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ARBEITSRECHT AKTUELL // 15/052

Kün­di­gung im Klein­be­trieb we­gen Krank­heit

Kün­di­gung ei­ner mehr als zwei­ein­halb Mo­na­te er­krank­ten Ar­beit­neh­me­rin nach 19jähriger Tä­tig­keit in ei­nem Klein­be­trieb ist nicht treu­wid­rig: Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 14.10.2014, 1 Sa 151/14
Kündigung Wall-Street-Karton mit Frau

23.02.2015. Wer in ei­nem Be­trieb mit mehr als zehn Ar­beit­neh­mern län­ger als sechs Mo­na­te ge­ar­bei­tet hat, hat Kün­di­gungs­schutz auf der Grund­la­ge des Kün­di­gungs­schutz­ge­set­zes (KSchG).

Das be­deu­tet um­ge­kehrt: In Klein­be­trie­ben mit bis zu zehn Ar­beit­neh­mern be­steht Kün­di­gungs­frei­heit für den Ar­beit­ge­ber. Er kann auch alt­ge­dien­te Mit­ar­bei­ter "ein­fach so" kün­di­gen, d.h. oh­ne da­für ei­nen Kün­di­gungs­grund im Sin­ne des KSchG vor­wei­sen zu kön­nen.

Die Kün­di­gungs­frei­heit für Ar­beit­ge­ber neh­men die Ar­beits­ge­rich­te ernst, wie ei­ne ak­tu­el­le Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Schles­wig Hol­stein zeigt: LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 14.10.2014, 1 Sa 151/14.

Kündi­gungs­frei­heit im Klein­be­trieb

Wer all­ge­mei­nen Kündi­gungs­schutz nach dem KSchG in An­spruch neh­men kann, kann sich beim ge­richt­li­chen Streit über die Wirk­sam­keit ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung erst ein­mal zurück­leh­nen: Die Dar­le­gungs- und Be­weis­last für die Umstände, aus de­nen sich die "so­zia­le Recht­fer­ti­gung" der strei­ti­gen (or­dent­li­chen) Kündi­gung er­gibt, trägt nämlich der Ar­beit­ge­ber.

An­ders ist es dann, wenn über die Wirk­sam­keit ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung ge­strit­ten wird, oh­ne dass das KSchG an­zu­wen­den ist. Zwar kann auch ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung während der sechs­mo­na­ti­gen War­te­zeit (§ 1 Abs.1 KSchG) und/oder in ei­nem Be­trieb mit bis zu zehn Ar­beit­neh­mern (§ 23 Abs.1 Satz 2 KSchG) aus­nahms­wei­se ein­mal un­wirk­sam sein, doch liegt die Dar­le­gungs- und Be­weis­last dafür beim gekündig­ten Ar­beit­neh­mer.

Ein sol­cher Aus­na­me­fall (Un­wirk­sam­keit ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung außer­halb des An­wen­dungs­be­reichs des KSchG) liegt ins­be­son­de­re dann vor,

Recht­lich hei­kel ist vor al­lem der letz­te Fall: Muss der Ar­beit­ge­ber auch in ei­nem Klein­be­trieb bei Kündi­gun­gen (zwar nicht das KSchG, aber:) ein „Min­dest­maß an so­zia­ler Rück­sicht­nah­me“ be­ach­ten, be­steht die Ge­fahr, über die Hin­tertür der Min­dest­maß-Recht­spre­chung die Grund­ge­dan­ken des KSchG letzt­lich doch im Klein­be­trieb an­zu­wen­den. Da­mit würden die ge­setz­li­chen Gren­zen des all­ge­mei­nen Kündi­gungs­schut­zes aus­ge­he­belt.

Da­mit das nicht ge­schieht, ver­lan­gen die Ge­rich­te in (mögli­chen) Treu­wid­rig­keitsfällen vom Ar­beit­ge­ber nur, dass er (ir­gend­wel­che) plau­si­blen Gründe für sei­ne Kündi­gung vor­bringt.

Der Streit­fall: Langjährig beschäftig­te Rechts­an­walts­fach­an­ge­stell­te wird nach zwei­ein­halb­mo­na­ti­ger Krank­heit gekündigt

Ge­klagt hat­te ei­ne 47jähri­ge Rechts­an­walts- und No­tar­fach­an­ge­stell­te ("Re­no"), die als ei­ne von fünf Ar­beit­neh­mern bei ei­ner An­walts- und No­tar­so­zietät beschäftigt war.

Als sie nach 19 Jah­re lan­ger Tätig­keit Mit­te 2013 zwei­ein­halb Mo­na­te lang durch­ge­hend er­krankt war und auf Be­fra­gen durch ih­ren Ar­beit­ge­ber kei­ne Aus­sa­ge über ih­ren vor­aus­sicht­li­chen wei­te­ren Kran­ken­stand ma­chen konn­te, er­hielt sie ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung.

Das Ar­beits­ge­richt Lübeck hielt die Kündi­gung für rech­tens und wies ih­re Kündi­gungs­schutz­kla­ge ab (Ar­beits­ge­richt Lübeck, Ur­teil vom 25.03.2014, 3 Ca 2678/13).

LAG Schles­wig-Hol­stein: Die Kündi­gung ei­ner länger er­krank­ten Ar­beit­neh­me­rin ist trotz 19jähri­ger Tätig­keit nicht treu­wid­rig

Auch beim LAG hat­te die Re­no kein Glück. Denn der Ar­beit­ge­ber hat­te hier "ein­leuch­ten­de Gründe" für sei­ne Kündi­gung vor­ge­bracht, und das genügte dem LAG.

Denn die ver­klag­te Kanz­lei hat­te un­wi­der­spro­chen vor­ge­tra­gen, dass in­fol­ge der krank­heits­be­ding­ten Ab­we­sen­heit der Kläge­rin wich­ti­ge Auf­ga­ben lie­gen blie­ben, ins­be­son­de­re Rech­nungs­le­gung. Außer­dem konn­te die Kanz­lei ei­ne vorüber­ge­hen­de Er­satz­kraft nicht be­kom­men, ob­wohl sie sich dar­um nach­weis­lich bemüht hat­te. Da­her er­griff sie die Ge­le­gen­heit, ei­ne Er­satz­kraft dau­er­haft ein­zu­stel­len, und nach­dem sie das ge­tan hat­te, sprach sie die strei­ti­ge Kündi­gung aus.

Fa­zit: Theo­re­tisch kann es Fälle ge­ben, in de­nen ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung außer­halb des An­wen­dungs­be­reichs des KSchG "treu­wid­rig" ist, weil sie das "Min­dest­maß an so­zia­ler Rück­sicht­nah­me" ver­mis­sen lässt. Prak­tisch ha­ben Kündi­gungs­schutz­kla­gen, die mit ei­ner sol­chen Be­gründung ein­ge­reicht wer­den, meis­tens kei­nen Er­folg. Außer­dem dro­hen Fol­gekündi­gun­gen, die kaum größere An­griffs­flächen bie­ten dürf­ten als die Aus­gangskündi­gung.

Ar­beit­neh­mer, die sich trotz al­le­dem zu ei­ner Kla­ge ent­schei­den, soll­ten da­her möglichst rasch ei­nem Ver­gleich zu­stim­men, um nicht am En­de mit lee­ren Händen da­zu­ste­hen. 

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Letzte Überarbeitung: 2. November 2020

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