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Kündigung aufgrund HIV-Infektion ist Diskriminierung wegen Behinderung
20.12.2013. Vor knapp zwei Jahren hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg die Kündigungsschutz- und Entschädigungsklage eines HIV-infizierten Chemisch-Technischen Assistenten abgewiesen, der von einem Arzneimittelhersteller wegen hygienischer Bedenken gekündigt worden war (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.01.2012, 6 Sa 2159/11 - wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 12/018 Kündigung wegen HIV-Infektion wirksam).
Gestern hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) diese Entscheidung aufgehoben und entschieden, dass eine symptomlose Infektion mit dem HIV-Virus eine Behinderung darstellt.
Eine Kündigung wegen einer HIV-Infektion stellt daher eine behinderungsbedingte Diskriminierung dar und kann einen Entschädigungsanspruch nach sich ziehen, falls der Arbeitgeber keine triftigen Sachgründe für eine solche Kündigung hat: BAG, Urteil vom 19.12.2013, 6 AZR 190/12.
- Ist eine symptomlose Infektion mit dem HIV-Virus eine Behinderung im Sinne des Antidiskriminierungsrechts?
- Der Streitfall: Arzneimittelproduzent kündigt einen HIV-infizierten Arbeitnehmer während der Probezeit
- BAG: Eine Kündigung wegen einer HIV-Infektion ist in der Regel diskriminierend und daher unwirksam
Ist eine symptomlose Infektion mit dem HIV-Virus eine Behinderung im Sinne des Antidiskriminierungsrechts?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierungen wegen einer Behinderung im Erwerbsleben, definiert aber nicht, wann eine Behinderung vorliegt.
Nach der Rechtsprechung liegt eine Behinderung vor, wenn körperliche Funktionen, geistige Fähigkeiten oder die seelische Gesundheit langfristig so eingeschränkt sind, so dass die Teilhabe des betroffenen Menschen an der Gesellschaft und am Berufsleben beeinträchtigt ist. Diese Definition orientiert sich an § 2 Abs.1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Hier wird "langfristig" konkretisiert mit einem voraussichtlichen Zeitraum von mehr als sechs Monaten.
Ob bereits eine symptomlose HIV-Infektion als eine solche Einschränkung angesehen werden kann, ist zweifelhaft, denn mit dem mittlerweile erreichten Stand der Medikamentenbehandlung können HIV-infizierte Menschen in vielen Hinsichten ein normales Leben führen.
Der Streitfall: Arzneimittelproduzent kündigt einen HIV-infizierten Arbeitnehmer während der Probezeit
Im Streitfall ging es um ein Pharmaunternehmen, das Anfang Dezember 2010 einen Chemisch-Technischen Assistenten (CTA) für ein Jahr befristet eingestellt hatte und den Arbeitnehmer bei der Herstellung von Arzneimitteln im sog. "Reinraum" einsetzen wollte. Die ordentliche Kündbarkeit war abweichend von § 15 Abs.3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) vertraglich vereinbart worden, und zwar während der auf sechs Monaten festgelegten Probezeit mit einer verkürzten Frist von zwei Wochen (§ 622 Abs.3 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB).
Bei der Einstellungsuntersuchung wenige Tage nach der Einstellung teilte der Arbeitnehmer dem Betriebsarzt mit, HIV-infiziert zu sein. Der Arzt äußerte Bedenken gegen einen Einsatz des Arbeitnehmers im Reinraumbereich und teilte dem Unternehmen die HIV-Infektion mit, nachdem er von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden worden war.
Das Pharmaunternehmen erklärte daraufhin prompt die ordentliche Kündigung. Zur Begründung wies das Unternehmen darauf hin, den Arbeitnehmer wegen seiner ansteckenden Krankheit nach seinen betrieblichen Qualitätsregelungen nicht einsetzen zu können.
Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage, wobei er sich wegen der sechsmonatigen Wartezeit (§ 1 Abs.1 Kündigungsschutzgesetz - KSchG) nicht auf den allgemeinen Kündigungsschutz berufen konnte. Statt dessen argumentierte er, dass er durch die Kündigung wegen seiner Behinderung diskriminiert worden sei.
Daher verstoße die Kündigung gegen "Treu und Glauben" (§ 242 BGB) oder sogar gegen die "guten Sitten" (§ 138 BGB) und sei daher unwirksam. Außerdem klagte er auf Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs.2 AGG in Höhe von drei Monatsgehältern.
