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Kein Urlaub bei Kurzarbeit Null
13.11.2012. Während einer sog. Kurzarbeit ist die reguläre Arbeitszeit verringert und daher es gibt weniger Lohn bzw. Gehalt. Dieser finanzielle Ausfall wird teilweise durch das Kurzarbeitergeld ausgeglichen, das die Arbeitsagentur zahlt.
Kurzarbeit kann auch in der extremen Variante praktiziert werden, dass vorübergehend gar nicht gearbeitet wird. Man spricht dann von "Kurzarbeit Null".
Fraglich ist, ob Arbeitnehmer für die Zeit einer Kurzarbeit Null Urlaubsansprüche erwerben.
Ohne diese Frage zu beantworten, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) vor einigen Tagen klargestellt, dass es jedenfalls mit dem Europarecht vereinbar wäre, wenn bei Kurzarbeit Null keine Urlaubsansprüche entstehen würden: Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 08.11.2012, C-229/11 und C-230/11 (Heimann und Toltschin gg. Kaiser).
- Erwerben Arbeitnehmer während einer sog. Kurzarbeit Null neue Urlaubsansprüche?
- Der Streitfall: Heimann und Toltschin gegen Kaiser GmbH
- EuGH: Es ist mit dem Europarecht zu vereinbaren, wenn Arbeitnehmer für die Zeit einer Kurzarbeit Null keine neuen Urlaubsansprüche erwerben
Erwerben Arbeitnehmer während einer sog. Kurzarbeit Null neue Urlaubsansprüche?
Wenn man für drei oder sechs Monate oder für eine noch längere Zeit nicht zur Arbeit gehen muss und dementsprechend vom Arbeitgeber keinen Lohn erhält, weil im Betrieb Kurzarbeit Null "gefahren" wird, scheint auf den Blick klar, dass es dann auch keinen Urlaub geben kann. Denn das wäre ja eine Art Urlaub von der Freistellung. Und wovon sollte man sich schon erholen, wenn man sowieso nicht arbeiten muss?
Diese Klarheit auf den ersten Blick trügt aber, denn im Urlaubsrecht ist anerkannt, dass man den Urlaubsanspruch nicht durch tatsächliche Arbeit "erdienen" muss. Es genügt vielmehr der Bestand des Arbeitsverhältnisses als solcher dafür, dass jedes Jahr erneut pünktlich zum 1. Januar der volle Anspruch auf den Jahresurlaub entsteht.
Bestes Beispiel dafür ist die lange dauernde Erkrankung: Wer aufgrund einer Krankheit vom 01. Januar bis zum 31. Dezember keinen Tag gearbeitet hat, erwirbt trotzdem den vollen Urlaubsanspruch, und dieser geht auch nicht am 31. März des Folgejahres unter, sondern erst am 31. März des übernächsten Jahres. Einzelheiten dazu können Sie auf dieser Webseite in unserem Handbuch Arbeitsrecht unter "Urlaub und Krankheit" nachlesen.
Vor diesem Hintergrund ist es unter Arbeitsrechtlern umstritten, ob Arbeitnehmer während einer Kurzarbeit Null Urlaubsansprüche erwerben.
Dafür spricht eine Parallele zur Rechtslage bei langer Krankheit - falls man eine solche Parallele für richtig hält.
Dagegen spricht die Überlegung, dass das Grundmodell der Kurzarbeit ja die verkürzte Arbeitszeit ist, und für diesen Fall gilt nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), dass sich die Anzahl der Urlaubstage ab Beginn der Kurzarbeit verringert.
Wer fünf Wochen Urlaub hat und aufgrund der Kurzarbeit nur noch zwei Tage statt bisher fünf arbeiten muss, hat ab Beginn der Kurzarbeit nur noch (25 : 5 x 2 =) zehn Tage Urlaub. Denn bei nur noch zwei Arbeitstagen pro Woche ergeben zehn Tage Urlaub fünf Wochen Urlaub, und das ist genau die Dauer des Urlaubs, die dem Arbeitnehmer zustehen.
