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Vorsorgliche Abmahnung in arbeitsvertraglichen AGB
18.10.2017. Verstößt ein Arbeitnehmer in erheblicher Weise und/oder immer wieder gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten, kann der Arbeitgeber aus verhaltensbedingten Gründen kündigen, in extremen Fällen sogar fristlos.
Diese Reaktion ist rechtlich gesehen aber keine Strafe, sondern eine präventive Maßnahme, d.h. sie soll künftige Vertragsstörungen unterbinden. Gibt es auch ein milderes Mittel als eine Kündigung, um dieses Ziel zu erreichen, wäre eine Kündigung unverhältnismäßig und daher unwirksam.
Das praktisch wichtigste "mildere Mittel" im Kündigungsrecht ist die Abmahnung. Nur dann, wenn eine Abmahnung nicht (mehr) erfolgversprechend wäre und/oder für den Arbeitgeber aufgrund eines extremen Pflichtverstoßes nicht zumutbar, ist der Weg zu einer Kündigung frei.
Einige Arbeitgeber arbeiten vor diesem Hintergrund mit sog. vorweggenommenen Abmahnungen, d.h. sie vergattern ihre Arbeitnehmer ohne konkreten Anlass bzw. ohne konkrete Pflichtverletzung rein vorsorglich in allgemein gehaltenen Schreiben, bestimmte Pflichten strikt einzuhalten. Dabei werden für den Fall des Pflichtverstoßes arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht.
Solche Präventiv-Abmahnungen ersetzen aber im Allgemeinen keine normalen Abmahnungen, mit denen der Arbeitgeber auf konkrete Pflichtverletzungen reagiert und dem Arbeitnehmer die Chance zur Besserung einräumt: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 29.06.2017, 5 Sa 5/17.
- Abmahnungen vorwegnehmen - geht das?
- Der Streitfall: Führungskraft verstößt gegen das Verbot der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen
- LAG Schleswig-Holstein: Vorweggenommene Abmahnungen müssen kurz vor einer zu befürchtenden Pflichtverletzung ausgesprochen werden, so dass eine trotzdem begangene Pflichtverletzung als beharrliche Verweigerungshaltung zu bewerten ist
Abmahnungen vorwegnehmen - geht das?
Arbeitgeber sollten auf "mittelschwere" Pflichtvestöße im Normalfall mit einer Abmahnung reagieren. Also z.B. darauf, dass der Arbeitnehmer an einem bestimmten Tag eine halbe Stunde zu spät bei der Arbeit erschienen ist oder seine Mittagspause an einem bestimmten Tag um eine Viertelstunde überzogen hat.
In einem solchen Fall enthält die Abmahnung die Aussage,
- dass ein konkretes Verhalten an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit nicht rechtens bzw. pflichtwidrig war (Beanstandungsfunktion der Abmahnung),
- dass der Arbeitgeber künftig ein pflichtgemäßes Verhalten erwartet (Aufforderungsfunktion der Abmahnung), und
- dass im Wiederholungsfall mit einer Kündigung zu rechnen ist (Warnfunktion der Abmahnung).
Lässt sich der Arbeitnehmer von einer solchen Abmahnung nicht beeindrucken und wiederholt die bereits abgemahnte Verhaltensweise, ist dem Arbeitgeber eine weitere Abmahnung nicht zuzumuten, denn sie würde ja wahrscheinlich keine Verhaltensänderung bewirken. Daher können künftige weitere Vertragsstörungen (infolge weiterer gleichgearteter Pflichtverletzungen) voraussichtlich nicht mit einem milderen Mittel als mit einer verhaltensbedingten Kündigung abgewendet werden.
Durch eine vorweggenommene Abmahnungen möchte sich der Arbeitgeber das Leben einfacher machen und nimmt vorsorglich, d.h. ohne einen konkreten Fehltritt des Arbeitnehmers, in seine arbeitsvertraglichen allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) konkrete Verhaltenspflichten auf, wobei er jeweils deutlich macht, dass eine Verletzung dieser Pflichten eine Kündigung zur Folge hätte. Die juristische "Begründung" für dieses Vergattern lautet, dass der Arbeitnehmer ja auch auf diesem Wege zu korrektem Verhalten aufgefordert und gleichzeitig gewarnt werden kann. Dann könnte man sogleich beim ersten Pflichtverstoß kündigen, d.h. man könnte sich eine normale bzw. konkrete Abmahnung sparen.
