dies folge schon daraus, daß die Beklagte ihr Urlaub hätte genehmigen müssen, weil kein vernünftiger Grund bestanden habe, den Urlaub nicht zu gewähren. Der von ihr beantragte Urlaub sei in die Zeit nach dem Ende des Sommerschlußverkaufs gefallen. Dieser habe bekanntlich von 29.07.1996 zwei Wochen lang gedauert und sei am Samstag, dem 10.08.1996, zu Ende gegangen. Der beantragte Urlaub ab Freitag, dem 09.08.1996, bis Dienstag, dem 20.08.1996, sei in eine „tote Zeit“, wie es die Zeit nach dem Sommerschlußverkauf allgemein sei, gefallen. Es sei hinzugekommen, daß Sommerferien gewesen seien, so daß auch aus diesem Grunde kaum mit Kunden zu rechnen gewesen sei. In dieser Zeit seien alle Kräfte im Geschäft vorhanden gewesen mit Ausnahme von ihr, der Klägerin, und eines Kollegen. So habe die Zeugin C........ in dieser Zeit an drei Tagen, für die sie angestellt sei, nämlich mittwochs, donnerstags und samstags gearbeitet. Des weiteren sei die Zeugin Z..... in der Zeit vom 09.08. bis 20.08.1996 als Vollzeitkraft anwesend gewesen. Auch der Zeuge K......., eine weitere Vollzeitkraft, sei ebenfalls die ganze Zeit anwesend gewesen. Der Zeuge M........., der als Substitut auch Verkaufstätigkeiten übernehme, habe in dem fraglichen Zeitraum keinen Urlaub gehabt. Abgesehen davon habe der Filialleiter H......... zur Verfügung gestanden, der auch Verkaufstätigkeiten zu übernehmen pflege. Im übrigen habe die Zeugin C........ sich bereit erklärt, auch an den beiden Freitagen zu kommen, also am 09.08. und 16.08.1996. An anderen Tagen zu kommen sei die Zeugin C........ nicht bereit gewesen, weil sie mangels Kundenandrang an jenen Tagen nichts hätte verdienen können. Schon hieraus erkläre sich, daß die anderen Tage absolut „tot“ seien und die Beklagte sich gut und gern ohne sie, die Klägerin, hätte behelfen können. Es entspräche nicht der Wahrheit, wenn die Beklagte vortragen lasse, man habe sich
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durch Aushilfen oder auf andere Weise nicht behelfen können. Wenn Not gewesen wäre, hätte die Beklagte auf die Aushilfen zurückgreifen können, auf die Zeugin C........ für den Freitag, abgesehen davon seien die Zeugen K....... und Z..... ohnehin da gewesen (Beweis für alles: Zeugnis C........).
Hiernach hätte die Beklagte ihr, der Klägerin, den Urlaub gewähren müssen. Für eine Absage an sie sei kein Raum gewesen, weshalb die Klage schon aus diesem Grunde Erfolg haben müsse. Hinzukomme, daß ihr niemals vorher die Kündigung angedroht worden sei. Selbst die in erster Instanz vernommenen Zeugen, die ersichtlich darum bemüht gewesen seien, der Beklagten zu helfen, hätten nicht mit aller Deutlichkeit erklären können, daß ihr die Kündigung angedroht worden sei. Sogar der Zeuge H......... habe sich lediglich zu der Behauptung versteigert, er habe gesagt: „Es gebe Möglichkeiten daß wir uns trennen müssen“. Dies sei nach ihrer Darstellung unwahr, zeige aber, wie schwer sich der Zeuge H......... tue, auch nur den Anschein einer formgerechten Abmahnung zu konstruieren. Im übrigen verbleibe sie bei ihrer bisherigen Darstellung und nehme Bezug auf den gesamten erstinstanzlichen Sachvortrag. Es stimme nicht, daß der Urlaub ihr nicht zugesagt worden sei. Das Gegenteil sei richtig. Der Zeuge M......... habe auch ihr gegenüber nicht gesagt, er sei gegen den Urlaub und er habe dies auch nicht gegenüber dem Zeugen H......... gesagt, sondern er, der Zeuge M........., habe ihr gegenüber immer den Eindruck erweckt, er sei für den Urlaub und werde dies auch dem Zeugen H......... so mitteilen. Sie habe den Urlaub schließlich von dem Zeugen M......... zugesagt bekommen, wie dies in erster Instanz bereits vorgetragen worden sei. Der Umstand, daß die fristlose Kündigung seitens der Beklagten jedenfalls nicht auf den Gründen beruhe, die diese im Prozeß vorbringe, zeige sich schon daran, daß die fristlose Kündigung selbst im Interesse der Beklagten wohl kaum das richtige Mittel gewesen sei, wenn die Beklagte, wie sie vorgebe, eine derartige Personalnot gehabt haben wolle, die sie ohne sie, die Klägerin, angeblich nicht habe beheben können. Außerdem sei nach den Bekundungen des Zeugen H......... jedenfalls eine fristlose Kündigung in keiner Form angedroht worden, so daß die Kündigung schon aus diesem Grunde nicht zu halten sei.
