HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 11/213

LAG Mün­chen: Kün­di­gung nach Be­trug mit 20 EUR Scha­den

Auch ein "klei­ner" Be­trug kann ei­ne frist­lo­se Kün­di­gung nach sich zie­hen: Lan­des­ar­beits­ge­richt Mün­chen, Ur­teil vom 03.03.2011, 3 Sa 641/10
Rechte Hand mit roter Karte Be­trug ist Be­trug: Es geht im­mer um das Ver­trau­en
Mün­chen, 02.11.2011. Die au­ßer­or­dent­li­che Kün­di­gung ei­nes Ar­beits­ver­hält­nis­ses ist rech­tens, wenn es da­für ei­nen „wich­ti­gen Grund“ im Sin­ne von § 626 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) gibt. Ein wich­ti­ger ver­hal­tens­be­ding­ter Grund ist z.B. ein Dieb­stahl, Be­trug oder ein an­de­res Ver­mö­gens­de­likt, mit dem der Ar­beit­neh­mer den Ar­beit­ge­ber schä­digt.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat al­ler­dings mit sei­nem „Em­me­ly“-Ur­teil (Ur­teil vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09) deut­lich ge­macht, dass ei­ne frist­lo­se Kün­di­gung nicht im­mer zu­läs­sig ist, wenn der Dieb­stahl bzw. Be­trug nur ei­nen Ba­ga­tell­scha­den be­wirkt, wenn der Ar­beit­neh­mer schon lan­ge Zeit „be­an­stan­dungs­frei“ ge­ar­bei­tet hat und wenn der Dieb­stahl bzw. Be­trug ein ein­ma­li­ger un­ty­pi­scher Aus­rut­scher war. Dann muss das „Ver­trau­en­s­ka­pi­tal“ nicht un­be­dingt zer­stört sein, so dass ei­ne Ab­mah­nung an­stel­le ei­ner Kün­di­gung die an­ge­mes­se­ne Re­ak­ti­on ist.

Das „Em­me­ly“-Ur­teil gibt alt­ge­dien­ten Ar­beit­neh­mern aber kei­nen Frei­brief für Ba­ga­tell­straf­ta­ten. Ist das Ver­hal­ten be­son­ders dreist, droht trotz­dem ei­ne frist­lo­se Kün­di­gung, so das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Mün­chen in ei­nem ak­tu­el­len Fall: LAG Mün­chen, Ur­teil vom 03.03.2011, 3 Sa 641/10.

Frist­lo­se Kündi­gung we­gen Be­trugs - auch bei klei­nem Scha­den und lan­ger Beschäfti­gungs­dau­er?

Be­geht der Ar­beit­neh­mer ei­nen Be­trug oder ei­nen Dieb­stahl und schädigt da­durch den Ar­beit­ge­ber, hat der meist das Ver­trau­en in den Ar­beit­neh­mer ver­lo­ren. Da­her ist dem Ar­beit­ge­ber die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht mehr zu­zu­mu­ten - noch nicht ein­mal bis zum En­de der Kündi­gungs­frist.

Dann spricht der Ar­beit­ge­ber meist ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung in Form ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung aus. Auf den Wert der ge­stoh­le­nen Sa­che oder den durch ei­nen Be­trug an­ge­rich­te­ten Scha­den kommt es da­bei im Prin­zip nicht an, d.h. auch Ba­ga­tell­de­lik­te können die Ent­las­sung nach sich zie­hen.

Al­ler­dings wer­den die­se Rechts­grundsätze seit dem „Em­me­ly“-Ur­teil des BAG vom Ju­ni 2010 nicht mehr so strikt an­ge­wandt wie zu­vor. Seit­dem be­ach­ten die Ge­rich­te (wie­der) stärker, dass auch gra­vie­ren­de Pflicht­verstöße ei­ne frist­lo­se Kündi­gung nicht im­mer recht­fer­ti­gen. Viel­mehr müssen die bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen im Ein­zel­fall „er­geb­nis­of­fen“ ab­ge­wo­gen wer­den.

