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Keine Diskriminierung durch Kündigung bei Schwangerschaft
19.10.2013. Die Diskriminierung eines Arbeitnehmers wegen seines Geschlechts ist gesetzlich, nämlich nach den Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verboten.
Fraglich ist, ob bzw. unter welchen Umständen die unwirksame Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin, die gemäß § 9 Abs.1 Satz 1 Mutterschutz (MuSchG) nicht bzw. nur in seltenen Ausnahmefällen zulässig ist, eine Frauendiskriminierung darstellt.
Zu dieser Frage hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) vor einigen Tagen Stellung genommen: BAG, Urteil vom 17.10.2013, 8 AZR 742/12.
- Wann ist eine Kündigung eine verbotene Diskriminierung wegen des Geschlechts?
- Der Streitfall: Ordentliche Kündigung einer Schwangeren während der Probezeit
- BAG: Kündigt der Arbeitgeber einer Schwangeren entgegen dem Mutterschutzgesetz, stellt das allein noch keine Diskriminierung dar
Wann ist eine Kündigung eine verbotene Diskriminierung wegen des Geschlechts?
Der Arbeitgeber darf Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht wegen des Geschlechts diskriminieren, d.h. ohne sachlichen Grund schlechter als vergleichbare Arbeitnehmer(innen) behandeln. Das folgt aus §§ 7, 1 AGG. Arbeitgeber, die sich an diese Spielregeln nicht halten, müssen Schadensersatz bzw. eine Entschädigung zahlen (§ 15 Abs.1 und 2 AGG).
Gestritten wird über das Vorliegen einer Diskriminierung und um Entschädigungen meist im Zusammenhang mit Bewerbungen und Stellenausschreibungen, die nach dem Gesetz diskriminierungsfrei sein müssen (§11, § 2 Abs.1 Nr.1 AGG). Die Diskriminierungsverbote sind aber auch bei der Überprüfung der Wirksamkeit von Kündigungen heranzuziehen, wie das BAG bereits Ende 2011 entschieden hat (BAG, Urteil vom 06.11.2008, 2 AZR 701/07 - wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 08/116 Kündigungsschutz und Altersdiskriminierung - Revisionsentscheidung in Sachen Karmann).
Auf den ersten Blick scheint das zwar durch § 2 Abs.4 AGG ausgeschlossen zu sein, denn nach dieser Vorschrift gelten für Kündigungen "ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz". Doch ist diese Klarstellung des Gesetzgebers, der damit eine Ausweitung des bestehenden Kündigungsschutzes durch das AGG verhindern wollte, aufgrund der hinter dem AGG stehenden EU-Richtlinien eng auszulegen.
Eine andere Frage ist, ob das AGG auch in der Hinsicht auf Kündigungen anzuwenden ist, dass Kündigungen, die aufgrund ihrer Begleitumstände diskriminierenden Charakter haben, Entschädigungsansprüche gemäß § 15 Abs.1 und 2 AGG nach sich ziehen. Hier geht es nicht um die Wirksamkeit einer Kündigung, sondern um Geld. Möglicherweise schließt § 2 Abs.4 AGG solche Entschädigungsansprüche aus.
Bisher wurde die rechtliche Möglichkeit einer Geldentschädigung für diskriminierende Kündigungen nur in wenigen Entscheidungen anerkannt (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 11/242 Kündigung und Diskriminierung und in Arbeitsrecht aktuell: 10/161 Geldentschädigung für diskriminierende Kündigung). Das BAG hat sich bisher zu dieser Frage nicht festgelegt (BAG, Urteil vom 28.4.2011, 8 AZR 515/10).
Jetzt hat es den Anschein, als würde das BAG die Möglichkeit einer Geldentschädigung für diskriminierende Kündigungen akzeptieren, wovon allerdings die klagende Arbeitnehmerin im Streitfall nichts hatte, denn eine Diskriminierung lag hier im Ergebnis nicht vor.
Der Streitfall: Ordentliche Kündigung einer Schwangeren während der Probezeit
Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die im Juli 2010 als Personalsachbearbeiterin eingestellt worden war und aufgrund durchgehender Erkrankung seit Ende September 2010 ab dem 10.11.2010 Krankengeld erhielt. Der Arbeitgeber, der wenig Freude an dem Arbeitsverhältnis hatte, kündigte am 18.11.2010 ordentlich in der Probezeit zum 03.12.2010.
Was der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung nicht wusste: Die Arbeitnehmerin war am 18.11.2010 schwanger und die Kündigung daher gemäß § 9 Abs.1 Satz 1 MuSchG unwirksam, denn wenige Tage später, am 22.11.2010, informierte die Arbeitnehmerin den Arbeitgeber über ihre Schwangerschaft und forderte ihn dazu auf, kurzfristig bis zum 29.11.2010 zu erklären, dass er an der Wirksamkeit der Kündigung nicht festhalte.
Außerdem legte sie am 25.11.2010 ein ärztliches Attest über die Schwangerschaft sowie ein ärztliches Beschäftigungsverbot gemäß § 3 Abs.1 MuSchG vor, das eine Beschäftigung bereits vor Beginn der sechswöchigen Mutterschutzfrist untersagte.
