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BAG, Ur­teil vom 28.04.1998, 9 AZR 314/97

   
Schlagworte: Urlaub: Teilzeit, Teilzeit, Arbeitszeit
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 314/97
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 28.04.1998
   
Leitsätze:

1. Ändert sich im Verlauf eines Kalenderjahres die Verteilung der Arbeitszeit auf weniger oder auch auf mehr Arbeitstage einer Kalenderwoche, verkürzt oder verlängert sich entsprechend die Dauer des dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubs. Sie ist dann jeweils unter Berücksichtigung der nunmehr für den Arbeitnehmer maßgeblichen Verteilung seiner Arbeitszeit neu zu berechnen. Das trifft auch für einen auf das folgende Urlaubsjahr übertragenen Resturlaub zu, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des folgenden Jahres in Teilzeit beschäftigt ist.

2. § 48 Abs 4 Unterabs 4 BAT-KF ist nur auf die Berechnung eines Urlaubsanspruchs während des Kalenderjahres anzuwenden. Wird die Verteilung der Arbeitszeit im Übertragungszeitraum geändert, ist die Dauer des dem Arbeitnehmer zustehenden Resturlaubs unter Zugrundelegung der Regelungen im BUrlG neu zu bestimmen.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Oberhausen, Urteil vom 17.09.1996, 3 Ca 1635/96
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 7.01.1997, 8 (18) Sa 1586/96
   

9 AZR 314/97
8 (18) Sa 1586/96 Düssel­dorf


Verkündet am

28. April 1998

Brüne,
Reg. Ober­se­kretärin

als Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le


Im Na­men des Vol­kes!

Ur­teil

In Sa­chen

pp.
 


hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 28. April 1998 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter Prof. Dr. Lei­ne­mann, den Rich­ter Düwell und die Rich­te­rin Rei­ne­cke so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Ot­to und Dr. Klos­terk­em­per für Recht er­kannt:
 


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Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 7. Ja­nu­ar 1997 - 8 (18) Sa 1586/96 - auf­ge­ho­ben.
Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ober­hau­sen vom 17. Sep­tem­ber 1996 - 3 Ca 1635/96 - wird zurück­ge­wie­sen.

Die Kläge­rin hat die Kos­ten der Be­ru­fung und der Re­vi­si­on zu tra­gen.


Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand:

Die 1961 ge­bo­re­ne Kläge­rin ist seit dem 1. Ju­li 1988 bei der Be­klag­ten als Kran­ken­schwes­ter tätig. Auf das Ar­beits­verhält­nis sind die Be­stim­mun­gen des Bun­des-An­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trags (BAT-KF) und der an­de­ren für den öffent­li­chen Dienst im Land Nord­rhein-West­fa­len ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge in der für die An­ge­stell­ten im Be­reich der evan­ge­li­schen Kir­che im Rhein­land je­weils gel­ten­den Fas­sung an­zu­wen­den.


Die Ur­laubs­be­stim­mun­gen im BAT-KF lau­ten u.a.:

„§47
Er­ho­lungs­ur­laub


(1) Der An­ge­stell­te erhält in je­dem Ur­laubs­jahr Er­ho­lungs­ur­laub un­ter Zah­lung der Ur­laubs­vergütung. Ur­laubs­jahr ist das Ka­len­der­jahr.

...


(7) Der Ur­laub ist spätes­tens bis zum En­de des Ur­laubs­jah­res an­zu­tre­ten.

Kann der Ur­laub bis zum En­de des Ur­laubs­jah­res nicht an­ge­tre­ten wer­den, ist er bis zum 30. April des fol­gen­den Ur­laubs­jah­res an­zu­tre­ten. Kann der Ur­laub aus dienst­li­chen oder
 


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be­trieb­li­chen Gründen ... nicht bis zum 30. April an­ge­tre­ten wer­den, ist er bis zum 30. Ju­ni an­zu­tre­ten....