Konsequent zu Ende gedacht würde das bei Kurzarbeit Null zu null Urlaubstagen führen, denn bei null Arbeitstagen pro Woche gibt es auch nur noch null Urlaubstage. Damit wäre die Kurzarbeit Null urlaubsrechtlich eine Art "Teilzeit Null", d.h. eine Verringerung der Arbeitszeit auf Null Tage pro Woche.
Welche dieser Auffassungen richtig ist, hat der EuGH nicht zu entscheiden. Fraglich ist allerdings, ob man die zuletzt genannte Ansicht von vornherein "ausmustern" kann, weil sie gegen das Europarecht verstößt. Nein, tut sie nicht, so der EuGH Ende letzter Woche: EuGH, Urteil vom 08.11.2012, C-229/11 und C-230/11 (Heimann und Toltschin gg. Kaiser).
Der Streitfall: Heimann und Toltschin gegen Kaiser GmbH
Im Streitfall ging es um zwei gewerbliche Arbeitnehmer, Herr Heimann und Herr Toltschin. Sie waren im Rahmen einer Betriebsänderung von ihrem Arbeitgeber, der Kaiser GmbH, zum 30.09.2009 betriebsbedingt entlassen worden.
Aufgrund eines Sozialplans wurde ihr Arbeitsverhältnis allerdings befristet um ein Jahr verlängert, d.h. bis zum 30.06.2010, um ihnen während dieser Zeit den Bezug von Kurzarbeitergeld zu ermöglichen. Der Sozialplan sah für dieses Jahr nämlich vor, dass Kurzarbeit Null gefahren werden sollte.
Als ihre Arbeitsverhältnisse dementsprechend mit einem Jahr Verspätung endeten, verlangten Herr Heimann und Herr Toltschin von der Kauser GmbH Urlaubsabgeltung für das Jahr der Kurzarbeit Null. Bei Herrn Heimann ging es hier um 2.284,32 EUR brutto, bei Herrn Toltschin um 2.962,60 EUR brutto.
Das mit dem Fall befasste Arbeitsgericht Passau war der Meinung, dass die Ansprüche auf der Grundlage des deutschen Arbeitsrechts nicht bestünden, da bei Kurzarbeit Null vereinbarungsgemäß nur null Arbeitstage pro Woche zu arbeiten seien und daher bei Umrechnung des Jahresurlaubs eine Null herauskomme. Trotzdem setzte das Arbeitsgericht das Verfahren aus und legte dem EuGH den Fall vor. Der EuGH möge doch bitte die Frage beantworten, ob die vom Arbeitsgericht Passau befürwortete Rechtsmeinung mit dem Europarecht vereinbar sei (Arbeitsgericht Passau, Beschluss vom 13.04.2011, 1 Ca 62/11).
EuGH: Es ist mit dem Europarecht zu vereinbaren, wenn Arbeitnehmer für die Zeit einer Kurzarbeit Null keine neuen Urlaubsansprüche erwerben
Der EuGH entschied die Streitfrage gegen die beiden klagenden Arbeitnehmer, d.h. er war der Meinung, die vom Arbeitsgericht Passau in Aussicht genommene Abweisung der Klage sei europarechtlich in Ordnung.
Maßstab der juristischen Überlegungen des EuGH ist Art.7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeit-Richtlinie). Nach dieser Vorschrift haben die EU-Mitgliedsstaaten dafür zu sorgen, dass alle Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen pro Jahr haben. Und dieser Mindesturlaubsanspruch wird ja im Falle einer Kurzarbeit Null auf null Urlaubstage verringert, d.h. im Ergebnis gestrichen.
An dieser Stelle unterscheidet der EuGH zwischen einem Wechsel von Vollzeit in Teilzeit und der ganz anderen Frage, wie viel Urlaub ein Arbeitnehmer während einer Teilzeitarbeit neu erwirbt.
