HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 26.11.2008, 15 Sa 517/08

   
Schlagworte: Diskriminierung: Geschlecht
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 15 Sa 517/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 26.11.2008
   
Leitsätze:

1. Als Indiz für eine Geschlechtsdiskriminierung bei einer Beförderung auf einen Führungsposten (hier Personalleiter eines Unternehmens mit über 1.100 Beschäftigten) kann insbesondere auch eine Statistik über die Geschlechtsverteilung auf den einzelnen Hierarchieebenen herangezogen werden.

2. Statistische Nachweise müssen schon deswegen berücksichtigungsfähig sein, da anderenfalls eine verdeckte Diskriminierung bei Beförderungen ("gläserne Decke") nicht ermittelbar wäre.

3. Sind alle 27 Führungspositionen nur mit Männern besetzt, obwohl Frauen 2/3 der Belegschaft stellen, ist dies ein ausreichendes Indiz im Sinne von § 22 AGG.

4. In der zweiten Prüfungsstufe kann der Arbeitgeber sich regelmäßig nur auf diejenigen Tatsachen zur sachlichen Rechtfertigung der Beförderungsentscheidung berufen, die er zuvor im Auswahlverfahren nach Außen ersichtlich hat werden lassen.

5. Erfolgt die Auswahl ohne eine Stellenausschreibung oder sonstige schriftlich dokumentierte Auswahlkriterien, kann der Arbeitgeber regelmäßig mit seinen Einwendungen nicht gehört werden.

6. Dies gilt auch für den Einwand des Arbeitgebers, die klagende Arbeitnehmerin sei nicht die bestgeeigneteste Kandidatin gewesen.

7. Der nach § 15 Abs. 1 AGG zu leistende materielle Schadensersatz ist die Vergütungsdifferenz zwischen der tatsächlich erhaltenen und der Vergütung, die auf der höherwertigen Stelle gezahlt wird.

8. Dieser materiellrechtliche Schadensersatzanspruch ist zeitlich nicht begrenzt (a. A.: hL). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen zu Art. 33 Abs. 2 GG.

9. Eine geschlechtsdiskriminierende Beförderungsentscheidung ist immer auch eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung, so dass wegen des immateriellen Schadens eine Entschädigung verlangt werden kann.

10. Beruft sich eine Arbeitnehmerin auf vermeintliche Rechte nach dem AGG und wird ihr dann durch Führungskräfte u. a. nahe gelegt, über ihre berufliche Zukunft nachzudenken, ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen einzuhalten, obwohl keine Pflichtverletzungen vorlagen, künftig per Videoschaltung an Konferenzen teilzunehmen, obwohl dies für andere Arbeitnehmer mit gleichem Anfahrtsweg nicht gilt, sich zu überlegen, ob sie einen lang dauernden Prozess gesundheitlich durchstehe, dann liegt hierin ein herabwürdigendes und einschüchterndes Vorgehen, das ebenfalls eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt.

11. Dies gilt umso mehr, wenn diese Handlungen durch den Personalleiter (den vorgezogenen Konkurrenten) den Justitiar (und ehemaligen vorgesetzten Personalleiter) und ein Mitglied des Vorstands erfolgen. 12.

12. Diese Personen sind Organe des beklagten Vereins (§§ 30, 31 BGB).

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 30.01.2008, 35 Ca 7441/07
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Verkündet

am 26. No­vem­ber 2008

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

15 Sa 517/08

35 Ca 7441/07
Ar­beits­ge­richt Ber­lin

K., JHS als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le


Im Na­men des Vol­kes

 

Schlus­s­ur­teil

In Sa­chen

pp

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 15. Kam­mer,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 26. No­vem­ber 2008
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt K. als Vor­sit­zen­der
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herr S. und Herr K.

für Recht er­kannt:

I.
Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 30.01.2008 - 35 Ca 7441/07 - teil­wei­se ab­geändert:

1.
Der Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin 28.214,66 € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz auf 2.911,56 € ab dem 14.05.2007, auf 727,89 € ab dem 01.06.2007, auf 1.419,39 € seit dem 01.07.2007, auf je­weils 459,76 € seit dem 01.08.2007, 01.09.2007, 01.10.2007, 01.11.2007, auf 896,53 € seit dem 01.12.2007, auf 459,76 € seit dem 01.01.2008, auf je­weils 1.467,86 € seit dem 01.02.2008, 01.03.2008, 01.04.2008, 01.05.2008, 01.06.2008, auf 2.862,33 € seit dem 01.07.2008 und auf 1.467,86 € seit dem 01.08.2008 zu zah­len.

2.
Der Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin in Zu­kunft über das be­zo­ge­ne Ge­halt hin­aus mo­nat­lich wei­te­re 1.467,86 € brut­to zu zah­len.

3.
Der Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin ei­ne Entschädi­gung in Höhe von 20.000,00 € zu zah­len.

 

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4.
Der Be­klag­te wird ver­ur­teilt, der Kläge­rin über die Höhe des Herrn R. ge­zahl­ten va­ria­blen Ent­gelts für das lau­fen­de Jahr, je­weils bis zum Ab­lauf des I. Quar­tals im Fol­ge­jahr, be­gin­nend mit dem 31.03.2009, Aus­kunft zu er­tei­len.

5.
Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

II.
Die wei­ter­ge­hen­de Be­ru­fung wird zurück­ge­wie­sen.

III.
Die Kos­ten des Rechts­streits der ers­ten In­stanz ha­ben die Kläge­rin zu 86 % und der Be­klag­te zu 14 % zu tra­gen. Von den Kos­ten der zwei­ten In­stanz tra­gen die Kläge­rin 62 % und der Be­klag­te 38 %.

IV.
Für den Be­klag­ten wird die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen, bezüglich der Entschädi­gungs­zah­lung in I.3 aber nur, so­weit der Be­trag 16.000,00 EUR über­steigt. Für die Kläge­rin wird die Re­vi­si­on in­so­weit zu­ge­las­sen, wie in I. 3 trotz der nicht er­folg­ten Beförde­rung kei­ne höhe­re Entschädi­gung als 4.000,00 € zu­ge­spro­chen wur­de. Im Übri­gen wird für die Kläge­rin die Re­vi­si­on nicht zu­ge­las­sen.

 

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strit­ten - so­weit für das hie­si­ge Schlus­s­ur­teil von Re­le­vanz - ursprüng­lich im We­ge der Stu­fen­kla­ge über Aus­kunfts­ansprüche bzgl. der Be­zah­lung des Herrn R. für die Zeit ab dem 10. De­zem­ber 2006 und die Ver­pflich­tung des Be­klag­ten, die Kläge­rin ent­spre­chend zu ent­loh­nen. Zwar hat­te die Kläge­rin Kennt­nis von der Vergütung des Herrn R., sah sich aber im Hin­blick auf mögli­cher­wei­se ein­schränken­de Re­ge­lun­gen in ih­rem Ar­beits­ver­trag ge­hin­dert, die­se of­fen le­gen zu dürfen. Nach­dem die Be­klag­te in der Be­ru­fungs­ver­hand­lung vom 30.07.2008 dem zu­stimm­te, hat die Kläge­rin die Vergütungs­dif­fe­renz für die Zeit vom 01.01.2007 bis 31.07.2008 mit 28.214,66 € brut­to be­rech­net. Sie ist der An­sicht, bei der Beförde­rungs­ent­schei­dung im De­zem­ber 2006 sei sie we­gen ih­res Ge­schlechts ge­genüber Herrn R. dis­kri­mi­niert wor­den. Des­we­gen und we­gen wei­te­rer Be­nach­tei­li­gun­gen, u. a. weil sie ih­re Rech­te nach dem AGG gel­tend ge­macht ha­be, stünden ihr ei­ne Entschädi­gung zu, die sie erst­in­stanz­lich mit min­des­tens 390.000,-- € und zweit­in­stanz­lich mit min­des­tens 90.000,-- € an­ge­ge­ben hat.

Die am …… 1961 ge­bo­re­ne Kläge­rin ist seit 1986 aus­ge­bil­de­te „staat­lich ge­prüfte Be­triebs­wir­tin“. Sie nahm an Wei­ter­bil­dungs­kur­sen teil und war auch bei frühe­ren Ar­beit­ge­bern in der Per­so­nal­ent­wick­lungs­ar­beit tätig.

Der Be­klag­te ist ein wirt­schaft­li­cher Ver­ein Kraft staat­li­cher Ver­lei­hung gem. § 22 BGB. Nach sei­ner Sat­zung wird er durch zwei der je­weils drei Vor­stands­mit­glie­der ver­tre­ten. Recht­li­cher Sitz ist Ber­lin. Der Be­klag­te er­bringt Dienst­leis­tun­gen im In­kas­s­obe­reich. Er glie­dert sich in 10 Be­zirks­di­rek­tio­nen und zwei Ge­ne­ral­di­rek­tio­nen, ei­ne in Ber­lin und ei­ne in M. Bei­de ha­ben ei­genständi­ge Per­so­nal­ver­wal­tun­gen, de­nen je­weils ei­ne Per­son vor­stand, die - mit Aus­nah­me der Kläge­rin - bis zum 9. De­zem­ber 2006 als Per­so­nal­lei­ter/Per­so­nal­lei­te­rin be­zeich­net wur­de. Über­ge­ord­net ist die Funk­ti­on des Per­so­nal­di­rek­tors, der ab 10. De­zem­ber 2006 als Per­so­nal­lei­ter be­zeich­net wird.

Die Kläge­rin wur­de bei dem Be­klag­ten am 1. Ja­nu­ar 1993 als Per­so­nal­re­fe­ren­tin ein­ge­stellt. Zum 1. Ju­li 1995 wur­de der Kläge­rin die Stell­ver­tre­tung für die Per­so­nal­ver­wal­tung in Ber­lin mit 340 Mit­ar­bei­tern über­tra­gen.

 

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In die­sem Zeit­raum wa­ren in Ber­lin Frau G. und in M. Frau St. Per­so­nal­lei­te­rin­nen der je­wei­li­gen Ge­ne­ral­di­rek­ti­on. Bei­de sind Ju­ris­tin­nen. Der Be­klag­te stellt die Per­so­nal­lei­ter/in­nen den Ab­tei­lungs­di­rek­to­ren gleich. Frau St., ei­ne Fach­anwältin für Ar­beits­recht, war 1990 als Per­so­nal­re­fe­ren­tin ein­ge­stellt wor­den. Zum 1. April 1994 über­nahm Frau G. zusätz­lich kom­mis­sa­risch die Lei­tung der über­ge­ord­ne­ten Per­so­nal­di­rek­ti­on, während Frau St. zu ih­rer Stell­ver­tre­te­rin be­ru­fen wur­de (An­la­ge K38, Bl. 572 d. A.). Frau St. war we­gen Mut­ter­schutz/El­tern­zeit vom 14. Au­gust 1999 bis 7. Ju­li 2005 nicht tätig. Am 30. Sep­tem­ber 1999 schied Frau G. aus. Nach­dem die Kläge­rin ca. 5 Mo­na­te in Ber­lin fak­tisch die Per­so­nal­ver­wal­tung lei­te­te, wur­de Herr Dr. M. im Jah­re 1999 ein­ge­stellt. Er ist Fach­an­walt für Ar­beits­recht und war - wie Frau G. - Per­so­nal­lei­ter in Ber­lin und gleich­zei­tig Per­so­nal­di­rek­tor.

Mit Zei­tungs­an­zei­ge vom 7./8. Au­gust 1999 wur­de we­gen der Schwan­ger­schaft von Frau St. und ih­rer be­ab­sich­tig­te El­tern­zeit für ca. zwei Jah­re ein(e) Per­so­nal­lei­ter/in für M. ge­sucht. In der An­zei­ge wird ein Schwer­punkt bzgl. der „kon­zep­tio­nel­len Per­so­nal­ar­beit“ eben­so we­nig erwähnt wie die Er­for­der­lich­keit ei­nes Hoch­schul­ab­schlus­ses. Ursprüng­lich soll­te die­se Stel­le nur be­fris­tet für zwei Jah­re be­setzt wer­den. Hier­an war je­doch kei­ner der Be­wer­ber in­ter­es­siert. Zum 1. Ja­nu­ar 2000 wur­de Herr R., ge­bo­ren am ……1960, auf die­ser Stel­le ein­ge­stellt. Er ist ein an ei­ner Hoch­schu­le aus­ge­bil­de­ter Di­plom Öko­nom mit dem Aus­bil­dungs­schwer­punkt Per­so­nal­we­sen, Un­ter­neh­mensführung und Or­ga­ni­sa­ti­on. Er war von An­fang an der drit­ten Führungs­ebe­ne, den Ab­tei­lungs­di­rek­to­ren, zu­ge­ord­net.

Zum 1. Ju­li 2001 wur­de Herr M. auf persönli­chen Wunsch bei gleich blei­ben­den Auf­ga­ben nach M. ver­setzt. Nach­dem die­ser zu­neh­mend Jus­ti­zi­a­ri­ats­auf­ga­ben bei dem Be­klag­ten mit­erfüll­te, über­nahm die Kläge­rin spätes­tens ab Som­mer 2003 - nach ih­rer ei­ge­nen Dar­stel­lung schon im Jah­re 2002 - die Auf­ga­ben der Lei­te­rin der Per­so­nal­ver­wal­tung in Ber­lin. Sie wur­de auch im Jahr­buch 2002/2003 des Be­klag­ten (An­la­ge K12, Bl. 165 d. A.) als zuständig für die Per­so­nal­ver­wal­tung Ber­lin be­zeich­net. Zum 1. Ja­nu­ar 2006 wur­de sie zur Ab­tei­lungs­lei­te­rin der Ab­tei­lung Per­so­nal­ver­wal­tung er­nannt (An­la­ge K34, Bl. 566). Mit der Ab­tei­lung ist die Per­so­nal­ver­wal­tung der Ge­ne­ral­di­rek­ti­on Ber­lin ge­meint.

Die Kläge­rin er­hielt un­ter dem 31. Ja­nu­ar 1999 und 16. Fe­bru­ar 2007 Zwi­schen­zeug­nis­se, wo­nach sie „stets“ bzw. „je­der­zeit“ ih­ren Auf­ga­ben­be­reich „zu un­se­rer vol­len Zu­frie­den­heit“ er­le­digt hat (K2, 3, Bl. 140 ff. d. A.). Ab dem 01.05.2001 ar­bei­te­te sie als Teil­zeit­kraft (zu­letzt 35,79 von 40 St­un­den wöchent­lich) und erhält ein Brut­to­mo­nat­sen-

 

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tgelt von 4.647,24 €.

Im Be­reich der Per­so­nal­ent­wick­lung hat die Kläge­rin u. a. 1994 ein An­for­de­rungs­pro­fil zur Einführung ei­nes elek­tro­ni­schen Zeit­er­fas­sungs­sys­tems bei dem Be­klag­ten er­stellt. 1993/1994 und 1999 ent­wi­ckel­te sie ein Kon­zept zur Er­stel­lung von Tätig­keits­be­schrei-bun­gen. Für den Stand­ort Ber­lin führ­te sie kon­zep­tio­nell und or­ga­ni­sa­to­risch Mit­ar­bei­ter­be­ur­tei­lungs­gespräche durch. Nach­dem im Jah­re 1999/2000 die Trainee­aus­bil­dung dem Per­so­nal­be­reich über­tra­gen wur­de, ent­wi­ckel­te die Kläge­rin hier­zu ein Kon­zept. Die Kläge­rin führ­te auch Wei­ter­bil­dungs­maßnah­men und Schu­lun­gen zur DIDAS-Da­ten­bank durch.

Zu den Auf­ga­ben der Kläge­rin und des Herrn R. gehörte bis zum 9. De­zem­ber 2006 die Lei­tung der Per­so­nal­ver­wal­tung der je­wei­li­gen Ge­ne­ral­di­rek­ti­on. Da­zu zähl­te u. a. das Führen von Be­wer­bungs­gesprächen, das Ab­fas­sen von Ab­mah­nun­gen, Be­triebs­rats­anhörun­gen vor Kündi­gun­gen etc. und die Kon­troll- und Ver­ant­wor­tungs­funk­ti­on für die un­ter­stell­ten Mit­ar­bei­ter/in­nen. Die Kläge­rin er­ar­bei­te­te auch Entwürfe oder Tei­le hier­von für Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen. Hin­sicht­lich der nähe­ren Be­schrei­bung ih­rer Tätig­keit wird auf die Sei­ten 13 - 16 der Kla­ge­schrift (= Sei­ten 9 - 12 der Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift) ver­wie­sen, so­weit der Be­klag­te sie nach­fol­gend nicht be­strei­tet. Die Kläge­rin und Herr R. wa­ren im sel­ben Um­fang zeich­nungs­be­rech­tigt (An­la­ge K9, Bl. 154 f. d. A.).

Bei ei­nem Es­sen An­fang 2006 teil­te Herr Dr. M. der Kläge­rin mit, dass er wohl die Lei­tung der neu zu gründen­den Rechts­ab­tei­lung über­neh­men wird. Als Nach­fol­ger für die Per­so­nal­di­rek­ti­on käme sei­ner Auf­fas­sung nach Herr R. oder ein Ex­ter­ner in Be­tracht. In ei­nem Gespräch am 18. Ok­to­ber 2006 erklärte Herr R. im Bei­sein von Herrn Dr. M. ge­genüber der Kläge­rin, dass die we­sent­li­chen Vorgänge nun­mehr über sei­nen Tisch zu ge­hen hätten.

In ei­nem Te­le­fo­nat am Sams­tag, dem 9. De­zem­ber 2006, teil­te Herr Dr. M. der Kläge­rin mit, dass Herr R. sein Nach­fol­ger wer­den sol­le. Mit E-Mail vom 10. De­zem­ber 2006 (An­la­ge K10, Bl. 156 d. A.) bat der Le­bens­gefähr­te und jet­zi­ge Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Kläge­rin u. a. um Mit­tei­lung, wie sich künf­tig die Stel­lung der Kläge­rin in der Be­triebs­hier­ar­chie dar­stel­len sol­le. Mit Aus­hang vom 10. De­zem­ber 2006 (An­la­ge K5, Bl. 147 d. A.) in­for­mier­te der Be­klag­te un­ter­neh­mensöffent­lich darüber, dass Herr R. mit so­for­ti­ger Wir­kung zusätz­lich zur Per­so­nal­lei­tung der GD M. die Per­so­nal­lei­tung für die GD Ber­lin und die Be­zirks­di­rek­tio­nen über­neh­me. Mit Schrei­ben vom 17. De­zem­ber 2006 (An­la­ge K18, Bl. 176 d. A.) an das Vor­stands­mit­glied Dr. H. bemängel­te die Klä-

 

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ge­rin er­neut, dass ihr und auch den an­de­ren Beschäftig­ten nicht klar sei, wel­che Stel­lung in der Be­triebs­hier­ar­chie sie nun­mehr noch ein­neh­me. Darüber hin­aus fühle sie sich bei der Beförde­rungs­ent­schei­dung als Frau be­nach­tei­ligt, zu­mal kaum Frau­en auf der wirk­li­chen Führungs­ebe­ne ankämen.

Zu die­sem Zeit­punkt er­gab die Ge­schlech­ter­ver­tei­lung beim Be­klag­ten im außer­ta­rif­li­chen Be­reich fol­gen­des Bild:

Ebe­ne Männer Frau­en Ge­samt 
Ebe­ne 1: Vor­stand

3

0

3

Ebe­ne 2: Di­rek­to­ren

15

0

15

Ebe­ne 3: Be­zirks­di­rek­to­ren

9

0

9

Ebe­ne 4: Ab­tei­lungs­di­rek­to­ren

8

4

12

Ebe­ne 5: stell­ver­tre­ten­de Be­zirks­di­rek­to­ren 

3

1

4

Ebe­ne 6: Ab­tei­lungs­lei­ter

12

19

31

Ebe­ne 7: Fach­re­fe­ren­ten

2

3

5

Ebe­ne 8: Fach­ju­ris­ten

6

1

7

Ebe­ne 9: sons­ti­ge AT-Mit­ar­bei­ter

34

24

58

ge­samt:

92

52

144

Ge­samt­be­leg­schaft:

348

780

1128

Ge­samt­be­leg­schaft in %

31 %

69 %

 

Die letz­te weib­li­che Di­rek­to­rin, die die­se Funk­ti­on nicht nur kom­mis­sa­risch ausfüll­te, war 1976 al­ters­be­dingt aus­ge­schie­den. In den höchs­ten zwei Ge­halts­stu­fen des nach­wir­ken­den Ta­rif­ver­tra­ges und im außer­ta­rif­li­chen Be­reich sind 2/3 al­ler Männer und 1/3 al­ler Frau­en ein­grup­piert. 95 % der Teil­zeit­kräfte sind beim Be­klag­ten Frau­en. Der Auf­sichts­rat be­stand aus 19 Männern und zwei Frau­en. Bei dem An­fang des Jah­res 2007 durch­geführ­ten Ent­wick­lungs­au­dit für die Ebe­nen Ab­tei­lungs­di­rek­tor/Ab­tei­lungs­lei­ter fun­gier­ten als Be­ob­ach­ter aus­sch­ließlich Männer.

 

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Das Vergütungs­sys­tem des Be­klag­ten im außer­ta­rif­li­chen Be­reich be­inhal­tet nicht, dass die Ar­beit­neh­mer der je­weils höhe­ren Ebe­ne au­to­ma­tisch ein höhe­res Ge­halt er­hal­ten. Auch bei un­ter­neh­mens­in­ter­nen Beförde­rung geht mit der Ver­lei­hung ei­nes höhe­ren Ti­tels nicht au­to­ma­tisch ein­her, dass die Vergütung an­ge­ho­ben wird. Frau St. in ih­rer Funk­ti­on als Per­so­nal­lei­te­rin hat durchgängig im­mer mehr ver­dient als die Kläge­rin. Sie er­hielt auch ein höhe­res Ent­gelt als an­fangs Herr R..

Am 20. De­zem­ber 2006 fand in Ber­lin ein Gespräch zwi­schen Herrn R. und den vier dort täti­gen Mit­ar­bei­te­rin­nen der Per­so­nal­ver­wal­tung statt. Die­se fer­tig­ten hierüber ein Pro­to­koll (An­la­ge K24, Bl. 183 d. A.). Da­nach erläuter­te Herr R., dass es künf­tig die Be­grif­fe Per­so­nal­di­rek­ti­on und Per­so­nal­ver­wal­tung nicht mehr ge­ben wer­de. Statt­des­sen exis­tie­re nur noch ei­ne Per­so­nal­ab­tei­lung, die aus der Per­so­nal­ab­tei­lung M., die er lei­te, so­wie aus der Per­so­nal­ab­tei­lung Ber­lin, die die Kläge­rin lei­te, be­ste­he. Die Kläge­rin bat dar­um, dass ihr die­se un­veränder­te hier­ar­chi­sche Ein­ord­nung schrift­lich bestätigt wer­de, was Herr R. zu­sag­te. Am Nach­mit­tag die­ses Ta­ges bat Herr R. die Kläge­rin zu ei­nem Gespräch. Hier­bei äußer­te er, die Kläge­rin sol­le sich über­le­gen, wie sie ih­re be­ruf­li­che Zu­kunft se­he. Über die­ses Gespräch hat die Kläge­rin ei­nen Ak­ten­ver­merk ge­fer­tigt (An­la­ge K19, Bl. 178 d. A.).

