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Urlaub bei Teilzeit
30.06.2013. In einem aktuellen Beschluss hat sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) wieder einmal zum Urlaubsrecht geäußert und erneut die Rechte der Arbeitnehmer beim Thema Urlaub gestärkt.
Diesmal ging es um die Frage, wie Resturlaubsansprüche, die der Arbeitnehmer während seiner Vollzeittätigkeit erworben hat, in Urlaubstage umzurechnen sind, wenn der Arbeitnehmer mittlerweile in Teilzeit arbeitet und seinen Vollzeit-Resturlaub daher während seiner Teilzeitbeschäftigung nehmen möchte.
Laut EuGH darf es nicht dazu kommen, dass Arbeitnehmer infolge einer Arbeitszeitverringerung die während ihrer Vollzeittätigkeit bereits erworbenen Urlaubsansprüche verlieren: EuGH, Beschluss vom 13.06.2013, C-415/12 (Brandes).
- Was geschieht mit dem Resturlaub nach einer Verringerung der Arbeitszeit?
- Der Fall Bianca Brandes: Nach Mutterschutz und Elternzeit Kürzung des Resturlaubs um 12 Tage?
- EuGH: Arbeitnehmer dürfen durch den Wechsel von Vollzeit zu Teilzeit keine während der Vollzeittätigkeit erworbenen Urlaubsansprüche verlieren
Was geschieht mit dem Resturlaub nach einer Verringerung der Arbeitszeit?
Das Europarecht sieht vor, dass jeder Arbeitnehmer das Recht auf einen bezahlten Jahresurlaub von mindestens vier Wochen hat (Art.31 Abs.2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12.12.2007 i.V.m. Art.7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung - Arbeitszeitrichtlinie).
Auch nach deutschem Recht stehen jedem Arbeitnehmer pro Kalenderjahr vier Wochen bezahlter Erholungsurlaub zu, vgl. § 1 und § 3 Abs.1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Genauer gesagt sind es 24 Werktage, wobei als „Werktage“ alle Kalendertage gelten, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind. Eine Woche ohne gesetzliche Feiertage hat somit sechs Werktage.
Der vierwöchige gesetzliche Mindesturlaub in Deutschland ergibt sich daher erst aus einer Umrechnung: Rechnet man die im BUrlG vorgeschriebenen 24 Werktage in Wochen um, ergeben sich (24 : 6 =) vier Wochen Urlaub. Arbeitnehmer, die weniger als sechs Tage pro Woche arbeiten, müssen diese vier Wochen dann wieder mit der Anzahl ihrer wöchentlichen Arbeitstage multiplizieren, um auf ihre Urlaubstage zu kommen. So hat man z.B. bei einer Fünf-Tage-Woche einen gesetzlichen Urlaub von (4 Wochen x 5 Arbeitstage =) 20 Arbeitstagen.
Im Gesetz nicht geregelt ist die Frage, wie offener Resturlaub beim Übergang von Vollzeit zu Teilzeit umzurechnen ist. Was passiert mit dem Resturlaub, den ein Arbeitnehmer während einer vollzeitigen (fünftägigen) Beschäftigungszeit erworben, aber nicht genommen hat, wenn seine Arbeitszeit auf einen Teilzeitumfang verringert wird? Hier gibt es zwei Betrachtungsweisen:
Die für den Arbeitnehmer ungünstige Umrechnung funktioniert so: Wer z.B. 30 Tage Resturlaub aus Vollzeit-Zeiten hat, hat damit in Wochen ausgedrückt noch (30 : 5 =) sechs Wochen Resturlaub. Möchte er diesen nehmen, nachdem seine Arbeitszeit auf einen Teilzeitumfang von drei Tage pro Woche verringert worden ist, stehen ihm „ebenso“ sechs Wochen Urlaub wie zuvor zu, nur dass diese sechs Wochen eben (6 Wochen x 3 Arbeitstage =) 18 Urlaubstage ausmachen. Dementsprechend geringer fällt das Urlaubsentgelt aus, d.h. es werden nur 18 statt 30 Tage Urlaub bezahlt.