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Die Klägerin beantragt:
1. festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die mit Schreiben der Beklagten vom 14.08.1996 gegenüber der Klägerin erklärte Kündigung aufgelöst worden ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin folgende Bruttobeträge zu zahlen:
a) 3.200,-- DM abzüglich 216,22 DM netto nebst 4% Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit 01.09.1996;
b) 3.200,-- DM nebst 4% Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit 01.10.1996;
c) 3.200,-- DM nebst 4% Zinsen auf den sie hieraus ergebenden Nettobetrag seit 01.11.1996;
d) 3.200,-- DM abzüglich 1.484,28 DM Arbeitslosengeld nebst 4% Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Gesamtnettobetrag seit 01.12.1996;
e) 3.200,-- DM abzüglich 1.187,42 DM nebst 4% Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Gesamtnettobetrag seit 01.01.1997;
3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin weiterzubeschäftigen, und zwar zu den bisherigen Bedingungen als Verkäuferin im Einzelhandel mit 34,5 Std. in der Woche;
4. den Wert des Streitgegenstandes festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 20.02.1997 (6 Sa 4566/96) kostenpflichtig zurückzuweisen und den Wert des Streitgegenstandes festzusetzen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und meint, die gegen diese in jeder Hinsicht rechtsfehlerfreie Entscheidung des Arbeitsgerichts Dortmund gerichtete Berufung enthalte im wesentlichen keine neuen Sachargumente und Tatsachen. Darüber hinaus seien die Behauptungen der Klägerin bezüglich der damaligen betrieblichen Situation, insbesondere der Personalbesetzung im Hause D............., im wesentlichen unzutreffend, wie dies bereits erstinstanzlich vorgetragen worden sei. Selbst wenn der Urlaub – was im Streitfall aber kei-
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neswegs der Fall gewesen sei – ohne ausreichenden Grund abgelehnt worden sei, so könne der betroffene Arbeitnehmer durch Leistungsklage oder durch Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz seine Ansprüche gerichtlich durchsetzen. Aufgrund des umfassenden Systems gerichtlichen Rechtsschutzes sei ein Selbstbeurlaubungsrecht des Arbeitnehmers grundsätzlich abzulehnen. Im übrigen stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vom 20.02.1997 gemäß den in sich schlüssigen, glaubhaften und keineswegs im Widerspruch stehenden Aussagen der Zeugen H......... und M......... – an deren Glaubwürdigkeit keinerlei konkrete und triftige Zweifel bestünden – fest, daß sie ihre ausdrückliche Ablehnung gegenüber der Klägerin wiederholt zutreffend unter Hinweis auf tatsächlich gegebene personelle Engpässe im Verkaufsbereich begründet hätten, weil eben ein anderer Mitarbeiter, nämlich der Zeuge A....., sich zum in Rede stehenden Zeitpunkt in Urlaub befunden habe. Die entgegenstehenden unzutreffenden Behauptungen der Klägerin würden insoweit durch ständiges Wiederholen sicherlich nicht richtiger. Die vom Arbeitsgericht Dortmund sorgfältig durchgeführte Beweisaufnahme habe eindeutig ergeben, daß der Zeuge M......... von Anfang an den Urlaub der Klägerin abgelehnt habe. Er habe glaubhaft bekundet, der Klägerin von vornherein gesagt zu haben, daß der Urlaub aus seiner Sicht nicht genehmigt werden könne. Er habe mit dem Zeugen H......... zusammen den Urlaub geplant und ihm erklärt, daß Versuche, den Urlaub durch Aushilfen abzufangen, gescheitert seien und daß aus seiner Sicht der Urlaub der Klägerin nicht genehmigt werden könne. Im übrigen habe der Zeuge H......... der Klägerin für den Fall, daß sie am 09.08.1996 eigenmächtig in Urlaub gehen würde, gesagt, daß ihr Fehlen Konsequenzen haben werde und die Möglichkeit der Kündigung bestehe. Die Klägerin habe dann gesagt: „Sie kennen meine Entscheidung, mein Entschluß steht fest, mein Flieger geht am Nachmittag.“
Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Verkaufsberaterin H............. C......... Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 21.10.1997 Bezug genommen.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Gerichtsakten gereichten Urkunden Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die aufgrund entsprechender Beschwer statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sowie rechtzeitig ordnungsgemäß begründete Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg und führt unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen zu einer entsprechenden Abänderung des angefochtenen Urteils.
Die Kündigung der Beklagten gemäß Schreiben vom 14.08.1996 ist als außerordentliche, fristlose rechtsunwirksam, hat aber das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgerecht zum 30.09.1996 aufgelöst.