Mit Schrei­ben vom 3. Ja­nu­ar 2007 teil­te Dr. H. der Kläge­rin mit, dass der Vor­stand ent­schie­den ha­be, die Per­so­nal­di­rek­ti­on in „Per­so­nal­ab­tei­lung“ um­zu­be­nen­nen. Darüber hin­aus for­der­te er sie auf, „ih­ren ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen zukünf­tig nach­zu­kom­men und im Rah­men ih­rer ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen den Wei­sun­gen ih­res Vor­ge­setz­ten, Herrn Per­so­nal­lei­ter R., nach­zu­kom­men“. Die­ses der Kläge­rin über­ge­be­ne Schrei­ben ent­hielt fer­ner ei­nen Kle­be­zet­tel von Herrn R., wo­nach er den In­halt mit Dr. M. ab­ge­spro­chen ha­be (An­la­ge K7, Bl. 150 f. d. A.). Mit Schrei­ben vom 22.01.2007 wand­te sich der erst­in­stanz­li­che Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Kläge­rin an den Be­klag­ten (An­la­ge K17, Bl. 174 d. A.). Er bat dar­um, der Kläge­rin ei­ne ausführ­li­che Stel­len­be­schrei­bung zu­kom­men zu las­sen und schlug vor, die­se als Stell­ver­tre­te­rin von Herrn R. zu er­nen­nen und ihr ei­ne Vergütung zu zah­len, die der bis­he­ri­gen Po­si­ti­on des Herrn R. ent­sprach. Mit wei­te­rem Schrei­ben vom 6. Fe­bru­ar 2007 (An­la­ge K4, Bl. 144 ff. d. A.) ließ die Kläge­rin dar­auf hin­wei­sen, dass sie als Frau dis­kri­mi­niert wer­de. U. a. ha­be sie ein deut­lich ge­rin­ge­res Ge­halt als Herr R. er­hal­ten und sei bei der Beförde­rung von Herrn R. dis­kri­mi­nie­rend über­g­an­gen wor­den. Gleich­zei­tig be­zif­fer­te sie ih­re Scha­dens­er­satz- und Schmer­zens­geld­ansprüche. Hier­auf ant­wor­te­te die Pro­zess­be­vollmäch­tig­te des Be­klag­ten mit Schrei­ben vom 8. Fe­bru­ar 2007 (An­la­ge K6, Bl. 148 f. d.

 

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A.). Da­nach ha­be sich durch Um­be­nen­nung der Per­so­nal­di­rek­ti­on in „Per­so­nal­ab­tei­lung“ an der Po­si­ti­on der Kläge­rin zunächst nichts verändert. Man sei be­auf­tragt mit­zu­tei­len, dass der­zeit un­ter­neh­mens­in­tern ge­prüft wer­de, ob auf­grund der voll­zo­ge­nen Ände­run­gen wei­te­re Maßnah­men ins­be­son­de­re auch auf der Lei­tungs­ebe­ne in Ber­lin er­for­der­lich sind oder wer­den. Durch den Hin­weis im Schrei­ben vom 3. Ja­nu­ar 2007 auf die Ein­hal­tung der ver­trag­li­chen Pflich­ten sei kein Vor­wurf der Schlecht- bzw. Min­der­leis­tung er­ho­ben wor­den. Hier­durch ha­be nur be­deu­tet wer­den sol­len, dass die Kläge­rin ver­pflich­tet sei, in­ner­halb der be­ste­hen­den Hier­ar­chie und Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren ih­ren ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen nach­zu­kom­men.

Am 11.04.2007 traf sich in M. die Pro­jekt­grup­pe Ge­haltsbänder, wo­bei die Kläge­rin dem Len­kungs­gre­mi­um an­gehörte. Die Ein­la­dun­gen er­folg­ten durch Frau Ha.. Aus zwei Mails, die auch Herr R. er­hal­ten hat­te, war er­sicht­lich, dass auch die Kläge­rin ein­ge­la­den war. Nach­dem die Kläge­rin „Gu­ten Mor­gen, Herr R.“ geäußert hat­te, er­wi­der­te die­ser den Gruß nicht, son­dern ent­geg­ne­te: „Was wol­len sie denn hier? Wer hat Sie denn ein­ge­la­den? Ich hätte Sie nicht ein­ge­la­den.“ Am nächs­ten Tag bei ei­nem Tref­fen in Ber­lin kon­kre­ti­sier­te Herr R. sei­ne Äußerung da­hin­ge­hend, dass sie so zu ver­ste­hen sei, dass die Kläge­rin an sol­chen Ver­an­stal­tun­gen künf­tig per Vi­deo­kon­fe­renz teil­neh­men sol­le. Dies die­ne der Kos­ten­er­spar­nis und ih­rem ef­fi­zi­en­te­ren Ein­satz. Als die Kläge­rin ent­geg­ne­te, dass sie ei­ner wei­te­ren Teil­neh­me­rin aus dem Ber­li­ner Haus über die Möglich­keit der Vi­deo­kon­fe­renz un­ter­rich­ten wol­le, ant­wor­te­te Herr R., dass dies ganz was an­de­res sei.

Nach­dem die Kläge­rin am 4. Mai 2007 die hie­si­ge Kla­ge ein­ge­reicht hat­te, fand am 22. Au­gust 2007 in M. ein außer­ge­richt­li­ches Ver­gleichs­gespräch statt. Ge­gen En­de der Be­spre­chung erklärte Dr. M., die Kläge­rin sol­le sich ge­nau über­le­gen, ob sie ei­nen länge­ren Rechts­streit durch­ste­hen könne. Sol­che Rechts­strei­te sei­en für Ar­beit­neh­mer ge­ne­rell sehr be­las­tend. Sie sol­le prüfen, ob sie das körper­lich und see­lisch aus­hal­te. Der Le­bens­gefähr­te der Kläge­rin erklärte hier­zu, ein länge­rer Pro­zess könne auch für die vom Be­klag­ten be­nann­ten Zeu­gen un­an­ge­nehm sein. Während die­ses Wort­wech­sels erklärte Dr. M. u. a., sei­ne Ausführun­gen er­folg­ten „off re­cor­ds“.

Zu­vor war die Kläge­rin als Schwer­be­hin­der­te an­er­kannt wor­den, da sie an „Rest­less legs“ lei­det.

Mit Aus­hang vom 8. Ja­nu­ar 2008 (An­la­ge K48, Bl. 924 d. A.) ist bei der Be­klag­ten be­kannt ge­macht wor­den, dass Herr R., Per­so­nal­lei­ter der Ge­ne­ral­di­rek­ti­on Ber­lin, der

 

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Ge­ne­ral­di­rek­ti­on M. und der Be­zirks­di­rek­tio­nen mit Wir­kung vom 1. Ja­nu­ar 2008 zum Di­rek­tor Per­so­nal er­nannt wor­den ist.

Frau W. war bis zur Sch­ließung am 30. Sep­tem­ber 1997 als Be­zirks­di­rek­to­rin der Be­zirks­di­rek­ti­on H. in der Außen­stel­le E. beschäftigt. Ihr wur­de die Po­si­ti­on ei­ner Sach­ge­biets­lei­te­rin (or­ga­ni­sa­to­risch un­ter dem Be­zirks­di­rek­tor ein­ge­stuft) in der Be­zirks­di­rek­ti­on N. an­ge­bo­ten, die sie auch an­nahm. Drei Mo­na­te später wur­de dort die Po­si­ti­on der Lei­tung der Be­zirks­di­rek­ti­on neu ver­ge­ben, und zwar an Herrn B., dem Di­rek­tor der Di­rek­ti­on Außen­dienst in der Ge­ne­ral­di­rek­ti­on M.. Dies ge­schah oh­ne Aus­schrei­bung.

Mit An­zei­ge vom 9. April 2005 wur­de für den Stand­ort D. ein(e) Be­zirks­di­rek­tor/in ge­sucht (An­la­ge K28, Bl. 188 d. A.). Nach die­ser Stel­len­aus­schrei­bung soll­te die ent­spre­chen­de Per­son über ein Stu­di­um der Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten verfügen. Dies war bei Frau G., der dor­ti­gen stell­ver­tre­ten­den Be­zirks­di­rek­to­rin, der Fall. Ih­re Be­wer­bung fand je­doch kei­ne Berück­sich­ti­gung. Zum Be­wer­bungs­gespräch wur­den nur männ­li­che Be­wer­ber ein­ge­la­den. Es wur­de ein ex­ter­ner Be­wer­ber ein­ge­stellt, der über kein Hoch­schul­stu­di­um verfügte, son­dern staat­lich ge­prüfter Be­triebs­wirt war.

Frau St. wur­de nach Rück­kehr aus der El­tern­zeit (bis zum 07.07.2005) in Teil­zeit beschäftigt. Sie war auf­grund ih­rer fa­mi­liären Si­tua­ti­on an ei­ner Verlänge­rung der Ar­beits­zeit nicht in­ter­es­siert. Sie wur­de nicht mehr als Per­so­nal­lei­te­rin in M., son­dern dort in der ju­ris­ti­schen Sach­be­ar­bei­tung ein­ge­setzt. Sie er­hielt 10 Ta­ge vor Weih­nach­ten 2006 zum ers­ten Mal in 20 Jah­ren zwei Ab­mah­nun­gen, die im Lau­fe des Jah­res 2007 wie­der aus ih­rer Per­so­nal­ak­te ent­fernt wor­den sind.

Bei der Be­set­zung der Po­si­ti­on des Di­rek­tors für den Be­reich Mar­ke­ting zu Be­ginn des Jah­res 2007 hat­te die von dem Be­klag­ten ein­ge­schal­te­te Per­so­nal­be­ra­tungs­fir­ma den letzt­lich aus­gewähl­ten Kan­di­da­ten als „jung“, „frisch“, „groß, schlank“ und mit blon­den Haa­ren be­schrie­ben.

Hin­sicht­lich der Vergütung hat die Kläge­rin zwi­schen dem 01.01.2007 und dem 31.07.2008 28.214,66 EUR we­ni­ger er­hal­ten als Herr R., wo­bei ei­ne Vergütung als Teil­zeit­kraft berück­sich­tigt ist. Hier­in ent­hal­ten ist auch ei­ne va­ria­ble Vergütung für 2007 in Höhe von 8.291,00 EUR für Herrn R..

Die Kläge­rin hat un­ter nähe­rer Ausführung und zum Teil auf Be­ru­fung un­strei­ti­ger Tat­sa­chen die An­sicht ver­tre­ten, für ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung als Frau spre­che auch, dass sie

 

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trotz glei­cher Tätig­keit in Ver­gleich zu Herrn R. bis zum 09.12.2006 in dis­kri­mi­nie­ren­der Wei­se ge­rin­ger be­zahlt wor­den sei, der Be­klag­te ihr zu­neh­mend Kom­pe­ten­zen ent­zie­he, sie bei ver­schie­de­nen Ge­ge­ben­hei­ten ge­zielt igno­riert wer­de und der Be­klag­te auch in frühe­ren Zei­ten Frau­en dis­kri­mi­niert ha­be. Auch sei sie von dem Be­klag­ten nach dem 09.12.2006 im Hin­blick auf die Wahr­neh­mung ih­rer Rech­te nach dem All­ge­mei­nen Gleich­stel­lungs­ge­setz ein­geschüchtert und un­ter Druck ge­setzt wor­den.

Die Kläge­rin hat be­haup­tet, schon in der Stel­len­an­zei­ge für ih­re Ein­stel­lung als Per­so­nal­re­fe­ren­tin ha­be es ge­heißen:

„… Ih­re Auf­ga­ben um­fas­sen al­le As­pek­te der mo­der­nen Per­so­nal­ar­beit, wie Per­so­nal­pla­nung, -be­schaf­fung, -ent­wick­lung und -be­treu­ung so­wie Or­ga­ni­sa­ti­on und Per­so­nal­con­trol­ling …“

In­so­fern ha­be ih­re Stel­len­an­zei­ge mehr Auf­ga­ben­be­rei­che um­fasst als die Stel­len­an­zei­ge, die zur Ein­stel­lung von Herrn R. geführt ha­be. Frau St. sei tatsächlich als stell­ver­tre­ten­de Per­so­nal­di­rek­to­rin tätig ge­wor­den. Dies er­ge­be sich schon dar­aus, dass sie un­strei­tig das Zwi­schen­zeug­nis vom 31. Ja­nu­ar 1999 we­gen der Ab­we­sen­heit von Frau G. un­ter­zeich­net ha­be. Als Per­so­nal­lei­te­rin in M. wäre sie hier­zu nicht be­fugt ge­we­sen. Kurz vor den bei­den Ab­mah­nun­gen im De­zem­ber 2006 ha­be der Be­klag­te Frau St. zur Ei­genkündi­gung ge­ra­ten. Dies zei­ge, dass ih­re Kol­le­gin ge­maßre­gelt wer­den soll­te, da sie im kläge­ri­schen Schrei­ben vom 17. De­zem­ber 2006 erwähnt wor­den war.

Bezüglich ih­rer Tätig­kei­ten zum The­ma Al­ters­teil­zeit ha­be sie zu­sam­men mit Herrn M. am 26.01.2000 ein Se­mi­nar der Deut­schen Ge­sell­schaft für P. be­sucht. Herr M. ha­be dann ei­ne Fo­li­en­präsen­ta­ti­on ent­wor­fen, um mit­tels die­ser den Vor­stand, die Di­rek­to­ren, Be­zirks­di­rek­to­ren, Ab­tei­lungs­lei­ter und Mit­ar­bei­ter des Hau­ses über das The­ma Al­ters­teil­zeit zu in­for­mie­ren. Auch ha­be er die ab­sch­ließen­de Be­triebs­ver­ein­ba­rung mit der Ge­werk­schaft for­mu­liert. Al­le nach­fol­gen­den Ar­bei­ten zu die­sem The­ma hätten seit dem Jah­re 2003 bis zum heu­ti­gen Ta­ge je­doch ihr ob­le­gen. Herr R. ha­be kei­nes­falls schon im Jah­re 2000 kon­zep­tio­nel­le Per­so­nal­ent­wick­lungs­ar­beit ge­leis­tet. Dies sei auch nicht denk­bar, da die Stel­le in M. schon länge­re Zeit nicht be­setzt wor­den war. Herr R. hätte sich in­so­fern erst ein­ar­bei­ten müssen. Erst im Jah­re 2006 ha­be er nach ent­spre­chen­den Vor­ga­ben des Vor­stan­des ver­schie­de­ne Bau­stei­ne zur Per­so­nal­pla­nung zu­sam­men mit Frau Ha. so­wie ex­ter­nen Un­ter­neh­men aus­ge­ar­bei­tet. Noch mit E-Mail vom 02.08.2006 ha­be sie hier­zu Ver­bes­se­rungs­vor­schläge un­ter­brei­tet (An­la­ge K32, Bl. 564).

 

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Sie hat die An­sicht ver­tre­ten, die Be­zeich­nun­gen Per­so­nal­lei­ter und Per­so­nal­re­fe­rent wer­den in der all­ge­mei­nen Öffent­lich­keit syn­onym ge­braucht.

Die Wahr­schein­lich­keit der Ge­schlechts­dis­kri­mi­nie­rung bei der Beförde­rung auf die Di­rek­to­ren­stel­le läge zwi­schen 98,7 % und 100 %. In­diz für ih­re Dis­kri­mi­nie­rung sei auch die Ge­schlechts­ver­tei­lung bei dem Be­klag­ten auf den ver­schie­de­nen Ebe­nen. Hin­sicht­lich der Beförde­rungs­ent­schei­dung könne der Be­klag­te sich nicht auf ein münd­li­ches An­for­de­rungs­pro­fil be­ru­fen. Schon aus ver­eins­recht­li­chen Gründen hätte die­ses durch den Vor­stand fest­ge­legt wer­den müssen. Der Aus­hang vom 10. De­zem­ber 2006 stel­le ei­ne be­triebsöffent­lich kom­mu­ni­zier­te Er­nied­ri­gung ih­rer Per­son dar. Die­se Stel­le hätte auch in­tern aus­ge­schrie­ben wer­den müssen. Herr R. sei nicht lei­ten­der An­ge­stell­ter ge­we­sen. In­so­fern hätte der Ge­samt­be­triebs­rat auf ei­ner Aus­schrei­bung be­stan­den, wenn er hier­von ge­wusst hätte.

Am Nach­mit­tag des 20. De­zem­ber 2006 ha­be Herr R. ihr mit­ge­teilt, er könne nicht nach­voll­zie­hen, was sie ei­gent­lich wol­le. Sie sol­le sich über Weih­nach­ten über­le­gen, wie sie sich ih­re be­ruf­li­che Zu­kunft bei dem Be­klag­ten vor­stel­le. Er ken­ne die Schrei­ben vom 4. und 17. De­zem­ber 2006, wis­se aber nicht, was das mit dem AGG sol­le.

Für die Be­nach­tei­li­gung durch den Be­klag­ten sei auch ih­re Teil­zeittätig­keit ver­ant­wort­lich ge­we­sen. Als wei­te­re In­di­zi­en für ih­re Dis­kri­mi­nie­rung be­ruft sie sich fer­ner auf Vorfälle, in de­nen sie als Lei­te­rin der Per­so­nal­ver­wal­tung Ber­lin - im Ge­gen­satz zu frühe­ren Ge­pflo­gen­hei­ten - nicht be­tei­ligt wur­de. Als Re­ak­ti­on auf die Gel­tend­ma­chung ih­rer Rech­te ver­su­che der Be­klag­te, ihr Kom­pe­ten­zen zu ent­zie­hen. Dies stel­le ei­ne rechts­wid­ri­ge Ver­set­zung dar.

Sie hat fer­ner be­haup­tet, durch das Ver­hal­ten von Herrn R. und Herrn M. ha­be sich ih­re Er­kran­kung ver­schlech­tert, so dass sie als Schwer­be­hin­der­te an­er­kannt wor­den sei.

Da sie ihr dienst­lich er­wor­be­nes Wis­sen gem. § 5 Abs. 3 des Ar­beits­ver­tra­ges außer­dienst­lich nicht ver­wen­den dürfe, ha­be sie hin­sicht­lich der mögli­cher­wei­se strei­ti­gen Tat­sa­chen Be­weis nur durch Her­aus­ga­be der ent­spre­chen­den Un­ter­la­gen durch den Be­klag­ten an­ge­tre­ten.

 

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Die Kläge­rin hat be­an­tragt,


3. den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, ihr Aus­kunft über den je­wei­li­gen mo­nat­li­chen Ver­dienst in­klu­si­ve Ein­mal- und Son­der­zah­lun­gen des Lei­ters der Per­so­nal­ab­tei­lun­gen Ber­lin, M. und der Be­zirks­di­rek­to­ren des Be­klag­ten, Herrn M. R., ab dem 10.12.2006 so­wie da­nach er­folg­ter Ge­halts- und Zu­la­gen­erhöhun­gen zu er­tei­len,
4. den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, ihr die Ge­halts­dif­fe­renz nach Maßga­be der Aus­kunft nach 3. für den Zeit­raum ab dem 11.12.2006 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len,
5. den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, ihr in Zu­kunft nach Maßga­be der Aus­kunft nach 3. gleich dem Herrn M. R. (Ge­halt ab 10.12.2006) zuzüglich da­nach er­folg­ter Ge­halts- und Zu­la­gen­erhöhun­gen) zu be­zah­len,
6. hilfs­wei­se, für den Fall der Zurück­wei­sung des An­tra­ges zu 5., den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, sie in Zu­kunft nach Maßga­be der Aus­kunft nach 1. gleich dem Herrn M. R. (Ge­halt bis 09.12.2006) zu be­zah­len,
7. den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, ihr Schmer­zens­geld in Höhe von 390.000,-- € nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len,
8. hilfs­wei­se fest­zu­stel­len, dass der Be­klag­te ver­pflich­tet ist, ihr sämt­li­che ma­te­ri­el­len und im­ma­te­ri­el­len Schäden zu er­set­zen, die ihr aus der Un­gleich­be­hand­lung bei der Be­zah­lung im Verhält­nis zum Lei­ter der Per­so­nal­ver­wal­tung M., Herrn M. R., und durch die un­ter­blie­be­ne Beförde­rung auf die Stel­le ei­ner Lei­te­rin der Per­so­nal­ab­tei­lung M. und Ber­lin und der Be­zirks­di­rek­tio­nen so­wie durch die sons­ti­gen Be­nach­tei­li­gun­gen we­gen ih­res Ge­schlechts durch den Be­klag­ten ent­stan­den sind oder künf­tig ent­ste­hen wer­den.

Der Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Be­klag­te hat be­haup­tet, Frau St. sei fak­tisch nicht als Stell­ver­tre­te­rin der da­ma­li­gen Per­so­nal­di­rek­to­rin tätig ge­wor­den. Sie ha­be nicht das Ver­trau­en des Vor­stands ge­habt. Die ursprüng­li­che Stel­len­an­zei­ge, die zur Ein­stel­lung der Kläge­rin geführt hat, lie­ge ihr nicht mehr vor. Die Kläge­rin ha­be ge­wusst, dass im Jah­re 1999 ein Kan­di­dat mit Er­fah­run­gen in der kon­zep­tio­nel­len Per­so­nal­ar­beit ge­sucht wor­den sei, da sie hier­bei Herrn Dr. M. un­terstützt ha­be. Sie ha­be we­gen ih­rer Teil­zeittätig­keit auch aus zeit­li­chen Gründen ab dem Jah­re 2000 nicht die Möglich­keit ge­habt, Auf­ga­ben der kon­zep­tio­nel­len Per­so­nal­ar­beit zu er­le­di­gen.

Der Be­klag­te hat wei­ter­hin be­haup­tet, Herr R. sei des­we­gen ein­ge­stellt wor­den, um die kon­zep­tio­nel­le Per­so­nal­ar­beit vor­an­zu­trei­ben. Schon von der Aus­bil­dung, der sons­ti­gen Vor­bil­dung und den Kennt­nis­sen sei­en er und die Kläge­rin nicht ver­gleich­bar. Da­her sei die Kläge­rin als Be­wer­be­rin bei der Beförde­rung im De­zem­ber 2006 ob­jek­tiv nicht ge-

 

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eig­net ge­we­sen. Schon bei sei­nen frühe­ren Ar­beit­ge­bern ha­be sich Herr R. im Be­reich der kon­zep­tio­nel­len, stra­te­gi­schen Per­so­nal­ar­beit ei­nen Na­men ge­macht. Bei L. ha­be er für ca. 500 Mit­ar­bei­ter Per­so­nal­ent­wick­lungs- und -be­treu­ungs­ar­bei­ten durch­geführt. Bei der Fir­ma I. (ca. 450 Mit­ar­bei­ter) sei er für Per­so­nal­be­treu­ung, Per­so­nal­grund­satz­fra­gen und Pro­jekt­auf­ga­ben im Rah­men der Per­so­nal­ent­wick­lung zuständig ge­we­sen. Er ha­be ab dem Jah­re 2000 schwer­punktmäßig kon­zep­tio­nel­le Per­so­nal­ar­beit er­bracht. Die Kläge­rin ha­be dem­ge­genüber kei­ne Er­fah­run­gen in der Er­ar­bei­tung von stra­te­gi­schen, kon­zep­tio­nel­len Per­so­nal­pro­jek­ten. Ih­re sämt­li­chen Tätig­kei­ten im Be­zug auf den Be­reich Al­ters­teil­zeit be­ruh­ten auf ei­nem von Herrn M. und Herrn R. er­ar­bei­te­ten Kon­zept. Die Kläge­rin sei nur mit der ein­ma­li­gen Um­set­zung be­traut ge­we­sen.