Die für den Arbeitnehmer günstige Berechnung sieht so aus: Der Arbeitnehmer hat in der Zeit seiner vollzeitigen Beschäftigung einen Anspruch auf 30 Tage bezahlte Freistellung bzw. auf 30 „echte“ Urlaubstage erworben. Wenn er diesen Resturlaub nun nach dem Übergang zur Teilzeit bzw. zur Dreitage-Woche nimmt, hat er einen Anspruch auf (30 : 3 =) zehn Wochen Urlaub. Aufgrund des größeren „Resturlaubskontos“ kann er während seiner Teilzeitbeschäftigung dementsprechend länger Urlaub machen, wodurch er aber finanziell im Ergebnis nicht besser steht.
Das Arbeitsgericht Nienburg vertrat in einem Beschluss vom September letzten Jahres die Auffassung, dass die für den Arbeitnehmer ungünstige Umrechnungsmethode gegen das Europarecht verstößt und legte daher dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, wie diese Umrechnung vorzunehmen ist (Arbeitsgericht Nienburg, Beschluss vom 04.09.2012, 2 Ca 257/12 Ö, wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 12/350 Höhe des Urlaubsanspruchs beim Wechsel von Voll- in Teilzeit).
Dabei stützte sich das Arbeitsgericht Nienburg auf die ständige Rechtsprechung des EuGH, der zufolge der Anspruch auf einen mindestens vierwöchigen bezahlten Urlaub ein besonders wichtiger Grundsatz des Sozialrechts der Europäischen Union ist. Dieser Anspruch soll es dem Arbeitnehmer ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen, was nach der EuGH-Rechtsprechung insbesondere auch dann gilt, wenn er seinen erworbenen Jahresurlaub erst in einem späteren Jahr nehmen kann.
Und da die für den Arbeitnehmer ungünstige Umrechnung des Resturlaubs beim Wechsel von Vollzeit zur Teilzeit ihm seinen bereits erworbenen Urlaub wegknapst, verstößt sie gegen Art.7 der Richtlinie 2003/88/EG, so jedenfalls das Arbeitsgericht Nienburg.
Über die Vorlage des Arbeitsgerichts Nienburg hat nunmehr vor zwei Wochen der EuGH entschieden: EuGH, Beschluss vom 13.06.2013, Rechtssache C-415/12 (Brandes ./. Land Niedersachsen).
Der Fall Bianca Brandes: Nach Mutterschutz und Elternzeit Kürzung des Resturlaubs um 12 Tage?
Die klagende Arbeitnehmerin, Frau Bianca Brandes, war zunächst vollzeitig in einer Fünf-Tage-Woche beschäftigt. Im Jahr 2010 konnte sie wegen eines schwangerschaftsbedingten Beschäftigungsverbotes und während der Zeiten ihres Mutterschutzes 22 Urlaubstage nicht nehmen. Ab Mitte Dezember 2011 arbeitete sie nur noch im hälftigen Umfang, und zwar drei Tage pro Woche. Zu dieser Zeit waren weitere sieben Arbeitstage Urlaub offen.
Daher wollte Frau Brandes gerichtlich feststellen lassen, dass aus 2010 und 2011 insgesamt 29 Arbeitstage Urlaub in das Jahr 2012 übertragen wurden. Ihr Arbeitgeber, das Land Niedersachsen, nahm die Umrechnung aber in der oben beschriebenen, d.h. für den Arbeitnehmer ungünstigen Weise vor.
Dem Land Niedersachsen zufolge müssen die 29 Arbeitstage Urlaub aus der Vollzeit durch die damaligen fünf Arbeitstage geteilt, d.h. in Wochen umgerechnet und mit der neuen Zahl der Arbeitstage, d.h. mit drei, multipliziert werden. Abgerundet würden der Klägerin damit 17 Arbeitstage Urlaub zustehen, immerhin 12 weniger als von ihr errechnet.
EuGH: Arbeitnehmer dürfen durch den Wechsel von Vollzeit zu Teilzeit keine während der Vollzeittätigkeit erworbenen Urlaubsansprüche verlieren
Der EuGH entschied die Fragen des Arbeitsgerichts Nienburg so, wie auch das Arbeitsgericht sie beantworten würde. Eine zeitanteilige Kürzung des während einer Vollzeitbeschäftigung erworbenen Urlaubs aufgrund des Übergangs von Vollzeit zu Teilzeit verstößt gegen das Unionsrecht, d.h. „insbesondere“ gegen Art.7 der Richtlinie 2003/88/EG.