1. Wo Menschen auf der Basis von Arbeitsverträgen zur Erreichung eines vom Arbeitgeber vorgegebenen Betriebszweckes zusammenwirken, kommt es immer wieder vor, daß das Verhalten eines Arbeitnehmers Anlaß zu Beanstandungen gibt (Meyer, Betriebliche Rügen und ihre Folgen, 1987, S. 9). Verletzt ein Arbeitnehmer die ihm nach Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag obliegende Pflichten, so braucht der Arbeitgeber dieses nicht beanstandungslos hinzunehmen. Es stehen ihm verschiedene Möglichkeit zur Verfügung, auf die Pflichtverletzung angemessen zu reagieren:
– Er kann zunächst das Fehlverhalten des Arbeitnehmers beanstanden und diesen an seine gesetzlichen, tariflichen und arbeitsvertraglichen Pflichten erinnern, ihn also ermahnen.
– Er kann den Arbeitnehmer auch auffordern, aufgetretene Leistungsmängel oder gezeigte Pflichtverstöße abzustellen und für den Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen androhen, den Arbeitnehmer mithin abmahnen.
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– Als Reaktion auf schwerere Pflichtverletzungen steht dem Arbeitgeber das Recht zur Versetzung kraft seines Direktionsrechts oder bei fehlendem Versetzungsvorbehalt im Wege der Änderungskündigung (§ 2 KSchG) zu.
– Als Reaktion auf schwerwiegende Pflichtverletzungen steht dem Arbeitgeber das Recht zur ordentlichen Beendigungkündigung (§ 622 BGB) zu, die sozial gerechtfertigt sein muß (§ 1 Abs. 2 KSchG).
– In krassen Fällen, nämlich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, kommt auch eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB in Betracht.
1.1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer ihm auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist damit jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (BAG vom 04.06.1964, AP Nr. 13 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung [A. Hueck] = AR-Blattei ES 1010.9 Nr. 28 = D-Blatt „Kündigung IX: Entsch. 28“ = EzA § 626 BGB Nr. 5; BAG vom 26.08.1976, AP Nr. 68 zu § 626 BGB = AR-Blattei ES 1230 Nr. 7 = D-Blatt „Nebentätigkeit des Arbeitnehmers: Entsch. 7“ = EzA § 626 BGB n.F. Nr. 49). Im Rahmen der Interessenabwägung ist dann noch zu prüfen, ob ein an sich geeigneter Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar macht oder nicht. Die außerordentliche Kündigung ist nur gerechtfertigt, wenn sie als unausweichlich letzte Maßnahme notwendig ist, weil die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber schlechthin unzumutbar geworden ist (BAG vom 30.05.1978, AP Nr. 70 zu § 626 BGB [G. Hueck] = AR-Blattei ES 980 Nr. 14 = D-Blatt „Kraftfahrer: Entsch. 14“ = EzA § 626 BGB n.F. Nr. 66 [Käppler]; BAG vom 22.02.1980, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit [G. Hueck] = AR-Blattei ES 1020 Nr. 200 = D-Blatt „Kündigungsschutz: Entsch. 200“ [Herschel] = EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 5 [v. Maydell/Eylert]). Die Rechtswirksamkeit der Kündigung erfordert gemäß § 626 Abs. 2 BGB weiter, daß die Kündigung innerhalb einer Zwei-Wochen-Frist nach Kenntniserlangung von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erfolgt.
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1.1.1. Es hängt von der Schwere des Fehlverhaltens im Einzelfall ab, ob der Grund „an sich“ geeignet ist, eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. In beiden Fällen geht die Abmahnung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Kündigung vor, da die Kündigung nach dem ultima-ratio-Prinzip nur erforderlich ist, wenn andere Mittel nicht mehr ausreichen (BAG vom 18.01.1980, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung = AR-Blattei ES 20 Nr. 1 = D-Blatt „Abmahnung: Entsch. 1“ = EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7 [Peterek]). Die negative Zukunftsprognose läßt sich bei der verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung aus der Beharrlichkeit vergangener Pflichtverletzungen und der Höhe des Verschuldens des Arbeitnehmers ableiten. In der Regel wird erst nach einer vergeblichen Abmahnung die erforderliche Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, daß sich der Arbeitnehmer auch in Zukunft nicht vertragstreu verhalten wird. Die Abmahnung führt zu einem Arbeitsverhältnis „auf Bewährung“. Sie ist die „Gelbe Karte“, der bei Fortsetzung der Pflichtwidrigkeiten die Kündigung als „Rote Karte“ folgen kann (MünchKomm-Schwerdtner, vor § 620 Rz. 256). Sie soll den Arbeitnehmer an seine arbeitsvertraglichen Pflichten erinnern und ermahnen, künftig wieder vertragsgerecht zu arbeiten. Sie stellt ihm zugleich für weitere Pflichtwidrigkeiten arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Inhalt oder den Bestand des Arbeitsverhältnisses in Aussicht (BAG vom 10.11. 1988, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung = AR-Blattei ES 20 Nr. 18 = D-Blatt „Abmahnung: Entsch. 18“ = EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 18 [Peterek]). Die Abmahnung ist damit die „Wegbereiterin“ einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen.