Hin­ter­grund für die Be­mer­kung am 18. Ok­to­ber 2006 könn­te der Um­stand ge­we­sen sein, dass schwie­ri­ge Sach­ver­hal­te von Herrn R. re­gelmäßig an Frau St. als Ju­ris­tin zur Über­prüfung ge­ge­ben wor­den sei­en.

Die Vor­kennt­nis­se und Er­fah­run­gen des Herrn R. sei­en nicht nur für die ursprüng­li­che Ein­stel­lung, son­dern auch für die Beförde­rung im De­zem­ber 2006 maßgeb­lich ge­we­sen. Zwar ha­be ein kon­kre­tes An­for­de­rungs­pro­fil nicht schrift­lich vor­ge­le­gen, doch ha­be bei den Ent­schei­dungs­trägern Ein­verständ­nis darüber be­stan­den, dass der neue Per­so­nal­lei­ter die­se Kennt­nis­se und Er­fah­run­gen auf­wei­sen müsse. Des­we­gen sei auch Frau St. nicht in Be­tracht ge­kom­men, zu­mal sie un­strei­tig auch aus fa­mi­liären Gründen an der Auf­sto­ckung der Ar­beits­zeit kein In­ter­es­se ge­habt hätte. Vor­aus­set­zung für die Beförde­rung sei ein ein­schlägi­ges Uni­ver­sitäts­stu­di­um mit Schwer­punkt Per­so­nal­we­sen oder ein ju­ris­ti­sches Stu­di­um ge­we­sen.

Ziel des Aus­hangs vom 10. De­zem­ber 2006 sei es ge­we­sen, die Um­be­nen­nung der Per­so­nal­di­rek­ti­on in Per­so­nal­ab­tei­lung und die Über­nah­me der ehe­mals von Herrn M. aus­geführ­ten Auf­ga­ben durch Herrn R. mit­zu­tei­len. Die Po­si­ti­on der Kläge­rin als Lei­te­rin der Per­so­nal­ver­wal­tung Ber­lin sei hier­durch nicht berührt wor­den. Der Aus­hang sei in­so­fern al­len­falls miss­verständ­lich, je­den­falls nicht dis­kri­mi­nie­rend. Fer­ner ha­be Herr R. die Per­so­nal­lei­tung für die 10 Be­zirks­di­rek­tio­nen über­nom­men.

An die von der Kläge­rin be­haup­te­te Äußerung (die Kläge­rin sol­le über ih­re be­ruf­li­che Zu­kunft nach­den­ken) könne Herr R. sich nicht mehr er­in­nern. Die Äußerung sei mögli­cher­wei­se in ei­nem Per­so­nal­gespräch ge­fal­len, in dem die Kläge­rin mit­teil­te, sie wol­le sich nicht in die neue Per­so­nal­ab­tei­lung in­te­grie­ren. Sie ha­be viel­mehr auf der Be­zeich­nung „Per­so­nal­ver­wal­tung Ber­lin“ be­stan­den. Sie müsse sich aber mit der neu­en

 

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Struk­tur bzw. der Um­be­nen­nung ab­fin­den.

Mit Schrei­ben vom 8. Fe­bru­ar 2007 sei der Kläge­rin aus­drück­lich bestätigt wor­den, dass die an­ge­mahn­te Ein­hal­tung der ver­trag­li­chen Pflich­ten kei­nen Vor­wurf der Schlecht- oder Min­der­leis­tung be­inhal­ten würde. So­weit wei­te­re Maßnah­men an­ge­deu­tet wor­den sei­en, sei dies Aus­druck der un­ter­neh­me­ri­schen Frei­heit. Im Übri­gen sei ihr die­ses Schrei­ben im Sin­ne des Dis­kri­mi­nie­rungs­rechts nicht zu­zu­rech­nen, da die Rechts­anwältin als Drit­te ge­han­delt ha­be.

Die Teil­nah­me der Kläge­rin am 11. April 2007 in M. er­folg­te un­strei­tig auf Ein­la­dung von Frau Ha. in Ab­we­sen­heit von Herrn R.. Ih­re Teil­nah­me sei nicht not­wen­dig ge­we­sen. Dies zei­ge sich schon an ih­ren ge­rin­gen Wort­mel­dun­gen. Es sei dar­um ge­gan­gen, die Not­wen­dig­keit von Dienst­rei­sen ge­nau zu prüfen.

Bei den Ta­gun­gen zur Pro­jekt­kul­tur am 04.03.2007 und beim Mit­tags­tisch mit dem Vor­stand am 17.04.2007 ging es je­weils um Per­so­nal­ent­wick­lungs­maßnah­men, für die die Kläge­rin nicht zuständig ge­we­sen sei.

So­weit Herr B. statt Frau W. aus­gewählt wor­den sei, ha­be dies an sei­ner her­vor­ra­gen­den Eig­nung ge­le­gen, zu­mal er nun­mehr Lei­ter der Di­rek­ti­on Außen­diens­te sei. Bei der Nicht­berück­sich­ti­gung von Frau G. hätte der aus­gewähl­te Kan­di­dat in die­ser größten Be­zirks­di­rek­ti­on Im­pul­se für an­de­re Be­zir­ke ge­ben sol­len. Die hierfür er­for­der­li­chen Kennt­nis­se sei­en in­tern nicht vor­han­den ge­we­sen. Die Be­set­zung der Stel­le des Mar­ke­ting­di­rek­tors ste­he mit dem hie­si­gen Rechts­streit in kei­nem Zu­sam­men­hang. Im Übri­gen er­dreis­te die Kläge­rin sich hier, dem Be­klag­ten ei­ne nicht trag­ba­re Grund­hal­tung vor­zu­wer­fen.

Das Ar­beits­ge­richt Ber­lin hat mit Ur­teil vom 30. Ja­nu­ar 2008 die Kla­ge ins­ge­samt ab­ge­wie­sen. Es hat in­so­fern aus­geführt, dass In­di­zi­en für ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung nicht zu se­hen sei­en. So­weit der Be­klag­te - auch wenn dies nicht schrift­lich do­ku­men­tiert wor­den ist - die Beförde­rung im De­zem­ber 2006 da­von abhängig ge­macht ha­be, dass nur ein Kan­di­dat mit ab­ge­schlos­se­nem Hoch­schul­stu­di­um zu berück­sich­ti­gen ist, stel­le dies kein er­sicht­lich sach­wid­ri­ges Kri­te­ri­um dar. Auch könne der Be­klag­te berück­sich­ti­gen, dass Herr R. über be­ruf­li­che Vor­er­fah­run­gen in der Per­so­nal­ar­beit verfüge. Selbst wenn Herr R. und die Kläge­rin über glei­che Er­fah­run­gen verfügen soll­ten, wäre der Be­klag­te in der Aus­wahl frei. Auch die Art und Wei­se der Stel­len­be­set­zung las­se kei­ne In­dizwir­kung für ei­ne Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin we­gen ih­res Ge­schlechts zu. In­so­fern sei es

 

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un­er­heb­lich, ob die Stel­le in­ner­be­trieb­lich hätte aus­ge­schrie­ben wer­den müssen. Der Aus­hang vom 10. De­zem­ber 2006 und die da­nach er­folg­ten schrift­li­chen Äußerun­gen des Be­klag­ten ließen eben­falls nicht die An­nah­me zu, dass ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung vorläge. Im Grun­de stel­le die Si­tua­ti­on sich so dar, dass ei­ner von bei­den Kon­kur­ren­ten den be­gehr­ten Pos­ten be­kom­men ha­be, was zu Kon­flik­ten und Span­nun­gen führen kann. So­weit der Be­klag­te die Kläge­rin im Schrei­ben vom 03.01.2007 auf­ge­for­dert hat, ih­ren ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen zukünf­tig nach­zu­kom­men, ge­he es dem Be­klag­ten um die Durch­set­zung und Ak­zep­tanz sei­ner Ent­schei­dun­gen. Glei­ches gel­te für das Schrei­ben vom 08.02.2007. Die Äußerung von Herrn R. am 20.12.2006 müsse im Zu­sam­men­hang der Si­che­rung ei­ner neu er­wor­be­nen Macht­po­si­ti­on ge­se­hen wer­den. Der ge­rin­ge An­teil von Frau­en in Spit­zen­po­si­tio­nen bei dem Be­klag­ten ha­be kei­ne ent­schei­den­de In­dizwir­kung. Die­se Si­tua­ti­on könne auch über­kom­me­ne ge­sell­schaft­li­che Verhält­nis­se ab­bil­den, oh­ne dass bei dem Be­klag­ten ge­ne­rell und ak­tu­ell ei­ne frau­en­feind­li­che Grund­ein­stel­lung herr­schen müsse, zu­mal die Be­wer­ber­si­tua­ti­on in der Ver­gan­gen­heit un­klar sei. So­weit der Be­klag­te im Ver­fah­ren aus­geführt ha­be, die Kläge­rin wäre we­gen ih­rer im Ver­gleich zu Herrn R. ge­rin­ge­ren Wo­chen­ar­beits­zeit zeit­lich nicht in der La­ge, zusätz­li­che Auf­ga­ben der kon­zep­tio­nel­len Per­so­nal­ar­beit zu er­brin­gen, so lie­ge der Kern der Aus­sa­ge nur dar­in, er hal­te die Kläge­rin für zeit­lich aus­ge­las­tet, so dass ihr kei­ne wei­te­ren Auf­ga­ben über­tra­gen wer­den könn­ten. Der Um­gang mit Frau G., Frau W. und Frau St. las­se an­ge­sichts der Viel­zahl der Beschäftig­ten bei dem Be­klag­ten nicht den Schluss auf ein frau­en­feind­li­ches Um­feld zu. We­der in der Ein­zel­be­trach­tung noch in ei­ner Ge­samt­be­wer­tung könne da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass sie Kläge­rin we­gen ih­res Ge­schlechts be­nach­tei­ligt wor­den sei. Die Tätig­keit der Kläge­rin und des Herrn R. können auch des­we­gen nicht als gleich oder gleich­wer­tig an­ge­se­hen wer­den, weil ih­re Ar­beitsplätze in un­ter­schied­li­chen Be­trie­ben (Ber­lin und M.) an­ge­sie­delt sei­en, für die un­ter­schied­lich aus­ge­stal­te­te Ar­beitsmärk­te maßgeb­lich sei­en. 

Die­ses Ur­teil ist der Kläge­rin am 14. Fe­bru­ar 2008 zu­ge­stellt wor­den. Die Be­ru­fung ging am 14. März 2008 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein. Nach Verlänge­rung bis zum 14. Mai 2008 ging am glei­chen Tag die Be­ru­fungs­be­gründung ein.

Die Kläge­rin ist der An­sicht, das Ar­beits­ge­richt ha­be we­sent­li­che Tat­sa­chen nicht berück­sich­tigt. Die recht­li­chen Wer­tun­gen sei­en nicht zu­tref­fend. Als sie mit Herrn Dr. M. über die nicht er­folg­te Beförde­rung von Frau G. ge­re­det ha­be, ha­be die­ser sinn­gemäß be­zo­gen auf ein da­ma­li­ges Vor­stands­mit­glied erklärt: „Sie ken­nen ja Herrn Dr. K.. Der will halt kei­ne Frau­en.“ Sie wer­de auch als Teil­zeit­kraft und da­mit mit­tel­bar als Frau dis­kri­mi­niert, wenn der Be­klag­te ihr vor­hal­te, auch we­gen der Teil­zeittätig­keit hätte man ihr

 

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ab dem 01.01.2000 im Ge­gen­satz zu Herrn R. nicht noch Auf­ga­ben der Ent­wick­lung kon­zep­tio­nel­ler Per­so­nal­ar­beit zu­wei­sen können, während sie tatsächlich un­strei­tig erst ab Mai 2001 mit ge­rin­ge­rer Wo­chen­ar­beits­zeit beschäftigt wer­de. Die Wahr­schein­lich­keit der Dis­kri­mi­nie­rung bei der Beförde­rung er­ge­be sich auch aus den von ihr ein­ge­reich­ten Pri­vat­gut­ach­ten vom 10. Mai 2008 (An­la­ge K44, Bl. 910 ff. d. A.) und 26.7.2008 (Bl. 1373 ff d. A.). Auch aus den von dem Be­klag­ten ein­ge­reich­ten Zeug­nis­sen des Herrn R. aus des­sen frühe­ren Ar­beits­verhält­nis­sen er­ge­be sich nicht, dass die­ser über Er­fah­run­gen in kon­zep­tio­nel­ler und stra­te­gi­scher Per­so­nal­ar­beit verfüge. Es sei nicht er­sicht­lich, wie das von Herrn R. ab­sol­vier­te Hoch­schul­stu­di­um sich bei der Be­mes­sung des Ar­beits­werts nie­der­ge­schla­gen ha­ben könn­te.

Die Kläge­rin be­an­tragt im Rah­men des hie­si­gen Schlus­s­ur­teils zu­letzt sinn­gemäß:

Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 30.01.2008 - AZ: 35 Ca 7441/07 - wird ab­geändert:

4. Der Be­klag­te wird ver­ur­teilt, ihr 28.214,66 EUR brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 14.5.2007 zu zah­len,

5. der Be­klag­te wird ver­ur­teilt, ihr in Zu­kunft über das be­zo­ge­ne Ge­halt hin­aus mo­nat­lich wei­te­re 1.467,86 EUR brut­to zu zah­len,

6. hilfs­wei­se wird für den Fall der Zurück­wei­sung des An­tra­ges zu 4. und 5. be­an­tragt, den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, ihr in Zu­kunft nach Maßga­be der Aus­kunft nach 1. gleich dem Herrn M. R.(Ge­halt bis 09.12.2006) zu be­zah­len,

7. den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, ihr Entschädi­gung nach dem Er­mes­sen des Ge­richts zu zah­len, min­des­tens je­doch 90.000,-- EUR,

 

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8. So­weit nicht durch die Anträge zu 5., 6. und 7. be­reits aus­ge­gli­chen, wird fest­ge­stellt, dass der Be­klag­te ver­pflich­tet ist, ihr die ma­te­ri­el­len und im­ma­te­ri­el­len Schäden zu er­set­zen, die ihr im Zeit­raum zwi­schen 2000 und Ju­li 2008 durch das Ver­hal­ten des Be­klag­ten ent­stan­den sind oder künf­tig ent­ste­hen wer­den

auf­grund der Ver­let­zung des Ge­bots der Gleich­be­hand­lung von Mann und Frau (Art. 3 Abs. 3 GG, Art. 141 EGV, § 1 AGG), na­ment­lich hin­sicht­lich der Un­gleich­be­hand­lung bei der Be­zah­lung im Verhält­nis zum Lei­ter der Per­so­nal­ver­wal­tung M., Herrn M. R., durch die un­ter­blie­be­ne Beförde­rung auf die Stel­le ei­ner Lei­te­rin der bun­des­weit täti­gen Per­so­nal­ab­tei­lung des Be­klag­ten, so­wie durch die sons­ti­gen Be­nach­tei­li­gun­gen, die Maßnah­men nach § 16 AGG dar­stel­len,

auf­grund der Ver­let­zung der Ge­sund­heit und

auf­grund der Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts,

12. den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, ihr über die Höhe des Herrn R. ge­zahl­ten va­ria­blen Ent­gelts für das lau­fen­de Jahr, je­weils bis zum Ab­lauf des ers­ten Quar­tals im Fol­ge­jahr, be­gin­nend mit dem 31.03.2009, Aus­kunft zu er­tei­len.

Der Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Der Be­klag­te be­haup­tet, die Bu­chun­gen von Flügen etc. für den Ge­samt­be­triebs­rat wer­den nun­mehr durch das Se­kre­ta­ri­at durch­geführt. Die Qua­li­fi­ka­ti­on von Herrn R. er­ge­be sich auch aus den Zeug­nis­sen der Vor­ar­beit­ge­ber (Anl. BB 4 = Bl. 1334 ff d. A.). Schon im Jah­re 2000 ha­be die­ser ein Per­so­nal­ent­wick­lungs­kon­zept er­ar­bei­tet, das mit Schrei­ben vom 1. Sep­tem­ber 2000 an den Vor­stand ge­lei­tet wor­den sei (An­la­ge BB1, Bl. 1078 ff. d. A.). Der Vor­stand ha­be die Um­set­zung befürwor­tet. Die Ein­stel­lung von Frau F. am 16. Ok­to­ber 2000 als Fach­re­fe­ren­tin ha­be die­se Ar­beit verstärken sol­len. Der Di­rek­to­re­nebe­ne sei­en seit 2007 zwei Mit­ar­bei­te­rin­nen zu­ge­ord­net, die an den Di­rek­to­ren Jour Fix teil­neh­men. Hier­von sei die am 1.12.2007 ein­ge­stell­te Frau M. laut Ar­beits­ver­trag lei­ten­de An­ge­stell­te. Frau R. sei es fak­tisch. Zum Stich­tag Ju­ni 2008 würden 41 weib­li­che und 45 männ­li­che sons­ti­ge AT-Mit­ar­bei­ter beschäftigt. Ne­ben sechs männ­li­chen Fach­ju­ris­ten sind auch drei weib­li­che Fach­ju­ris­ten tätig. Sta­tis­ti­sche Da­ten al­lein sei­en nicht ge­eig­net, den Nach­weis ei­ner un­mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung zu er­brin­gen. Vor­lie­gend sei schon nicht er­sicht­lich, wie vie­le Männer und/oder Frau­en sich je­weils zu frühe­ren Zei­ten be­wor­ben hätten. Durch Richter­recht dürfe nicht ei­ne Gleich­be­hand­lungs­quo­te ge­schaf­fen wer­den.

 

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Ent­schei­dungs­gründe

Die form- und frist­ge­recht ein­ge­leg­te und be­gründe­te Be­ru­fung ist zulässig (§§ 519, 520 ZPO) und hat in der Sa­che teil­wei­se Er­folg.

Der Be­klag­te ist ver­pflich­tet, der Kläge­rin Scha­dens­er­satz we­gen ge­schlechts­wid­ri­ger Be­nach­tei­li­gung bei der Beförde­rung in Höhe von 28.214,66 € für die Zeit vom 01.01.2007 bis 31.07.2008 zu zah­len. Darüber hin­aus muss er ihr künf­tig mo­nat­lich wei­te­re 1.467,86 € brut­to vergüten. Wei­ter­hin ist der Be­klag­te ver­pflich­tet, der Kläge­rin Aus­kunft bzgl. des an Herrn R. ge­zahl­ten va­ria­blen Ent­gelts zu er­tei­len. Fer­ner steht der Kläge­rin we­gen schwer­wie­gen­der Ver­let­zung ih­res Persönlich­keits­rechts ei­ne Entschädi­gung in Höhe von 20.000,00 EUR zu. In­so­fern war das erst­in­stanz­li­che Ur­teil ab­zuändern. Die wei­ter­ge­hen­de Be­ru­fung hin­sicht­lich ei­nes höhe­ren Entschädi­gungs­be­geh­rens (min­des­tens 90.000,-- €; An­trag zu 7) und des Fest­stel­lungs­an­tra­ges bzgl. ma­te­ri­el­ler und im­ma­te­ri­el­ler Schäden (An­trag zu 8) hat hin­ge­gen kei­nen Er­folg.

I.

Der Be­klag­te ist ver­pflich­tet, der Kläge­rin für die Zeit vom 1. Ja­nu­ar 2007 bis 31. Ju­li 2008 28.214,66 € brut­to nebst Zin­sen zu zah­len. Der Be­klag­te ist zum Scha­dens­er­satz in die­ser Höhe ver­pflich­tet, weil er die Kläge­rin bei dem be­ruf­li­chen Auf­stieg am 10. De­zem­ber 2006 we­gen des Ge­schlechts be­nach­tei­ligt hat (§§ 15 Abs. 1, 7 Abs. 1, 1, 3 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG).

1. Die Kläge­rin konn­te auch in der Be­ru­fungs­in­stanz von der Aus­kunfts- zur Zah­lungs­kla­ge über­ge­hen.

Die Kläge­rin hat­te ursprüng­lich in zulässi­ger Wei­se nach § 254 ZPO ei­ne Stu­fen­kla­ge auf Aus­kunft und Zah­lung des sich aus der Aus­kunft er­ge­ben­den Rech­nungs­be­tra­ges er­ho­ben. Dem stand nicht ent­ge­gen, dass die Kläge­rin die ent­spre­chen­den Beträge kann­te. Da sie ihr dienst­lich er­wor­be­nes Wis­sen gem. § 5 Abs. 3 des Ar­beits­ver­tra­ges außer­dienst­lich nicht ver­wen­den durf­te, konn­te sie so­lan­ge nicht ver­pflich­tet sein, di­rekt ei­ne Zah­lungs­kla­ge zu er­he­ben, wie der Be­klag­te ihr die ge­richt­li­che Ver­wen­dung der Da­ten nicht er­laub­te. Dies ge­schah erst in der Be­ru­fungs­ver­hand­lung vom 30.07.2007, nach­dem ins­be­son­de­re die be­triebs­in­ter­nen Zuhörer den Saal ver­las­sen hat­ten.

 

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Zwar ist über die ein­zel­nen Stu­fen ei­ner Stu­fen­kla­ge grundsätz­lich ge­trennt zu ver­han­deln, doch kann ein Kläger, nach­dem der Be­klag­te ihm die Un­ter­la­gen vor­ge­legt hat, di­rekt zum ei­gent­li­chen Leis­tungs­be­geh­ren über­ge­hen und ei­nen be­zif­fer­ten An­trag stel­len. Da­mit strebt er sein ursprüng­li­ches Kla­ge­ziel nun­mehr un­mit­tel­bar an, was kei­ne Kla­geände­rung dar­stellt (BGH 21.02.1991 – III ZR 169/88 – NJW 1991, 1893 Rn 12). So verhält es sich hier. Ob die Kläge­rin auch ei­nen Er­le­di­gungs­an­trag hätte stel­len können (BGH 05.05.1999 – XII ZR 184/97 – NJW 1999, 2520 Rn 21f), braucht hier man­gels ei­nes sol­chen An­trags nicht ent­schie­den zu wer­den.

2. Die Rechts­la­ge ist nach dem am 18. Au­gust 2006 in Kraft ge­tre­te­ne All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) zu be­ur­tei­len, da die Beförde­rung von Herrn R. im De­zem­ber 2006 er­folg­te (Vgl. BAG vom 14.08.2007 - 9 AZR 943/06 - NZA 2008, 99, 101 Rn. 28).

3. Ob ei­ne Be­nach­tei­li­gung im Sin­ne des AGG vor­liegt, ist un­ter Be­ach­tung der Be­weis­last­re­gel des § 22 AGG zu prüfen.