Die Arbeitsgerichte halten von einer solchen Vorgehensweise aber nicht viel, wie das Urteil des Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein vom 29.06.2017 (5 Sa 5/17) zeigt.
Der Streitfall: Führungskraft verstößt gegen das Verbot der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen
Im Streitfall hatte ein seit etwa zwei Jahren beschäftigter Angestellter einen ihm unterstellten Mitarbeiter beauftragt, auf dem Rückweg von einem dienstlichen Einsatz ein Sakko des Angestellten von der Reinigung abzuholen. Das machte der Mitarbeiter auch, und zwar mit einem Firmenwagen des Arbeitgebers. Einige Wochen später ließ sich der Angestellte von einem Auszubildenden von der Wohnung in den Betrieb und nach Dienstschluss wieder nach Hause fahren, da sein privater Pkw an diesem Tag in der Werkstatt war.
In den Dienstwagen-AGB des Arbeitgebers, die der Angestellte abgezeichnet hatte, hieß es:
„Ich verpflichte mich,
dienstlich überlassende Fahrzeuge ausschließlich für dienstliche Zwecke zu nutzen. Private Fahren, d. h. Fahrten ohne dienstliche Veranlassung, sind mit Dienstfahrzeugen strengstens untersagt.
(…)
Ich bin darüber belehrt worden, dass ein Verstoß gegen diese Anordnung arbeitsrechtliche Folgen (Ermahnung / Abmahnung / Kündigung / o. a.) haben wird."
Aufgrund der o.g. beiden Privatnutzungen von Firmenfahrzeugen sprach der Arbeitgeber eine fristlose und eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung aus, gegen die der Angestellte klagte. Das in erster Instanz zuständige Arbeitsgericht Kiel gab der Kündigungsschutzklage statt (Urteil vom 07.12.2017, ö.D. 2 Ca 707 d/16).
Denn für das Arbeitsgericht waren beiden Vorfälle nicht erheblich genug für eine Kündigung, und außerdem hätte eine Abmahnung ausgereicht. Auf seine Dienstwagen-AGB konnte sich der Arbeitgeber hier nach Ansicht des Arbeitsgerichts nicht berufen, denn hier wird nicht klipp und klar eine Kündigung angedroht, sondern vielmehr eine Ermahnung, Abmahnung oder eine Kündigung. Somit werden mildere "arbeitsrechtliche Folgen" als eine Kündigung gerade nicht ausgeschlossen.
LAG Schleswig-Holstein: Vorweggenommene Abmahnungen müssen kurz vor einer zu befürchtenden Pflichtverletzung ausgesprochen werden, so dass eine trotzdem begangene Pflichtverletzung als beharrliche Verweigerungshaltung zu bewerten ist
Auch in der Berufung vor dem LAG hatte der Arbeitgeber keinen Erfolg. Das LAG wies seine Berufung zurück. Zur Begründung heißt es:
Die erste Privatnutzung war eine Lappalie, da der Firmenwagen ohnehin auf einer Dienstfahrt unterwegs war. Daher war der kurze Stopp bei der Reinigung keine so erhebliche Pflichtverletzung, dass darauf eine Kündigung hätte gestützt werden können. Konkrete Angaben zu möglicherweise gefahrenen Umwegen hatte der Arbeitgeber hier nicht gemacht.
Strenger bewertete das LAG die zweite Pkw-Privatnutzung, bei der der Angestellte das Firmenfahrzeug wie ein ihm gehörendes Privat-Taxi benutzt und damit klar gegen die Dienstwagen-Richtlinien verstoßen hatte. Allerdings hätte hier eine Abmahnung als Reaktion ausgereicht. Selbst wenn man die warnenden Hinweise in den Dienstwagen-AGB als vorweggenommene Abmahnung ansieht, könnte sich der Arbeitgeber hier im Streitfall nicht darauf berufen. Denn, so der Leitzsatz der Entscheidung:
"Eine vorweggenommene Abmahnung kann nur dann eine konkrete Abmahnung nach vorheriger Tatbegehung entbehrlich machen, wenn der Arbeitgeber diese bereits in Ansehung einer möglicherweise bevorstehenden Pflichtverletzung ausspricht, sodass die dann tatsächlich zeitnah folgende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers aus Sicht eines besonnenen Arbeitgebers als beharrliche Arbeitsverweigerung angesehen werden kann."
