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Keine fristlose Kündigung bei Bagatelldelikt
31.03.2014. Früher galt vor den Arbeitsgerichten die harte Daumenregel: Wer klaut, der fliegt (und zwar fristlos). Seit gut dreieinhalb Jahren ist das nicht mehr so.
Denn mit seinem berühmten Urteil in dem Fall der Berliner Kassiererin Barbara ("Emmely") Emme hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Juni 2010 klargestellt, dass auch bei (klein-)kriminellen Pflichtverstößen des Arbeitnehmers eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen ist (BAG, Urteil vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09).
Und als Ergebnis dieser Abwägung kann sich ergeben, dass eine außerordentliche und fristlose Kündigung bei langer Beschäftigungszeit und geringem Schaden unverhältnismäßig wäre.
Wie sehr sich seit der Zeit vor dem Emmely-Urteil der Wind mittlerweile zugunsten der Arbeitnehmer gedreht hat, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein: LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2013, 6 Sa 203/13.
- Fristlose Kündigung nach langer Beschäftigungsdauer wegen eines Bagatelldelikts?
- Im Streit: In einer Kaserne arbeitende Küchenhelferin zweigt verbotener Weise zwei Kilo übrig gebliebenen Rotkohl für sich ab
- LAG Schleswig-Holstein: Nach langer Beschäftigungsdauer genügt ein Bagatelldiebstahl von Essensresten nicht für eine fristlose Kündigung
Fristlose Kündigung nach langer Beschäftigungsdauer wegen eines Bagatelldelikts?
Arbeitgeber können außerordentlich und fristlos kündigen, d.h. ohne Beachtung der regulären Kündigungsfristen, wenn sie dafür einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) haben.
Ein wichtiger Grund ist ein Pflichtverstoß, der so massiv ist, dass einem "vernünftigen" Arbeitgeber das Abwarten der Kündigungsfrist normalerweise nicht zugemutet werden kann. Zu solchen Pflichtverstößen gehören seit jeher Vermögensdelikte zu Lasten des Arbeitgebers, d.h. zum Beispiel
- ein Diebstahl von Firmeneigentum, oder
- ein Abrechnungs- oder Spesenbetrug, oder
- ein anderes Vermögensdelikt wie z.B. eine Unterschlagung.
Auch einer kleiner Schadensumfang im Bagatellbereich wird dabei im Allgemeinen von den Gerichten als "wichtiger Grund" angesehen. Allerdings ist damit über die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung noch nicht entschieden, denn auch bei Vorliegen eines "an sich" für eine außerordentliche Kündigung ausreichenden wichtigen Grundes ist immer eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Und hier, d.h. bei der Interessenabwägung, spielt die geringe oder große Höhe des Schadens eine wichtige Rolle.
Bei der Abwägung des Arbeitgeberinteresses an einer sofortigen Entlassung des "Übeltäters" und des Arbeitnehmerinteresses an der Beachtung seiner Kündigungsfristen sprechen für den Arbeitnehmer
- ein geringer Schadensumfang ("Bagatelle"),
- ein langer Bestand des Arbeitsverhältnisses,
- eine offene Vorgehensweise, d.h. keine Verheimlichung des Geschehens durch den Arbeitnehmer,
- eine aufrichtige Entschuldigung nach Bekanntwerden des Vorfalls.
Heutzutage scheitern die meisten fristlosen Kündigungen, die Arbeitgeber wegen eines Bagatelldelikts aussprechen, an der Interessenabwägung, da die Gerichte das Bestandsinteresse als vorrangig bewerten, so z.B. das LAG Schleswig-Holstein mit Urteil vom 18.12.2013, 6 Sa 203/13.
Im Streit: In einer Kaserne arbeitende Küchenhelferin zweigt verbotener Weise zwei Kilo übrig gebliebenen Rotkohl für sich ab
Im Streitfall hatte eine seit über 14 Jahren beschäftigte Küchenhilfe, die in einer Kaserne arbeitete, zwei Kilogramm gekochten Rotkohl für sich abgezweigt. Und das, obwohl sie alle halbe Jahre von ihrem Arbeitgeber schriftlich darüber informiert worden war, dass die Mitnahme von Essensresten strikt verboten sei und als Straftat angesehen werde. Von dieser noch nicht lange zurückliegenden Vergatterung ließ sich die Küchenhilfe offenbar nicht beeindrucken.
Andererseits sprach für sie, dass zwei Vorgesetzte, die Küchenbuchhalterin und der Küchenleiter, die Küchenhilfe bei der Wegnahme des Rotkohls ertappten und sie deswegen tadelten, es ihr dann aber doch erlaubten, den Kohl mit nach Hause zu nehmen. Einige Tage später kam es zur Anhörung der Küchenhilfe durch den Arbeitgeber und sodann zu einer fristlosen Kündigung. Den Personalrat hatte der Arbeitgeber vorab angehört, allerdings nur zu der beabsichtigten außerordentlichen und fristlosen Kündigung.
Die Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage und hatte damit vor dem Arbeitsgericht Elmshorn Erfolg (Urteil vom 22.05.2013, 1 Ca 2161 b/12). Das Arbeitsgericht bewertete die Kündigung aufgrund des geringen Schadens und der langen Beschäftigungsdauer als unverhältnismäßig.
LAG Schleswig-Holstein: Nach langer Beschäftigungsdauer genügt ein Bagatelldiebstahl von Essensresten nicht für eine fristlose Kündigung
Auch das LAG entschied zugunsten der Arbeitnehmerin. Denn obwohl hier ein Diebstahl vorlag und damit ein "an sich" für eine außerordentliche Kündigung erforderlicher wichtiger Grund, zog der Arbeitgeber bei der Interessenabwägung den Kürzeren.
Denn die Arbeitnehmerin war schon über 14 Jahre lang ohne Beanstandungen beschäftigt, sie hatte Essensreste von sehr geringem Wert gestohlen und den Diebstahl nicht heimlich, sondern unter Mithilfe ihrer Dienstvorgesetzten verübt. Dementsprechend ging das LAG davon aus, dass das auf dem Papier bestehende strikte Verbot, Essensreste mitzunehmen, in der Praxis ganz nicht so streng umgesetzt wurde. Letztlich war es dem Arbeitgeber daher zuzumuten, die Kündigungsfristen einzuhalten. Damit war die fristlose Kündigung vom Tisch.
Eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung hätte ein Schlupfloch für den Arbeitgeber sein können, wenn er es nicht versäumt hätte, den Personalrat auch zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung anzuhören. Das hatte er aber nicht getan, und daher konnte die Kündigung auch als ordentliche Kündigung vor Gericht keinen Erfolg haben.
Letztlich blieb dem Arbeitgeber daher nur die Möglichkeit, die Arbeitnehmerin wegen des Diebstahls abzumahnen, d.h. eine Entlassung war aufgrund des hier verübten Bagatelldelikts nicht möglich.
Fazit: Wegen eines Bagatelldelikts können Arbeitgeber nach heutiger Rechtsprechung langjährig beschäftigte Arbeitnehmer praktisch nicht mehr wirksam fristlos kündigen. Dabei spielt es übrigens keine Rolle, ob die Kündigung als Tatkündigung, d.h. wegen der aus Arbeitgebersicht erwiesenen Tat, oder als Verdachtskündigung, d h. wegen des dringenden Tatverdachts ausgesprochen wird.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 18.12.2013, 6 Sa 203/13
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09
- Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung und Diebstahl
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Fristlose Kündigung
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Letzte Überarbeitung: 8. Januar 2021
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