Wenn im Streit­fall die ei­ne Par­tei In­di­zi­en be­weist, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des ver­mu­ten las­sen, trägt die an­de­re Par­tei die Be­weis­last dafür, dass kein Ver­s­toß ge­gen die Be­stim­mun­gen zum Schutz vor Be­nach­tei­li­gung vor­ge­le­gen hat.

Die Prüfung er­folgt so­mit zwei­stu­fig (Däubler/Bertz­bach-Bertz­bach, 2. Auf­lg. § 22 AGG Rn. 9; HWK-An­nuß/Rupp, 3. Auf­lg. § 22 AGG Rn. 2; LAG Ham­burg vom 09.11.2007 - H 3 Sa 102/07 - Ju­ris, anhängig beim BAG un­ter 8 AZR 287/08).

Da § 22 AGG den §§ 611 a Abs. 1 S. 3 BGB er­setzt und die­ser Norm nach­ge­bil­det wur­de (BT-Dr. 16/1780, = NZA Beil. zu Heft 16/2006, S. 30), ist da­von aus­zu­ge­hen, dass sich in­so­fern in recht­li­cher Hin­sicht nichts geändert hat.

Schon § 611 a Abs. S. 3 BGB ent­hielt ei­ne zwei­stu­fi­ge Re­ge­lung (BAG vom 05.02.2004 - 8 AZR 112/03 - NZA 2004, 540, 543). Die­se Norm be­zieht sich auf den Be­nach­tei­li­gungs­grund, al­so auf die Tat­sa­che der Be­nach­tei­li­gung aus ge­schlecht­spe­zi­fi­schen Gründen. Auch wenn die Be­weis­ver­tei­lung nicht verändert wird, so senkt sie doch das Maß des Be­wei­ses ab. Für die Glaub­haft­ma­chung durch den Ar­beit­neh­mer ist ei­ne Dar­le­gung aus­rei­chend, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen des Ge­schlechts als wahr­schein­lich er­schei­nen lässt. In­so­fern muss der Ar­beit­neh­mer Hilfs­tat­sa­chen dar­le-

 

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gen und ord­nungs­gemäß un­ter Be­weis stel­len, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen des Ge­schlechts ver­mu­ten las­sen. Hier­zu genügt die Über­zeu­gung des Ge­richts von der über­wie­gen­den Wahr­schein­lich­keit für die Kau­sa­lität zwi­schen Ge­schlecht­zu­gehörig­keit und Nach­teil. Sol­che Ver­mu­tungs­tat­sa­chen können in Äußerun­gen des Ar­beit­ge­bers bzw. an­de­ren Ver­fah­rens­hand­lun­gen be­gründet sein, die die An­nah­me ei­ner Be­nach­tei­li­gung we­gen des Ge­schlechts na­he le­gen. Es genügen In­di­zi­en, die aus ei­nem re­gel­haft ei­nem Ge­schlecht ge­genüber geübten Ver­hal­ten auf ei­ne sol­cher­maßen mo­ti­vier­te Ent­schei­dung schließen las­sen. Ge­lingt es in der ers­ten Stu­fe dem Ar­beit­neh­mer, die Be­nach­tei­li­gung aus ge­schlechts­spe­zi­fi­schen Gründen über­wie­gend wahr­schein­lich er­schei­nen zu las­sen, dann muss in der zwei­ten Stu­fe nun­mehr der Ar­beit­ge­ber den vol­len Be­weis dafür führen, dass die Be­nach­tei­li­gung aus recht­lich zulässi­gen Gründen er­folg­te (BAG a. a. O.).

4. Die Kläge­rin hat im Rah­men der ers­ten Prüfungs­stu­fe aus­rei­chend dar­ge­legt, dass In­di­zi­en dafür vor­han­den sind, dass ih­re Nicht­berück­sich­ti­gung bei der Beförde­rung we­gen des Ge­schlechts er­folgt ist. Als In­diz für ei­ne Ge­schlechts­dis­kri­mi­nie­rung bei ei­ner Beförde­rung auf ei­nen Führungs­pos­ten kann ins­be­son­de­re auch ei­ne Sta­tis­tik über die Ge­schlechts­ver­tei­lung auf den ein­zel­nen Hier­ar­chie­ebe­nen her­an­ge­zo­gen wer­den.

4.1 Sta­tis­ti­sche An­ga­ben können grundsätz­lich ein In­diz für ei­ne Ge­schlechts­dis­kri­mi­nie­rung sein.

Dies gilt un­be­strit­ten zu­min­dest für mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­run­gen, wenn al­so ein schein­bar neu­tra­les Kri­te­ri­um (z. B. Teil­zeit) als An­knüpfungs­punkt dient, hier­von aber über­wie­gend Ar­beit­neh­mer ei­nes Ge­schlechts be­trof­fen sind.

Außer­halb die­ses Be­reichs hat der EuGH die Her­an­zie­hung von Sta­tis­ti­ken für den Nach­weis ei­ner ge­schlechts­be­ding­ten Dis­kri­mi­nie­rung ins­be­son­de­re dann genügen las­sen, wenn das Ent­gelt­sys­tem (EuGH 27.10.1993 - End­er­by - NZA 1994, 797) oder das Ein­stel­lungs­sys­tem (EuGH 30.06.1988 - As. C-318/86 - Kom­mis­si­on ./. Frank­reich - Eu­GHE 1998, 3359) völlig in­trans­pa­rent ist.

In der deut­schen Recht­spre­chung fin­den sich hier­zu kaum Ent­schei­dun­gen. Das LAG Köln (13.06.2006 - 9 Sa 1508/05 - Ju­ris) hat sta­tis­ti­sche Nach­wei­se nicht als In­diz ge­wer­tet. Dem Ar­beit­ge­ber ste­he es frei, sich je­weils für die Be­wer­be­rin oder den Be­wer­ber zu ent­schei­den, der nach sei­nem Dafürhal­ten die bes­ten persönli­chen und fach­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die Führungs­auf­ga­be mit­brin­ge. Er sei nicht ver­pflich­tet, in

 

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ei­nem be­stimm­ten Verhält­nis die Ar­beitsplätze mit Männern und Frau­en zu be­set­zen. Auch könne sich aus dem Feh­len von Be­wer­bun­gen weib­li­cher Mit­ar­bei­ter er­ge­ben, dass der Männer­an­teil bei be­stimm­ten Po­si­tio­nen über­wiegt. Nach dem Tat­be­stand wa­ren 30 % al­ler Beschäftig­ten Frau­en, während in den Führungs­po­si­tio­nen der Frau­en­an­teil nur bei 7,5 % lag. Das Ar­beits­ge­richt Lübeck (vom 29.05.2007 - 6 Ca 642/07 - Ju­ris) hält es für denk­bar, die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung von Ar­beit­neh­mern sta­tis­tisch aus­zu­wer­ten, um ei­ne Ver­mu­tung für ei­ne Be­nach­tei­li­gung zu er­mit­teln. Im kon­kre­ten Fall wa­ren hierfür je­doch nicht genügend An­halts­punk­te ge­se­hen wor­den. Das LAG München wer­tet den Um­stand, dass in ei­nem Un­ter­neh­men der An­teil der Frau­en in Führungs­po­si­tio­nen in den letz­ten Jah­ren stark ab­ge­nom­men hat und nun­mehr so­wohl deut­lich un­ter dem deut­schen Durch­schnitt als auch un­ter dem Frau­en­an­teil in dem be­trof­fe­nen Un­ter­neh­men all­ge­mein liegt, nicht als aus­rei­chen­des In­diz für ei­ne Ge­schlechts­dis­kri­mi­nie­rung, denn hierfür könne es ganz un­ter­schied­li­che Ur­sa­chen ge­ben, zum Bei­spiel ei­ne spe­zi­el­le Un­ter­neh­mens­ge­schich­te oder kei­ne aus­ge­prägte Un­ter­neh­mens­kul­tur hin­sicht­lich der Ver­ein­ba­rung von Be­ruf und Fa­mi­lie (LAG München 7.8.2008 – 3 Sa 1112/07 – Ju­ris Rn 52).

In der Li­te­ra­tur fin­den sich auch nur we­ni­ge Stel­lung­nah­men. Gro­bys (NZA 2006, 898, 902) hält ei­ne aus­sa­ge­kräfti­ge Sta­tis­tik zu­min­dest im Fall der über­ta­rif­li­chen Ent­loh­nung für möglich. An ei­ner sol­chen aus­sa­ge­kräfti­gen Sta­tis­tik man­ge­le es aber, wenn ein ab­ge­lehn­ter Be­wer­ber ei­nes be­stimm­ten Ge­schlechts nur dar­legt, dass ge­ra­de „sei­ne“ Per­so­nen­grup­pe im Be­trieb oder ei­ner be­stimm­ten Ab­tei­lung un­ter­re­präsen­tiert ist. Es ge­be kei­nen Er­fah­rungs­satz, wo­nach be­stimm­te Bevölke­rungs­grup­pen bei Be­wer­bun­gen stets gleichmäßig ver­tre­ten sind und Be­leg­schaf­ten dem­ent­spre­chend zu­sam­men­ge­setzt sein müss­ten. Nach Pa­landt-Grüne­berg, 67. Auf­lg. 2008, § 22 AGG, Rn. 2 sind aus­sa­ge­kräfti­ge Er­geb­nis­se von Sta­tis­ti­ken ge­eig­ne­te In­di­zi­en. Nach an­de­rer An­sicht muss über das bloße sta­tis­ti­sche Über­wie­gen hin­aus ei­ne wer­ten­de Fest­stel­lung ge­trof­fen wer­den (KR-Pfeif­fer, 8. Auf­lg. 2007, AGG Rn. 184). Wie­der an­de­ren reicht der kon­kre­te sta­tis­ti­sche Nach­weis, dass in ei­nem Un­ter­neh­men auf ei­ner Führungs­ebe­ne nur ei­ne ge­rin­ge An­zahl oder kei­ne Frau­en tätig sind, als Ver­mu­tungs­wir­kung für die Be­nach­tei­li­gung von Frau­en aus (Däubler/Bertz­bach-Bertz­bach § 22 AGG Rn. 45 a; Mei­nel/Heyn/Herms § 22 AGG Rn. 26).

Die Kam­mer ist der An­sicht, dass sta­tis­ti­sche Nach­wei­se schon des­we­gen berück­sich­ti­gungsfähig sein müssen, da an­de­ren­falls ei­ne ver­deck­te Dis­kri­mi­nie­rung bei Beförde­run­gen („gläser­ne De­cke“) nicht er­mit­tel­bar wäre.

 

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Es kann nicht sein, dass die ar­beits­ge­richt­li­che Recht­spre­chung Dis­kri­mi­nie­run­gen nur in Form der mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung und der Dis­kri­mi­nie­rung, bei der der Ar­beit­ge­ber Stel­len nicht ge­schlechts­neu­tral aus­schreibt, zur Kennt­nis nimmt. Mit die­sen bei­den Dis­kri­mi­nie­rungs­ty­pen sind prak­tisch sämt­li­che Fälle be­schrie­ben, die in der deut­schen Recht­spre­chung ei­ne Rol­le spie­len. Theo­re­tisch kämen noch Fälle der of­fe­nen Dis­kri­mi­nie­rung in Be­tracht. In der Pra­xis sind sie ir­re­le­vant. Zu­tref­fend wird da­von aus­ge­gan­gen, dass es Ar­beit­ge­ber ge­lernt hätten, wie sie ei­ne ma­te­ri­ell am Ge­schlecht ori­en­tier­te Aus­wah­l­ent­schei­dung trotz ent­spre­chen­der Ver­bo­te er­folg­reich tar­nen können (An­nuß NZA 1999, 738, 738). Dass ein Ar­beit­ge­ber sich of­fen zur Dis­kri­mi­nie­rung be­kennt, ist dem hie­si­gen Vor­sit­zen­den in 17 Jah­ren nur ein Mal vor länge­rer Zeit pas­siert: Die Be­wer­bung ei­nes Man­nes war mit der Be­gründung ab­ge­lehnt wor­den, es han­de­le sich um ei­nen Frau­en­be­trieb, so die da­ma­li­ge Mit­tei­lung des Geschäftsführers und ein­zi­gen Man­nes.

Tatsächlich gibt es je­doch ei­ne ver­deck­te Dis­kri­mi­nie­rung von Frau­en in Deutsch­land, der sich die Recht­spre­chung auch stel­len muss.

Ob­wohl der Frau­en­an­teil an den Beschäftig­ten in Be­trie­ben der Pri­vat­wirt­schaft 45 % beträgt, sind sie nur zu 26 % an Führungs­po­si­tio­nen be­tei­ligt, dies al­ler­dings auch nur in Be­trie­ben mit 1 - 9 Beschäftig­ten. Bei Be­trie­ben mit 500 und mehr Beschäftig­ten sind Frau­en auf der zwei­ten Führungs­ebe­ne zu 12 % und auf der ers­ten Führungs­ebe­ne zu 4 % be­tei­ligt (2. Bi­lanz Chan­cen­gleich­heit - Frau­en in Führungs­po­si­tio­nen, hrsg. von der Bun­des­re­gie­rung, Fe­bru­ar 2006, S. 9 f.). In Großun­ter­neh­men (min­des­tens 20 Mio. € Jah­res­um­satz und/oder über 200 Beschäftig­te) be­trug der Frau­en­an­teil in Führungs­po­si­tio­nen im Jah­re 1995 4,8 % und im Jah­re 2004 8,2 % (a. a. O., S. 12). An­fang des Jah­res 2007 lag er bei 7,5 % und im Jah­re 2008 nur noch bei 5,5 % (3. Bi­lanz Chan­cen­gleich­heit - Eu­ro­pa im Blick, hrsg. von der Bun­des­re­gie­rung, April 2008, S. 28).

Da­mit liegt Deutsch­land auf dem siebt­letz­ten Platz von 21 un­ter­such­ten Ländern in Eu­ro­pa (3. Bi­lanz a. a. O., S. 30). Es be­fin­det sich im un­te­ren Drit­tel, während die Frau­en­er­werbstäti­gen­quo­te im Jah­re 2006 mit 62,2 % in Deutsch­land in­ner­halb Eu­ro­pas im obe­ren Drit­tel liegt (a. a. O., S. 24). All dies kann nicht mit ei­ner schlech­te­ren Qua­li­fi­ka­ti­on von Frau­en be­gründet wer­den, da Stu­den­tin­nen in den letz­ten 20 Jah­ren ge­genüber den Stu­den­ten bes­se­re Durch­schnitts­no­ten in den Zu­gangs­zeug­nis­sen und sie auch sonst bes­se­re Schul­ab­schlüsse er­rei­chen (2. Bi­lanz a. a. O., S. 15 f.). Es gibt star­ke Un­ter­schie­de in den Bran­chen. In den Ban­ken ist je­de vier­te Führungs­kraft ei­ne Frau (2. Bi­lanz a. a. O., S.14). Im Ge­sund­heits- und So­zi­al­we­sen und der pri­va­ten

 

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Dienst­leis­tungs­bran­che beträgt der Frau­en­an­teil in Führungs­po­si­tio­nen hin­ge­gen 40 %, im Groß- und Ein­zel­han­del 32 % (a. a. O., S. 11). Der Frau­en­an­teil in Führungs­po­si­tio­nen bei den obers­ten Bun­des­behörden stieg von 8,7 % in 1996, über 15 % in 2002 auf 20,1 % in 2006 (3. Bi­lanz, a. a. O., S. 31). In den hun­dert größten Un­ter­neh­men fan­den sich im Jah­re 2004 ne­ben 685 Männern nur vier Frau­en in Vor­stands­po­si­tio­nen (2. Bi­lanz a. a. O., S. 12), im Jahr 2008 war es ex­akt noch ei­ne Frau (3. Bi­lanz a. a. O., S. 29).

Be­mer­kens­wert ist auch der An­teil von Frau­en in den Auf­sichtsräten in hun­dert größten Un­ter­neh­men im Jah­re 2005. Der An­teil läge nur bei 1,5 % (2. Bi­lanz a. a. O., S. 13), was durch­aus dem Trend ent­spricht, dass der Frau­en­an­teil im­mer stärker ab­nimmt, je ge­wich­ti­ger der Führungs­pos­ten ist. Tatsächlich lag der An­teil der Frau­en in den Auf­sichtsräten je­doch bei 7,5 %. Dies hat ei­nen ein­fa­chen Grund: Über 80 % der Frau­en er­hiel­ten ihr Man­dat durch die Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tun­gen (2. Bi­lanz a. a. O., S. 13).

All dies kann nicht auf Zufälle zurück­geführt wer­den. Es kann auch nicht da­mit be­gründet wer­den, dass die Ver­ein­bar­keit von Fa­mi­lie und Be­ruf in Deutsch­land so schlecht gewähr­leis­tet ist (so aber die Ver­mu­tung des LAG München vom 7.8.2008 – 3 Sa 1112/07 – Ju­ris Rn 52). Da­mit kann al­len­falls erklärt wer­den, dass Frau­en sich ge­ne­rell nicht im sel­ben Maße wie Männer für ei­ne Be­rufstätig­keit ent­schei­den. Un­ter der man­geln­den Ver­ein­bar­keit von Fa­mi­lie und Be­ruf lei­den Frau­en auf un­te­ren Hier­ar­chie­ebe­nen si­cher­lich min­des­tens ge­nau­so wie Frau­en in Lei­tungs­po­si­tio­nen. War­um fin­det man Frau­en da­her über­pro­por­tio­nal im un­te­ren Hier­ar­chie­seg­ment? Hin­zu­kommt, dass Frau­en in Lei­tungs­po­si­tio­nen auf Grund der bes­se­ren Vergütung zu­min­dest eher in der La­ge wären, Kin­der­be­treu­ung etc. pri­vat zu or­ga­ni­sie­ren und zu be­zah­len. Viel­mehr ist da­von aus­zu­ge­hen, dass min­des­tens auch dis­kri­mi­nie­ren­de Struk­tu­ren, Denk- oder Ver­hal­tens­wei­sen in den Be­trie­ben die Auf­stiegsmöglich­kei­ten von Frau­en ver­hin­dern.

4.2 Die Tat­sa­che, dass bei dem Be­klag­ten oh­ne Aus­nah­me al­le 27 Führungs­po­si­tio­nen nur mit Männern be­setzt sind, ob­wohl Frau­en 2/3 der Be­leg­schaft stel­len, ist mehr als frap­pie­rend. Es ist ein aus­rei­chen­des In­diz im Sin­ne von § 22 AGG, um von ei­ner Ge­schlechts­dis­kri­mi­nie­rung aus­zu­ge­hen, wenn in ei­ner sol­chen Si­tua­ti­on er­neut ein Mann statt ei­ner Frau befördert wird.

So­weit das Ar­beits­ge­richt meint, dass dem Ver­weis auf den ge­rin­gen An­teil an Frau­en in Führungs­po­si­tio­nen kei­ne ent­schei­den­de Be­deu­tung zu­kom­me, weil dies auch über­kom­me­ne ge­sell­schaft­li­che Verhält­nis­se ab­bil­den könne, ist dem nicht zu fol­gen. Zum

 

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ei­nen wird da­mit zum Aus­druck ge­bracht, dass ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung erst dann recht­lich re­le­vant ist, wenn sie über das in der Ge­samt­ge­sell­schaft ver­brei­te­te Maß hin­aus­geht. Ei­ne der­ar­ti­ge Ein­schränkung ist dem AGG oder dem Art. 3 GG nir­gend­wo zu ent­neh­men. Darüber hin­aus wird bei die­ser Auf­fas­sung nur un­ter­stellt, aber nicht ge­prüft, ob nur über­kom­me­ne ge­sell­schaft­li­che Verhält­nis­se sich im Un­ter­neh­men des Be­klag­ten ab­bil­den. Tatsächlich ist das Nicht­vor­han­den­sein von Frau­en auf den obers­ten 27 Führungs­po­si­tio­nen kei­nes­falls Aus­druck des ge­sell­schaft­li­chen Trends. Selbst in Großun­ter­neh­men, wo­zu der Be­klag­te zählt, sind in Deutsch­land auf der ers­ten Führungs­ebe­ne 4 % und auf der zwei­ten Ebe­ne 12 % Frau­en ver­tre­ten, wo­bei der Frau­en­an­teil an der Ge­samt­be­leg­schaft dort nur 33 % beträgt. Bei dem Be­klag­ten beläuft sich der Frau­en­an­teil aber auf 69 %. Selbst auf den Ebe­nen Ab­tei­lungs­di­rek­tor abwärts bis zu den sons­ti­gen außer­ta­rif­li­chen Beschäftig­ten beträgt der An­teil der Frau­en im­mer noch 44 %. Ein genügend großes Re­ser­voir zur Beförde­rung auch von Frau­en wäre al­so vor­han­den ge­we­sen. Nur ober­halb der Ab­tei­lungs­di­rek­to­re­nebe­ne bricht der Frau­en­an­teil schlag­ar­tig ab. Stellt man den Be­klag­ten als In­kas­so­un­ter­neh­men mit pri­va­ten Ban­ken gleich, müss­te der weib­li­che An­teil an Führungs­kräften aber bei 25 % lie­gen, als Teil des pri­va­ten Dienst­leis­tungs­be­rei­ches wären gar 40 % zu er­war­ten. Hier­von ist der Be­klag­te weit, weit ent­fernt.

Dies wird auch dann deut­lich, wenn man sich die Ent­wick­lung in der Ver­gan­gen­heit an­sieht. Frau G. hat die Funk­ti­on der Per­so­nal­di­rek­to­rin nur kom­mis­sa­risch über­tra­gen er­hal­ten. Zur Di­rek­to­rin wur­de sie nie er­nannt. In­so­fern kann hier auch of­fen blei­ben, ob die Be­haup­tung der Kläge­rin zu­trifft, dass Männer spätes­tens nach 2 Jah­ren bei ent­spre­chen­der Tätig­keit den Di­rek­to­ren­ti­tel ver­lie­hen be­kom­men. Seit 1976 gibt es kei­ne wei­te­re Di­rek­to­rin, Be­zirks­di­rek­to­rin oder Vor­stands­frau mehr bei dem Be­kla­gen. Der Be­klag­te wen­det dem­ge­genüber ein, dass berück­sich­tigt wer­den müsse, dass „zahl­rei­che Di­rek­to­ren“ ei­ne Be­triebs­zu­gehörig­keit von mehr als 30 Jah­ren auf­wie­sen (S. 10 des Schrift­sat­zes vom 9.9.2008, Bl. 1328 d. A.). Auch wenn die Be­triebs­zu­gehörig­keits­zeit nichts darüber zum Aus­druck bringt, ab wann die je­wei­li­ge Per­son in den Führungs­kreis auf­ge­stie­gen ist, so soll das Be­klag­ten­ar­gu­ment da­hin­ge­hend ver­stan­den wer­den, dass ei­ne Po­li­tik der Be­nach­tei­li­gung von Frau­en mögli­cher­wei­se in der Ver­gan­gen­heit vor­han­den war, dies je­doch kei­nen Schluss auf das ak­tu­el­le Vor­ge­hen er­lau­be. Mit der glei­chen Strin­genz ließen sich auch of­fen dis­kri­mi­nie­ren­de Äußerun­gen in der Ver­gan­gen­heit als ir­re­le­vant ab­tun, da nie aus­ge­schlos­sen wer­den kann, dass ei­ne sol­che Geis­tes­hal­tung nun­mehr nicht mehr vor­han­den ist. Rich­ti­ger­wei­se muss man aber von si­gni­fi­kan­ten Zuständen aus der Ver­gan­gen­heit auf die Ge­gen­wart schließen, außer wenn hand­fes­te ge­genläufi­ge Ten­den­zen sicht­bar wer­den. 

