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ARBEITSRECHT AKTUELL // 14/103

Frist­lo­se Kün­di­gung ei­nes Ge­schäfts­füh­rers we­gen Un­treue

GmbH-Ge­schäfts­füh­rer sie­ben Jah­re vor Ver­trags­en­de frist­los ent­las­sen: Ober­lan­des­ge­richt Ko­blenz, Ur­teil vom 11.07.2013, 6 U 1359/12

26.03.2014. Als Ge­schäfts­füh­rer ei­ner GmbH ist man vor kurz­fris­ti­gen Kün­di­gun­gen meist si­cher, denn Ge­schäfts­füh­rer­ver­trä­ge ha­ben in der Re­gel ei­ne lan­ge Lauf­zeit oder lan­ge Kün­di­gungs­fris­ten.

Ver­letzt ein Ge­schäfts­füh­rer al­ler­dings sei­ne Pflich­ten ge­gen­über der GmbH in er­heb­li­chem Um­fang, kann das die au­ßer­or­dent­li­che und frist­lo­se Kün­di­gung des Ge­schäfts­füh­rer­ver­trags zur Fol­ge ha­ben.

Da­bei sind es oft gar nicht gro­ße Fehl­ent­schei­dun­gen mit er­heb­li­chen Scha­dens­fol­gen für die Ge­sell­schaft, son­dern klei­ne, da­für aber "schmut­zi­ge" fi­nan­zi­el­le Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten, über die Ge­schäfts­füh­rer stol­pern kön­nen.

So war es auch in ei­nem ak­tu­el­len, vom Ober­lan­des­ge­richt (OLG) Ko­blenz ent­schie­de­nen Fall: OLG Ko­blenz, Ur­teil vom 11.07.2013, 6 U 1359/12.

Wann be­rech­ti­gen fi­nan­zi­el­le Un­re­gelmäßig­kei­ten ei­nes Geschäftsführers die GmbH zur frist­lo­sen Kündi­gung?

Ein GmbH-Geschäftsführer hat die Pflicht, die fi­nan­zi­el­len In­ter­es­sen der Ge­sell­schaft zu wah­ren. Ge­gen die­se Pflicht verstößt er, wenn er Zah­lun­gen zu­las­ten der GmbH ver­an­lasst, von de­nen er weiß, dass sie kei­ner­lei Nut­zen für die Ge­sell­schaft ha­ben.

Ei­nen ähn­li­chen Pflicht­ver­s­toß stellt es dar, wenn Sach­mit­tel der GmbH "frei­gie­big" be­triebs­frem­den Per­so­nen zur un­ent­gelt­li­chen Nut­zung über­las­sen wer­den.

Al­ler­dings gibt es bei al­le­dem auch ei­nen Er­mes­sens­be­reich: Be­stimm­te klei­ne­re Zah­lun­gen ge­sche­hen "an­stand­shal­ber", und auch die Nut­zung be­trieb­li­cher Mit­tel durch Drit­te kann als "Klein-klein" zu be­wer­ten sein, so dass die ent­spre­chen­de Mit­tel­frei­ga­be durch den Geschäftsführer kein aus­rei­chen­der Grund für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung ist.

In sol­chen Fällen kommt es auf die Be­gleit­umstände an: Ist die "Frei­gie­big­keit" des Geschäftsführers noch sach­lich nach­voll­zieh­bar und liegt da­mit letzt­lich im In­ter­es­se der GmbH oder steht die Per­son des Geschäftsführers im Vor­der­grund, so dass man von Vet­tern­wirt­schaft spre­chen muss?

Der Streit­fall: Geschäftsführer der Stadt­wer­ke Neu­wied wird im De­zem­ber 2011 we­gen Vet­tern­wirt­schaft frist­los gekündigt

Im Streit­fall ging es um den ehe­ma­li­gen Geschäftsführer der Stadt­werks-GmbH Neu­wied, der auf der Grund­la­ge ei­nes Zehn­jah­res­ver­trags mit fes­ter Lauf­zeit von An­fang 2009 bis En­de 2018 zu ei­nem Ge­halt von mo­nat­lich 13.139,59 EUR tätig war.