§ 48
Dau­er des Er­ho­lungs­ur­laubs

(1) Der Er­ho­lungs­ur­laub des An­ge­stell­ten, des­sen durch­schnitt­li­che re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit auf fünf Ar­beits­ta­ge in der Ka­len­der­wo­che ver­teilt ist (Fünf­ta­ge­wo­che), beträgt in der Vergütungs­grup­pe ... Kr XIII bis Kr I ... bis zum voll­ende­ten 40. Le­bens­jahr 29 Ar­beits­ta­ge.


(4) Ar­beits­ta­ge sind al­le Ka­len­der­ta­ge, an de­nen der An­ge­stell­te dienst­planmäßig oder be­triebsüblich zu ar­bei­ten hat oder zu ar­bei­ten hätte, mit Aus­nah­me der auf Ar­beits­ta­ge fal­len­den ge­setz­li­chen Fei­er­ta­ge, für die kein Frei­zeit­aus­gleich gewährt wird. En­det ei­ne Ar­beits­schicht nicht an dem Ka­len­der­tag, an dem sie be­gon­nen hat, gilt als Ar­beits­tag der Ka­len­der­tag, an dem die Ar­beits­schicht be­gon­nen hat.

Ist die durch­schnitt­li­che re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit re­gelmäßig oder dienst­planmäßig im Durch­schnitt des Ur­laubs­jah­res auf mehr als fünf Ar­beits­ta­ge in der Ka­len­der­wo­che ver­teilt, erhöht sich der Ur­laub für je­den zusätz­li­chen Ar­beits­tag im Ur­laubs­jahr um 1/260 des Ur­laubs nach Ab­satz 1 zuzüglich ei­nes et­wai­gen Zu­satz­ur­laubs ***).


Ist die durch­schnitt­li­che re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit re­gelmäßig oder dienst­planmäßig im Durch­schnitt des Ur­laubs­jah­res auf we­ni­ger als fünf Ar­beits­ta­ge in der Ka­len­der­wo­che ver­teilt, ver­min­dert sich der Ur­laub für je­den zusätz­li­chen ar­beits­frei­en Tag im Ur­laubs­jahr um 1/260 des Ur­laubs nach Ab­satz 1 zuzüglich ei­nes et­wai­gen Zu­satz­ur­laubs***).


Wird die Ver­tei­lung der durch­schnitt­li­chen re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit während des Ur­laubs­jah­res auf Dau­er oder jah­res­zeit­lich be­dingt vorüber­ge­hend geändert, ist die Zahl der Ar­beits­ta­ge zu­grun­de zu le­gen, die sich er­ge­ben würde, wenn die für die Ur­laubs­zeit maßge­ben­de Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit für das gan­ze Ur­laubs­jahr gel­ten würde.


Die Kläge­rin war bis zum 31. De­zem­ber 1995 in der 5-Ta­ge­wo­che voll­zeit-
 


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nat­lich im Wech­sel­dienst nach Dienst­plan. Ih­re Ar­beits­zeit ist nun­mehr auf we­ni­ger als 5 Ar­beits­ta­ge in der Ka­len­der­wo­che ver­teilt.


Die Kläge­rin hat­te den Er­ho­lungs­ur­laub von ins­ge­samt 29 Ar­beits­ta­gen für das Jahr 1995 mit Aus­nah­me von zehn Ur­laubs­ta­gen er­hal­ten. Den Rest­ur­laub, den sie nicht vor Jah­res­en­de hat­te an­tre­ten können, be­an­trag­te die Kläge­rin für die Zeit vom 1. bis 4. Fe­bru­ar 1996 (vier Ta­ge), 12. und 13. Fe­bru­ar 1996 (zwei Ta­ge) und vom 1. bis 4. März 1996 (vier Ta­ge). Nach der Gewährung des Ur­laubs für die bei­den ers­ten Zeiträume teil­te die Be­klag­te der Kläge­rin En­de Fe­bru­ar 1996 mit, auf­grund der Ar­beits­zeitände­rung sei der Ur­laub nach § 48 Abs. 4 Un­terabs. 4 BAT-KF neu zu be­rech­nen. Der über­tra­ge­ne Ur­laub be­tra­ge da­her nicht zehn, son­dern nur fünf Ta­ge. Der für den 13. Fe­bru­ar 1996 gewähr­te Ur­laubs­tag wer­de des­halb auf den Ur­laubs­an­spruch für das Jahr 1996 an­ge­rech­net.