 

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So­weit der Be­klag­te sich auf die am 1. Fe­bru­ar 2007 ein­ge­stell­te Frau R. und die ab 1. De­zem­ber 2007 beschäftig­te Frau M. (Pres­se­spre­che­rin) be­ruft, ha­ben die­se bis heu­te un­strei­tig nicht den Sta­tus von Di­rek­to­rin­nen er­hal­ten, auch wenn dies an­ge­dacht sein mag. Je­den­falls wird hier­durch nicht die In­dizwir­kung auf­ge­ho­ben, die sich aus der Ge­schlechts­ver­tei­lung zum Zeit­punkt der Beförde­rungs­ent­schei­dung er­gibt.

Um­gangs­sprach­lich wird das hier zu be­ob­ach­ten­de Phäno­men „Gläser­ne De­cke“ ge­nannt. Frau­en ha­ben ab ei­ner be­stimm­ten Hier­ar­chie­stu­fe kei­ne oder so gut wie kei­ne Chan­cen mehr auf Beförde­run­gen. Dies lässt aber min­des­tens in den Fällen, in de­nen die re­le­van­ten Zah­len der je­wei­li­gen Bran­che in Deutsch­land gra­vie­rend un­ter­schrit­ten wer­den, den Schluss zu, dass in ei­nem sol­chen Un­ter­neh­men ei­ne Kul­tur herrscht, die die Chan­cen­gleich­heit von Frau­en be­schnei­det. Die Rea­lität bei dem Be­klag­ten stellt si­cher­lich ei­nen Ex­trem­fall dar. Dies be­trifft so­wohl die Mo­ment­auf­nah­me (kei­ne Frau bei 27 Führungs­po­si­tio­nen) als auch die zeit­li­che Ent­wick­lung (in den 30 Jah­ren zu­vor nur ei­ne Frau mit fak­ti­scher Di­rek­to­rin­nentätig­keit).

Im Ge­gen­satz zur Auf­fas­sung des Be­klag­ten wird hier­mit auch nicht richter­recht­lich der Zwang zur Quo­tie­rung ein­geführt. Je­dem Ar­beit­ge­ber steht es auch wei­ter­hin frei, Führungs­po­si­tio­nen aus­sch­ließlich mit Männern zu be­set­zen. In ei­ner ge­richt­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung muss er dann aber in der La­ge sein, zu­min­dest im zwei­ten Schritt die Gründe für die Be­vor­zu­gung ei­nes Man­nes nach­voll­zieh­bar zu be­le­gen. In­so­fern führt die Berück­sich­ti­gung von Sta­tis­ti­ken als In­diz für ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung al­len­falls da­zu, die je­wei­li­ge Aus­wah­l­ent­schei­dung trans­pa­rent zu ge­stal­ten. Will man sich dies spa­ren, was wie­der­um je­der Ar­beit­ge­ber frei ent­schei­den kann, wird fak­tisch al­ler­dings ein Druck in Rich­tung ei­ner ge­wis­sen Quo­tie­rung die Fol­ge sein.

5. Auf der zwei­ten Prüfungs­stu­fe ist dem Be­klag­ten hier nicht der Nach­weis ge­lun­gen, dass kein Ver­s­toß ge­gen ein Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot vor­liegt.

Der Be­klag­te be­ruft sich in­so­fern dar­auf, dass zwar kein schrift­li­ches An­for­de­rungs­pro­fil vor­ge­le­gen ha­be, bei den we­sent­li­chen Ent­schei­dungs­trägern je­doch klar ge­we­sen sei, dass der neue Per­so­nal­lei­ter über Kennt­nis­se und Er­fah­run­gen in der kon­zep­tio­nel­len Per­so­nal­ent­wick­lungs­ar­beit verfügen müsse. Vor­aus­set­zung für die Beförde­rung sei ein ein­schlägi­ges Uni­ver­sitäts­stu­di­um mit Schwer­punkt Per­so­nal­we­sen oder ein ju­ris­ti­sches Stu­di­um ge­we­sen.

 

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Die­ser Ein­wand ist un­sub­stan­zi­iert. Es bleibt völlig un­klar, wann und vor al­lem wel­che Ent­schei­dungs­träger sich auf die­se Kri­te­ri­en ge­ei­nigt ha­ben sol­len. Schon al­lein des­we­gen war Herr Dr. M. auch nicht als Zeu­ge zu ver­neh­men.

Darüber hin­aus kann der Ar­beit­ge­ber in der zwei­ten Prüfungs­stu­fe sich re­gelmäßig nur auf die­je­ni­gen Tat­sa­chen zur sach­li­chen Recht­fer­ti­gung ei­ner Beförde­rungs­ent­schei­dung be­ru­fen, die er zu­vor im Aus­wahl­ver­fah­ren nach außen er­sicht­lich hat wer­den las­sen.

Dies ent­spricht der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts (vom 16.11.1993 – 1 BvR 258/86 – NZA 1994, 745).

Das BVerfG hat zu der Vorgänger­re­ge­lung des § 611 a Abs. 1 BGB a. F. und für ei­nen Ein­stel­lungs­fall aus­geführt, dass hier­bei auch die vor­an­ge­gan­ge­nen Ver­fah­rens­schrit­te zu berück­sich­ti­gen sind. An­dern­falls hätte es der Ar­beit­ge­ber in der Hand, durch ge­eig­ne­te Ver­fah­rens­ge­stal­tung die Chan­cen von Be­wer­bern, die we­gen ih­res Ge­schlechts als we­ni­ger ge­eig­net ein­ge­stuft wer­den, so zu mil­dern, dass ei­ne ab­sch­ließen­de Ent­schei­dung prak­tisch un­an­greif­bar wird (a.a.O. Rn. 47). Zu dem mögli­chen Ent­las­tungs­vor­brin­gen des Ar­beit­ge­bers in der zwei­ten Prüfungs­stu­fe hat es aus­geführt:

„Es (das LAG) ge­steht dem Ar­beit­ge­ber die nachträgli­che Be­ru­fung auf ein Ein­stel­lungs­merk­mal zu, das zwar in der Per­son des Ein­ge­stell­ten un­be­streit­bar in höhe­rem Maße als bei der ab­ge­wie­se­nen Be­schwer­deführe­rin vor­liegt, das aber we­der in der Aus­schrei­bung noch während des Aus­wahl­ver­fah­rens for­mu­liert wor­den war. Das Ge­richt hätte dann aber ei­ne be­son­de­re Recht­fer­ti­gung für das Nach­schie­ben von Aus­wahl­kri­te­ri­en ver­lan­gen müssen. Sonst wäre dem Ar­beit­ge­ber in na­he­zu je­dem Fall ei­ne Ent­las­tung möglich. Der ge­richt­li­chen Durch­set­zung des Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bots würde da­mit ein prak­tisch unüber­wind­li­ches Hin­der­nis ent­ge­gen­ge­setzt.

Die Ent­las­tung durch nachträgli­che An­ga­be ei­nes „sach­li­chen Grun­des“ für sei­ne Ent­schei­dung be­rei­tet dem Ar­beit­ge­ber des­halb so ge­rin­ge Schwie­rig­kei­ten, weil er die An­for­de­run­gen an die Qua­li­fi­ka­ti­on für ei­ne be­stimm­te Stel­le grundsätz­lich nach sei­nem Be­lie­ben fest­le­gen darf. Eben­so wie er auf größere Be­rufs­er­fah­rung ab­stel­len kann, steht es ihm frei, Be­rufs­anfänger vor­zu­zie­hen, die erst durch die Ar­beit in sei­nem Be­trieb ih­re Prägung er­fah­ren. Er kann auf höhe­res, aber auch auf ge­rin­ge­res Le­bens­al­ter Wert le­gen, er darf die Fähig­keit zur kol­le­gia­len Zu­sam­men­ar­beit be­vor­zu­gen oder in ers­ter Li­nie auf Durch­set­zungsfähig­keit ab­stel­len. Ei­ne viel­sei­ti­ge be­ruf­li­che Bio­gra­phie kann für ihn vor­ran­gi­ges Aus­wahl­kri­te­ri­um sein, um­ge­kehrt aber auch Ste­tig­keit der Be­rufs­pra­xis. Eben­so steht es in sei­nem Be­lie­ben, ei­ne spe­zi­fi­sche Kom­bi­na­ti­on ver­schie­de­ner Ei­gen­schaf­ten zu for­dern und die ein­zel­ne Qua­li­fi­ka­ti­ons­merk­ma­le un­ter­schied­lich zu ge­wich­ten.“ (a.a.O. Rn. 51 f.)

 

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Nachträglich vor­ge­brach­te Gründe könn­ten nur dann als „sach­lich“ im Sin­ne der Vor­schrift an­ge­se­hen wer­den, wenn be­son­de­re Umstände er­ken­nen ließen, dass der Ar­beit­ge­ber die­sen Grund nicht nur vor­ge­scho­ben hat. Dies könn­te sich et­wa dar­aus er­ge­ben, dass sich während des Ein­stel­lungs­ver­fah­rens die Auf­ga­ben­stel­lung geändert hat oder sich z. B. ein Ar­beit­neh­mer be­wirbt, der für die zu­ge­dach­te Auf­ga­be ge­ra­de­zu präde­sti­niert ist (a.a.O. Rn. 53).

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt ist dem ge­folgt (BAG vom 05.02.2004 – 8 AZR 112/03 – NZA 2004, 540). Das BVerfG hat später sei­ne Recht­spre­chung aus dem Jah­re 1993 er­neut auf­ge­grif­fen und be­tont, dass die Aus­le­gung des § 611 a BGB nicht da­zu führen dürfe, dass es der Ar­beit­ge­ber in der Hand hat, durch ei­ne ge­eig­ne­te Ver­fah­rens­ge­stal­tung die Chan­cen von Be­wer­bern we­gen ih­res Ge­schlechts so zu min­dern, dass sei­ne Ent­schei­dung prak­tisch un­an­greif­bar wird (BVerfG vom 21.09.2006 – 1 BvR 308/08 – NZA 2007, 195, 196). Auch das BAG ist bei die­ser Li­nie ge­blie­ben (vom 14.8.2007 – 9 AZR 943/06 – NZA 2008, 99 Rn 47).

Die­se Recht­spre­chung ist teil­wei­se als zu weit­ge­hend kri­ti­siert wor­den. Es müsse dem Ar­beit­ge­ber möglich sein, et­wa ei­ne Unpünkt­lich­keit des Be­wer­bers bei ei­nem Vor­stel­lungs­ter­min oder des­sen un­ge­pfleg­te Er­schei­nung zu berück­sich­ti­gen (Mei­nel-Heyn-Herms § 22 AGG Rn. 32). Dies wäre nach der Recht­spre­chung des BVerfG aber auch des­we­gen berück­sich­ti­gungsfähig, weil die­se Umstände erst nach der ent­spre­chen­den Stel­len­aus­schrei­bung auf­ge­tre­ten sind.

Ver­ein­zelt wer­den die An­for­de­run­gen an die Dar­le­gungs- und Be­weis­last des Ar­beit­ge­bers als in nicht mehr zu recht­fer­ti­gen­der Wei­se über­spannt an­ge­se­hen (KR-Pfeif­fer, 8. Aufl., AGG Rn. 188).

Die zur Ab­si­che­rung des Art. 3 GG er­gan­ge­ne Recht­spre­chung des BVerfG ist je­doch zu­tref­fend. Ge­ra­de der hie­si­ge Fall, in dem die der Ent­schei­dung zu­grun­de lie­gen­den Kri­te­ri­en nie im Vor­hin­ein nach außen sicht­bar ge­macht wur­den, lässt deut­lich wer­den, dass ei­ne Berück­sich­ti­gung rein in­ter­ner Über­le­gun­gen es dem Ar­beit­ge­ber pro­blem­los ermögli­chen würde, je­de Ent­schei­dung zu recht­fer­ti­gen. Völlig zu Recht hat das BVerfG in­so­fern dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der Ar­beit­ge­ber hin­sicht­lich der Ge­wich­tung der Kri­te­ri­en in sei­ner Ent­schei­dung völlig frei ist. Die­se Recht­spre­chung über­spannt auch nicht die An­for­de­run­gen. In den ein­schlägi­gen Kom­men­ta­ren wird viel­mehr ge­ra­ten, den Gang der Ent­schei­dungs­fin­dung zu do­ku­men­tie­ren (Bau­er/Göpfert/Krie­ger § 22 AGG Rn. 13; Däubler/Bertz­bach-Bertz­bach, 2. Aufl., § 22 AGG Rn. 66; Ar­beits­ge-

 

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richt Ber­lin vom 28.04.2006 – 28 Ca 5196/06 – Ju­ris). Die­se Ob­lie­gen­heit be­trifft im Übri­gen nur Ar­beit­ge­ber, die Per­so­nal­ent­schei­dun­gen auf dem Hin­ter­grund ei­ner Sach­la­ge tref­fen, die An­lass für die An­nah­me ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung bie­tet.

Weil der Be­klag­te hier sei­ne Aus­wahl­kri­te­ri­en vor­ab nicht nach außen do­ku­men­tiert hat, kann er sich hier­auf auch nicht be­ru­fen. Gründe für ein Nach­schie­ben lie­gen nicht vor, da dem Be­klag­ten die in Be­tracht kom­men­den Per­so­nen und die vom ihm selbst auf­geführ­ten Kri­te­ri­en frühzei­tig be­kannt wa­ren.

Da­her kann der Be­klag­te auch nicht mit dem Rechts­ein­wand (Däubler/Bertz­bach-Dei­nert § 15 AGG Rn. 163) gehört wer­den, die Kläge­rin sei schon nach ob­jek­ti­ven Kri­te­ri­en kei­ne ge­eig­ne­te Be­wer­be­rin, da hier­bei die glei­chen Ar­gu­men­te vor­ge­tra­gen wer­den. Die Teil­zeittätig­keit der Kläge­rin soll nach aus­drück­li­chem Vor­trag des Be­klag­ten kein Grund für die ne­ga­ti­ve Beförde­rungs­ent­schei­dung ge­we­sen sein (Schrift­satz vom 30. Ju­ni 2008, S. 30, Bl. 1040 d. A.).

Darüber hin­aus kommt ein Be­wer­ber nach ob­jek­ti­ven Umständen ernst­lich nur dann nicht in Be­tracht, wenn er die er­for­der­li­che fach­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on of­fen­kun­dig nicht erfüllt (Schleu­se­ner u. a. – Voigt § 15 AGG Rn. 32). Da­von kann bei der Kläge­rin nicht aus­ge­gan­gen wer­den. Die Blätter zur Be­rufs­kun­de (staat­lich ge­prüfter Be­triebs­wirt/staat­lich ge­prüfte Be­triebs­wir­tin 2-IX A 25, S. 12) ge­hen viel­mehr da­von aus, dass Per­so­nen mit die­sem Bil­dungs­ab­schluss ver­ein­zelt auch als Mit­glie­der der Geschäfts­lei­tung bis ins Top­ma­nage­ment vor­s­toßen.

Die Kläge­rin ist hier nicht ei­ne völlig sub­al­ter­ne Kraft, son­dern auch sie stand - wie Herr R. - ei­ner Per­so­nal­ver­wal­tung ei­ner Ge­ne­ral­di­rek­ti­on vor. Da­her kann nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Kläge­rin of­fen­kun­dig die er­for­der­li­che fach­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on nicht erfüllt.

Dem steht nicht ent­ge­gen, dass die hie­si­ge Kam­mer im Teil­ur­teil vom 30.07.2008 un­ter 4.1.2. da­von aus­ge­gan­gen ist, dass die Tätig­keit der Kläge­rin und des Herrn R. bis zum 9. De­zem­ber 2006 nicht als gleich oder gleich­wer­tig an­ge­se­hen wer­den kann, da schon die un­ter­schied­li­che Be­rufs­aus­bil­dung ei­ne un­ter­schied­li­che Be­wer­tung der Ar­beits­leis­tun­gen zu recht­fer­ti­gen ver­mag. Dar­le­gungs- und be­weis­pflich­tig war im Rah­men die­ses Teil­ur­teils die Kläge­rin. Hier geht es aber dar­um, ob der Be­klag­te mit dem Ein­wand gehört wer­den kann, die Kläge­rin sei nach den von ihm vor­ge­ge­be­nen Kri­te­ri­en für die Stel­le nicht ge­eig­net. Dies wäre al­len­falls dann möglich, wenn das Ver­lan-

 

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gen ei­nes ab­ge­schlos­se­nen Hoch­schul­stu­di­ums für die Per­so­nal­di­rek­to­rentätig­keit nach außen er­kenn­bar her­vor­ge­tre­ten wäre. Ge­ra­de dar­an fehlt es aber.

6. Es ist da­von aus­zu­ge­hen, dass bei dis­kri­mi­nie­rungs­frei­er Aus­wahl die Kläge­rin die am bes­ten ge­eig­ne­te Be­wer­be­rin ge­we­sen wäre.

Teil­wei­se wird an­ge­nom­men, dass der auf Scha­dens­er­satz kla­gen­de Ar­beit­neh­mer be­wei­sen muss, dass er bei be­nach­tei­li­gungs­frei­er Aus­wahl ein­ge­stellt wor¬den wäre (Bau­er-Göpfert-Krie­ger § 22 AGG Rn. 11 Aus­schrei­bung/Stel­len­an­zei­ge). Au­to­ren, die die­se Rechts­auf­fas­sung ver­tre­ten, wei­sen kon­se­quen­ter­wei­se dar­auf hin, dass in der Pra­xis ei­nem Be­wer­ber nur sel­ten der Nach­weis ge­lin­gen wird, dass er/sie der best­ge­eig­ne­te Be­wer­ber war, so­dass da­her im Vor­der­grund der Scha­dens­er­satz­an­spruch des nicht-best­ge­eig­ne­ten Be­wer­bers steht (Adom­eit/Mohr § 15 AGG Rn. 24). An­de­re ge­hen da­von aus, dass sich die Be­weis­last­re­gel des § 22 AGG nicht nur auf den Tat­be­stand der Be­nach­tei­li­gung be­zieht, son­dern auf sämt­li­che Tat­be­stands­ele­men­te der Schutz­vor­schrif­ten (Däubler/Bertz­bach-Dei­nert § 15 AGG Rn. 157). Nach An­sicht des EuGH ob­liegt es dem Ar­beit­ge­ber, der über sämt­li­che ein­ge­reich­ten Be­wer­bungs­un­ter­la­gen verfügt, zu be­wei­sen, dass der Be­wer­ber die zu be­set­zen­de Po­si­ti­on auch dann nicht er­hal­ten hätte, wenn kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung statt­ge­fun­den hätte (EuGH vom 22.04.1997 – As. C - 180/95 - Draehm­pa­ehl, Rn. 36, NZA 1997, 645).

Zu­tref­fen­der­wei­se ist von ei­ner ab­ge­stuf­ten Dar­le­gungs- und Be­weis­last aus­zu­ge­hen. Auf der ers­ten Stu­fe reicht die Be­haup­tung des Ar­beit­neh­mers, der nicht über ei­nen Ein­blick in das Aus­wahl­ver­fah­ren verfügt, er sei der am bes­ten ge­eig­ne­te Be­wer­ber ge­we­sen. Es ist dann Sa­che des Ar­beit­ge­bers, der als Ein­zi­ger das Ver­fah­ren im Gan­zen über­blickt, dar­zu­le­gen, aus wel­chem Grun­de der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer nicht aus­gewählt wor­den ist. Dies be­inhal­tet grundsätz­lich auch die Möglich­keit des Hin­wei­ses, dass ne­ben dem aus­gewähl­ten auch an­de­re Ar­beit­neh­mer vor­ran­gig hätten berück­sich­tigt wer­den dürfen.

Hier­bei sind je­doch grundsätz­lich die glei­chen Über­le­gun­gen maßge­bend, die zu­vor un­ter Punkt 5 dar­ge­stellt wur­den. Ließe man un­be­grenzt al­le Ein­wen­dun­gen des Ar­beit­ge­bers zu, dann könn­te der Ar­beit­ge­ber grundsätz­lich je­de Ent­schei­dung recht­fer­ti­gen.

 

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Doch auch wenn man nicht auf die aus Art. 3 GG ab­ge­lei­te­ten Prin­zi­pi­en zurück­grei­fen will, dann wären zu­min­dest die ein­fach ge­setz­li­chen Erwägun­gen her­an­zu­zie­hen, die das BAG bei der An­wen­dung des be­trieb­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes auf­ge­stellt hat. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt ver­langt in­so­fern, dass der Ar­beit­ge­ber die Dif­fe­ren­zie­rungs­gründe spätes­tens dann of­fen le­gen muss, wenn die Ar­beit­neh­mer, die die Bes­ser­stel­lung für sich in An­spruch neh­men, an ihn her­an­tre­ten. In­so­fern zi­tiert es die plas­ti­sche For­mel, dass es nicht an­ge­hen könne, dass ein Ar­beit­ge­ber zunächst so dif­fe­ren­ziert, wie es ihm passt, um dann im Streit­fall nach Recht­fer­ti­gungs­gründen Aus­schau zu hal­ten (BAG vom 09.09.1981 - 5 AZR 1182/79 - AP Nr. 117 zu Art.
3 GG Rn. 37; of­fen las­send in neue­rer Zeit BAG vom 03.07.2003 - 2 AZR 617/02 - BA­GE 107, 56 Rn. 24 f. m. w. N.).

Der Be­klag­te hat nicht ge­genüber der Kläge­rin die Kri­te­ri­en um­ge­hend of­fen ge­legt, die ihn zu sei­ner Aus­wah­l­ent­schei­dung mo­ti­viert ha­ben sol­len. Im Schei­ben vom 03.01.2007 (Bl. 150 d. A.) wird nur all­ge­mein aus­geführt, dass die Beförde­rung „aus­sch­ließlich aus fach­li­chen Erwägun­gen her­aus ge­trof­fen“ wur­de. Auch nach­dem die Kläge­rin mit Schrei­ben vom 6. Fe­bru­ar 2007 erst­mals ih­re Scha­dens­er­satz­ansprüche in Höhe von über 200.000,00 € gel­tend ge­macht hat, lässt der Be­klag­te über sei­ne jet­zi­ge Pro­zess­be­vollmäch­tig­te mit Schrei­ben vom 8. Fe­bru­ar 2007 nur mit­tei­len:

„Ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung Ih­rer Man­dan­tin ist in kei­ner Wei­se er­sicht­lich, ins­be­son­de­re ist ih­re Tätig­keit zu kei­nem Zeit­punkt mit der­je­ni­gen des Herrn R. ver­gleich­bar ge­we­sen. Für ei­ne even­tu­el­le Kla­ge se­hen Sie uns bit­te als Zu­stel­lungs­be­vollmäch­tig­te an.“ (Bl. 149 d. A.)