In der ersten Fallkonstellation (Wechsel von Vollzeit in Teilzeit) hat der Arbeitnehmer bereits einen Urlaubsanspruch in einem bestimmten (hohen) Umfang erworben, der ihm später durch die Verringerung seiner Arbeitszeit nicht wieder genommen werden kann.
Dagegen ist es zulässig, dass Arbeitnehmer während einer laufenden Teilzeitarbeit weniger Urlaubstage erwerben als vollzeitig arbeitende Arbeitnehmer, denn für diesen Unterschied gibt es einen sachlichen Grund - eben die Teilzeitarbeit.
Auf den Fall des Arbeitsgerichts Passau angewandt kommt der EuGH daher zu dem Ergebnis, dass Art.7 Abs. 1 Arbeitszeit-Richtlinie es nicht verbietet, Arbeitnehmern während einer Kurzarbeit Null Urlaubsansprüche zu verweigern bzw. diese Urlaubsansprüche zeitanteilig mit "null Tagen" zu berechnen.
Ergänzend meint der EuGH, dass die Lage von langfristig erkrankten Arbeitnehmern und Arbeitnehmern in Kurzarbeit "grundlegend verschieden" seien. Denn während einer Kurzarbeit Null kann man sich, so der EuGH, ausruhen oder Freizeittätigkeiten nachgehen. Da man unter keinen krankheitsbedingten Beschwerden leidet, befindet man sich in einer anderen Lage als bei einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit.
Fazit: Der EuGH hat mit dieser Entscheidung zurecht deutlich gemacht, dass nicht jede Einbuße an Urlaub europarechtswidrig ist, wenn sie im Ergebnis zu einem Jahresurlaub von weniger als vier Wochen führt. Diesen Mindesturlaub verteidigt der EuGH nur dann "mit Zähnen und Klauen", wenn eine Erkrankung die Ursache für eine Urlaubskürzung ist. Das ist bei Kurzarbeit nicht der Fall.
Außerdem hat der Gerichtshof erneut darauf hingewiesen, dass ein einmal erworbener Urlaubsanspruch durch einen späteren Wechsel von Vollzeit in Teilzeit nicht weggestrichen bzw. reduziert werden darf. Daher ist zu erwarten, dass der EuGH einen hierzu ergangenen aktuellen Vorlagebeschluss des Arbeitsgerichts Nienburg im Sinne des vorlegenden Gerichts bzw. pro Arbeitnehmer entscheiden wird (Arbeitsgericht Nienburg, Beschluss vom 04.09.2012, 2 Ca 257/12 Ö - wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 12/350 Höhe des Urlaubsanspruchs beim Wechsel von Voll- in Teilzeit).
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 08.11.2012, C-229/11 und C-230/11 (Heimann und Toltschin gg. Kaiser)
- Arbeitsgericht Passau, Beschluss vom 13.04.2011, 1 Ca 62/11
- Arbeitsgericht Nienburg, Beschluss vom 04.09.2012, 2 Ca 257/12 Ö
- Handbuch Arbeitsrecht: Kurzarbeit, Kurzarbeitergeld
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub, Urlaubsanspruch
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub und Krankheit
- Arbeitsrecht aktuell: 20/058 Kein Urlaub für Freistellungsphase einer Alterszteilzeit
- Arbeitsrecht aktuell: 19/077 Kein Urlaub vom unbezahlten Sonderurlaub
- Arbeitsrecht aktuell: 19/073 Kürzung des Urlaubs bei Elternzeit zulässig
- Arbeitsrecht aktuell: 18/306 Tägliche Urlaubsvergütung gemäß BRTV Bau darf bei Kurzarbeit nicht gemindert werden
- Arbeitsrecht aktuell: 18/246 EuGH erlaubt Urlaubskürzung bei Elternzeit
- Arbeitsrecht aktuell: 12/350 Höhe des Urlaubsanspruchs beim Wechsel von Voll- in Teilzeit
Letzte Überarbeitung: 10. Juni 2020
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Christoph Hildebrandt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hildebrandt@hensche.de | |
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