Dabei beruft sich der Gerichtshof auf eine Entscheidung aus dem Jahre 2010, die einen österreichischen Vorlagefall betraf (EuGH, Urteil vom 22.04.2010, C-486/08 - Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols).
Bereits in diesem Urteil hatte der EuGH klargestellt, dass der Übergang von Vollzeit zu Teilzeit weder den Urlaubsanspruch reduzieren noch dazu führen darf, dass der Arbeitnehmer den bereits erworbenen Urlaub nur mit geringerem Urlaubsentgelt verbrauchen kann. Allerdings lag dem österreichischen Fall eine Urlaubsberechnung in Stunden zugrunde, die sich von der deutschen Berechnung nach Tagen unterscheidet, so dass das o.g. EuGH-Urteil aus dem Jahre 2010 nicht ohne weiteres auf das deutsche Urlaubsrecht zu übertragen ist.
Fazit: Da die Aussagen des EuGH nur für denjenigen Teil des Urlaubs gelten, der vom Europarecht zwingend vorgeschrieben ist, d.h. für den vierwöchigen Mindesturlaub, können Arbeits- und Tarifverträge für darüber hinausgehende Urlaubsansprüche weiterhin eine abweichende Berechnungsweise vorsehen, d.h. eine Berechnungsweise entsprechend der vom Land Niedersachsen vertretenen Ansicht.
Für die Anwendung des BUrlG und den darin festgeschriebenen Mindesturlaub ist allerdings künftig die vom EuGH geforderte Berechnungsweise verbindlich. Denn das BUrlG enthält für die Umrechnung des Resturlaubs beim Übergang von Vollzeit zu Teilzeit gar keine konkreten Regelungen vor, so dass einer Umsetzung des Europarechts hier nichts entgegensteht.
Im übrigen sind Arbeits- und Tarifverträge, wenn sie nicht ausnahmsweise einmal ausdrückliche Vorschriften zur Umrechnung von Resturlaub enthalten, so zu verstehen, dass die zusätzlichen Urlaubstage den verfahrensrechtlichen Regelungen des BUrlG unterstehen sollen. Im Ergebnis heißt das, dass praktisch in allen Fällen künftig die vom EuGH geforderte Umrechnungsmethode maßgeblich ist. Die gegenteiligen Aussagen eines Urteils des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Jahre 1998 (BAG, Urteil vom 28.04.1998, 9 AZR 314/97) sind damit überholt.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Beschluss vom 13.06.2013, C-415/12 (Brandes)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 22.04.2010, C-486/08 (Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols)
- Arbeitsgericht Nienburg, Beschluss vom 04.09.2012, 2 Ca 257/12 Ö
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.04.1998, 9 AZR 314/97
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitszeitverringerung
- Handbuch Arbeitsrecht: Teilzeitbeschäftigung (Teilzeitarbeit, Teilzeit)
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub, Urlaubsanspruch
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub und Krankheit
- Arbeitsrecht aktuell: 18/309 Überstundenzuschläge bei Teilzeitarbeit
- Arbeitsrecht aktuell: 16/031 Urlaubsanspruch bei Wechsel von Teilzeit in Vollzeit
- Arbeitsrecht aktuell: 15/042 Keine Urlaubskürzung bei Teilzeitarbeit
- Arbeitsrecht aktuell: 13/197 Anspruch auf Teilzeit
- Arbeitsrecht aktuell: 12/350 Höhe des Urlaubsanspruchs beim Wechsel von Voll- in Teilzeit
- Arbeitsrecht aktuell: 11/234 Urlaub und Krankheit: Krankheitsbedingt nicht genommener Urlaub kann nach 15 Monaten verfallen
- Arbeitsrecht aktuell: 09/057 Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes entsprechend dem Schultz-Hoff-Urteil des EuGH
Letzte Überarbeitung: 4. Juni 2019
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