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Kündigungsschutz bei künstlicher Befruchtung
27.03.2015. Immer mehr Frauen mit Kinderwunsch nutzen heute Techniken der unterstützten Schwangerschaft, vor allem die Einsetzung einer außerhalb des Körpers befruchteten Eizelle (In-vitro-Fertilisation).
In solchen Fällen fragt sich, ab wann eine Schwangerschaft im Sinne des Kündigungsschutzrechts vorliegt.
Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) gestern entschieden hat, gilt der Sonderkündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen bei künstlicher Befruchtung schon ab der Einsetzung der befruchteten Eizelle (Embryonentransfer) und nicht erst ab der Einnistung (Nidation): BAG, Urteil vom 26.03.2015, 2 AZR 237/14 (Pressemeldung des Gerichts).
- Wann beginnt der Kündigungsschutz bei Schwangerschaft - am Tag des Embryonentransfers oder erst am Tag der Einnistung der befruchteten Eizelle?
- Der Streitfall: Kündigung einer Arbeitnehmerin im Kleinbetrieb
- BAG: Der Sonderkündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen gilt bereits ab der Einsetzung der befruchteten Eizelle, d.h. ab dem Tag des Embryonentransfers
Wann beginnt der Kündigungsschutz bei Schwangerschaft - am Tag des Embryonentransfers oder erst am Tag der Einnistung der befruchteten Eizelle?
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) ist die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin im Allgemeinen unzulässig, d.h. sie ist nur ausnahmsweise bei vorheriger behördlicher Genehmigung möglich. Diese Vorschrift lautet:
"Die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung ist unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird; das Überschreiten dieser Frist ist unschädlich, wenn es auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird."
Da das MuSchG nicht definiert, ab welchem Zeitpunkt eine "Schwangerschaft" vorliegt, kommen bei einer In-vitro-Fertilisation mehrere Zeitpunkte in Betracht, nämlich
- der Zeitpunkt der Befruchtung der Eizelle, der normalerweise im Körper der Frau stattfindet, bei der In-vitro-Fertilisation aber außerhalb des Körpers, oder
- der Zeitpunkt der Einsetzung der befruchteten Eizelle, d.h. des Embryonentransfers, oder
- der Zeitpunkt der Einnistung der befruchteten Eizelle in der Gebärmutter, d.h. der Zeitpunkt der Nidation.
Den ersten und frühesten Zeitpunkt hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits vor einigen Jahren als nicht maßgeblich für die Auslegung bzw. Anwendung der Mutterschutzrichtlinie (Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19.10.1992) verworfen (EuGH, Urteil vom 26.02.2008, C-506/06 - Mayr, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 08/035 Kein Sonderkündigungsschutz vor Implantierung von „in vitro“ befruchteten Eizellen). Denn würde man auf diesen Zeitpunkt abstellen, hätten es Arbeitnehmerinnen in der Hand, sich durch die künstliche Befruchtung von Eizellen und deren anschließende Aufbewahrung einen zeitlich unbegrenzten Sonderkündigungsschutz wegen "Schwangerschaft" zu verschaffen.
Ob der zweite oder dritte Zeitpunkt richtig ist, ist in der juristischen Kommentarliteratur umstritten, spielt aber bei der Anwendung von § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG im Normalfall einer natürlich zustande gekommenen Schwangerschaft praktisch keine Rolle. Denn das BAG ermittelt den Schwangerschaftsbeginn durch eine Rückrechnung um 280 Tage vom ärztlich festgestellten voraussichtlichen Entbindungstermin, was (vom BAG gewollt) zu einem sehr frühen Schwangerschaftsbeginn führt.
Bei einer künstlichen Befruchtung hätte der zweite Zeitpunkt den Vorteil, dass er klar festliegt und leicht ermittelt werden kann. Eine Schwangerschaft im biologischen bzw. medizinischen Sinne läge dann allerdings noch nicht vor, da die Einnistung der befruchteten Eizelle erst einige Tage später stattfindet.
Der Streitfall: Kündigung einer Arbeitnehmerin im Kleinbetrieb
Die klagende Arbeitnehmerin war als eine von zwei Angestellten seit Februar 2012 in der Versicherungsvertretung des beklagten Arbeitgebers beschäftigt. Ermahnungen oder gar eine Abmahnung hatte sie nie erhalten.
Mitte Januar 2013 teilte sie ihrem Arbeitgeber mit, dass sie schon lange einen unerfüllten Kinderwunsch hege und daher demnächst wieder den Versuch einer künstlichen Befruchtung unternehmen wolle. Der Embryonentransfer erfolgte dann am 24.01.2013.
