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Urlaubsanspruch bei Wechsel von Teilzeit in Vollzeit
26.01.2016. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat seine Rechtsprechung zur Berechnung des Urlaubsanspruchs in einem aktuellen Urteil fortentwickelt.
In dem englischen Streitfall ging es um die Frage, wie Resturlaubsansprüche, die Arbeitnehmer während ihrer Tätigkeit in Teilzeit erworben haben, in Urlaubstage umzurechnen sind, wenn die Arbeitnehmer mittlerweile in Vollzeit arbeiten und ihren "Teilzeit-Resturlaub" daher während der Vollzeitbeschäftigung nehmen wollen.
Laut EuGH muss der in Teilzeit angesammelte Resturlaub bei einem Wechsel in Vollzeit nicht entsprechend der erhöhten Arbeitszeit neu berechnet werden: EuGH, Urteil vom 11.11.2015, C-219/14 (Greenfield).
- Was passiert mit nicht genommenen Urlaubstagen nach einer Erhöhung der Arbeitszeit?
- Kathleen Greenfield vs. Care Bureau Ltd.: Aufstockung der Arbeitszeit von einer geringfügigen Teilzeit auf Vollzeittätigkeit
- EuGH: Bei einer Arbeitszeiterhöhung muss der zuvor erworbene Urlaub nicht rückwirkend nach dem neuen Arbeitsrhythmus bzw. zugunsten des Arbeitnehmers neu berechnet werden
Was passiert mit nicht genommenen Urlaubstagen nach einer Erhöhung der Arbeitszeit?
Das Europarecht sieht vor, dass Arbeitnehmer einen bezahlten Jahresurlaub von mindestens vier Wochen haben müssen. Das folgt aus Art.31 Abs.2 der Europäischen Grundrechtecharta und aus Art.7 der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie). Nichts anderes gilt auch nach deutschem Recht bzw. nach § 1 und § 3 Abs.1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG).
In Tagen berechnet haben Arbeitnehmer nach dem BUrlG einen jährlichen Urlaubsanspruch von 24 Werktagen. Dabei gelten als Werktage alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind. Die Samstage gehören damit zu den Werktagen und eine normale Arbeitswoche ohne Feiertage hat somit sechs Werktage. 24 Werktage Urlaub entsprechen daher (24 : 6 =) vier Urlaubswochen. Arbeitet man nur fünf Tage pro Woche, hat man dementsprechend (4 x 5 =) 20 Urlaubstage, arbeitet man vier Tage pro Woche, hat man (4 x 4 =) 16 Urlaubstage usw.
Weder im Europarecht noch im BUrlG ist geregelt, was mit offenen Urlaubsansprüchen passiert, wenn die Arbeitszeit verringert wird, z.B. von fünf auf drei Tage pro Woche, und der Arbeitnehmer aus seiner Teilzeitphase noch Urlaubsansprüche hat. Diese Frage hat der EuGH Mitte 2013 entschieden (Beschluss vom 13.06.2013, C-415/12 - Brandes). Und zwar zugunsten der Arbeitnehmer im dem Sinne, dass der während der längeren Arbeitszeit erworbene Urlaub umzurechnen ist, wenn er während der Teilzeit genommen wird (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 13/186 Urlaub bei Teilzeit).
Wer daher seine Arbeitszeit z.B. von vier auf zwei Tage reduziert und noch eine "Vollzeitwoche Urlaub" (= vier Urlaubstage) offen hat, kann nach der Halbierung seiner Arbeitszeit auf zwei Wochentage zwei "Teilzeitwochen Urlaub" nehmen (= vier Urlaubstage).