Da­mit ist die Kläge­rin nicht ein­ver­stan­den. Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihr vier Ta­ge Rest­ur­laub aus dem Jahr 1995 zu gewähren,

2. ihr ei­nen zusätz­li­chen Ur­laubs­tag aus dem Jahr 1996 zu gewähren,

hilfs­wei­se,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 930,65 DM brut­to nebst 4 % Zin­sen seit Klag­zu­stel­lung zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Be­klag­te ver­ur­teilt, der Kläge­rin ei­nen zusätz­li­chen Ur­laubs­tag aus dem Jah­re 1996 zu gewähren und hat im übri­gen die Kla­ge
 


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ab­ge­wie­sen. Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts ab­geändert und die Be­klag­te ver­ur­teilt, a) der Kläge­rin vier Ta­ge Rest­ur­laub aus dem Jah­re 1995 zu gewähren, b) der Kläge­rin ei­nen zusätz­li­chen Ur­laubs­tag aus dem Jah­re 1996 zu gewähren. Hier­ge­gen wen­det sich die Be­klag­te mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on. Die Kläge­rin bit­tet, die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.


Ent­schei­dungs­gründe:

Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist be­gründet.


I. Der Kläge­rin steht ge­gen die Be­klag­te kein aus dem Jah­re 1995 über­tra­ge­ner Rest­ur­laub zu. In­fol­ge der Ände­rung ih­rer Ar­beits­ver­tei­lung seit 1. Ja­nu­ar 1996 ha­ben sich die ihr als Rest­ur­laub noch zu­ste­hen­den Ur­laubs­ta­ge auf fünf Ta­ge ver­min­dert. Die­sen Ur­laub hat sie vom 1. bis 4. Fe­bru­ar 1996 und am 12. Fe­bru­ar 1996 er­hal­ten.


1. Der Ur­laubs­an­spruch der Kläge­rin rich­tet sich nach den Vor­schrif­ten des BAT-KF. Nach §§ 47, 48 BAT-KF stan­den ihr für das Jahr 1995 29 Ur­laubs­ta­ge zu. Da­von hat­te ihr die Be­klag­te in die­sem Jahr ins­ge­samt 19 Ta­ge gewährt. Die wei­te­ren Ur­laubs­ta­ge, die sie nicht vor Jah­res­en­de hat­te an­tre­ten können, hat die Be­klag­te zu­tref­fend we­gen der seit 1. Ja­nu­ar 1996 veränder­ten Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit neu be­rech­net.


Da die Par­tei­en über die Rich­tig­keit der Be­rech­nung nicht strei­ten, be­darf es hierüber kei­ner Erwägun­gen des er­ken­nen­den Se­nats. Zu ent­schei­den ist nur noch darüber, ob der Ur­laubs­an­spruch nur im Ur­laubs­jahr ent­spre­chend der je­weils maß-
 


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geb­li­chen Ver­tei­lung der ar­beitstägli­chen Ar­beits­zeit um­zu­rech­nen ist, nicht aber im Über­tra­gungs­zeit­raum, wie die Kläge­rin in Übe­rein­stim­mung mit dem Lan­des­ar­beits­ge­richt an­nimmt.


2. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat un­ter Hin­weis auf § 48 Abs. 4 Un­terabs. BAT-KF aus­geführt, daß die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in die­ser Be­stim­mung nur ge­re­gelt ha­ben, wie die Ur­laubs­dau­er für ei­nen Ar­beit­neh­mer bei ei­ner Ände­rung der Ar­beits­zeit­ver­tei­lung während des Ur­laubs­jah­res zu be­stim­men ist. Das trifft zu.


Im Ge­gen­satz zur Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts ist dar­aus aber nicht zu schließen, daß die Ur­laubs­dau­er im Über­tra­gungs­zeit­raum bei ei­ner Verände­rung der Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit un­verändert bleibt. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt meint, dies dar­aus her­lei­ten zu können, daß sich der über­tra­ge­ne Ur­laub hin­sicht­lich sei­ner Länge nach dem Ent­ste­hungs­jahr rich­te. Das trifft nicht zu.