Für die betriebliche Praxis heißt das: Nur dann,
- wenn sich ein Pflichtverstoß des Arbeitnehmers (aufgrund entsprechender Diskussionen) bereits konkret anbahnt (wie z.B. ein geplanter eigenmächtiger Urlaub oder eine Arbeitsverweigerung), und
- wenn der Arbeitgeber daraufhin eindringlich vor einem solchen Fehler warnt, und
- wenn der Arbeitnehmer trotz dieser konkreten und zeitlich kurz zurückliegenden Warnung des Arbeitgebers den Pflichtverstoß begeht,
ist eine erneute Abmahnung nach dem Pflichtverstoß überflüssig. Denn dann war der Arbeitnehmer ja bereits ausreichend gewarnt und hat sich davon nicht beeindrucken lassen. Daher wäre eine (weitere) Abmahnung nicht erfolgversprechend, so dass der Arbeitgeber kündigen kann.
Mit seinem Urteil bewegt sich das LAG Schleswig-Holstein auf einer Linie mit den Entscheidungen anderer Gerichte in ähnlichen Fällen (z.B. LAG Düsseldorf, Urteil vom 15.08.2012, 12 Sa 697/12; LAG Hamm, Urteil vom 21.10.1997, 4 Sa 707/97). In diesem Sinne hat auch einmal das LAG Berlin-Brandenburg entschieden (Urteil vom 26.11.2010, 10 Sa 1823/10, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 11/051 LAG Berlin-Brandenburg: Kündigung nach vorweggenommener Abmahnung).
In allen diesen Entscheidungen wird betont, dass eine vorweggenommene Abmahnung eine erneute Abmahnung nach dem Pflichtverstoß nur dann überflüssig macht, wenn der vorsorglich abgemahnte Arbeitnehmer einer sehr konkreten Warnung zuwider handelt, d.h. eine Aufforderung zur Beachtung von Vertragspflichten "beharrlich" missachtet.
Fazit: Vorweggenommene Abmahnungen in AGB bringen dem Arbeitgeber keine kündigungsrechtlichen Vorteile. Denn auch dann, wenn der Arbeitnehmer solche Vergatterungen missachtet, ist vor einer Kündigung eine weitere konkrete Abmahnung erforderlich. Erst recht nutzlos sind allgemeine Hinweise auf "arbeitsrechtliche Folgen" einschließlich einer Abmahnung oder Versetzung wie hier im Streitfall, denn daraus kann der Arbeitnehmer gerade nicht den Schluss ziehen, dass er im Falle eines Pflichtverstoßes sofort gekündigt wird.
Nähere Informationen finden sie hier:
- Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 29.06.2017, 5 Sa 5/17
- Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 15.08.2012, 12 Sa 697/12
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.11.2010, 10 Sa 1823/10
- Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 21.10.1997, 4 Sa 707/97
- Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung
- Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung und Diebstahl
- Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung und Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verhaltensbedingte Kündigung
- Arbeitsrecht Muster: Musterschreiben: Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung
- Arbeitsrecht aktuell: 19/170 Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte wegen Datenschutzes nach der DS-GVO
- Arbeitsrecht aktuell: 18/172 Arbeitsgericht Bochum beanstandet ungenaue Abmahnung
- Arbeitsrecht aktuell: 11/159 LAG Berlin: Fristlose Kündigung wegen Beleidigung
- Arbeitsrecht aktuell: 11/151 Entfernung einer diskriminierenden Ermahnung aus der Personalakte
- Arbeitsrecht aktuell: 11/139 Erst Abmahnung, dann Kündigung?
- Arbeitsrecht aktuell: 11/051 LAG Berlin-Brandenburg: Kündigung nach vorweggenommener Abmahnung
- Arbeitsrecht aktuell: 11/009 Öffentlicher Widerruf von Abmahnung oder Kündigung?
- Arbeitsrecht aktuell: 10/180 Vorgesetzte beleidigt man nicht
- Arbeitsrecht aktuell: 10/027 Keine Kündigung nach nicht einschlägiger Abmahnung
- Arbeitsrecht aktuell: 09/223 Unverhältnismäßige Abmahnung eines Arbeitnehmers
- Arbeitsrecht aktuell: 09/218 Rechtswidrige Abmahnung
- Arbeitsrecht aktuell: 09/141 Verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung?
Letzte Überarbeitung: 3. August 2019
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