HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 08/136

Glä­ser­ne De­cken auf dem Weg nach oben

Sind Frau­en in den Füh­rungs­po­si­tio­nen ei­nes Be­triebs sta­tis­tisch un­ter­re­prä­sen­tiert, kann das ein In­diz für ei­ne Frau­en­dis­kri­mi­nie­rung sein: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 26.11.2008, 15 Sa 517/08
Frauenquote OP Wie weist man Dis­kri­mi­nie­run­gen beim be­ruf­li­chen Auf­stieg nach?

18.12.2008. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg hat ent­schie­den, dass ei­ne beim be­ruf­li­chen Auf­stieg ge­gen­über ei­nem männ­li­chen Mit­be­wer­ber zu­rück­ge­setz­te Ar­beit­neh­me­rin zum Be­leg für ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts auf die - ge­mes­sen am Ge­schlech­ter­ver­hält­nis im ge­sam­ten Be­trieb - ge­rin­ge­re sta­tis­ti­sche Re­prä­sen­ta­ti­on von Frau­en in Füh­rungs­po­si­tio­nen ver­wei­sen kann.

Ein sol­cher Be­leg ist nach An­sicht des LAG als Ver­mu­tungs­tat­sa­che im Sin­ne von § 22 All­ge­mei­nes Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) aus­rei­chend.

Das gilt je­den­falls dann, wenn der Ar­beit­ge­ber kei­ne Aus­schrei­bung vor­ge­nom­men hat, d.h. der Ar­beit­ge­ber muss dann den Nach­weis der Nicht-Dis­kri­mi­nie­rung füh­ren: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 26.11.2008, 15 Sa 517/08.

Lässt die rein zah­lenmäßge Un­ter­re­präsen­ta­ti­on von Frau­en in den Führungs­po­si­tio­nen ei­nes Be­triebs ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung ver­mu­ten?

Dis­kri­mi­nie­rung ist die nicht ge­recht­fer­tig­te Be­nach­tei­li­gung ei­nes Men­schen auf­grund von Merk­ma­len, die er nicht selbst, ins­be­son­de­re nicht durch sei­ne Leis­tung, be­ein­flus­sen kann. Hier­ge­gen soll das am 18.08.2006 in Kraft ge­tre­te­ne AGG Schutz bie­ten. Bezüglich der ge­schlechts­be­zo­ge­nen Dis­kri­mi­nie­rung, al­so der un­ge­recht­fer­tig­ten Un­gleich­be­hand­lung von Männern und Frau­en im Er­werbs­le­ben, hat das AGG die zu­vor be­ste­hen­den Re­ge­lun­gen im Bürger­li­chen Ge­setz­buch (BGB) ab­gelöst.

Dis­kri­mi­nie­run­gen können von der dis­kri­mi­nier­ten Per­son ty­pi­scher­wei­se nur sehr schwer be­wie­sen wer­den. Da­her gel­ten zu­guns­ten von Dis­kri­mi­nie­rungs­op­fern Be­wei­ser­leich­te­run­gen.

Ab­wei­chend von der Re­gel, dass je­der vor Ge­richt die sei­nen An­spruch stützen­den Tat­sa­chen im Fal­le des Be­strei­tens durch die Ge­gen­sei­te voll­umfäng­lich zu be­wei­sen hat, muss der Be­trof­fe­ne in Dis­kri­mi­nie­rungsfällen nicht die Dis­kri­mi­nie­rung selbst be­wei­sen. Viel­mehr schreibt § 22 AGG vor, dass er nur In­di­zi­en be­weist, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes im AGG ge­nann­ten Dis­kri­mi­nie­rungs­grun­des ver­mu­ten las­sen. Ge­lingt ihm der Nach­weis sol­cher In­di­ztat­sa­chen, trägt die an­de­re Par­tei die Be­weis­last dafür, dass kein Ver­s­toß ge­gen die Be­stim­mun­gen zum Schutz vor Be­nach­tei­li­gun­gen vor­ge­le­gen hat.

Kon­kret heißt das: Der be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer muss - ers­tens - vor Ge­richt ei­ne Be­nach­tei­li­gung vor­tra­gen, al­so et­wa die Tat­sa­che, dass er nicht ein­ge­stellt, nicht befördert oder schlech­ter als an­de­re be­zahlt wur­de. Und – zwei­tens - muss er sog. Ver­mu­tungs­tat­sa­chen vor­brin­gen, d.h. Umstände, die ei­nen dis­kri­mi­nie­ren­den Grund für die Be­nach­tei­li­gung ver­mu­ten las­sen. Ei­ne mitt­ler­wei­le „klas­si­sche“ In­di­ztat­sa­che kann et­wa dar­in be­ste­hen, dass der Ar­beit­ge­ber die zu be­set­zen­de Stel­le nicht ge­schlechts­neu­tral aus­ge­schrie­ben, d.h. sich in sei­ner Stel­len­aus­schrei­bung nur an männ­li­che oder nur an weib­li­che Be­wer­ber ge­rich­tet hat.