Ungeklärt war bislang der umgekehrte Fall einer Verlängerung der Arbeitszeit: Was passiert mit den aus der Teilzeitätigkeit angesparten Resturlaubstagen, wenn sich die Arbeitszeit erhöht? Hier sind zwei Betrachtungsweisen denkbar:
Die aus Arbeitnehmersicht günstige Betrachtungsweise sieht so aus: Wer z.B. vier Tage Urlaub für Zeiten erworben hat, in denen er zwei Tage pro Woche gearbeitet hat, kann (4 : 2 =) zwei Wochen Urlaub beanspruchen. Möchte er diesen Urlaub nehmen, nachdem seine Arbeitszeit auf z.B. fünf Tage erhöht wurde, stehen ihm „ebenso“ zwei Wochen Urlaub wie zuvor zu, nur dass diese zwei Wochen nun (zwei Wochen x fünf Arbeitstage =) zehn bezahlte Urlaubstage ausmachen. Diese Berechnung führt dazu, dass der Arbeitnehmer für "dieselben" zwei Wochen Urlaub das zweieinhalbfache Urlaubsentgelt bekommt, denn der Arbeitgeber müsste zehn statt vier Urlaubstage bezahlen.
Die aus Arbeitnehmersicht weniger günstige Betrachtungsweise sieht so aus: Hat ein Arbeitnehmer während einer Teilzeitbeschäftigung von z.B. zwei Tagen pro Woche einen Anspruch auf vier Urlaubstage erworben und möchte diesen Urlaub nach dem Übergang zur Fünftagewoche nehmen, sind das auch weiterhin nur vier Tage bezahlter Urlaub. Der Arbeitnehmer kann nach dieser Berechnungsweise zwar weniger lange am Stück Urlaub machen, nämlich nur vier Tage bzw. knapp eine Woche statt zwei Wochen, doch bekommt er dasselbe Urlaubsentgelt wie in dem Fall eines Urlaubsantritts vor der Arbeitszeitaufstockung.
Mit Urteil vom 11.11.2015, C-219/14 (Greenfield) hat der Gerichtshof die erste Betrachtungsweise verworfen, d.h. er hat entschieden, dass das Europarecht eine (aus Arbeitnehmersicht günstige) rückwirkende Nachberechnung des Urlaubs nach dem neuen Arbeitsrhythmus des Arbeitnehmers bzw. auf Basis der erhöhten Arbeitszeit nicht verlangt.
Kathleen Greenfield vs. Care Bureau Ltd.: Aufstockung der Arbeitszeit von einer geringfügigen Teilzeit auf Vollzeittätigkeit
In dem aus England stammenden Streitfall hatte eine seit Mitte Juni 2009 beschäftigte Arbeitnehmerin, Kathleen Greenfield, lange Zeit nur einen Tag pro Woche gearbeitet. Da sie einen Urlaubsanspruch von 5,6 Wochen hatte, hätte sie im Sommer 2012 maximal sechs Tage bzw. sechs Wochen Urlaub machen können, erhielt aber im Juni und Juli 2012 sieben Tage bzw. Wochen Urlaub.
Ab August 2012 wurde die Arbeitszeit dann kräftig aufgestockt, nämlich auf sechs Arbeitstage pro Woche bei mehr als 40 Stunden pro Woche.
Als Frau Greenfield im November 2012 weiteren Urlaub beantragte, wies ihr Arbeitgeber, die Care Bureau Ltd., den Antrag unter Verweis auf den bereits im Sommer gewährten Urlaub und auf die Vorschriften des englischen Arbeitsrechts zurück. Denn nach englischem Recht kommt es für die Urlaubsberechnung auf den Arbeitsrhythmus in den letzten zwölf Wochen vor dem Urlaubsantritt an, und da Frau Greenfield in diesen zwölf Wochen eben nur einen Tag pro Woche gearbeitet hatte, war ihr Jahresurlaub von knapp sechs Wochen bzw. Tagen bereits (über-)erfüllt, denn Care hatte ja sieben Wochen bzw. Tage gewährt.
Nachdem Frau Greenfield Ende Mai 2013 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden war, stritten sie und die Care Ltd. vor dem Arbeitsgericht Birmingham über den Umfang der Urlaubsabgeltung. Das Arbeitsgericht setzte den Rechtsstreit aus und fragte den EuGH, ob das Europarecht verlangt, dass bei einer Arbeitszeiterhöhung der zuvor erworbene Urlaub rückwirkend nach der erhöhten Stundenzahl, d.h. zugunsten des Arbeitnehmers neu berechnet werden muss.
