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Höhe des Urlaubsanspruchs beim Wechsel von Voll- in Teilzeit
07.11.2012. Gemäß den Vorgaben des Europarechts hat jeder Arbeitnehmer das Recht auf einen bezahlten Jahresurlaub von mindestens vier Wochen (Art.31 Abs.2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12.12.2007 - Grundrechts-Charta - in Verbindung mit Art.7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung - Arbeitszeitrichtlinie).
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sieht hierin einen besonders bedeutsamen Grundsatz des Sozialrechts der Europäischen Union. Der Anspruch soll es Arbeitnehmern ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Das gilt auch dann, wenn sie den Jahresurlaub erst in einem späteren Jahr nehmen können.
Dass es über diesen bedeutsamen Grundsatz des Sozialrechts in Europa jedoch immer wieder zum Streit kommt, zeigt der folgende Fall, den das Arbeitsgericht Nienburg nun dem EuGH vorgelegt hat, Arbeitsgericht Nienburg, Beschluss vom 04.09.2012, 2 Ca 257/12 Ö.
- Herunterrechnen des Urlaubsanspruchs beim Wechsel von Voll- in Teilzeit: Zulässige Umrechnung oder verkappte Kürzung?
- Der Fall: 12 Tage weniger Urlaub richtig berechnet?
- Arbeitsgericht Nienburg: Vorlagefrage an den EuGH
Herunterrechnen des Urlaubsanspruchs beim Wechsel von Voll- in Teilzeit: Zulässige Umrechnung oder verkappte Kürzung?
In Deutschland sieht § 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) pro Kalenderjahr für einen Arbeitnehmer 24 Werktage Urlaub vor. Als Werktage gelten alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind, also in der Regel sechs Tage pro Woche.
Wird der Urlaub in Wochen umgerechnet, ergeben sich dadurch (24 ./. 6 =) vier Wochen bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht. Wer nicht (mehr) die gesetzliche Sechs-Tage-Woche arbeitet, muss diese vier Wochen mit der Anzahl seiner wöchentlichen Arbeitstage multiplizieren, um seine Urlaubstage auszurechnen. Bei einer Fünf-Tage-Woche beispielsweise besteht danach gesetzlich Anspruch auf 20 (= 4 Wochen x 5 Arbeitstage) Arbeitstage Urlaub. Diese Berechnung ergibt sich allerdings nicht aus dem Gesetz, sondern aus der Rechtsprechung.
Die auf den ersten Blick einleuchtende Umrechnung des Jahresurlaubes ist jedoch problematisch, wenn sich die Arbeitszeiten im laufenden Jahr ändern und offener Urlaub auf das nächste Jahr übertragen wird. Speziell beim Übergang von Vollzeit zu Teilzeit stellt sich dann die Frage, ob der in Urlaubstagen ausgedrückte Urlaubsanspruch auf das neue Beschäftigungsmaß „heruntergerechnet“ werden darf. Handelt es sich dabei nur um eine zulässige Umrechnung oder vielleicht um eine verkappte Kürzung des vierwöchigen Mindesturlaubsanspruches? Eine solche Kürzung wäre nach der Rechtsprechung des EuGH unzulässig.
Das Arbeitsgericht (ArbG) Nienburg hatte vor kurzem die Gelegenheit, sich mit diesem Problem vertieft auseinanderzusetzen und den EuGH um eine Klärung zu bitten (Beschluss vom 04.09.2012, 2 Ca 257/12 Ö).
Der Fall: 12 Tage weniger Urlaub richtig berechnet?
Die klagende Arbeitnehmerin war zunächst vollzeitig in einer Fünf-Tage-Woche beschäftigt. Im Jahr 2010 konnte sie wegen eines schwangerschaftsbedingten Beschäftigungsverbotes und während der Zeiten ihres Mutterschutzes 22 Urlaubstage nicht nehmen. Ab Mitte Dezember 2011 war mit ihrem Arbeitgeber, dem beklagten Land, eine Halbierung der Arbeitszeit vereinbart. Damals waren weitere sieben Arbeitstage Urlaub offen.
Die Klägerin war seitdem nur noch an drei Tagen pro Woche tätig und wollte nun gerichtlich feststellen lassen, dass aus den Jahren 2010 und 2011 insgesamt 29 Arbeitstage Urlaub in das Jahr 2012 übertragen wurden.