Das Arbeitsgericht Berlin wies die Klage ab (Urteil vom 21.07.2011, 17 Ca 1102/11) und auch das LAG Berlin-Brandenburg meinte, dass hier keine Diskriminierung vorläge (Urteil vom 13.01.2012, 6 Sa 2159/11).
Dabei legte sich das LAG in der Frage nicht fest, ob der Arbeitnehmer wegen seiner HIV-Infektion behindert war oder nicht. Denn auch im Falle einer Behinderung wäre die Kündigung als behinderungsbedingte Schlechterstellung letztlich gerechtfertigt gewesen, und zwar wegen des legitimen Arbeitgeberinteresses, jede Beeinträchtigung der Medikamentenherstellung durch erkrankte Arbeitnehmer auszuschließen.
BAG: Eine Kündigung wegen einer HIV-Infektion ist in der Regel diskriminierend und daher unwirksam
Das BAG hob das LAG-Urteil auf und verwies den Fall zurück an das LAG. Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG:
Ein Arbeitnehmer, der an einer symptomlosen HIV-Infektion erkrankt ist, ist behindert im juristischen Sinne, denn auch chronische Erkrankungen können zu einer Behinderung führen. Und die gesellschaftliche Teilhabe von HIV-Infizierten, so das BAG, ist typischerweise durch Stigmatisierung und soziales Vermeidungsverhalten beeinträchtigt, die auf die Furcht vor einer Infektion zurückzuführen sind.
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines solchen Arbeitnehmers in der gesetzlichen Wartezeit des § 1 Abs.1 KSchG wegen der HIV-Infektion, ist die Kündigung im Regelfall diskriminierend und damit unwirksam, "wenn der Arbeitgeber durch angemessene Vorkehrungen den Einsatz des Arbeitnehmers trotz seiner Behinderung ermöglichen kann".
Hier im Streitfall hatte das LAG es als ausreichend als angesehen, dass sich das verklagte Pharmaunternehmen auf seine Regelungen zur Qualitätssicherung berufen hatte, wonach Arbeitnehmer mit einer Hepatitis- oder einer HIV-Infektion im Reinraum eben nicht eingesetzt werden dürfen. Dem BAG war das nicht genug: Das LAG wird nun aufklären müssen, ob das Pharmaunternehmen "durch angemessene Vorkehrungen den Einsatz des Klägers im Reinraum hätte ermöglichen können".
Fazit: Das BAG hat mit diesem Urteil eine symptomlose HIV-Infektion als Behinderung anerkannt und damit die Rechte von HIV-infizierten Arbeitnehmern gestärkt. Außerdem hat der mit dem Fall befasste Sechste BAG-Senat ohne viel Federlesen klargestellt, dass diskriminierende Kündigungen unwirksam sind und Entschädigungsansprüche nach dem AGG zur Folge haben können.
Selbstverständlich ist das nicht, denn gemäß § 2 Abs.4 AGG gelten für Kündigungen "ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz". Daher hat der Achte BAG-Senat erst vor wenigen Tagen in dem Fall einer wegen ihrer Schwangerschaft diskriminierten Arbeitnehmern die Frage ausdrücklich offen gelassen, "ob und inwieweit Kündigungen auch nach den Bestimmungen des AGG zum Schutz vor Diskriminierungen zu beurteilen sind" (BAG, Urteil vom 12.12.2013, 8 AZR 838/12, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 13/367 Diskriminierung wegen Kündigung).
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.12.2013, 6 AZR 190/12 (BAG-Pressemeldung)
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.01.2012, 6 Sa 2159/11
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.01.2012, 6 Sa 2159/11 (Pressemitteilung)
- Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 21.07.2011, 17 Ca 1102/11 (Pressemitteilung)
- Handbuch Arbeitsrecht: Behinderung, Menschen mit Behinderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Behinderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutz
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Schwerbehinderung, schwerbehinderter Mensch
- Arbeitsrecht aktuell: 19/120 Kündigungsschutz Schwerbehinderter bei Massenentlassungen
- Arbeitsrecht aktuell: 18/214 Krankheitsbedingte Kündigung als Diskriminierung wegen einer Behinderung
- Arbeitsrecht aktuell: 15/208 Wiederholte Kündigung als Diskriminierung
- Arbeitsrecht aktuell: 15/204 Kündigung wegen Rente durch den Arbeitgeber
- Arbeitsrecht aktuell: 13/367 Diskriminierung wegen Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 13/023 Krankheitsbedingte Kündigung bei Behinderung
- Arbeitsrecht aktuell: 12/018 Kündigung wegen HIV-Infektion wirksam
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Gericht seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 31. Mai 2019
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