So­weit der Be­klag­te im Kla­ge­er­wi­de­rungs­schrift­satz auf S. 18 (Bl. 306 d. A.) auf Frau St. als bes­ser ge­eig­ne­te Be­wer­be­rin ver­weist, trägt der Be­klag­te hier je­doch wi­dersprüchlich vor. Mehr­mals, so auch auf S. 26 des Be­ru­fungs­er­wi­de­rungs­schrift­sat­zes (Bl. 1036 d. A.) führt er aus, dass Frau St. schon des­we­gen nicht als Frau bei der Beförde­rung über­g­an­gen wor­den sei, weil die­se auf­grund ih­rer fa­mi­liären Si­tua­ti­on an ei­ner Verlänge­rung ih­rer Ar­beits­zeit nicht in­ter­es­siert ge­we­sen sei. Da­nach hält der Be­klag­te Frau St. schon ob­jek­tiv im Be­wer­bungs­ver­fah­ren für nicht ge­eig­net. Dann kann sie im Ver­gleich zur Kläge­rin auch nicht als bes­ser ge­eig­net an­ge­se­hen wer­den.

7. Der nach § 15 Abs. 1 AGG zu leis­ten­de ma­te­ri­el­le Scha­dens­er­satz ist die Vergütungs­dif­fe­renz zwi­schen der tatsächlich er­hal­te­nen und der Vergütung, die auf der höher­wer­ti­gen Stel­le ge­zahlt wird. Die­ser An­spruch ist zeit­lich nicht be­grenzt.

 

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Im Rah­men des Scha­dens­er­sat­zes ist nach zu­tref­fen­der An­sicht für den best­qua­li­fi­zier­ten Be­wer­ber das po­si­ti­ve In­ter­es­se (Bau­er/Göpfert/Krie­ger § 15 AGG Rn. 24; Däubler/Bertz­bach-Dei­nert § 15 AGG Rn. 34; Adom­eit/Mohr § 15 AGG Rn. 23) und nicht nur der Ver­trau­ens­scha­den (so Mei­nel/Heyn/Herms § 15 AGG Rn. 27; Schleu­se­ner u. a. – Voigt § 15 AGG Rn. 18) zu er­set­zen.

Fast durchgängig wird dem best­qua­li­fi­zier­ten Be­wer­ber in Fällen der Ein­stel­lung und/oder Beförde­rung je­doch nur ein zeit­lich be­grenz­ter Scha­dens­er­satz zu­ge­spro­chen, wo­bei ent­we­der auf die Ge­dan­ken des § 628 BGB, der §§ 9, 10 KSchG oder die Möglich­keit ei­ner ers­ten Kündi­gung zurück­ge­grif­fen wird (Adom­eit/Mohr § 15 AGG Rn. 27; Bau­er/Göpfert/Krie­ger § 15 Rn. 27; Pa­landt/Wei­den­kaff, 67. Aufl. 2008, § 15 AGG Rn. 5). Nur we­ni­ge hal­ten ei­nen End­los­scha­den für möglich (Däubler/Bertz­bach-Dei­nert § 15 AGG Rn. 39 c, a. A. aber noch in der ers­ten Auf­la­ge § 15 AGG Rn. 39; Thüsing, Ar­beits­recht­li­cher Dis­kri­mi­nie­rungs­schutz 2007 Rn. 542).

Die Ar­gu­men­te für ei­ne zeit­li­che Ein­schränkung über­zeu­gen nicht. War­um soll­te ei­ne un­ter­stell­te frühestmögli­che Kündi­gung des dis­kri­mi­nie­ren­den Ar­beit­ge­bers grundsätz­lich ein Ar­beits­verhält­nis selbst bei Nicht­ein­grei­fen des Kündi­gungs­schut­zes be­en­den können? Sie wäre nicht an­de­res als ei­ne Re­ak­ti­on des Ar­beit­ge­bers auf die Gel­tend­ma­chung der Rech­te des un­ter­le­ge­nen Be­wer­bers, was ein­deu­tig an­ge­sichts von § 16 AGG kein rechtmäßiges Al­ter­na­tiv­ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers wäre. Al­len­falls wenn das Ar­beits­verhält­nis mit dem be­vor­zug­ten Be­wer­ber rechtmäßig aus be­triebs­be­ding­ten Gründen be­en­det wor­den wäre, käme ei­ne zeit­li­che Be­gren­zung in Be­tracht. Dies wäre zu­min­dest dann der Fall, wenn die­se Gründe auch zur Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses des dis­kri­mi­nier­ten Be­wer­bers (So­zi­al­aus­wahl, Son­derkündi­gungs­schutz etc.) ge­reicht hätten. Vor­lie­gend be­steht das Ar­beits­verhält­nis von Herrn Rich­ter aber un­gefähr­det fort.

Auch Erwägun­gen nach § 628 Abs. 2 BGB und §§ 9, 10 KSchG können auf die hie­si­ge Fall­kon­stel­la­ti­on nicht über­tra­gen wer­den. Die­sen Fällen ist ge­mein­sam, dass der Ar­beit­neh­mer, wenn auch un­ter Druck, auf den wei­te­ren Schutz des Ar­beits­verhält­nis­ses ver­zich­tet, ent­we­der weil der Ar­beit­ge­ber ei­nen Grund für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung bie­tet (§ 628 Abs. 2 BGB) oder trotz Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung ihm die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses un­zu­mut­bar ist (§§ 9, 10 KSchG). So­weit der Ar­beit­ge­ber den Auflösungs­an­trag stellt, müss­te der Ar­beit­neh­mer Gründe für die Un­zu­mut­bar­keit der Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­lie­fert ha­ben. All die­sen Kon­stel­la­tio­nen ist ge­mein­sam, dass der Ar­beit­neh­mer aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schei­den

 

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will oder er Gründe für ei­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses schafft. In den Dis­kri­mi­nie­rungsfällen will der Ar­beit­neh­mer aber nur in das ent­spre­chen­de Ar­beits­verhält­nis hin­ein­kom­men, wenn auch ver­geb­lich. Sei­ne ein­zi­ge Hand­lung be­steht dar­in, sich be­wor­ben zu ha­ben oder Be­wer­ber zu sein. Mehr trägt er zur Scha­dens­ent­wick­lung nicht bei. Es ist nicht nach­voll­zieh­bar, war­um dies dem schädi­gen­den Ar­beit­ge­ber zum Vor­teil ge­rei­chen soll.

Dem steht nicht ent­ge­gen, dass nach § 15 Abs. 6 AGG kein An­spruch des dis­kri­mi­nier­ten Be­wer­bers auf den be­ruf­li­chen Auf­stieg be­steht. Da­mit stellt der Ge­setz­ge­ber nur si­cher, dass der Ar­beit­ge­ber in sei­ner Per­so­nal­be­set­zungs­po­li­tik frei blei­ben soll, zu ma­te­ri­el­lem Scha­dens­er­satz ist er aber trotz­dem ver­pflich­tet, was sich schon aus § 15 Abs. 1 AGG er­gibt.

Mei­nel/Heyn/Herms (§ 15 AGG Rn. 27) mei­nen je­doch, dass der Ge­setz­ge­ber durch die­se Vor­schrift zu er­ken­nen ge­ben woll­te, dass der dis­kri­mi­nie­ren­de Ar­beit­ge­ber vor Dop­pel­be­las­tun­gen zu schützen ist. Der ver­wen­de­te Be­griff der Dop­pel­be­las­tung ist sug­ges­tiv. Ei­ne Dop­pel­be­las­tung exis­tiert tatsächlich nicht. Die Ein­stel­lung oder Beförde­rung des be­vor­zug­ten Be­wer­bers stellt ei­ne Ge­winn­si­tua­ti­on dar. Zwar ist für ihn das Ent­gelt zu zah­len, doch er­langt der Ar­beit­ge­ber die Möglich­keit, die­se Ar­beits­kraft zu nut­zen, um so mit die­sem und mit an­de­ren Ar­beit­neh­mern Ge­winn zu er­zie­len. Ei­ne Be­las­tung stellt hin­ge­gen un­strei­tig der zu leis­ten­de Scha­dens­er­satz ge­genüber dem dis­kri­mi­nier­ten Be­wer­ber dar, weil die­se Zah­lung oh­ne Ge­gen­leis­tung er­folgt. Dass der Ge­setz­ge­ber je­doch ei­ne ein­fa­che Be­las­tung des dis­kri­mi­nie­ren­den Ar­beit­ge­bers mit Scha­dens­er­satz­ansprüchen in Geld im Ge­gen­satz zum sons­ti­gen Scha­dens­er­satz­recht ha­be be­schränken wol­len, dafür gibt es kei­ne An­halts­punk­te.

Ei­ne der­ar­ti­ge Ein­schränkung der all­ge­mei­nen Kri­te­ri­en des Scha­dens­er­satz­rechts im Fal­le dis­kri­mi­nie­ren­der Beförde­rungs­ent­schei­dun­gen las­sen sich vor al­lem auch des­we­gen nicht be­gründen, weil die Recht­spre­chung außer­halb des Dis­kri­mi­nie­rungs­rechts dem best­ge­eig­ne­ten Be­wer­ber eben­falls ei­nen un­be­grenz­ten Scha­dens­er­satz­an­spruch auf die höhe­re Vergütung zu­ge­steht, wenn sei­ne Stel­le in­zwi­schen be­setzt ist. In der ein­schlägi­gen Kom­men­tar­li­te­ra­tur zum AGG wird dies durchgängig nicht be­ach­tet. Für Kon­kur­ren­ten­schutz­strei­tig­kei­ten im Be­reich von Art. 33 Abs. 2 GG ent­spricht dies ständi­ger Recht­spre­chung (BAG vom 19.02.2008 – 9 AZR 70/07 – NZA 2008, 1016). Im Ge­gen­satz zur Auf­fas­sung von Mei­nel/Heyn/Herms zur Ver­mei­dung an­geb­li­cher Dop­pel­be­las­tun­gen geht die Recht­spre­chung da­von aus, dass der Ar­beit­ge­ber im kon­kre­ten Fall nicht nur ge­genüber ei­nem, son­dern ge­genüber vier Be­wer-

 

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bern un­be­grenz­ten Scha­dens­er­satz schul­det (vgl. die vier Ent­schei­dun­gen BVerwG vom 17.08.2005 mit den Ak­ten­zei­chen 2 C 36-39/04 – Ju­ris). Da die na­tio­na­le Recht­spre­chung in ver­gleich­ba­ren Fällen ei­nen zeit­lich un­be­grenz­ten Scha­dens­er­satz­an­spruch gewährt, wäre auch nach eu­ro­pa­recht­li­chen Vor­ga­ben hier ein ge­rin­ge­rer Scha­dens­er­satz nicht möglich. Das AGG dient der Um­set­zung eu­ro­pa­recht­li­cher Richt­li­ni­en. Hier­bei muss der na­tio­na­le Ge­setz­ge­ber dar­auf ach­ten, dass Verstöße ge­gen das Ge­mein­schafts­recht nach ähn­li­chen sach­li­chen und ver­fah­rens­recht­li­chen Re­geln ge­ahn­det wer­den, wie nach Art und Schwe­re gleich­ar­ti­ger Verstöße ge­gen das na­tio­na­le Recht (vgl. EuGH vom 22.04.1997 – C - 180/95 – Draehm­pa­ehl, NZA 1997, 645 Rn 29).

8. Es lie­gen kei­ne An­halts­pun­ke dafür vor, dass der Be­klag­te die Pflicht­ver­let­zung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 nicht zu ver­tre­ten hätte.

Der Be­klag­te be­ruft sich in­so­fern im We­sent­li­chen dar­auf, es läge schon kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung vor. Un­abhängig hier­von trägt er nicht vor, wel­che Per­so­nen wann die Beförde­rungs­ent­schei­dung ge­trof­fen ha­ben sol­len, so­dass auch nicht nach­prüfbar ist, ob der Be­klag­te hierfür haf­tet. Darüber hin­aus dürf­ten die­se Per­so­nen auch Or­ga­ne im Sin­ne der §§ 30, 31 BGB ge­we­sen sein, so­dass ei­ne Ent­schul­di­gungsmöglich­keit nicht ge­ge­ben ist.

Es muss da­her nicht ent­schie­den wer­den, ob § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG eu­ro­pa­rechts­wid­rig ist.

9. Der Kläge­rin ist auch nicht ein Mit­ver­schul­den gemäß § 254 BGB zu­zu­rech­nen.

Der Be­klag­te be­ruft sich in­so­fern dar­auf, dass der Kläge­rin An­fang des Jah­res 2006 bei ei­nem ge­mein­sa­men Abend­es­sen in Ber­lin von Herrn Dr. M. mit­ge­teilt wor­den ist, dass er al­ler Vor­aus­sicht nach die Lei­tung ei­ner neu zu gründen­den Rechts­ab­tei­lung über­neh­men wer­de. Als sein Nach­fol­ger käme Herr R. oder ein ex­ter­ner Be­wer­ber in Be­tracht.

Ei­ne sol­che Mit­tei­lung kann nicht da­hin­ge­hend aus­ge­legt wer­den, dass nun­mehr ein Be­wer­bungs­ver­fah­ren eröff­net sei und der Be­klag­te um ge­eig­ne­te Be­wer­bun­gen bit­te. Im Ge­gen­teil wur­de der Kläge­rin schon von vorn­her­ein die Aus­sichts­lo­sig­keit ei­ner mögli­chen Be­wer­bung ih­rer Per­son vor Au­gen geführt. Je­den­falls kann hier­aus nicht ab­ge­lei­tet wer­den, dass die Kläge­rin zu ei­ner Initia­tiv­be­wer­bung ver­pflich­tet ge­we­sen

 

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wäre. Im Übri­gen hat Herr Dr. M. dies als sei­ne An­sicht kund­ge­tan, oh­ne dass der Be­klag­te je­mals bis heu­te mit­ge­teilt hätte, dass Herr Dr. M. über die Nach­fol­ge sei­ner Stel­le auch nur hätte mit ent­schei­den dürfen.

Der Kläge­rin kann auch nicht vor­ge­hal­ten wer­den, sie hätte einst­wei­li­gen Rechts­schutz in An­spruch neh­men müssen.

Die Recht­spre­chung geht da­von aus, dass ab der Mit­tei­lung des Ar­beit­ge­bers vom Aus­gang des Aus­wahl­ver­fah­rens dem un­ter­le­ge­nen Be­wer­ber ei­ne aus­rei­chen­de Zeit­span­ne zur In­an­spruch­nah­me vorläufi­gen Rechts­schut­zes ver­blei­ben muss und der Be­wer­ber hier­zu auch ver­pflich­tet ist (BGH vom 06.04.1995 – III ZR 183/94 – BGHZ 129, 226, 229). Re­gelmäßig wird hier­bei ei­ne Zeit­span­ne von zwei Wo­chen für er­for­der­lich ge­hal­ten (a.a.O. S. 230 f.).

Selbst wenn man in der Mit­tei­lung von Herrn Dr. M. im Te­le­fo­nat vom 09.12.2006 (Sams­tag) ei­ne aus­rei­chen­de Mit­tei­lung über den Aus­gang des Be­wer­bungs­ver­fah­rens se­hen woll­te, so er­folgt die Um­set­zung die­ser Beförde­rungs­ent­schei­dung spätes­tens am Mon­tag, dem 11.12.2006, was sich aus dem ent­spre­chen­den Aus­hang er­gibt. In­so­fern ver­blieb der Kläge­rin kei­nes­falls genügend Zeit, um einst­wei­li­gen Rechts­schutz in An­spruch zu neh­men.

10. Die Kläge­rin hat auch die er­for­der­li­chen Fris­ten ein­ge­hal­ten.

Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG müssen Scha­dens­er­satz­ansprüche in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den, so­weit im Ta­rif­ver­trag nichts an­de­res ge­re­gelt ist. In dem hier nach­wir­ken­den Ta­rif­ver­trag sind je­den­falls kei­ne kürze­ren Fris­ten ge­re­gelt. Mit Schrei­ben vom 6. Fe­bru­ar 2007 hat die Kläge­rin ih­re Ansprüche recht­zei­tig gel­tend ge­macht, da die­ses Schrei­ben spätes­tens am 08.02.2007 dem Be­klag­ten zu­ge­gan­gen ge­we­sen sein muss, da un­ter die­sem Da­tum ei­ne Ant­wort er­folg­te. Die drei­mo­na­ti­ge Kla­ge­frist gemäß § 61 b Abs. 1 ArbGG ist eben­falls von der Kläge­rin ge­wahrt wor­den, da die Kla­ge am 4. Mai 2007 beim Ar­beits­ge­richt Ber­lin ein­ging.

11. Die Höhe der Vergütungs­dif­fe­renz ist zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig, zu­mal die Kläge­rin hier­bei berück­sich­tigt hat, dass sie ih­re Tätig­keit nicht voll­zei­tig ausübt.

 

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So­weit die Kläge­rin Zin­sen ge­ne­rell ab Rechtshängig­keit be­an­tragt hat, war dem nicht zu fol­gen. Zum Zeit­punkt der Rechtshängig­keit (14. Mai 2007) wa­ren die Vergütungs­dif­fe­ren­zen nur zum Teil fällig. So­weit Vergütungs­dif­fe­ren­zen erst zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt fällig wur­den, ist dies bei der Te­n­o­rie­rung berück­sich­tigt wor­den.

II.

Der Be­klag­te ist fer­ner ver­pflich­tet, der Kläge­rin auch in der Zu­kunft über das be­zo­ge­ne Ge­halt hin­aus mo­nat­lich wei­te­re 1.467,86 € brut­to zu zah­len.

Die Kla­ge ist gemäß § 259 ZPO zulässig, da die Be­sorg­nis ge­recht­fer­tigt ist, dass der Be­klag­te ent­spre­chen­de Leis­tun­gen nicht frei­wil­lig er­brin­gen wird. In­so­fern ist der Be­klag­te schon jetzt zur Zah­lung auch der künf­ti­gen Ge­halts­dif­fe­renz­ansprüche zu ver­ur­tei­len.

Die Höhe ist von der Kläge­rin un­strei­tig zu­tref­fend be­rech­net wor­den. Sie stellt die Dif­fe­renz zwi­schen ih­rem Ge­halt und dem Ge­halt des Herrn R. dar.

III.

Hin­sicht­lich des An­tra­ges zu 12 ist die Kla­ge eben­falls be­gründet. Der Be­klag­te ist ver­pflich­tet, der Kläge­rin Aus­kunft über die Höhe des an Herrn R. ge­zahl­ten va­ria­blen Ent­gelts für das lau­fen­de Jahr, je­weils bis zum Ab­lauf des ers­ten Quar­tals im Fol­ge­jahr, be­gin­nend mit dem 31. März 2009, zu er­tei­len.

Hierfür gel­ten die­sel­ben Kri­te­ri­en wie zu­vor. Die Kläge­rin ist auf die­se Aus­kunft an­ge­wie­sen, da sie an­de­ren­falls ih­ren Scha­dens­er­satz hin­sicht­lich des va­ria­blen Ent­gelt­be­stand­teils nicht be­rech­nen kann.

IV.

Der Be­klag­te ist ver­pflich­tet, der Kläge­rin ei­ne Entschädi­gung in Höhe von 20.000,00 EUR zu zah­len. In die­sem Um­fang hat die Be­ru­fung Er­folg. Die wei­ter­ge­hen­de Be­ru­fung ist zurück­zu­wei­sen. Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin ist ent­spre­chend ab­zuändern.

 

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Der Entschädi­gungs­an­spruch er­gibt sich aus ei­ner schwer­wie­gen­den Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts der Kläge­rin (Art. 1, 2 GG i. V. m. § 823 BGB).

1. Schon in der so ge­nann­ten Sora­ya-Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts aus dem Jah­re 1973 ist die recht­li­che Grund­la­ge für ei­nen Geld­leis­tungs­an­spruch in Art. 1 und 2 GG er­blickt wor­den (BVerfGE 34, 269, 292). Auch der BGH geht seit lan­gem da­von aus, dass der An­spruch auf Gel­dentschädi­gung we­gen ei­ner Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts nicht ein Schmer­zens­geld nach § 847 BGB a. F. dar­stellt, son­dern dass es sich um ein Recht han­delt, das auf den Schutz­auf­trag aus Art. 1 und 2 GG i. V. m. § 823 BGB zurück­geht (BGH vom 05.12.1995 - VI ZR 332/94 - NJW 1996, 984, Rn. 12 f.). Die­se Kon­zep­ti­on ist vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt später aus­drück­lich ge­bil­ligt wor­den (BVerfG vom 08.03.2000 - 1 BvR 1127/96 - NJW 2000, 2187 Rn. 9).

Auch das BAG geht min­des­tens in­zwi­schen hier­von aus (vom 16.05.2007 - 8 AZR 709/06 - NZA 2007, 1154, 1163 Rn. 97).

Die Her­lei­tung die­ses An­spruchs aus § 823 BGB i. V. m. Art 1 und 2 GG be­ruht auf dem Ge­dan­ken, dass oh­ne ei­nen sol­chen An­spruch Ver­let­zun­gen der Würde und Eh­re des Men­schen häufig oh­ne Sank­ti­on blie­ben mit der Fol­ge, dass der Rechts­schutz der Persönlich­keit verkümmern würde (BGH vom 05.12.1995 a. a. O. Rn. 13).

2. Das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht ist als ei­genständi­ges Grund­recht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ent­wi­ckelt wor­den. Es gewähr­leis­tet die en­ge­re persönli­che Le­bens­sphäre und die Ein­hal­tung ih­rer Grund­be­din­gun­gen und da­mit auch den Schutz der persönli­chen Eh­re. Aus dem all­ge­mei­nen Persönlich­keits­recht folgt ei­ne Ver­pflich­tung der staat­li­chen Ge­walt, dem Ein­zel­nen die Ent­fal­tung sei­ner Persönlich­keit zu ermögli­chen und ihn vor Persönlich­keits­gefähr­dun­gen durch Drit­te zu schützen. Auf die­sen Schutz­auf­trag geht der An­spruch auf Aus­gleich des im­ma­te­ri­el­len Scha­dens bei Persönlich­keits­rechts­ver­let­zun­gen zurück. Vor­aus­set­zung für den An­spruch auf Gel­dentschädi­gung ist ei­ne schwer wie­gen­de Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts und die man­geln­de Möglich­keit an­der­wei­ti­ger Ge­nug­tu­ung. Bei An­wen­dung die­ser Tat­be­stands­merk­ma­le ha­ben die Ge­rich­te die Fun­die­rung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts in der Würde des Men­schen zu be­ach­ten (BVerfG vom 04.03.2004 - 1 BvR 2098/01 - NJW 2004, 2371 Rn. 13 f.). Der Schutz der Men­schenwürde ist ab­so­lut und er­streckt sich auf al­le Le­bens­be­rei­che (a. a. O. Rn. 16), so­mit auch auf das Ar­beits­verhält­nis.

 

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Der Ar­beit­neh­mer ist in dop­pel­ter Hin­sicht hin­sicht­lich der Ver­let­zung sei­nes Persönlich­keits­rechts im Ar­beits­verhält­nis gefähr­det. Zum ei­nen ver­bringt er ei­nen zeit­lich ho­hen An­teil im Ar­beits­verhält­nis. Zum an­de­ren be­fin­det er sich in ei­nem ein­sei­ti­gen Abhängig­keits­verhält­nis, was im Di­rek­ti­ons­recht des Ar­beit­ge­bers sei­nen Aus­druck fin­det.