Das sah das beklagte Land anders: Die 29 Arbeitstage Urlaub aus der Vollzeit müssen nach seiner Auffassung durch die damaligen fünf Arbeitstage geteilt (also in Wochen umgerechnet) und mit der neuen Zahl der Arbeitstage, d.h. mit drei, multipliziert werden. Abgerundet würden der Klägerin damit 17 Arbeitstage Urlaub zustehen, 12 weniger als von ihr verlangt.
Seine Berechnungsweise begründet es mit einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) aus dem Jahr 1998 (BAG, Urteil vom 28.04.1998, 9 AZR 314/97). Das BAG hatte damals argumentiert, dass der übertragene Urlaubsanspruch mit dem Urlaub des laufenden Jahres identisch ist und deshalb den gleichen Berechnungsregeln folgen muss. Einen Grund, von dieser gesetzlich angelegten Umrechnungsmethode abzuweichen, wollte das BAG nicht anerkennen, und sie führt auch nicht zu einer verbotenen Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten, so das BAG.
Doch dieses Urteil ist in die Jahre gekommen. Das Inkrafttreten der Grundrechts-Charta und eine Reihe von europarechtlichen Entscheidungen zum Thema Urlaub geben Anlass zum Umdenken. So entschied der EuGH in einem aus Österreich stammenden Fall (EuGH, Urteil vom 22.04.2010, C-486/08 - Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols): Der Übergang von Vollzeit zu Teilzeit darf weder den Urlaubsanspruch reduzieren noch dazu führen, dass der Arbeitnehmer den bereits erworbenen Urlaub nur mit geringerem Urlaubsentgelt verbrauchen kann.
Die meisten Autoren meinen, dass diese Ausführungen missverständlich und der österreichischen Besonderheit geschuldet ist, dass dort Urlaubsansprüche in Stunden berechnet werden. Die Urlaubsberechnung in Deutschland muss nach ihrer Auffassung nicht geändert werden, weil der Urlaub nur auf Tagesbasis umgerechnet wird, auf Wochenbasis aber gleich bleibt. Allerdings müsse das Urlaubsentgelt für den Alt-Urlaub nun auf Grundlage der Vollzeitvergütung berechnet werden.
Andere Autoren sehen hingegen auch Änderungsbedarf bei der Berechnungsweise des Urlaubs. An diesen hat sich das Arbeitsgericht Nienburg orientiert.
Arbeitsgericht Nienburg: Vorlagefrage an den EuGH
Das Arbeitsgericht setzte den Rechtsstreit aus und erhofft sich nun vom EuGH deutliche Worte. Lesenswert und sorgfältig argumentiert es ganz im Sinne der Klägerin, dass die „Umrechnung“ in Wahrheit eine Kürzung ist und der bereits erdiente Alt-Urlaub beim Wechsel des Beschäftigungsumfanges gleich bleiben muss. Nach Einschätzung des Gerichts muss klar zwischen der Zeit der betrieblichen Abwesenheit und der Zeit des Urlaubs unterschieden werden.
Nicht überzeugend findet das Arbeitsgericht dementsprechend das Argument, der in Wochen ausgedrückte Urlaubsanspruch bleibe der Höhe nach gleich, da genau genommen nur die Zeit der betrieblichen Abwesenheit gleich bleibt. Eine Arbeitsstunde ist für jeden Beschäftigten gleich lang, während eine Arbeitswoche je nach Umfang der Beschäftigung eine unterschiedliche Länge hat. Die Verwendung der Maßeinheit „Woche“ beinhaltet also - übrigens ebenso wie die Maßeinheit „Tag“ - je nach Arbeitszeitverteilung eine verdeckte Quotierung zum Nachteil des Teilzeitbeschäftigten. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, diese auf bereits erworbene Urlaubsansprüche anzuwenden, so das Gericht.
Um europarechtswidrige Benachteiligungen auszuschließen sei es notwendig, den erworbenen Urlaubsanspruch zunächst in Stunden umzurechnen und dann auf Basis der neuen täglichen Arbeitszeit in Tagen auszudrücken. Wer beispielsweise seine Arbeitszeit halbiert hat, verdoppelt seinen in Tagen ausgedrückten Urlaubsanspruch. Auf diese Weise lässt sich dann auch besser begründen, warum das Urlaubsentgelt für den Alt-Urlaub auf Vollzeitbasis gezahlt werden muss, so das Arbeitsgericht.