1.1.2. Umstritten ist die Frage, ob einer Kündigung wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts (LAG Hamm vom 25.06.1985, LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5; LAG Köln vom 23.08.1989, LAGE § 7 BUrlG Nr. 19) oder eigenmächtiger Urlaubsüberschreitung bzw. -verlängerung (LAG Düsseldorf vom 26.03.1985, NZA 1985, 779) des Arbeitnehmers eine Abmahnung vorauszugehen hat (so ArbG Verden vom 07.11.1980, ARST 1981, 127) oder entbehrlich ist (vgl. dazu BAG vom 25.02.1983, AP Nr. 14 zu § 626 BGB Ausschlußfrist = AR-Blattei
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ES 1010.8 Nr. 59 = D-Blatt „Kündigung VIII: Entsch. 59“ = EzA § 626 n.F. BGB Nr. 83; BAG vom 31.01.1985, AP Nr. 6 zu § 8 a MuSchG 1968 [Bemm] = AR-Blattei ES 1220 Nr. 78 = D-Blatt „Mutterschutz: Entsch. 78“ = EzA § 8 a MuSchG Nr. 5). Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu beachten, daß die Bestimmung des Urlaubszeitpunktes nicht etwa billigem Ermessen des Arbeitgebers im Sinne von § 315 BGB obliegt. Der Arbeitgeber ist als Schuldner des Urlaubsanspruchs verpflichtet, nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BUrlG die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen und daher auch den Urlaub für den vom Arbeitnehmer angegebenen Termin festzusetzen, jedenfalls dann, wenn keine dringenden betriebliche Belange oder Urlaubs- oder Freistellungswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienten, entgegenstehen. Die Festlegung des Urlaubszeitpunktes gehört damit zur Konkretisierung der dem Arbeitgeber obliegenden, durch die Regelungen des § 7 BUrlG auch im übrigen bestimmten Pflicht (BAG vom 18.12.1986, AP Nr. 10 zu § 7 BUrlG [Leipold] = AR-Blattei ES 1640 Nr. 290 = D-Blatt „Urlaub: Entsch. 290“ = EzA § 7 BUrlG Nr. 48). Mit dieser Entscheidung wird die Position des Arbeitgebers auf ein nur auf Einrede zu berücksichtigendes „Leistungsverweigerungsrecht“ beschränkt. Mit anderen Worten, der Arbeitgeber hat nur noch ein „Ablehnungsrecht“, denn § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BUrlG stellt sich nicht lediglich als Begrenzung des Direktionsrechts des Arbeitgebers dar, sondern als nähere Umschreibung eines Leistungsverweigerungsrechts. Der Arbeitgeber ist mithin als Schuldner des Urlaubsanspruchs verpflichtet, nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BUrlG die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen und hat daher auch den Urlaub für den vom Arbeitnehmer angegebenen Zeitraum festzusetzen, wenn die Voraussetzungen des Leistungsverweigerungsrechts gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BUrlG nicht gegeben sind (BAG vom 31.01.1996, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 47 = BuW 1996, 410). Wenn der Arbeitnehmer im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation seinen Urlaub verlangt, reduziert sich das Ablehnungsrecht des Arbeitgebers sogar auf Null (§ 7 Abs. 1 Satz 2 BUrlG).