Im De­zem­ber 2011 kam es zum Streit, weil be­kannt wur­de, dass der Geschäftsführer es sei­ner Le­bens­gefähr­tin, ei­ner Gast­wir­tin, er­laubt hat­te, in der Küche des städti­schen Schwimm­bads Gänse­keu­len für ih­re Gast­wirt­schaft zu­zu­be­rei­ten, und zwar oh­ne Be­zah­lung auf Kos­ten der GmbH.

Im Zu­ge die­ser "Gänse­keu­len­affäre" kam dann wei­ter ans Ta­ges­licht, dass der Geschäftsführer ei­ner ihm persönlich gut be­kann­ten Ser­vice­kraft des Schwimm­bads ei­nen Nach­hil­fe­un­ter­richt für knapp 400,00 EUR spen­diert hat­te, wie­der­um zu Las­ten der GmbH. Die jun­ge Frau soll­te durch die Nach­hil­fe bes­se­re Chan­cen für ei­nen kaufmänni­schen Be­rufs­ab­schluss ha­ben, doch be­stand aus Sicht der Ge­sell­schaft kei­ner­lei be­trieb­li­ches In­ter­es­se an ei­ner sol­chen Un­terstützung.

Die Stadt­werks-GmbH erklärte dar­auf­hin im De­zem­ber 2011 und so­dann noch­mals im Ja­nu­ar 2012 die außer­or­dent­li­che und frist­lo­se Kündi­gung des Geschäftsführer­ver­trags, d.h. der Ver­trag en­de­te nicht wie vor­ge­se­hen En­de 2018, son­dern be­reits sie­ben Jah­re früher. Das woll­te der ge­feu­er­te Geschäftsführer nicht auf sich sit­zen las­sen und zog vor das Land­ge­richt Ko­blenz, um dort die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gun­gen fest­stel­len zu las­sen. Das Land­ge­richt wies sei­ne Kla­ge ab (Ur­teil vom 13.11.2012, 4 HKO 9/12).

OLG Ko­blenz: Begüns­tigt ein GmbH-Geschäftsführer "nach Guts­her­ren­art" sei­ne Be­kann­ten auf Kos­ten der GmbH, ist ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung ge­recht­fer­tigt

Auch das OLG hielt die Kündi­gung für wirk­sam und wies die Be­ru­fung des Geschäftsführers da­her zurück.

Da­bei stütz­te es sich in ers­ter Li­nie auf den vom Geschäftsführer be­wil­lig­ten Nach­hil­fe­un­ter­richt. Auf­grund der Aus­sa­ge von Zeu­gen, die das Ge­richt hörte, stand für das OGL fest, dass es kei­ne Per­spek­ti­ve ei­nes wei­te­ren Ein­sat­zes der (be­fris­tet beschäftig­ten) Ser­vice­kraft bei der GmbH und da­her auch kein be­trieb­li­ches In­ter­es­se an ei­ner be­ruf­li­chen Förde­rung gab. Da­her sah das Ge­richt in der Über­nah­me von Nach­hil­fe­kos­ten ei­nen gro­ben Ver­s­toß ge­gen die den Geschäftsführe tref­fen­de Pflicht, die fi­nan­zi­el­len In­ter­es­sen der Ge­sell­schaft zu wah­ren.