Da der Arbeitgeber sich zu der Kündigung nicht erklärte, erhob die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage. In der Folgezeit verhandelten die Parteien über eine Aufhebung des Arbeitsverhältnisses. Der Gütetermin am 27.01.2011 brachte keine Einigung.
Erst am 09.02.2011 erklärte der Arbeitgeber die "Rücknahme" der Kündigung und bat die Arbeitnehmerin Anfang März darum, der Kündigungsrücknahme bzw. dem damit zugleich erklärten Angebot auf einvernehmliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzustimmen.
Eine solche Zustimmung erklärte die Arbeitnehmerin nicht. Schließlich erkannte der Arbeitgeber im Kammertermin am 05.05.2011 den Kündigungsschutzantrag an, woraufhin das Arbeitsgericht durch Teilanerkenntnisurteil feststellte, dass die Kündigung vom 18.11.2010 unwirksam war.
Auf der Grundlage des Beschäftigungsverbots zahlte der Arbeitgeber zunächst keinen Mutterschutzlohn (§ 11 MuSchG), sondern verlangte eine sachliche Erläuterung des Beschäftigungsverbots, d.h. der belastenden Arbeitsumstände, auf die das Attest das Beschäftigungsverbot stützte.
Die Umstände der Kündigung und das Verhalten des Arbeitgebers danach bewertete die Arbeitnehmerin als Diskriminierung wegen des Geschlechts und verlangte unter Berufung auf § 15 Abs.2 AGG eine Geldentschädigung von drei Monatsgehältern. Denn der Arbeitgeber habe trotz der Schwangerschaft gekündigt und sogar trotz positiver Kenntnis der Schwangerschaft an der Kündigung festgehalten.
Das Arbeitsgericht Siegen (Urteil vom 05.05.2011, 1 Ca 1566/10) und das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm wiesen die Entschädigungsklage ab (LAG Hamm, Urteil vom 16.05.2012, 3 Sa 1420/11).
BAG: Kündigt der Arbeitgeber einer Schwangeren entgegen dem Mutterschutzgesetz, stellt das allein noch keine Diskriminierung dar
Auch das BAG entschied zugunsten des Arbeitgebers. In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG heißt es zur Begründung:
Die Kündigung vom 18.11.2010 konnte keine Benachteiligung der Klägerin wegen ihres weiblichen Geschlechts sein, weil der Arbeitgeber bei Erklärung der Kündigung keine Kenntnis der Schwangerschaft hatte, so das BAG.
Auch das Verhalten des Arbeitgebers nach Ausspruch der Kündigung war keine Diskriminierung. Denn der Arbeitgeber hatte die Kündigung am 09.02.2011 ja wie verlangt "zurückgenommen", doch hatte die Klägerin (bzw. deren Anwälte) ihrerseits daraufhin nicht erklärt, dass sie mit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses einverstanden ist. Das aber ist bei der "Rücknahme" einer Kündigung immer erforderlich, da Kündigungen als rechtsgestaltende Erklärungen zwar einseitig abgegeben, aber nicht einseitig "zurückgenommen" werden können.
Schließlich lag eine Frauendiskriminierung auch nicht deshalb vor, weil die Parteien darüber gestritten hatten, ob der Arbeitgeber wegen des Beschäftigungsverbots zur Zahlung von Mutterschutzlohn verpflichtet war. Denn, so das BAG: Dieser besondere Anspruch gemäß § 11 MuSchG steht ohnehin nur Frauen zu, so dass ein Streit über seine Voraussetzungen nicht als Frauendiskriminierung bewertet werden kann.
Fazit: Eine wegen § 9 Abs.1 Satz 1 MuSchG unwirksame Kündigung stellt an sich noch keine geschlechtsbedingte Diskriminierung dar. Und wenn die Parteien wie hier im Streitfall nach Ausspruch der Kündigung über eine einvernehmliche Vertragsbeendigung sprechen, kann man vom Arbeitgeber schlecht verlangen, dass er die Kündigung, die ja Grundlage und Bezugspunkt einer möglichen Einigung ist, unverzüglich "zurücknimmt".
Obwohl sich das BAG auch in diesem Fall nicht festlegen muss, ob diskriminierende Kündigungen AGG-Entschädigungen nach sich ziehen können oder nicht, mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Arbeitsgerichte und auch das BAG solche Ansprüche als grundsätzlich möglich ansehen, d.h. nicht von vornherein unter Berufung auf § 2 Abs.4 AGG ausschließen. Für Arbeitnehmer kann es daher sinnvoll sein, Geldentschädigungen wegen diskriminierender Kündigungen einzuklagen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2013, 8 AZR 742/12 (Pressemitteilung des BAG)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.4.2011, 8 AZR 515/10
- Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 16.05.2012, 3 Sa 1420/11
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Anwendungsbereich des gesetzlichen Schutzes
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Rechte Betroffener
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Geschlecht
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung des Arbeitsvertrags (Überblick)
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- Arbeitsrecht aktuell: 10/161 Geldentschädigung für diskriminierende Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 08/116 Kündigungsschutz und Altersdiskriminierung - Revisionsentscheidung in Sachen Karmann
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Gericht seine Entscheidungsgründe schriftlich abgefasst und veröffentlicht. Die Entscheidungsgründe im Volltext finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 14. Dezember 2020
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