Was das Lan­des­ar­beits­ge­richt als ur­laubs­recht­li­chen Grund­satz erklärt, ist ein Satz aus ei­nem ar­beits­recht­li­chen Hand­buch (vgl. Schaub, Ar­beits­rechts-Hand­buch, 8. Aufl., § 102 V 5 c S. 883), für den we­der dort noch im Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts ei­ne Be­gründung ge­ge­ben wird. Er ent­spricht nicht den für den Ur­laubs­an­spruch maßgeb­li­chen recht­li­chen Be­stim­mun­gen des Bun­des­ur­laubs­ge­set­zes. Ent­ge­gen die­sem ver­meint­li­chen Grund­satz rich­tet sich die in­di­vi­du­el­le Dau­er des ei­nem Ar­beit­neh­mer zu­ste­hen­den Ur­laubs nicht nach be­reits er­brach­ten Ar­beits­leis­tun­gen oder nach be­reits er­le­dig­ten Ver­tei­lun­gen der Ar­beits­zeit, son­dern viel­mehr nach der im Bun­des­ur­laubs­ge­setz (und eben­so in dem hier maßgeb­li­chen Ta­rif­ver­trag) für den Ar­beit­neh­mer je­weils maßgeb­li­chen Ar­beits­zeit­ver­tei­lung, al­so der vom Ar­beit­neh­mer an den Ar­beits­ta­gen zu er­brin­gen­den Dienst­leis­tun­gen, weil
 


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nach § 1 und § 3 BUrIG für die ge­setz­li­che Ur­laubs­dau­er ei­ne Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit auf sechs Werk­ta­ge zu­grun­de ge­legt ist. Da­von ab­wei­chend ist die ta­rif­li­che Ur­laubs­dau­er nach § 48 Abs. 1 BAT-KF auf ei­nen An­ge­stell­ten be­zo­gen, des­sen Ar­beits­zeit auf fünf Ar­beits­ta­ge in der Ka­len­der­wo­che ver­teilt ist.


3. Aus wel­chem Grund für den Über­tra­gungs­zeit­raum nach dem Bun­des­ur­laubs­ge­setz ei­ne Um­rech­nung auf die nun­mehr maßgeb­li­che Ar­beits­zeit aus­ge­schlos­sen sein könn­te, ist nicht er­sicht­lich. Der Ur­laubs­an­spruch ist im Über­tra­gungs­zeit­raum - ab­ge­se­hen von ei­ner wei­te­ren Be­fris­tung so­wie dem Ent­fal­len der be­son­de­ren Aus­nah­me­tat­bestände nach § 7 Abs. 2 Satz 1 BUrIG - mit dem Ur­laubs­an­spruch im Ur­laubs­jahr iden­tisch. Da­mit gibt es für ei­nen Grund­satz, wie ihn das Lan­des­ar­beits­ge­richt auf­ge­stellt hat, kei­nen An­halts­punkt.

4. Zu Un­recht hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt außer­dem an­ge­nom­men, daß ei­ne Neu­be­rech­nung ent­spre­chend der im Über­tra­gungs­zeit­raum maßgeb­li­chen Ar­beits­zeit­ver­tei­lung aus­schei­de, weil die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en hier­zu kei­ne Re­ge­lung ge­trof­fen ha­ben.


Da­mit über­geht das Lan­des­ar­beits­ge­richt, daß Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zwar nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrIG be­rech­tigt, aber nicht ver­pflich­tet sind, vom Bun­des­ur­laubs­ge­setz in dem für sie eröff­ne­ten Rah­men ab­wei­chen­de Re­ge­lun­gen zu tref­fen.


Ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en dies un­ter­las­sen, ist von der ge­setz­li­chen Re­ge­lung auch für den ta­rif­li­chen Ur­laubs­an­spruch aus­zu­ge­hen (vgl. z.B. BAG Ur­teil vom 18. Ok­to­ber 1990 - 8 AZR 490/89 - BA­GE 66, 134 - AP Nr. 56 zu § 7 BUrIG Ab­gel­tung, m.w.N.). Die auch vom Lan­des­ar­beits­ge­richt an­ge­spro­che­ne Fra­ge nach
 


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ei­ner mögli­chen Lückenfüllung in Ta­rif­verträgen be­ant­wor­tet sich da­her für ur­laubs-recht­li­che Re­ge­lun­gen von selbst: Ent­we­der ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mit ih­rem Re­ge­lungs­werk die Be­stim­mun­gen des BUrIG wirk­sam aus­ge­schlos­sen, oder es sind die Vor­schrif­ten die­ses Ge­set­zes an­zu­wen­den, wenn dem Ta­rif­ver­trag kein an­de­res ta­rif­li­ches Re­ge­lungs­ziel zu ent­neh­men ist (vgl. BAG Ur­teil vom 18. Ok­to­ber 1990 - 8 AZR 490/89 - BA­GE 66, 134, 138 = AP, aaO; Lei­ne­mann/Linck, Ur­laubs-recht, § 13 BUrIG Rz 7).


Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ha­ben für den Über­tra­gungs­zeit­raum kei­ne Be­rech­nungs­re­ge­lun­gen ge­trof­fen. Ob und wel­che Be­stim­mun­gen sie ggf. ver­ein­bart hätten, ist man­gels ei­nes An­halts­punk­tes nicht fest­stell­bar. Da­her sind in­so­weit für die Be­rech­nung des der Kläge­rin noch zu­ste­hen­den Rest­ur­laubs die Re­ge­lun­gen im Bun­des­ur­laubs­ge­setz an­zu­wen­den. Ei­ne Um­rech­nung ent­spre­chend der Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit ist da­her durch den Ta­rif­ver­trag nicht aus­ge­schlos­sen. Ei­ner Re­ge­lung durch die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en be­durf­te des hier­zu ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht. Das schließt nicht aus, daß die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en auch ei­ne an­de­re Re­ge­lung hätten tref­fen können.


5. Nach den §§ 1, 3, 7 BUrIG ist - wie be­reits dar­ge­legt (vgl. oben 13) - auch im Über­tra­gungs­zeit­raum die Ur­laubs­dau­er ent­spre­chend der während die­ser Zeit maßgeb­li­chen Ar­beits­zeit­ver­tei­lung zu be­stim­men. Ein Grund, von der für den im Ur­laubs­jahr nach §§ 1, 3 BUrIG maßgeb­li­chen Um­rech­nung nach § 7 BUrIG für den Über­tra­gungs­zeit­raum ab­zu­wei­chen, ist nicht er­sicht­lich.


Da die Par­tei­en über die Be­rech­nung der Be­klag­ten nicht strei­ten und die Kläge­rin nur mit ei­ner Ver­min­de­rung der Zahl der ihr zu gewähren­den Ur­laubs­ta­ge
 


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ins­ge­samt nicht ein­ver­stan­den ist, be­darf es kei­ner Ausführun­gen des Se­nats, ob sich Un­ter­schie­de in der Be­rech­nung auf­grund der nach dem Bun­des­ur­laubs­ge­setz zu be­ach­ten­den Merk­ma­le er­ge­ben.


6. Das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts er­weist sich auch nicht aus an­de­ren Gründen als rich­tig. Zu Un­recht hat die Kläge­rin im Ver­fah­ren vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt gel­tend ge­macht, daß ei­ne Um­rech­nung ih­res An­spruchs im Über­tra­gungs­zeit­raum ge­gen das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot nach Art. 119 EG-Ver­trag bzw. nach Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG ver­s­toße.