Er­schwe­rend kam an die­ser Stel­le die na­he persönli­che Be­zie­hung zwi­schen dem Geschäftsführer und der jun­gen Frau hin­zu: Sie war mit der Toch­ter der Le­bens­gefähr­tin des Geschäftsführers be­freun­det, und auch er kann­te die jun­ge Frau gut; man duz­te sich. Die Be­zah­lung der Nach­hil­fe hat­te da­her das "Ge­präge der >Vet­tern­wirt­schaft<", so die Rich­ter. Und wei­ter:

"Es wäre Auf­ga­be des Klägers als Führungs­kraft mit Vor­bild­funk­ti­on für al­le ihm un­ter­stell­ten Mit­ar­bei­ter ge­we­sen, dafür zu sor­gen, dass Pri­va­tes und Be­ruf­li­ches strikt von­ein­an­der ge­trennt wer­den, um je­den An­schein ei­ner Vor­teils­gewährung aus sach­frem­den Erwägun­gen zu ver­mei­den. Dies wäre dem Kläger oh­ne wei­te­res da­durch möglich ge­we­sen, dass er an­de­re Per­so­nen in die Ent­schei­dung über die Gewährung ei­nes geld­wer­ten Vor­teils für ...[D] ein­ge­bun­den hätte."

Darüber hin­aus war es auch pflicht­wid­rig, dass der Geschäftsführer sei­ner Le­bens­gefähr­tin er­laubt hat­te, die Schwimm­badküche zu nut­zen. Denn in der Einführung zum Or­ga­ni­sa­ti­ons­hand­buch der Stadt­wer­ke-GmbH, die der Geschäftsführer selbst mit­ver­fasst (!) hat­te, war fest­ge­hal­ten, dass die Re­ge­lun­gen des Or­ga­ni­sa­ti­ons­hand­buchs als Dienst­an­wei­sun­gen zu ver­ste­hen sind. Und in Punkt 8.2 des Or­ga­ni­sa­ti­ons­hand­buchs hieß es:

"Die pri­va­te Nut­zung des Fir­men­geländes und der dienst­li­chen Ein­rich­tun­gen ist ver­bo­ten! Ab­wei­chun­gen hier­von sind kaum denk­bar, müss­ten aber auf je­den Fall von der Geschäfts­lei­tung im Ein­zel­fall ge­neh­migt wer­den. Ei­ne Zu­wi­der­hand­lung stellt ei­ne schwe­re Ver­let­zung der dienst­li­chen Pflich­ten dar und hat ent­spre­chen­de dienst­li­che Fol­gen".

Im Er­geb­nis hielt das Ge­richt dem Geschäftsführer vor, durch die Über­nah­me der Nach­hil­fe­kos­ten "nach Guts­her­ren­art" ei­ne ihm na­he­ste­hen­de Per­son zu­las­ten des GmbH-Vermögens begüns­tigt zu ha­ben. Dem Kläger feh­le hier nach wie vor "jeg­li­ches Un­rechts­be­wusst­sein", wie denn auch in der Fol­ge­zeit der durch die Nach­hil­fe ent­stan­de­ne Scha­den der GmbH nicht aus­ge­gli­chen wor­den ist. Das sei Vet­tern­wirt­schaft und mit der Vor­bild­funk­ti­on nicht zu ver­ein­ba­ren, die ein Geschäftsführer in der Po­si­ti­on des Klägers nun ein­mal ha­be.

Fa­zit: Wer ei­nen gut be­zahl­ten Geschäftsführer­ver­trag mit lan­ger fes­ter Lauf­zeit und ge­rin­gen Haf­tungs­ri­si­ken in der Ta­sche hat, soll­te sich im­mer wie­der ein­mal klar­ma­chen, wel­chen Wert ein sol­ches Ver­trags­verhält­nis hat. Hier im Streit­fall hat der Geschäftsführer of­fen­bar die Bo­den­haf­tung ver­lo­ren und nicht mehr klar zwi­schen sei­nem pri­va­ten Vermögen und sei­nen pri­va­ten Be­kannt­schaf­ten und den In­ter­es­sen der Ge­sell­schaft un­ter­schie­den. Das kos­te­te ihn letzt­lich sie­ben Jah­res­gehälter, d.h. et­wa 1,1 Mil­lio­nen Eu­ro.

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Letzte Überarbeitung: 5. Dezember 2017

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