1.1.3. Eine außerordentliche, fristlose Kündigung wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts oder eigenmächtiger Urlaubsüberschreitung bzw. Urlaubsverlän-
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gerung des Arbeitnehme kommt ohne Abmahnung nicht in Betracht, wenn die Sache einem unentschuldigten Fehlen gleichsteht, weil nur ein Tag oder nur wenige Tage betroffen sind (LAG Hamm vom 12.09.1996, LAGE § 626 BGB Nr. 105 = EzBAT § 54 BAT Nr. 45), es sei denn, der Arbeitgeber hat zu Recht von seinem Leistungsverweigerungsrecht aus § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG Gebrauch gemacht (LAG Berlin vom 05.12.1994, LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45 = ARST 1995, 156 = NZA 1995, 1043). Bei einer Selbstbeurlaubung von einer Woche oder von zwei Wochen liegt in der Regel ein wichtiger Grund vor, der den Arbeitgeber an sich zu einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung berechtigen würde vor, ohne daß eine Abmahnung vorauszugehen hätte. Eine außerordentliche, fristlose Kündigung kommt vor allem dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber einen Urlaubsantrag abgelehnt und dem Arbeitnehmer für den Fall der Selbstbeurlaubung eine Kündigung angedroht hat. Dies ist ein zulässiger Fall der sog. Vorwegnahme der Abmahnung (LAG Hamm vom 12.09.1996, LAGE § 626 BGB Nr. 105 = EzBAT § 54 BAT Nr. 45). Eine vorweggenommene Abmahnung kann eine Abmahnung nach Tatbegehung ausnahmsweise ersetzen, nämlich dann, wenn sich das (nachfolgende) Tun des Arbeitnehmers letztlich unter Berücksichtigung des vorweggenommenen Fingerzeigs als beharrliche Arbeitsverweigerung herausstellt. Zwar erweitert der Hinweis in einer Arbeitsordnung oder durch Aushang oder im Arbeitsvertrag oder in einem Einzelschreiben, ein bestimmtes Verhalten ziehe die fristlose Entlassung nach sich, nicht die gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten, er kann aber – wenn er entsprechend konkretisiert ist und damit eine Warnfunktion erfüllt – im Einzelfall eine Abmahnung als Kündigungsvoraussetzung entbehrlich machen (LAG Köln vom 12.11.1993, LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 40). Da der Arbeitnehmer in einem solchen Fall erkennbar nicht gewillt ist, von einem bevorstehenden Fehlverhalten Abstand zu nehmen, ist eine Abmahnung entbehrlich (vgl. auch BAG vom 18.05.1994, AP Nr. 3 zu § 108 BPersVG = AR-Blattei ES 20 Nr. 28 = EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 31 [Bährle]).
1.2. Bei einer fristgerechten und auch bei einer fristlosen Kündigung wegen Selsbtbeurlaubung ist jedoch stets zu berücksichtigen, ob der beantragte, aber
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nicht bewilligte Urlaub zu Recht abgelehnt worden ist (LAG Köln vom 29.03. 1994, ARST 1994, 196 = RzK I 6a Nr. 108; LAG Hamm vom 12.09.1996, LAGE § 626 BGB Nr. 105 = EzBAT § 54 BAT Nr. 45). Erteilt der Arbeitgeber den Urlaub ohne Angabe von Gründen nach Beantragung durch den Arbeitnehmer nicht oder lehnt er ihn ohne ausreichenden Grund ab und hat er den Betriebsablauf nicht von vornherein so organisiert, daß die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers nach den gesetzlichen oder tariflichen Vorschriften erfüllt werden können, dann muß der Arbeitnehmer zwar grundsätzlich gerichtliche Hilfe zur Durchsetzung seines Urlaubsanspruchs in Anspruch nehmen (siehe zur Problematik der Festlegung eines bestimmten Urlaubszeitpunktes LAG Hamm vom 31.01.1995, EzA-SD 1995, Nr. 9, S. 9), jedoch kann in Ausnahmefällen auch einmal ein Selbstbeurlaubungsrecht in Betracht kommen (BAG vom 20.01.1994, AP Nr. 115 zu § 626 BGB = AR-Blattei ES 1640.6.1 Nr1 = EzA § 626 BGB n.F. Nr. 153; siehe zu Einzelheiten der Selbstbeurlaubung GK-BUrlG-Bachmann, § 7 Rz. 70–73, mit umfangreichen Nachweisen; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rz. 336). Auch darf der Arbeitgeber bei eigenem gesetzwidrigem Handeln daraus keinen Vorteil ziehen. Verweigert er dem Arbeitnehmer den Urlaub grundlos, dann kann im Falle einer anschließenden Selbstbeurlaubung die außerordentliche, fristlose Kündigung eine Überreaktion darstellen und damit den das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzen (LAG Hamm vom 12.09.1996, LAGE § 626 BGB Nr. 105 = EzBAT § 54 BAT Nr. 45). Bei Anwendung dieser Grundsätze muß die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten gemäß Schreiben vom 14.08.1996 als rechtsunwirksam angesehen werden.
1.2.1.Vorliegend steht zwar nach der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme fest, daß der Klägerin für die Zeit vom 09.-20.08.1996 von dem Zeugen H......... kein Urlaub bewilligt worden ist. Die erstinstanzlich vorgenommene Beweiswürdigung ist in diesem Punkte nicht zu beanstanden. Warum der Klägerin allerdings der beantragte Urlaub nicht bewilligt worden ist, erhellt sich
jedoch für das Berufungsgericht nicht. Der Zeuge M......... hat erstinstanzlich dazu ausgesagt, daß er der Klägerin von vornherein gesagt habe, „daß der Urlaub auch
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aus meiner Sicht nicht genehmigt werden kann“. Er habe dem Filialleiter H......... erklärt, versucht zu haben, den Urlaub der Klägerin durch Aushilfen aufzufangen, aber dies habe nicht geklappt. In Übereinstimmung dazu hat der Zeuge H......... erstinstanzlich bekundet, er habe der Klägerin gesagt, „daß ich den Urlaub nicht genehmigen kann. Es ist wohl noch versucht worden, das durch Aushilfen zu regeln oder andere Mitarbeiter zu veranlassen, ihren Urlaub zu tauschen.“ Nach der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme steht ferner zur Überzeugung des Landesarbeitsgerichts fest, daß der Zeuge H......... der Zeugin C........ gesagt hat, wenn sie bereit wäre, die ganze Woche durchzuarbeiten, dann bekäme die Klägerin Urlaub. Dies hat die Zeugin C........ zwar ablehnen müssen, da sie aus privaten Gründen nicht die ganze Woche hat durcharbeiten können. Sie hat aber sowohl zu dem Zeugen H......... als auch zur Klägerin gesagt, sie wäre bereit, an dem Freitag zusätzlich zur Arbeit zu kommen. Dies hat die Zeugin dann auch getan, wie aus dem vorgelegten Freizeitplan zu ersehen war.