Fazit: Der Vorlagebeschluss des Arbeitsgerichts Nienburg überzeugt, zumal es seine Ausführungen mit einigen Beispielen für unverständliche und widersprüchliche Ergebnisse der bisherigen Berechnungsweise anführen kann.
Auch angesichts der aktuellen Änderungen der BAG-Rechtsprechung zum Urlaub spricht viel dafür, die bisherige Berechnungsmethode zu überdenken. So hat das BAG kürzlich hervorgehoben, dass die Kehrseite der Arbeitspflicht die Befreiung hiervon durch Urlaubsgewährung ist (BAG, Urteil vom 13.12.2011, 9 AZR 420/10). Bedenkt man dann noch, dass nach Auffassung des EuGH der Urlaubsanspruch dazu dient, sich zu erholen, drängt sich die Faustformel „Mehr Urlaub für mehr geleistete Arbeit“ geradezu auf. Alt-Urlaub sollte daher auch anhand der alten Arbeitszeiten berechnet bleiben.
Seit seiner Schultz-Hoff-Entscheidung ist der EuGH (sicherlich ungewollt) zum europäischen Ober-Urlaubsgericht geworden - und zahlt jetzt den Preis dafür. Denn auch der „große“ EuGH muss zur Kenntnis nehmen, dass das Urlaubsrecht eine Ansammlung vieler „kleiner“, aber dafür verzwickter Rechtsprobleme ist. Das Verfahren wird beim EuGH unter dem Aktenzeichen C-415/12 (Rechtssache Brandes) geführt.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Arbeitsgericht Nienburg, Beschluss vom 04.09.2012, 2 Ca 257/12 Ö
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 22.04.2010, C-486/08 - Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.04.1998, 9 AZR 314/97
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub, Urlaubsanspruch
- Arbeitsrecht aktuell: 20/058 Kein Urlaub für Freistellungsphase einer Alterszteilzeit
- Arbeitsrecht aktuell: 19/077 Kein Urlaub vom unbezahlten Sonderurlaub
- Arbeitsrecht aktuell: 19/073 Kürzung des Urlaubs bei Elternzeit zulässig
- Arbeitsrecht aktuell: 18/246 EuGH erlaubt Urlaubskürzung bei Elternzeit
- Arbeitsrecht aktuell: 17/196 Keine Urlaubsabgeltung im bestehenden Arbeitsverhältnis
- Arbeitsrecht aktuell: 16/031 Urlaubsanspruch bei Wechsel von Teilzeit in Vollzeit
- Arbeitsrecht aktuell: 15/042 Keine Urlaubskürzung bei Teilzeitarbeit
- Arbeitsrecht aktuell: 13/186 Urlaub bei Teilzeit
- Arbeitsrecht aktuell: 12/353 Kein Urlaub bei Kurzarbeit Null
- Arbeitsrecht aktuell: 12/274 Urlaub bei Dauerkrankheit verfällt nach 15 Monaten
- Arbeitsrecht aktuell: 12/114 Kein Urlaubsverfall bei günstigem Arbeitsvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 11/157 Urlaub und Krankheit: Resturlaub für Krankheitszeiten ist nach Genesung zu nehmen
- Arbeitsrecht aktuell: 11/012 Resturlaub aus dem Vorjahr - Haben oder nicht haben?
Hinweis: Mitte des Jahres 2013 hat der EuGH die Auffassung des Arbeitsgerichts Nienburg bestätigt. Daraufhin hat das Arbeitsgericht Nienburg der Klägerin die Abgeltung der ausstehenden Urlaubstage zugesprochen. Das Urteil des Gerichtshofs im Volltext und eine Urteilsbesprechung, sowie das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Beschluss vom 13.06.2013, C-415/12 (Brandes)
- Arbeitsrecht aktuell: 13/186 Urlaub bei Teilzeit
- Arbeitsgericht Nienburg, Urteil vom 19.12.2013, 2 Ca 257/12 Ö
Letzte Überarbeitung: 10. Juni 2020
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