Die In­ter­es­sen­abwägung kann auch in Dieb­stahls- und Be­trugsfällen zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers aus­ge­hen, wenn das Ar­beits­verhält­nis lan­ge be­stan­den hat, wenn der Ar­beit­neh­mer bis­her ähn­li­che Pflicht­verstöße be­gan­gen hat und wenn der ak­tu­el­le Dieb­stahl bzw. Be­trug, der An­lass für die Kündi­gung war, ein „ein­ma­li­ger Aus­rut­scher" ist.

Ei­ne Ent­las­sung kann auch un­verhält­nismäßig sein, wenn der Ar­beit­neh­mer sei­nen Pflicht­ver­s­toß ehr­lich zu­ge­ge­ben hat. Lie­gen sol­che "mil­dern­den Umstände" aber nicht vor, wird es eng für den Ar­beit­neh­mer, wie das LAG München kürz­lich bestätigt hat (LAG München, Ur­teil vom 03.03.2011, 3 Sa 641/10).

LAG München: Wird ein Ba­ga­tell-Be­trug sehr ziel­stre­big verübt, ist ei­ne Kündi­gung in Ord­nung

In dem vom LAG München ent­schie­de­nen Fall ging es um ei­nen schwer­be­hin­der­ten Buch­hal­ter und Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den, der seit über 22 Jah­ren im sel­ben Be­trieb in München beschäftigt war. Er hat­te die elek­tro­ni­sche Zu­gangs­kar­te zum Be­trieb ver­bum­melt und schul­de­te dem Ar­beit­ge­ber da­her für ei­ne Er­satz­kar­te 20,00 EUR.

Die zahl­te er aber nicht, son­dern nutz­te sei­nen Zu­gang zur Buch­hal­tung da­zu aus, die­se For­de­rung mit ei­nem Buch­hal­tungs­trick ver­schwin­den zu las­sen. Als der Ar­beit­ge­ber das ent­deck­te, erklärte er nach vor­he­ri­ger Zu­stim­mung des Be­triebs­rats und des In­te­gra­ti­ons­am­tes München Mit­te No­vem­ber 2009 die frist­lo­se Kündi­gung. Der Ar­beit­neh­mer wäre ein­ein­halb Mo­na­te später, nämlich zum 31.01.2010, oh­ne­hin al­ters­be­dingt aus­ge­schie­den.

Das Ar­beits­ge­richt München erklärte die Kündi­gung für un­wirk­sam (Ar­beits­ge­richt München, Ur­teil vom 28.05.2010, 31 Ca 18907/09), das LAG München da­ge­gen für wirk­sam (LAG München, Ur­teil vom 03.03.2011, 3 Sa 641/10). Da­bei geht das LAG München von ei­nem vorsätz­li­chen Be­trug aus, so dass ein im All­ge­mei­nen aus­rei­chen­der („wich­ti­ger“) Kündi­gungs­grund ge­ge­ben war.

Bei der In­ter­es­sen­abwägung sprach ge­gen den Ar­beit­neh­mer, dass die Pflicht­ver­let­zung den Kern­be­reich der ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten als Buch­hal­ter be­traf und dass sei­ne betrüge­ri­sches Ziel hartnäckig und heim­lich ver­folgt hat­te. Da­her kam ei­ne Ab­mah­nung als mil­de­res Mit­tel nicht in Be­tracht, so das LAG München.

Fa­zit: Dass das Ar­beits­verhält­nis auch oh­ne Kündi­gung nicht mehr lan­ge be­ste­hen würde, hat­te bei In­ter­es­sen­be­wer­tung durch das LAG München nicht das ent­schei­den­de Ge­wicht. Denn an­de­rer­seits war ja auch die Zeit der in­fol­ge der Kündi­gung ein­tre­ten­den Ar­beits­lo­sig­keit bis zum Ren­ten­ein­tritt kurz, so dass der Ar­beit­neh­mer durch die Kündi­gung kaum be­las­tet war.

Das Ur­teil des LAG München zeigt, dass auch langjährig beschäftig­te Ar­beit­neh­mer bei ei­nem Ba­ga­tell­dieb­stahl bzw. ei­nen Ba­ga­tell­be­trug ei­ne frist­lo­se Kündi­gung ris­kie­ren, wenn sie be­son­ders dreist vor­ge­hen und ih­re Tat von vorn­her­ein ver­tu­schen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 24. August 2016

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de