3. Das BAG geht da­her da­von aus, dass der Ar­beit­ge­ber ge­genüber dem Ar­beit­neh­mer Fürsor­ge- und Schutz­pflich­ten wahr­zu­neh­men hat. „Dies ver­bie­tet auch die Her­abwürdi­gung und Miss­ach­tung ei­nes Ar­beit­neh­mers. Die­ser hat da­her An­spruch dar­auf, dass auf sein Wohl und sei­ne be­rech­tig­ten In­ter­es­sen Rück­sicht ge­nom­men wird, dass er vor Ge­sund­heits­ge­fah­ren, auch psy­chi­scher Art, geschützt wird, und dass er kei­nem Ver­hal­ten aus­ge­setzt wird, das be­zweckt oder be­wirkt, dass sei­ne Würde ver­letzt und ein von Einschüchte­run­gen, An­fein­dun­gen, Er­nied­ri­gun­gen, Entwürdi­gun­gen oder Be­lei­di­gun­gen ge­kenn­zeich­ne­tes Um­feld ge­schaf­fen wird“ (BAG vom 25.10.2007
- 8 AZR 593/06 - NZA 2008, 223, 227 Rn. 78). Der Ar­beit­ge­ber ist in die­sem Zu­sam­men­hang ins­be­son­de­re auch zum Schutz der Persönlich­keits­rech­te des Ar­beit­neh­mers ver­pflich­tet, wo­bei das zu­vor dar­ge­stell­te Ver­hal­ten als „Mob­bing“ be­zeich­net wird (a. a. O. Rn. 79).

In ei­ner an­de­ren Lei­tent­schei­dung (vom 16.05.2007 - 8 AZR 709/06 - NZA 2007, 1154) führt das BAG aus: „Die Würdi­gung, ob ein be­stimm­tes Ge­samt­ver­hal­ten als rechts­wid­ri­ger Ein­griff in das Persönlich­keits­recht des Ar­beit­neh­mers oder als Ge­sund­heits­ver­let­zung zu qua­li­fi­zie­ren ist, hat je­weils im Rah­men ei­ner sorgfälti­gen Ein­zel­fall­prüfung zu er­fol­gen, die - was die Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts an­be­langt - re­vi­si­ons­recht­lich nur ein­ge­schränkt über­prüfbar ist.“ (a. a. O. Rn. 84). Die im Ar­beits­le­ben übli­chen Kon­flikt­si­tua­tio­nen, die sich durch­aus auch über ei­nen länge­ren Zeit­raum er­stre­cken können, sind nicht ge­eig­net, der­ar­ti­ge recht­li­che Tat­bestände zu erfüllen (Rn. 85). Er­teilt der Ar­beit­ge­ber Wei­sun­gen, die sich im Rah­men des ihm zu­ste­hen­den Di­rek­ti­ons­rech­tes be­we­gen und bei de­nen sich nicht ein­deu­tig ei­ne schi­kanöse Ten­denz ent­neh­men lässt, dann ist nur in sel­te­nen Fällen ei­ne Persönlich­keits­rechts­ver­let­zung an­zu­neh­men (Rn. 85). Glei­ches kann für den Rah­men des Di­rek­ti­ons­rechts über­schrei­ten­de Wei­sun­gen gel­ten, de­nen je­doch sach­lich nach­voll­zieh­ba­re Erwägun­gen des Ar­beit­ge­bers zu­grun­de lie­gen (Rn. 86). Ge­hen Hand­lun­gen von ver­schie­de­nen Vor­ge­setz­ten aus, die nicht zu­sam­men­wir­ken, kann es an ei­ner Persönlich­keits­rechts­ver­let­zung feh­len (Rn. 86). Die Be­weis­last für die Pflicht­ver­let­zun­gen trägt nach den all­ge­mei­nen Grundsätzen der Ar­beit­neh­mer (Rn. 88).

 

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Un­abhängig von den ar­beits­recht­li­chen Be­son­der­hei­ten kommt ein Entschädi­gungs­an­spruch auf die­ser Rechts­grund­la­ge nur in Be­tracht, wenn ei­ne schwer­wie­gen­de Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts vor­liegt und die Be­ein­träch­ti­gung nach der Art der Ver­let­zung nicht auf an­de­re Wei­se be­frie­di­gend aus­ge­gli­chen wer­den kann (Rn. 123). Ei­ne Aus­wahl, die zu Un­recht auf das Ge­schlecht ab­stellt, stellt ei­ne er­heb­li­che Ver­let­zung der Würde der Per­son dar, die ei­ne Entschädi­gungs­zah­lung recht­fer­tigt (BAG 14.3.1999 – 8 AZR 447/87 – Ju­ris).

4. Bei An­wen­dung die­ser Kri­te­ri­en kann die Kläge­rin sich zu Recht auf ei­ne schwer­wie­gen­de Ver­let­zung ih­res Persönlich­keits­rechts be­ru­fen, die nicht auf an­de­re Wei­se be­frie­di­gend aus­ge­gli­chen wer­den kann.

4.1 So­weit die Kläge­rin bei der Beförde­rung we­gen ih­res Ge­schlechts be­nach­tei­ligt wor­den ist, liegt dar­in ei­ne Her­abwürdi­gung ih­rer be­ruf­li­chen Fähig­kei­ten und zu­gleich ei­ne Ver­let­zung ih­rer Würde als Per­son (BAG vom 14.03.1999 – 8 AZR 447/87 – Ju­ris Rn. 18). Ein der­ar­ti­ger Ein­griff in das Persönlich­keits­recht ist re­gelmäßig schwer­wie­gend und ver­pflich­tet zur Zah­lung ei­ner Entschädi­gung (a.a.O. Rn. 27 f.).

Doch auch zahl­rei­che wei­te­re Ge­scheh­nis­se stel­len ei­ne Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts der Kläge­rin dar.

So wird vom ob­jek­ti­ven Erklärungs­in­halt mit dem Aus­hang vom 10. De­zem­ber 2006 (Bl. 147 d. A.) für al­le Beschäftig­ten mit­ge­teilt, dass Herr R. zusätz­lich zur Per­so­nal­lei­tung der Ge­ne­ral­di­rek­ti­on M. auch mit so­for­ti­ger Wir­kung die Per­so­nal­lei­tung für die Ge­ne­ral­di­rek­ti­on Ber­lin über­nimmt. Da min­des­tens seit Som­mer 2003 die Per­so­nal­lei­tung für die Ge­ne­ral­di­rek­ti­on Ber­lin durch die Kläge­rin wahr­ge­nom­men wor­den war, wird hier­mit ob­jek­tiv zum Aus­druck ge­bracht, dass der Kläge­rin die­se Stel­lung ent­zo­gen wird. Aus nach­voll­zieh­ba­ren Gründen hat da­her der Le­bens­gefähr­te der Kläge­rin mit E-Mail vom 10. De­zem­ber 2006 nach­ge­fragt, wie un­ter Berück­sich­ti­gung des ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Di­rek­ti­ons­rechts sich künf­tig die Stel­lung der Kläge­rin in der Be­triebs­hier­ar­chie kon­kret dar­stel­len soll. Mit Schrei­ben vom 03.01.2007 und 08.02.2007 hat die Be­klag­te ge­genüber der Kläge­rin mit­tei­len las­sen, dass sie un­verändert als Ab­tei­lungs­lei­te­rin tätig sei. Die Per­so­nal­di­rek­ti­on sei nur in Per­so­nal­ab­tei­lung um­be­nannt wor­den. Pro­zes­su­al hat der Be­klag­te ein­geräumt, dass der Aus­hang miss­verständ­lich for­mu­liert sein könn­te. Es ha­be nur zum Aus­druck ge­bracht wer­den sol­len, dass der ehe­ma­li­ge Per­so­nal­di­rek­tor nun­mehr als Per­so­nal­lei­ter be­zeich­net wird. Ei­ne Dis­kri-

 

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mi­nie­rungs­ab­sicht ha­be hier­in nicht ge­le­gen. Die Per­so­nal­lei­tung der Ge­ne­ral­di­rek­ti­on Ber­lin sei Herrn R. nicht über­tra­gen wor­den. Hierfür sei nach wie vor die Kläge­rin zuständig (Be­klag­ten­schrift­satz vom 04.10.2007, S. 6 Bl. 294 d. A.). Auch wenn der Be­klag­te in­tern im Verhält­nis zur Kläge­rin da­mit rich­tig stellt, dass ih­re be­ruf­li­che Po­si­ti­on nicht an­ge­tas­tet wer­den soll, ver­mei­det er doch ei­ne Rich­tig­stel­lung in der Be­triebsöffent­lich­keit. Der Aus­hang vom 10.12.2006 ist nie be­rich­tigt wor­den. Nach außen wird der Ein­druck des Kom­pe­tenz­ent­zu­ges wei­ter auf­recht­er­hal­ten.

Nach­dem die Kläge­rin sich ge­gen den Ein­druck des Kom­pe­tenz­ent­zugs und ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung bei der Beförde­rungs­ent­schei­dung wehrt, wird sie ei­ner Be­hand­lung aus­ge­setzt, die sie her­abwürdigt und be­wusst un­ter Druck setzt.

Am 20. De­zem­ber 2006 wird ihr von Herrn R. ent­ge­gen­ge­hal­ten, sie sol­le über ih­re be­ruf­li­che Zu­kunft nach­den­ken. Hier­un­ter ist natürlich nicht die fürsorg­li­che An­re­gung ei­nes Per­so­nal­lei­ters zu ver­ste­hen, der der Ar­beit­neh­me­rin mit­teilt, aus be­triebs­be­ding­ten Gründen sei ih­re Stel­le weg­ge­fal­len und man ha­be lei­der kei­ne Idee, wie man sie künf­tig beschäfti­gen könne, aber viel­leicht fal­le der Kläge­rin noch et­was ein, son­dern durch die­se For­mu­lie­rung wird der Kläge­rin na­he ge­bracht, dass man an­ge­sichts des Ver­hal­tens der Kläge­rin sich de­ren Ver­bleib im Un­ter­neh­men nicht mehr vor­stel­len könne. Der Be­klag­te hat dies da­mit zu be­gründen ver­sucht, dass die Kläge­rin sich nicht in die neue Per­so­nal­struk­tur ha­be ein­ord­nen las­sen. Sie ha­be viel­mehr dar­auf be­stan­den, auch künf­tig die Per­so­nal­ver­wal­tung Ber­lin zu lei­ten. Ge­nau hier­auf oder auf ei­ne hier­ar­chisch zu­min­dest ähn­li­che Tätig­keit hat­te die Kläge­rin ei­nen ar­beits­ver­trag­li­chen An­spruch, da die Par­tei­en durch Über­tra­gung die­ser Tätig­kei­ten vor mehr als drei Jah­ren kon­klu­dent den Ar­beits­ver­trag ab­geändert ha­ben.

Die Schi­ka­ne­maßnah­men ge­genüber der Kläge­rin setz­ten sich im Schrei­ben vom 3. Ja­nu­ar 2007 fort. In die­sem Schrei­ben wird die Kläge­rin auf­ge­for­dert „ih­ren ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen zukünf­tig nach­zu­kom­men und im Rah­men ih­rer ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen den Wei­sun­gen ih­res Vor­ge­setz­ten, Herrn Per­so­nal­lei­ter R., nach­zu­kom­men“. Der­ar­ti­ge Vorwürfe er­hebt man nor­ma­ler­wei­se nur, wenn ent­spre­chen­de Pflicht­ver­let­zun­gen vor­lie­gen. Mit Schrei­ben vom 8. Fe­bru­ar 2007 ru­dert der Be­klag­te je­doch zurück und erklärt, hier­durch soll­te nicht der Vor­wurf ar­beits­ver­trag­li­cher Ver­feh­lun­gen er­ho­ben wer­den. Man fragt sich, wie oft der Be­klag­te ge­genüber außer­ta­rif­li­chen Mit­ar­bei­tern auf die Ein­hal­tung ar­beits­ver­trag­li­cher Ver­pflich­tung hin­weist, ob­wohl ent­spre­chen­de Ver­feh­lun­gen ge­ra­de nicht be­ste­hen sol­len. Der Be­klag­te be­haup­tet auch nicht, dass der­ar­ti­ges Vor­ge­hen bei ihm zum Stan­dard­re­per-

 

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toire gehört. Da­mit ist auch die­se sub­ti­le Dro­hung als Re­ak­ti­on der Wahr­neh­mung ver­meint­li­cher Rech­te durch die Kläge­rin zu ver­ste­hen.

Da an die­sem Schrei­ben noch der Kle­be­zet­tel von Herrn R. vor­han­den war, dass der In­halt mit Herrn Dr. M. ab­ge­spro­chen ge­we­sen sei, das Schrei­ben dann aber von dem Vor­stands­mit­glied Herrn Dr. H. un­ter­zeich­net wur­de, wird auch klar, dass in­so­fern ein ab­ge­stimm­tes Vor­ge­hen die­ser Vor­ge­setz­ten ge­genüber der Kläge­rin statt­fin­det.

Mit Schrei­ben vom 8. Fe­bru­ar 2007 setz­te der Be­klag­te sein Bemühen fort, die Kläge­rin un­ter Druck zu set­zen. In die­sem An­walts­schrift­satz heißt es:

„Im Übri­gen sind wir aber be­auf­tragt Ih­nen mit­zu­tei­len, dass der­zeit un­ter­neh­mens­in­tern ge­prüft wird, ob auf­grund der voll­zo­ge­nen Ände­run­gen wei­te­re Maßnah­men, ins­be­son­de­re auf der Lei­tungs­ebe­ne in M. und Ber­lin, er­for­der­lich sind oder wer­den.
Über die Er­geb­nis­se die­ser Prüfung wer­den wir Sie, so­weit sie Ih­re Frau Man­dan­tin be­tref­fen soll­ten, zur ge­ge­be­nen Zeit in­for­mie­ren.“ (Bl. 149 d. A.)

Im erst­in­stanz­li­chen Ur­teil war da­von aus­ge­gan­gen wor­den, dass der­ar­ti­ge Über­le­gun­gen Teil der un­ter­neh­me­ri­schen Frei­heit sei­en. Dies ist si­cher­lich rich­tig. Hier­bei ist je­doch nicht be­ach­tet wor­den, dass die Kläge­rin de­zi­diert vor­ge­tra­gen hat, dass in der Be­spre­chung in der Per­so­nal­ab­tei­lung am Vor­mit­tag des 20. De­zem­ber 2006 von Herrn R. aus­geführt wor­den ist, dass wei­te­re Ände­run­gen nicht ge­plant sei­en. Da­her sei nicht nach­voll­zieh­bar, war­um hier­zu in­ner­halb von sechs Wo­chen ein an­de­rer Stand­punkt ein­ge­nom­men wer­de. Trotz die­ses Vor­wurfs der Kläge­rin hat der Be­klag­te nie aus­geführt, wel­che Über­le­gun­gen wann durch wen hin­sicht­lich der ge­ra­de erst veränder­ten Per­so­nal­struk­tur noch an­ge­dacht ge­we­sen sein könn­ten. Auch hier zeigt sich das gängi­ge Mus­ter des Be­klag­ten: In den Raum ge­stell­te Dro­hun­gen sind und wer­den auch auf Nach­fra­ge nicht un­terfüttert. Schon gar nicht trägt der Be­klag­te vor, dass dem Per­so­nal­lei­ter in M., al­so dem ge­ra­de beförder­ten Herrn R., nun­mehr ähn­li­che Prüfun­gen im glei­chen Ton­fall an­gekündigt wor­den sein soll­ten.

Das Ver­hal­ten am 1. April 2007 zeigt, dass nun­mehr Herr R. ver­sucht, die Kläge­rin zu demüti­gen. Nor­ma­le Höflich­keits­for­men wer­den nicht ein­ge­hal­ten, mit der Fra­ge „Was wol­len Sie denn hier?“ wird der Kläge­rin viel­mehr ih­re Überflüssig­keit be­deu­tet. Die Fra­ge hätte Herr R. sich als Per­so­nal­di­rek­tor auch selbst be­ant­wor­ten können, da ihm kaum ent­gan­gen sein dürf­te, dass die Kläge­rin in­ner­halb der Pro­jekt­grup­pe Ge­haltsbänder dem Len­kungs­gre­mi­um an­gehörte. Auch hat­te er un­strei­tig vor­her zwei E-Mails er­hal­ten, aus der die Ein­la­dung der Kläge­rin er­sicht­lich war. Die Äußerung „Ich

 

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hätte sie nicht ein­ge­la­den“ mag man un­be­se­hen glau­ben. So­weit der Be­klag­te sich dar­auf be­ruft, die­se Äußerun­gen hätten nur der Kos­ten­er­spar­nis und ei­nem ef­fi­zi­en­te­ren Ein­satz der Kläge­rin ge­dient, sie sol­le künf­tig per Vi­deo­kon­fe­renz teil­neh­men, so be­ste­hen an­ge­sichts des Ton­falls am Vor­tag Be­den­ken, ob dies nicht nur vor­ge­scho­ben ist. Dies wird zur Ge­wiss­heit, wenn man die wei­te­re Re­ak­ti­on von Herrn R. berück­sich­tigt. Als die Kläge­rin ent­geg­ne­te, dass sie ei­ner wei­te­ren Teil­neh­me­rin aus dem Ber­li­ner Haus über die Möglich­keit der Vi­deo­kon­fe­renz un­ter­rich­ten wol­le, wird das von Herrn R. als ganz et­was an­de­res be­zeich­net. War­um dies et­was an­de­res sein soll, wird nicht erklärt. Der Be­klag­te be­ruft sich nur noch dar­auf, dass die ge­rin­ge An­zahl der Wort­mel­dun­gen ge­gen ei­ne Ein­la­dung der Kläge­rin ge­spro­chen hätte. Auch dies ist un­er­heb­lich. Zum ei­nen konn­te die An­zahl der Wort­mel­dun­gen al­len­falls nach En­de der Kon­fe­renz fest­ge­stellt wer­den. Selbst wenn Herr R. ge­meint ha­ben soll­te, aus ei­nem frühe­ren Ver­hal­ten der Kläge­rin wäre die­se Pro­gno­se zu recht­fer­ti­gen, dann wäre dies nichts an­de­res als sei­ne persönli­che Einschätzung. Un­strei­tig war nicht er, son­dern Frau Ha. für die­se Ein­la­dun­gen zuständig. Die­se hat­te die Wich­tig­keit der Kläge­rin of­fen­bar an­ders ein­geschätzt. In frühe­ren Zei­ten wur­den un­lieb­sa­me Per­so­nen an den „Kat­zen­tisch“ ge­setzt. Heu­te wird dies bei dem Be­klag­ten durch den Vi­deo­tisch er­setzt.

Auch das Ver­hal­ten des Jus­ti­ti­ars bei dem außer­ge­richt­li­chen Ver­gleichs­gespräch am 22. Au­gust 2007 ist von ei­nem Einschüchte­rungs­ver­such ge­genüber der Kläge­rin ge­prägt. Herr Dr. M. la­men­tiert nicht all­ge­mein darüber, dass länge­re Rechts­strei­te für al­le Be­tei­lig­ten sehr an­stren­gend sein könn­ten und er um sein ei­ge­nes körper­li­ches und see­li­sches Wohl fürch­tet, son­dern aus der Po­si­ti­on der Über­le­gen­heit des Ar­beit­ge­bers, der fast je­der­zeit ver­deckt un­ter dem Man­tel des Di­rek­ti­ons­rechts sank­tio­nie­rend ge­gen Ar­beit­neh­mer vor­ge­hen kann, wird nur der Kläge­rin zur ge­nau­en Über­le­gung ge­ra­ten, ob sie die­sen Rechts­streit durch­ste­hen könne. Sie sol­le ins­be­son­de­re prüfen, ob sie das körper­lich und see­lisch aus­hal­te. Dies ist des­we­gen ver­wun­der­lich, weil die Kläge­rin die­sen Rechts­streit nicht al­lein führt, son­dern sie sich durch ei­nen Rechts­an­walt und ih­ren Le­bens­gefähr­ten ver­tre­ten ließ. Die Pro­blem­haf­tig­keit die­ser Äußerun­gen müssen auch Dr. M. um­ge­hend klar ge­wor­den sein, da er dann ergänz­te, die Äußerun­gen sei­en „off re­cor­ds“ er­folgt.

Hier­zu ist auch ein Vor­fall zu zählen, den die Kläge­rin auf Sei­te 70 des Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift­sat­zes schil­dert (Bl. 906 d. A.). Da­nach wur­de im Rah­men ei­ner Ab­tei­lungs­vi­deo­kon­fe­renz im April 2008 von Herrn R. ei­ne Per­son ge­sucht, die be­stimm­te Auf­ga­ben wahr­neh­men soll­te. Die Kläge­rin mel­de­te sich hier­zu. Herr R. be­dank­te

 

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sich und sag­te dann sinn­gemäß „Frau Ch., be­ach­ten Sie dann auch …“. Die Kläge­rin mel­de­te sich er­neut mit dem Hin­weis, dass nicht Frau Ch., son­dern sie sich ge­mel­det ha­be. Dar­auf­hin ant­wor­te­te Herr R.: „Na, dann wird uns Frau Kü. in ei­nem hal­ben Jahr mal über den Stand un­ter­rich­ten.“ Auch wenn es gut sein kann, dass Herr R. ein­fach nicht mit­be­kom­men hat, wer sich für die Auf­ga­be mel­de­te, so zeigt sei­ne Re­ak­ti­on je­doch, dass er die Kläge­rin wei­ter­hin her­ab­las­send be­han­delt. Nor­mal wäre es ge­we­sen, wenn er sich für sei­ne Ver­se­hen we­nigs­tens kurz ent­schul­digt hätte. Dies ver­kennt der Be­klag­te, wenn er auf Sei­te 57 der Be­ru­fungs­er­wi­de­rungs­schrift (Bl. 1067) ausführt, der Zeu­ge R. ha­be ge­genüber der Kläge­rin de­ren Ver­ant­wort­lich­keit doch nur bestätigt. Die hie­si­ge Hand­lung be­wegt sich mit Si­cher­heit am un­ters­ten En­de des­sen, was noch berück­sich­ti­gungsfähig ist. Das BAG ver­weist in­so­fern aber zu­tref­fend dar­auf, dass ein­zel­ne Hand­lun­gen für sich al­lein be­trach­tet noch kei­ne Rechts­ver­let­zun­gen dar­stel­len können, die Ge­samt­schau der ein­zel­nen Hand­lun­gen oder Ver­hal­tens­wei­sen je­doch zur An­nah­me ei­ner Ver­trags- oder Rechts­gut­ver­let­zung führen können (BAG vom 25.10.2007 – 8 AZR 593/06 – NZA 2008, 223 Rn. 56). In­so­fern ist auch die­ses Ver­hal­ten noch der fort­ge­setz­ten Persönlich­keits­rechts­ver­let­zung der Kläge­rin zu­zu­rech­nen.

All die­sen Ver­hal­tens­wei­sen ist ge­mein­sam, dass der Kläge­rin Schwie­rig­kei­ten be­rei­tet oder min­des­tens an­ge­droht wer­den. Selbst Ge­sund­heits­be­ein­träch­ti­gun­gen wer­den in den Raum ge­stellt.