1.2.2. Die Klägerin hat im Zuge der Urlaubsbeantragung ihren direkten Vorgesetzten, den Zeugen M........., mündlich und über diesen den Zeugen H......... darüber informiert, daß der anstehende Urlaub ihrer Familie gebucht worden sei, weil ihre Tochter am 21.08.1996 eingeschult werden sollte und sie somit keine andere Möglichkeit mehr gehabt habe, den Sommerurlaub zu nehmen. Die ist dem Zeugen H......... von der Klägerin nochmals mit Schreiben vom 09.08.1996 schriftlich mitgeteilt worden. Für die Beklagte war bei Beantragung des Urlaubs durch die Klägerin mithin ersichtlich, daß sie wegen der bevorstehenden Einschulung ihrer Tochter zu dem vorzugsweise mit Urlaub zu bedienenden Kreis von Mitarbeitern gehörte. Die Beklagte war mithin grundsätzlich gehalten, den Urlaub für den von der Klägerin angegebenen Termin festzusetzen, wenn keine dringenden betriebliche Belange oder Urlaubs- oder Freistellungswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienten, entgegenstanden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BUrlG). Solche Gesichtspunkte sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Nach den Bekundungen der Zeugin C........ müssen, da die Herrenabteilung über zwei Etagen verteilt ist, immer vier Kräfte vorhanden sein, denn „bei vier Leuten kann immer einer zu Tisch gehen, bei drei Leuten ist das problematisch“. Nach dem von der
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Beklagten vorgelegten Freizeitplan genügen allerdings in aller Regel drei bzw. dreieinhalb Leute (die Zählung als „halbe“ Kraft erfolgt bei Arbeitsantritt nur am Nachmittag), jedenfalls in dem Sommermonat August in der Zeit gegen Ende des Sommerschlußverkaufs und in der Zeit danach, wie die Übertragung der Anwesenheitszeiten zeigen:
Tag |
Datum |
Anzahl |
Montag |
05.08.1996 |
3½ |
Dienstag |
06.08.1996 |
4 |
Mittwoch |
07.08.1996 |
3½ |
Donnerstag früh |
08.08.1996 |
2 |
Donnerstag spät |
08.08.1996 |
3½ |
Freitag |
09.08.1996 |
3 |
Samstag |
10.08.1996 |
5 |
Montag |
12.08.1996 |
3½ |
Dienstag |
13.08.1996 |
3½ |
Mittwoch |
14.08.1996 |
3½ |
Donnerstag früh |
15.08.1996 |
2 |
Donnerstag spät |
15.08.1996 |
3 |
Freitag |
16.08.1996 |
3½ |
Samstag |
17.08.1996 |
5 |
1.2.3.Diese Aufstellung zeigt, daß die Herrenabteilung ab 09.08.1996 „überbesetzt“ gewesen wäre, wenn die Klägerin nicht in Urlaub gefahren wäre. Diese Aufstellung zeigt weiter, daß nur eine Kraft (außer der Klägerin) in dem fraglichen Zeitraum in Urlaub war. Warum nicht zwei Kräfte während der Schulferien (offizielle, d.h. mit Genehmigung der Beklagten) gleichzeitig haben in Urlaub gehen können, ist nicht ersichtlich. Ein konkreter Grund für die Ablehnung des Urlaubs ist somit nicht gegeben. Soweit die Beklagte gegen diese Feststellungen einwenden könnte, sie habe nach der Selbstbeurlaubung der Klägerin im nachhinein alles tun müssen, um ihr Fehlen auszugleichen, muß sie sich entgegenhalten lassen, daß sie bereits im vornherein hätte alles tun müssen, der
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aufgrund ihrer familiären Situation – Einschulung der Tochter – vorzugsweise mit Urlaub zu bedienenden Klägerin den beantragten Urlaub zu ermöglichen. Der Arbeitgeber hat nämlich den Urlaub für den vom Arbeitnehmer angegebenen Zeitraum festzusetzen, wenn die Voraussetzungen des Leistungsverweigerungsrechts gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BUrlG nicht gegeben sind (BAG vom 31.01.1996, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 47 = BuW 1996, 410). Daraus folgt vorliegend, daß die Verweigerung der Urlaubsgewährung der Klägerin durch die Beklagte mangels Leistungsverweigerungsrechts rechtswidrig gewesen ist.