Die Kläge­rin über­sieht, daß die Um­rech­nung ih­res Ur­laubs­an­spruchs al­lein dar­auf be­ruht, daß die Dau­er des ta­rif­li­chen An­spruchs von der im Ta­rif­ver­trag zu­grun­de ge­leg­ten Ar­beits­zeit abhängt (§ 48 Abs. 1 BAT-KF) und sich die Ver­tei­lung ih­rer Ar­beits­zeit ge­genüber ih­rer bis­he­ri­gen Ar­beits­zeit geändert hat. Die­se Ände­rung be­ruht auf der von der Kläge­rin be­gehr­ten Neu­fest­set­zung ih­rer Ar­beits­zeit seit 1. Ja­nu­ar 1996. Die durch ei­ne Ände­rung der Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit be­ding­te Ände­rung der Zahl der Ur­laubs­ta­ge ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin kei­nes­wegs auf Teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­se be­schränkt, son­dern in al­len Ar­beits­verhält­nis­sen mit ei­ner Ar­beits­zeit, de­ren Ver­tei­lung von der im Ta­rif­ver­trag ge­nann­ten ab­weicht, möglich. Wird die Ar­beits­zeit auf mehr Ar­beits­ta­ge ei­ner Wo­che, als im Ta­rif-ver­trag vor­ge­se­hen, ver­teilt, erhöht sich ent­spre­chend die Zahl der Ur­laubs­ta­ge.


Die Auf­fas­sung der Kläge­rin, ihr trotz Ver­rin­ge­rung ih­rer Ar­beits­ta­ge den Ur­laub zu gewähren, den nur ein An­ge­stell­ter bei ei­ner Ver­tei­lung sei­ner Ar­beits­zeit auf fünf Ar­beits­ta­ge ver­lan­gen kann, be­deu­tet da­her, daß sie ei­ne Begüns­ti­gung für sich ge­genüber sol­chen Ar­beit­neh­mern be­gehrt. Da­her ist die Auf­fas­sung der Kläge­rin
 


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schon im An­satz nicht zu­tref­fend. Für ei­ne Be­nach­tei­li­gung, wie sie von der Kläge­rin be­haup­tet wird, fehlt es im übri­gen an ei­nem aus­rei­chen­den Tat­sa­chen­vor­trag. Die Kläge­rin hat nämlich nicht dar­ge­legt, in wel­chem Um­fang nach ih­rer Auf­fas­sung Teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­se von der Ta­rif­re­ge­lung ne­ga­tiv be­trof­fen sind und um wel­che Zahl von Teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­sen weib­li­cher An­ge­stell­ter es sich da­bei im Un­ter­schied zu männ­li­chen An­ge­stell­ten han­delt. In der Re­vi­si­ons­in­stanz hat die Kläge­rin ihr Vor­brin­gen hier­zu nicht wie­der­holt.


7. Die von der Be­klag­ten be­rech­ne­ten Ur­laubs­ta­ge hat die Kläge­rin er­hal­ten. Der Ur­laubs­an­spruch für das Jahr 1995 ist da­mit durch Erfüllung er­lo­schen. Das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts zu die­sem An­trag ist da­her auf­zu­he­ben und die Be­ru­fung ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts zurück­zu­wei­sen.

II. Das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts war auch im übri­gen auf­zu­he­ben. So­weit das Lan­des­ar­beits­ge­richt ent­schie­den hat, daß die Be­klag­te ver­ur­teilt wird, der Kläge­rin ei­nen zusätz­li­chen Ur­laubs­tag aus dem Jah­re 1996 zu gewähren, hat es über­se­hen, daß über die­sen An­trag be­reits das Ar­beits­ge­richt rechts­kräftig ent­schie­den hat, weil die mit die­ser Ent­schei­dung be­las­te­te Be­klag­te kei­ne Be­ru­fung ein­ge­legt hat, und auch nicht ein­le­gen konn­te. Der gleich­wohl von der Kläge­rin er­neut er­ho­be­ne An­trag hätte vom Lan­des­ar­beits­ge­richt als un­zulässig ver­wor­fen wer­den müssen. Der in zwei­ter In­stanz von der Kläge­rin hilfs­wei­se ge­stell­te Scha­den­er­satz­an­spruch ist vor dem Re­vi­si­ons­ge­richt nicht wie­der­holt wor­den. Er ist da­her in der Re­vi­si­ons­in­stanz nicht an­ge­fal­len.

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III. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 91 ZPO.


Lei­ne­mann 

Düwell 

Rei­ne­cke

Ot­to 

Klos­terk­em­per

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