4.2 Die oben dar­ge­stell­ten Ver­hal­tens­wei­sen stel­len ei­ne schwer­wie­gen­de Persönlich­keits­ver­let­zung dar. Die Be­ein­träch­ti­gung der Art der Ver­let­zung kann auch nicht auf an­de­re Wei­se be­frie­di­gend aus­ge­gli­chen wer­den.

Die­ses Ver­hal­ten ist auch des­we­gen so schwer­wie­gend, weil die­se Per­so­nen ge­ra­de als Per­so­nal­lei­ter, Jus­ti­ti­ar oder zuständi­ges Vor­stands­mit­glied dafür zuständig wären, für die Ein­hal­tung rechtmäßiger Stan­dards auch ge­genüber schein­bar un­be­que­men Ar­beit­neh­mern zu sor­gen. Die­ses schi­kanöse Ver­hal­ten ge­ra­de auch durch die­se Vor­ge­setz­ten kann nicht ein­fach mit ei­ner la­pi­da­ren Ent­schul­di­gung oder Ähn­li­chem aus der Welt ge­schafft wer­den. Die Schwe­re der Persönlich­keits­ver­let­zung er­gibt sich auch dar­aus, dass ein Großteil des Ver­hal­tens des Be­klag­ten als Re­ak­ti­on auf die Wahr­neh­mung ver­meint­li­cher Rech­te durch die Kläge­rin nach dem AGG an­ge­se­hen wer­den kann. Für die­se recht­li­che Ein­ord­nung spre­chen al­lein schon der en­ge zeit­li­che Zu­sam­men­hang und der Um­stand, dass die Maßnah­men des Be­klag­ten erst­mals auf­ge­tre­ten sind, nach­dem die Kläge­rin ih­re Rech­te an­ge­mel­det hat. Un­ter­las­sungs-

 

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ansprüche nach § 16 AGG stel­len eben­falls kei­nen be­frie­di­gen­den Aus­gleich dar, da al­len­falls für die Zu­kunft die Einschüchte­run­gen und Entwürdi­gun­gen un­ter­sagt wer­den könn­ten, die schon in der Ver­gan­gen­heit auf­ge­tre­ten wa­ren. Ein Un­ter­las­sungs­ti­tel, wo­nach z. B. dem Be­klag­ten un­ter­sagt wird, die Kläge­rin grund­los mit Be­las­tun­gen bis in den ge­sund­heit­li­chen Be­reich hin­ein zu be­dro­hen, wäre sinn­los, wenn der Be­klag­te auf an­de­re Einschüchte­rungs­sze­na­ri­en aus­weicht. Er könn­te – ab­ge­se­hen von den Pro­zess- und Rechts­an­walts­kos­ten – sank­ti­ons­los erst ein­mal neue Einschüchte­rungs­ver­su­che star­ten, bis auch die­se ihm ge­richt­lich un­ter­sagt wer­den. Da­her kann ein an­ge­mes­se­ner Weg nur dar­in be­ste­hen, ge­richt­li­cher­seits Entschädi­gungs­zah­lun­gen fest­zu­le­gen.

4.3 Die oben an­ge­ge­be­nen Ver­hal­tens­wei­sen sind auch dem Be­klag­ten zu­zu­ord­nen. Herr Dr. H. ist als Vor­stands­mit­glied un­strei­tig Or­gan des Be­kla­gen im Sin­ne von §§ 30, 31 BGB. Das Glei­che gilt je­doch auch für Herrn R. und Herrn Dr. M. als Per­so­nal­lei­ter und Jus­ti­ti­ar. Zu den Auf­ga­ben ei­nes Per­so­nal­lei­ters gehört es, dafür zu sor­gen, dass Beschäftig­te nicht in ih­ren Persönlich­keits­rech­ten ver­letzt wer­den. Glei­ches gilt für den Jus­ti­ti­ar. Dies hat zur Fol­ge, dass der Be­klag­te sich auf Ent­schul­di­gungs­gründe nicht be­ru­fen kann (Pa­landt-Sprau, 67. Aufl. 2008, § 831 BGB Rn. 3; zum Be­reich des Dis­kri­mi­nie­rungs­rechts Bau­er/Göpfert/Krie­ger § 15 AGG Rn. 18 f.).

4.4 Die hier fest­ge­setz­te Entschädi­gung ist in ih­rer Höhe not­wen­dig, aber auch aus­rei­chend.

Bei Entschädi­gungs­zah­lun­gen im Rah­men von Persönlich­keits­rechts­ver­let­zun­gen ist nicht nur der Aus­gleichs-, son­dern auch der Präven­ti­ons­ge­dan­ke zu berück­sich­ti­gen (Däubler/Bertz­bach-Däubler AGG Ein­lei­tung Rn. 72). Dies geht zurück auf die Recht­spre­chung des BGH (vom 05.12.1995 – VI ZR 332/94 – NJW 1996, 984 Rn. 16). Bei der Aus­gleichs­funk­ti­on des Entschädi­gungs­an­spruchs sind die Umstände der Mob­bing­be­ge­hung und ih­re Aus­wir­kung auf das Mob­bing­op­fer zu berück­sich­ti­gen (Wick­ler in Hand­buch Mob­bing-Rechts­schutz, Teil 2 Rn. 103). Hier­bei ist die Dau­er und In­ten­sität des Mob­bings zu be­wer­ten (eben­da). Fi­nan­zi­el­le Leis­tungsfähig­keit des Täters ist eben­falls ein re­le­van­ter Ge­sichts­punkt (a. a. O. Rn. 104). Bei ei­nem einjähri­gen schwe­ren Mob­bing hält er ei­ne Gel­dentschädi­gung im Be­reich von 20.000,00 € für an­ge­mes­sen. Hin­sicht­lich der Nicht­berück­sich­ti­gung bei der Beförde­rung ist im vor­lie­gen­den Fall auch zu be­ach­ten, dass durch den ma­te­ri­el­len Scha­dens­er­satz­an­spruch nach § 15 Abs. 1 die Kläge­rin ei­nen ho­hen Aus­gleich erhält, was auch dem Präven­ti­ons­ge­dan­ken Rech­nung trägt. Hin­sicht­lich der übri­gen Hand­lun­gen bleibt fest­zu­s­tel-

 

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len, dass sie sich über ei­nen Zeit­raum von mehr ei­nem Jahr hin­ge­zo­gen ha­ben. An­de­rer­seits kam es we­der zu Ge­walt­an­dro­hun­gen oder Ge­walt­an­wen­dun­gen. Auch sind kei­ne schwer­wie­gen­den Be­lei­di­gun­gen aus­ge­spro­chen wor­den. Er­schwe­rend ist je­doch zu berück­sich­ti­gen, dass die Her­abwürdi­gun­gen und Einschüchte­run­gen durch Or­gan­mit­glie­der des Be­klag­ten er­folg­ten, so­dass dem Präven­ti­ons­ge­dan­ken größeres Ge­wicht zu­kommt. Bei dem Be­klag­ten han­delt es sich um ein Großun­ter­neh­men, so­dass die fi­nan­zi­el­le Leis­tungsfähig­keit als gut ein­zuschätzen ist.

So­weit die Kläge­rin sich auch dar­auf be­ruft, dass durch die Hand­lun­gen des Be­klag­ten ih­re Ge­sund­heit be­ein­träch­tigt wor­den sein soll, ist dies strei­tig. Zwar hat der Be­klag­te dies nicht aus­drück­lich be­strit­ten, doch ist ih­re Ab­sicht, sie be­strei­ten zu wol­len, aus den übri­gen Erklärun­gen des Be­klag­ten ab­leit­bar (§ 138 Abs. 3 ZPO). Der Be­klag­te hat durchgängig an­ge­nom­men, dass von ihm Rechts­gut­ver­let­zun­gen nicht aus­ge­gan­gen sind. Hier­in liegt auch die Be­haup­tung, dass durch sein Ver­hal­ten ei­ne Ge­sund­heits­be­ein­träch­ti­gung bei der Kläge­rin nicht er­folgt sein kann. Der Vor­trag der Kläge­rin ist in­so­fern auch un­sub­stan­zi­iert. Sie trägt nicht vor, wann wel­che Ge­sund­heits­be­ein­träch­ti­gung, die z. B. zur Ar­beits­unfähig­keit geführt ha­ben soll, auf­ge­tre­ten ist. Hin­sicht­lich der Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft wird nicht ein­mal vor­ge­tra­gen, wann ein ent­spre­chen­der An­trag ge­stellt und be­wil­ligt wur­de. Im Übri­gen hat sie auch kei­nen Be­weis für die von ihr be­haup­te­te Tat­sa­che an­ge­tre­ten.
Die Kam­mer hat hier­bei auch berück­sich­tigt, dass die un­glei­che Vergütung im Verhält­nis zu Herrn R. in der Zeit vom 1.1.2000 – 10.12.2006 ge­recht­fer­tigt ist, so dass sich dies nicht auf ei­ne Erhöhung der Entschädi­gung aus­wirkt. In­so­fern wird auf die Be­gründung im Teil­ur­teil der hie­si­gen Kam­mer vom 30. Ju­li 2008 ver­wie­sen. So­weit die Kläge­rin da­nach vor­ge­tra­gen hat, dass Frau St. zu­min­dest nicht mehr als Herr Dr. M. ver­dient ha­be, mag dies zu­tref­fen, ist aber nicht ent­schei­dend. Zu­min­dest hat Frau St. im­mer mehr als die Kläge­rin und teil­wei­se auch mehr als Herr R. ver­dient. Dies zeigt, dass für die Ver­diensthöhe auf der Ebe­ne Per­so­nal­lei­ter/in die Ge­schlechts­zu­gehörig­keit nicht ent­schei­dend ist. Die Kläge­rin weist fer­ner dar­auf hin, dass Frau St. auch stell­ver­tre­ten­de Lei­te­rin der Per­so­nal­di­rek­ti­on ab 1994 ge­we­sen sei, wor­aus sie wohl schluss­fol­gert, dass hier­durch ei­ne höhe­re Be­zah­lung der Frau St. im Ver­gleich zu ih­rem Ge­halt ge­recht­fer­tigt sein könn­te. Die Kläge­rin kennt of­fen­sicht­lich die getätig­ten Ge­halts­zah­lun­gen in ih­rem Un­ter­neh­men ge­nau. In­so­fern hätte sie dar­le­gen müssen, wie sich die­se Funk­ti­on in der Vergütung von Frau St. aus­ge­wirkt ha­ben soll. Im Übri­gen hat­te der Be­klag­te schon auf Sei­te 5 sei­nes Schrift­sat­zes vom 4.10.2007 die Be­haup­tung auf­ge­stellt, Frau St. ha­be die­se Funk­ti­on nie aus­geübt, da sie nicht das Ver­trau­en des Vor­stan­des ge­nos­sen ha­be. Dann ist aber kaum an­zu­neh­men, dass mit

 

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der for­ma­len Über­tra­gung die­ser Funk­ti­on ei­ne höhe­re Vergütung ein­her­ge­gan­gen wäre. Auch hat Frau St. das Zeug­nis der Kläge­rin vom 31.1.1999 (Bl. 141 d.A.) nur mit dem Ti­tel „Per­so­nal­lei­te­rin“ un­ter­zeich­net, ob­wohl Frau G. zu die­sem Zeit­punkt nicht tätig ge­we­sen sein soll. So­weit der Be­klag­te bei der Be­mes­sung der Vergütungshöhe für Herrn R. auch des­sen Vor­bil­dun­gen, ins­be­son­de­re des­sen Hoch­schul­stu­di­um berück­sich­tigt hat, ist dies trotz der neu­er­li­chen Einwände der Kläge­rin nicht zu be­an­stan­den. An der­ar­ti­ge for­ma­le Bil­dungs­ab­schlüsse kann zu­min­dest die Er­war­tung ge­knüpft wer­den, dass hier­mit auch tatsächli­che höhe­re Qua­li­fi­ka­tio­nen ein­her­ge­hen. Ob sich die­se Er­war­tung rea­li­siert, ist dem­ge­genüber nicht aus­schlag­ge­bend. Zu Be­ginn der Tätig­keit des Herrn R. war die­ser im Ver­gleich zur Kläge­rin auch auf ei­ner an­de­ren Ver­ant­wor­tungs­ebe­ne tätig, da in Ber­lin – im Ge­gen­satz zu M. – noch Herr Dr. M. als Per­so­nal­lei­ter tätig war. Auch nach Dar­stel­lung der Kläge­rin wech­sel­te die­ser erst später nach M., so dass sie selbst mehr und mehr die al­lei­ni­ge Ver­ant­wor­tung in Ber­lin über­nahm. In­so­fern hilft der Kläge­rin auch nicht der Ver­weis auf die Zeich­nungs­be­rech­ti­gung vom 31.3.2006 (Anl. K 9 = Bl 154 ff d.A.). Al­len­falls für die letz­ten strei­ti­gen Jah­re ließe sich da­mit be­le­gen, dass bei­de Tätig­kei­ten in M. und Ber­lin gleich ge­we­sen sein sol­len. Die Fest­set­zung der Vergütung für Herrn R. fand je­doch schon in 2000 statt.

Soll­te in der un­ter­blie­be­nen Beförde­rung kei­ne Persönlich­keits­rechts­ver­let­zung zu se­hen sein, dann wäre für die zeit­lich nach­fol­gen­den Hand­lun­gen des Be­klag­ten zu­min­dest ei­ne Entschädi­gung in Höhe von 16.000,00 EUR ge­recht­fer­tigt.

All die­se Mo­men­te recht­fer­ti­gen es, ei­ne Entschädi­gung in Höhe von ins­ge­samt 20.000,00 EUR fest­zu­set­zen.

4.5 Die Kläge­rin hat auch die im nach­wir­ken­den Ta­rif­ver­trag, der auf­grund ar­beits­ver­trag­li­cher Ver­wei­sung zur An­wen­dung kommt, ge­re­gel­te sechs­mo­na­ti­ge Aus­schluss­frist ein­ge­hal­ten.

Dies gilt hier schon für die als ers­te Hand­lung an­ge­nom­me­ne rechts­wid­ri­ge Beförde­rung, da die Kla­ge­schrift am 13. Mai 2007 dem Be­klag­ten zu­ge­stellt wor­den ist, aber auch für die Einführung der nach­fol­gen­den Hand­lun­gen in den Pro­zess.

5. Es kann of­fen blei­ben, ob die hier gel­tend ge­mach­ten Ansprüche nicht nur aus De­likt, son­dern auf ver­trag­li­cher Ba­sis er­folg­reich gel­tend ge­macht wer­den könn­ten (Wick­ler in Hand­buch Mob­bing-Rechts­schutz, Teil 3 Rn. 102). Of­fen kann auch blei-

 

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ben, ob die hier als re­le­vant ein­ge­stuf­ten Hand­lun­gen auch ei­ne Belästi­gung nach § 3 AGG we­gen des Ge­schlechts dar­stel­len.

V.

Über den hilfs­wei­se zu 8 gel­tend ge­mach­ten An­trag ist zu ent­schei­den, da dem An­trag zu 7 nicht be­reits in vol­ler Höhe statt­ge­ge­ben wor­den ist. Die­ser An­trag hat je­doch kei­nen Er­folg.

Der An­trag ist in großen Tei­len un­zulässig. Es be­steht kein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se dafür, jen­seits der schon zu­vor ge­stell­ten Anträge fest­zu­stel­len, dass der Be­klag­te ver­pflich­tet ist, der Kläge­rin ma­te­ri­el­le und im­ma­te­ri­el­le Schäden zu er­set­zen, weil sie bei der Vergütung, der Beförde­rung dis­kri­mi­niert oder in ih­rem Persönlich­keits­recht ver­letzt sein soll. Es ist nicht er­sicht­lich, wel­che wei­te­ren ma­te­ri­el­len Scha­dens­er­satz­ansprüche über die bis­her gel­tend ge­mach­ten Anträge hin­aus in Be­tracht kom­men könn­ten. Für die im­ma­te­ri­el­len Ansprüche gilt das­sel­be, da nach dem An­trag zu 7 in­so­fern ei­ne Entschädi­gung ver­langt wird. Dies gilt auch für mögli­che Ge­sund­heits­ver­let­zun­gen, da sich die hier­aus er­ge­ben­den im­ma­te­ri­el­len Schäden eben­falls bei dem An­trag zu 7 hätten berück­sich­tigt wer­den müssen. So­weit die Kläge­rin ma­te­ri­el­len Scha­dens­er­satz we­gen der Ver­let­zung der Ge­sund­heit be­gehrt, be­steht eben­falls kein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se, da die Kläge­rin nichts da­zu vorträgt, dass sie nicht in der La­ge sei, ent­spre­chend auf­ge­tre­te­ne Ge­sund­heitsschäden zu be­rech­nen.

VI.

Die Par­tei­en ha­ben die Kos­ten des Rechts­streits ent­spre­chend ih­rem An­teil am Ob­sie­gen und Un­ter­lie­gen zu tra­gen (§ 92 ZPO).

 

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Hin­sicht­lich der Anträge zu 1 und 2 ist von ei­nem Streit­wert von 41.711,65 € aus­ge­gan­gen wor­den, da die Kläge­rin die Vergütungs­dif­fe­renz bis zum 9. De­zem­ber 2006 in­zwi­schen in die­ser Höhe be­rech­net hat­te. Für die Anträge zu 3 bis 5 wur­de ein­heit­lich die Vergütungs­dif­fe­renz be­zo­gen auf drei Jah­re (mo­nat­lich 1.467,86 €), so­mit 52.842,96 € zu­grun­de ge­legt. Für den Hilfs­an­trag zu 6 war kein ei­genständi­ger Wert zu berück­sich­ti­gen, da hierüber nicht ent­schie­den wur­de. Bei dem An­trag zu 7 ist der gel­tend ge­mach­te Min­dest­be­trag (390.000,00 € in der ers­ten In­stanz; 90.000,00 € in der zwei­ten In­stanz) berück­sich­tigt wor­den. Der in der ers­ten In­stanz gel­tend ge­mach­te Hilfs­an­trag zu 8 um­fasst im Rah­men ei­nes Fest­stel­lungs­an­tra­ges sämt­li­che Ansprüche, die zu­vor im Rah­men ei­ner Leis­tungs­kla­ge ver­folgt wur­den. Da­her wur­den hierfür 10 % des bis­he­ri­gen Wer­tes (so­mit 48.455,46 €) zu­grun­de ge­legt. Dies er­gab erst­in­stanz­lich ei­nen Streit­wert in Höhe von ins­ge­samt 533.010,07 €, wo­bei die Kläge­rin im Um­fang von 72.842,96 € ob­sieg­te.

Zweit­in­stanz­lich war der An­trag zu 8 da­hin­ge­hend ein­ge­schränkt wor­den, dass nur Ansprüche ver­folgt wer­den, die durch die Anträge zu 5 bis 7 nicht be­reits aus­ge­gli­chen sind. In­so­fern wur­den hier 10 % des nicht aus­ge­gli­che­nen Wer­tes (70.000,00 von 90.000,00 €) an­ge­setzt. Für den An­trag zu 12 bezüglich der zu er­tei­len­den Aus­kunft wur­de der Wert für drei Jah­re (jähr­lich 500,00 €) berück­sich­tigt. Dies er­gibt ei­nen Ge­samt­streit­wert für die zwei­te In­stanz in Höhe von 193.054,61 €. Die Kläge­rin ob­sieg­te wertmäßig in Höhe von 74.342,96 €, so dass sie die Kos­ten der zwei­ten In­stanz mit ei­nem An­teil von 62 % zu tra­gen hat. Für den Be­klag­ten ver­bleibt ei­ne Kos­ten­quo­te in Höhe von 38 %.


VII.

Für den Be­klag­ten war die Re­vi­si­on zu­zu­las­sen, so­weit er we­gen der nicht er­folg­ten Beförde­rung ver­ur­teilt wur­de. In­so­weit ha­ben die auf­ge­wor­fe­nen Rechts­fra­gen grundsätz­li­che Be­deu­tung (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Dies be­trifft ins­be­son­de­re die Berück­sich­ti­gung von Sta­tis­ti­ken, die Möglich­keit des Ar­beit­ge­bers, Ent­las­tungs­tat­sa­chen auch dann vor­brin­gen zu können, wenn sie vor­her nicht nach außen er­kenn­bar ge­macht wur­den, und die Höhe des Scha­dens­er­sat­zes. Bezüglich der zu zah­len­den Entschädi­gung (I.3.) in Höhe von 16.000,00 EUR war die Zu­las­sung der Re­vi­si­on nicht ge­recht­fer­tigt, da die fest­ge­stell­te Persönlich­keits­rechts­ver­let­zung der Kläge­rin durch Hand­lun­gen nach der Beförde­rungs­ent­schei­dung nur den hie­si­gen Ein­zel­fall be­tref­fen und die in­so­weit re­le­van­ten Rechts­fra­gen vom BAG ent­schie­den sind.

 

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Für die Kläge­rin, so­weit die zu­ge­spro­che­ne Entschädi­gung we­gen der nicht er­folg­ten Beförde­rung 4.000,00 EUR nicht über­stieg, war die Re­vi­si­on we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung zu­zu­las­sen. In­so­fern ist höchst­rich­ter­lich noch nicht ent­schie­den, wie sich ei­ne dis­kri­mi­nie­ren­de Beförde­rungs­ent­schei­dung in Ver­bin­dung mit sons­ti­gen Persönlich­keits­rechts­ver­let­zun­gen auf die Höhe der Entschädi­gungs­zah­lung aus­wirkt. Im Übri­gen war für die Kläge­rin die Re­vi­si­on nicht zu­zu­las­sen. Dies be­trifft die Nicht­berück­sich­ti­gung der im Ver­gleich zu Herrn R. ge­rin­ge­ren Vergütung bis zum 10.12.2006 bei der Entschädi­gungs­zah­lung nach I.3., den hilfs­wei­se zu 8 gel­ten­den ge­mach­ten An­trag und die zurück­ge­wie­se­ne Kla­ge bezüglich der Zins­ent­schei­dun­gen.

Auf die Möglich­keit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de wer­den die Kläge­rin und der Be­klag­te hin­ge­wie­sen (§ 72 a ArbGG).

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von d. Par­tei­en bei dem

Bun­des­ar­beits­ge­richt,

Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt

(Post­adres­se: 99113 Er­furt),

Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­den.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb

ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

schrift­lich beim Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­legt wer­den.

Sie ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb

ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten

schrift­lich zu be­gründen.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­setz­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss die Be­zeich­nung des Ur­teils, ge­gen das die Re­vi­si­on ge­rich­tet wird und die Erklärung ent­hal­ten, dass ge­gen die­ses Ur­teil Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­de.

Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als sol­che sind außer Rechts­anwälten nur fol­gen­de Stel­len zu­ge­las­sen, die zu­dem durch Per­so­nen mit Befähi­gung zum Rich­ter­amt han­deln müssen:

• Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,

 

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• ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der vor­ge­nann­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt, und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

Der Schrift­form wird auch durch Ein­rei­chung ei­nes elek­tro­ni­schen Do­ku­ments i. S. d. § 46b ArbGG genügt. Nähe­re In­for­ma­tio­nen da­zu fin­den sich auf der In­ter­net­sei­te des Bun­des­ar­beits­ge­richts un­ter www.bun­des­ar­beits­ge­richt.de.

 

K.

S.

K.

 

 

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