1.2.4. Tritt der Arbeitnehmer eigenmächtig einen vom Arbeitgeber nicht genehmigten Urlaub an, so verletzt er damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten (BAG vom 20.01.1994, AP Nr. 115 zu § 626 BGB = AR-Blattei ES 1640.6.1 Nr1 = EzA § 626 BGB n.F. Nr. 153). Der bestehende Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers macht die Urlaubsbewilligung durch den Arbeitgeber noch nicht entbehrlich; zum eigenmächtigen Urlaubsantritt ist der Arbeitnehmer grundsätzlich auch dann nicht berechtigt, wenn die Ablehnung des Urlaubsantrags nicht durch Gründe im Sinne des § 7 Abs. 1 BUrlG gerechtfertigt ist. Etwas anderes muß jedoch dann gelten, wenn aus der unberechtigten Ablehnung des Arbeitgebers der Verlust des Urlaubsanspruchs droht (LAG Rheinland-Pfalz vom 25.01.1991, LAGE § 7 BUrlG Nr. 27 = ARST 1991, 114 = NZA 1991, 600). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor und handelt es sich um einen nicht unerheblichen Zeitraum, dann ist eine Kündigung des Arbeitgebers gerechtfertigt. Dabei ist umstritten, ob in einem solchen Falle eine außerordentliche, fristlose oder nur eine ordentlich, fristgemäße Kündigung greift. So wird angenommen, daß ein eigenmächtiger Urlaubsantritt regelmäßig nicht nur zur ordentlichen, sondern auch zur außerordentliche Kündigung berechtige, wenn der Arbeitnehmer trotz Urlaubsverweigerung seitens des Arbeitgebers den Urlaub gleichwohl antritt (LAG Schleswig-Holstein vom 20.02.1997, ARST 1997, 161). Andererseits wird der Standpunkt vertreten, eine eigenmächtige Urlaubsnahme könne nur in schwerwiegenden Fällen zur fristlosen Entlassung führen, in denen sich der Arbeitnehmer rücksichtslos über die Belange des Arbeitgebers hinwegsetze oder
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einem ausdrücklichen Verbot zuwiderhandele (LAG München vom 04.02.1980, AMBl. BY 1980, C42). Des weiteren wird angenommen, daß jedenfalls eine fristgerechte Kündigung sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sei, wenn der Arbeitgeber die Gewährung von Erholungsurlaub endgültig abgelehne und der Arbeitnehmer gleichwohl den Urlaub antrete; dabei ist umstritten, ob eine Abmahnung vorausgehen muß (LAG Berlin vom 05.12.1994, LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45 = ARST 1995, 156 = NZA 1995, 1043) oder nicht (LAG Hamm vom 25.06.1985, LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5).
1.2.5. Eine fristgerechte oder je nach den Umständen auch fristlose Kündigung kann zwar gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub eigenmächtig antritt. Dabei ist jedoch auch zu berücksichtigen, ob der beantragte, aber nicht bewilligte Urlaub zu Recht abgelehnt worden ist (LAG Köln vom 29.03.1994, ARST 1994, 196 = AuR 1994, 344). Tritt ein Arbeitnehmer ohne das Einverständnis seines Arbeitgebers eigenmächtig einen Erholungsurlaub an, so verstößt er damit zwar gegen seine Arbeitspflicht (LAG Frankfurt/Main vom 16.06.1983, ARST 1984, 29 = AuR 1984, 155), aber auch der Arbeitgeber tut dies, wenn er dem Urlaubswunsch des Arbeitnehmers rechtsfehlerhaft nicht nachkommt (LAG Hamm vom 12.09.1996, LAGE § 626 BGB Nr. 105 = EzBAT § 54 BAT Nr. 45). Einem Arbeitgeber, der berechtigte Ansprüche nicht erfüllt und den Arbeitnehmer auf die gerichtliche Durchsetzung seiner Ansprüche verweist, verstößt der Arbeitgeber gegen zwingendes Urlaubsrecht. Dem Arbeitgeber ist es – wenn der Arbeitnehmer in einem solchen Fall von einem an sich nicht existierenden Selbsthilferecht Gebrauch macht und sich, ohne gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, selbst beurlaubt – verwehrt, wegen Selbstbeurlaubung außerordentlich, fristlos zu kündigen, eben weil er sich zuvor selbst nicht gesetzestreu verhalten hat. Die außerordentliche, fristlose Kündigung stellt in einem solchen Falle eine Überreaktion dar und ist wegen Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtsunwirksam (LAG Hamm vom 12.09.1996, LAGE § 626 BGB Nr. 105 = EzBAT § 54 BAT Nr. 45). Daher ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin vorliegend durch die Kündigung der Beklagten vom
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14.08.1996 nicht fristlos (§ 626 Abs. 1 BGB), sondern mit dem 30.09.1996 fristgerecht (§ 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB) aufgelöst worden.