EuGH: Bei einer Arbeitszeiterhöhung muss der zuvor erworbene Urlaub nicht rückwirkend nach dem neuen Arbeitsrhythmus bzw. zugunsten des Arbeitnehmers neu berechnet werden
Der EuGH entschied, dass das Europarecht nicht verlangt, während einer Teilzeitphase erworbene Urlaubsansprüche nach Aufstockung der Arbeitszeit zugunsten des Arbeitnehmers neu, d.h. entsprechend der verlängerten Arbeitszeit zu berechnen. Allerdings verbietet das Europarecht eine solche, für Arbeitnehmer günstige Berechnungsweise auch nicht.
Zur Begründung verweist der Gerichtshof auf seine bisherige Rechtsprechung zum Thema Urlaub, unter anderem auf seinen Beschluss vom 13.06.2013, C-415/12 (Brandes). Danach steht die
"Inanspruchnahme des Jahresurlaubs zu einer späteren Zeit als dem Zeitraum, in dem die Ansprüche entstanden sind, in keiner Beziehung zu der in dieser späteren Zeit vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitszeit" (Urteil, Rn.33)
Soll heißen: Der Urlaubsanspruch ist im Falle einer Arbeitszeitverringerung getrennt von dem bereits zuvor auf Vollzeitbasis entstandenen Urlaubsanspruch zu betrachte, so dass eine Kürzung von Urlaubstagen und/oder des Urlaubsentgelts beim Urlaubsantritt nach der Arbeitszeitverringerung nicht zulässig ist. Das bedeutet aber umgekehrt für die hier zu entscheidende Konstellation einer Arbeitszeiterhöhung, dass der Arbeitnehmer auch keine finanzielle Aufwertung seiner vor der Arbeitszeiterhöhung erworbenen Urlaubsansprüche verlangen kann.
Ergänzend stellt der Gerichtshof klar, dass infolge der streng zu trennenden Betrachtung von Urlaubsansprüchen vor und nach einer Arbeitszeitveränderung eine Arbeitszeiterhöhung während des Urlaubsjahres zu einer teilweisen "Nachberechnung" von Urlaubstagen führen muss, nämlich für die Zeit nach der Arbeitszeiterhöhung (Urteil, Rn.43).
Diese Klarstellung wirkte sich hier im Streitfall zugunsten von Frau Greenfield aus, denn das Urlaubsjahr beginnt nach englischem Recht mit dem Beginn der Beschäftigung, im Fall Frau Greenfields also mit dem 15. Juni. Daher argumentierte Care, Frau Greenfield habe ihren gesamten Jahresurlaub für 2012/2013 bereits mit den sieben Tagen Urlaub im Juni und Juli 2012 verbraucht, kam damit beim EuGH aber nicht durch. Denn obwohl eine rückwirkende Urlaubsneuberechnung für die Zeit vor einer Arbeitszeitaufstockung laut EuGH nicht vorgeschrieben ist, ist eine solche Neuberechnung für die Zeit ab einer Arbeitszeiterhöhung sehr wohl vorzunehmen, und zwar auf Basis der erhöhten Arbeitszeit. Der Neuberechnungszeitraum war hier im Streitfall die Zeit von August 2012 bis zum Austritt Ende Mai 2013.
Fazit: Ebenso wie ein Wechsel von Vollzeit in Teilzeit nach europäischem Recht nicht zu einer Verminderung oder finanziellen Entwertung des bereits entstandenen Urlaubsanspruchs führen darf, sieht das Europarecht für den umgekehrten Fall einer Arbeitszeiterhöhung nicht zwingend vor, dass Teilzeiturlaubsansprüche nachträglich zugunsten des Arbeitnehmers aufgewertet werden müssten. Die während einer Teilzeitbeschäftigung erworbenen Urlaubstage bleiben vielmehr unverändert erhalten. Das gilt auch für die Anwendung des BUrlG auf entsprechende Fälle.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 11.11.2015, C-219/14 (Kathleen Greenfield gg. The Care Bureau Ltd)
- Europäischer Gerichtshof, Beschluss vom 13.06.2013, C-415/12 (Brandes)
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- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub, Urlaubsanspruch
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Letzte Überarbeitung: 12. Juli 2020
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