Kurz darauf, nämlich am 31.01.2013, sprach der Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung aus. Eine vorherige behördliche Zustimmung hatte er nicht eingeholt. Die freigewordene Stelle besetzte der Arbeitgeber mit einer älteren Arbeitnehmerin.
Am 07.02.2013 wurde bei der Klägerin eine Schwangerschaft festgestellt, worüber sie den Arbeitgeber am 13.02.2013 informierte. Außerdem erhob die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage und hatte damit vor dem Arbeitsgericht Leipzig (Urteil vom 21.06.2013, 9 Ca 600/13) und auch in der Berufung vor dem Sächsischen Landesarbeitsgericht (LAG) Erfolg (Sächsisches LAG, Urteil vom 07.03.2014, 3 Sa 502/13).
Dabei stützte das LAG sein Urteil sowohl auf die Schwangerschaft zum Zeitpunkt der Kündigung (denn es hielt den Tag des Embryonentransfers für maßgeblich) als auch darauf, dass die Kündigung "treuwidrig" bzw. frauendiskriminierend war.
Denn obwohl der der beklagte Arbeitgeber den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nicht beachten musste, hätte er doch - angesichts der raschen Nachbesetzung der freigekündigten Stelle mit einer älteren Arbeitnehmerin - konkrete sachliche Motive für seine Kündigung anführen sollen. Solche sachlichen Gründe hatte er nicht, so dass ihm das LAG unterstellte, die Kündigung allein wegen des Kinderwunsches bzw. der geplanten unterstützten Schwangerschaft ausgesprochen zu haben.
BAG: Der Sonderkündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen gilt bereits ab der Einsetzung der befruchteten Eizelle, d.h. ab dem Tag des Embryonentransfers
Auch in Erfurt hatte der Arbeitgeber keinen Erfolg. Seine Revision wurde zurückgewiesen. Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG:
Die Klägerin genoss bei Zugang der Kündigung (31.01.2013) wegen des vorherigen Embryonentransfers (24.01.2013) bereits den Kündigungsschutz des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG. Außerdem verstieß die Kündigung, so die Erfurter Richter, gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Verbindung mit § 1 AGG und § 3 AGG.
Zur Begründung des Diskriminierungsvorwurfs beruft sich das BAG (wie schon das LAG) auf die oben genannte EuGH-Entscheidung (EuGH, Urteil vom 26.02.2008, C-506/06 - Mayr). Denn mit diesem Urteil hatte der Gerichtshof - aus Sicht des BAG - klargestellt, dass eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliegen kann, wenn eine Arbeitnehmerin hauptsächlich deshalb gekündigt wird, weil sie sich einer Behandlung zur In-vitro-Fertilisation unterzogen hat. Und hier im Streitfall konnte man nach Ansicht des BAG "nach den gesamten Umständen" von einem solchen Kündigungsmotiv des Arbeitgebers ausgehen.
Fazit: Der besondere Kündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG greift in den Fällen einer medizinisch unterstützten Schwangerschaft schon ab der Einsetzung der befruchteten Eizelle ein, d.h. ab dem Tag des Embryonentransfers. Auf den späteren und nur schwer eindeutig festzustellenden Zeitpunkt der Einnistung der befruchteten Eizelle (Nidation) kommt es dagegen nicht an.
Dieser Entscheidung ist aus Gründen der Rechtssicherheit und des möglichst effektiven Kündigungsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen zuzustimmen. Arbeitnehmerinnen können sich zum Nachweis des Tages, an dem der Embryonentransfer vorgenommen wurde, auf eine entsprechende ärztliche Bescheinigung berufen, denn dieser kommt nach der Rechtsprechung ein "hoher Beweiswert" zu.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.03.2015, 2 AZR 237/14 (Pressemeldung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.03.2015, 2 AZR 237/14
- Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 07.03.2014, 3 Sa 502/13
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 26.02.2008, C-506/06 (Mayr)
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Geschlecht
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutz
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Mutterschutz
- Handbuch Arbeitsrecht: Unkündbarkeit
- Arbeitsrecht aktuell: 15/208 Wiederholte Kündigung als Diskriminierung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/101 Mutterschutz nur bei Schwangerschaft
- Arbeitsrecht aktuell: 13/367 Diskriminierung wegen Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 13/299 Keine Diskriminierung durch Kündigung bei Schwangerschaft
- Arbeitsrecht aktuell: 13/008 Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage
- Arbeitsrecht aktuell: 09/143 Längere Klagefrist für Schwangere nur bei Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft
- Arbeitsrecht aktuell: 08/035 Kein Sonderkündigungsschutz vor Implantierung von „in vitro“ befruchteten Eizellen
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 29. Mai 2017
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