2. Der (Weiter )Beschäftigungsanspruch der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Der Beschäftigungsanspruch ist ebenso wie der Vergütungsanspruch ein vollwertiger Anspruch, welcher im Wege der objektiven Klagehäufung nach § 260 ZPO neben einer Feststellungsklage verfolgt werden kann. Einem im Klagewege neben einer Feststellungsklage verfolgten Weiterbeschäftigungsantrag mangelt es nicht an einem Rechtsschutzinteresse. Die Klage über den Beschäftigungsanspruch kann nicht nach § 148 ZPO ausgesetzt werden; über die Feststellungsklage und den Beschäftigungsanspruch ist vielmehr gleichzeitig zu entscheiden. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf tatsächliche Beschäftigung folgt aus dem Arbeitsvertrag. Er bildet nach heutigem Verständnis zusammen mit dem Vergütungsanspruch eine Einheit. Es handelt sich bei diesen Berechtigungen in ihrer Bündelung um das, was den Hauptanspruch des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis ausmacht (LAG Hamm vom 05.05.1983, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 52). Der Beschäftigungsanspruch besteht grundsätzlich während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses, ohne daß es eines besonderen Nachweises des Beschäftigungsinteresses des Arbeitnehmers bedarf. Außerhalb der Regelung der §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 BPersVG hat der gekündigte Arbeitnehmer einen arbeitsvertragsrechtlichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet die Ungewißheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses. Dieses überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozeß ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht (BAG vom 27.02.1985, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht = AR-Blattei ES 440 Nr. 15 = D-Blatt „Beschäftigungspflicht:
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Entsch. 15“ [Buchner] = EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9 [Gamillscheg]). Wird jedoch die Rechtswirksamkeit der Kündigung festgestellt, kommt eine (Weiter )Beschäftigung nicht (mehr) in Betracht. Vorliegend ist das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten zum 31.09.1996 aufgelöst. Deshalb entfällt auch die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung der Klägerin über diesen Kündigungstermin hinaus.
3. Des weiteren stehen der Klägerin Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug (§ 615 BGB i.V.m. §§ 293 ff. BGB) ebenfalls nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu. Der Zinsausspruch hinsichtlich des zuerkannten Betrages folgt aus §§ 286 Abs. 1 , 288 Abs. 1 , 284 Abs. 2 BGB.
4. Nach alledem hat die Berufung nur in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg und war im übrigen zurückzuweisen.
4.1. Der Wert des Streitgegenstandes war nach § 25 Abs. 1 GKG und § 9 BRAGO festzusetzen. Dabei war der Feststellungsantrag der Klägerin nach § 12 Abs. 7 Satz 1 Hs. 1 ArbGG mit dem Vierteljahreseinkommen (9.600,00 DM) und der Weiterbeschäftigungsantrag nach §§ 3 ff ZPO mit dem doppelten Monatsverdienst (6.400,00 DM) zu bewerten. Die Vergütungsklage war gemäß §§ 3 ff. ZPO mit dem Wert der geltend gemachten Forderungen (16.000,00 DM) streitwerterhöhend zu berücksichtigen, wobei die Vorempfänge (216,22 DM) und die Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (2.671,70 DM) abzuziehen waren. Die Addition bzw. Subtraktion der vorgenannten Beträge ergibt den Gesamtstreitwert (32.000,00 DM ./. 2.887,92 DM = 29.112,08 DM). Der Streitwertbeschluß hat mit der Urteilsformel verbunden werden können.
4.2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Gemessen an dem Obsiegen und Unterliegen der Parteien erfolgte die Kostenquotelung nach der Held’schen Kostenteilungstabelle (DRiZ 1984, 317, 319, 320). Hinsichtlich des Feststellungsantrags war von einem hälftigen Unterliegen (4.800,00 DM) beider Parteien auszugehen. Der Weiterbeschäftigungsantrag blieb in vollem Umfang (6.400,00 DM) ohne Erfolg und die Zahlungsklage hatte nur teilweise Erfolg, und in
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Höhe von 6.400,00 DM ./. zu Gunsten der Klägerin und in Höhe von 9.600,00 DM ./. 2.671,70 DM zu ihren Lasten. Daraus ergibt sich ein Obsiegen der Klägerin in Höhe von 10.983,78 DM (11.200,00 DM ./. 216,22 DM) und ein Unterliegen für sie in Höhe von 18.128,30 DM (20.800,00 DM ./. 2.671,70 DM). Bei einem Quotienten von 2.650 entspricht dies einer Kostenquotelung von 5/8 zu 3/8 zu Lasten der Klägerin.
4.3. die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.
gez.
Berscheid
Schwabedissen
Reppekus
Spo.
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