Ste­hen sol­che In­di­ztat­sa­chen fest, muss der ver­klag­te Ar­beit­ge­ber be­wei­sen, dass die (be­wie­se­ne) Un­gleich­be­hand­lung trotz der (be­wie­se­nen) In­di­zi­en ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung recht­lich in Ord­nung war, d.h. nicht auf dis­kri­mi­nie­ren­den Gründen be­ruht, die das Ge­setz ver­bie­tet.

Frag­lich ist, ob un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen be­reits der Nach­weis ei­nes Ar­beit­neh­mers oder ei­ner Ar­beit­neh­me­rin, dass die Ge­schlech­ter­ver­tei­lung im Be­trieb des Ar­beit­ge­bers auf den ein­zel­nen Hier­ar­chie­ebe­nen sta­tis­tisch un­gleich ist, als In­diz für ei­ne ge­schlechts­be­zo­ge­ne Dis­kri­mi­nie­rung aus­reicht.

Frag­lich ist auch, ob der Ar­beit­ge­ber vor Ge­richt mit von ihm be­haup­te­ten Sach­gründen für ei­ne Beförde­rungs­ent­schei­dung Er­folg ha­ben kann, wenn über die Beförde­rung oh­ne vor­he­ri­ge Stel­len­aus­schrei­bung oder sons­ti­ge schrift­lich do­ku­men­tier­te Aus­wahl­kri­te­ri­en ent­schie­den hat. Nicht ab­sch­ließend geklärt ist schließlich auch, für wel­chen Zeit­raum ein bei ei­ner Beförde­rung dis­kri­mi­nier­ter Be­wer­ber die höhe­re Vergütung als Scha­dens­er­satz ver­lan­gen kann.

Zu die­sen Fra­gen hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg in ei­nem Ur­teil vom 26.11.2008 (15 Sa 517/08) Stel­lung ge­nom­men.

Der Streit­fall: Qua­li­fi­zier­te Frau zieht bei Beförde­rung auf Führungs­po­si­ti­on den Kürze­ren ge­genüber ei­nem Mann - in ei­nem Be­trieb, in dem sämt­li­che 27 Führungs­po­si­tio­nen mit Männern be­setzt sind

Die Kläge­rin, ei­ne im Be­reich der Per­so­nal­ent­wick­lung er­fah­re­ne Be­triebs­wir­tin, war bei dem be­klag­ten Ar­beit­ge­ber, ei­nem In­kas­so­un­ter­neh­men, seit 1993 als Per­so­nal­re­fe­ren­tin tätig. Das be­klag­te Un­ter­neh­men glie­dert sich in zwei Ge­ne­ral­di­rek­tio­nen mit je ei­ge­ner Per­so­nal­ver­wal­tung, der je­weils ein Per­so­nal­lei­ter vor­steht. Die­sem über­ge­ord­net ist ein für bei­de Ge­ne­ral­di­rek­tio­nen ver­ant­wort­li­cher (später um­be­nann­ter) Per­so­nal­di­rek­tor.

Im Jah­re 1995 er­nann­te der Be­klag­te die Kläge­rin zur Stell­ver­tre­te­rin für die Per­so­nal­ver­wal­tung in ei­ner der Ge­ne­ral­di­rek­tio­nen. Spätes­tens ab Som­mer 2003 über­nahm die Kläge­rin fak­tisch die Lei­tung der Per­so­nal­ver­wal­tung die­ser Ge­ne­ral­di­rek­ti­on. Im Ja­nu­ar 2006 er­nann­te der Be­klag­te die Kläge­rin auch of­fi­zi­ell zur Lei­te­rin der Per­so­nal­ver­wal­tung der Ge­ne­ral­di­rek­ti­on. Ein männ­li­cher Kol­le­ge, Herr R., lei­te­te die an­de­re Ge­ne­ral­di­rek­ti­on.

Als zum De­zem­ber 2006 die Po­si­ti­on des Per­so­nal­di­rek­tors frei wur­de, erklärte der bis da­hin am­tie­ren­de Per­so­nal­di­rek­tor ge­genüber der Kläge­rin, dass nur Herr R. oder ein Ex­ter­ner als sein Nach­fol­ger in Fra­ge kämen. We­ni­ge Ta­ge später ver­gab der Be­klag­te die Stel­le oh­ne Aus­schrei­bung an Herrn R.

Die Kläge­rin fühl­te sich dar­auf­hin aus ge­schlechts­be­zo­ge­nen Gründen beim be­ruf­li­chen Auf­stieg dis­kri­mi­niert, zog vor das Ar­beits­ge­richt Ber­lin und ver­lang­te als Scha­dens­er­satz die Dif­fe­renz zwi­schen ih­rem zu­letzt be­zo­ge­nen und dem ihr im Fal­le ei­ner Beförde­rung zur Per­so­nal­di­rek­to­rin zu­ste­hen­den Ge­halt so­wie ei­ne Gel­dentschädi­gung als Aus­gleich für die er­lit­te­ne Dis­kri­mi­nie­rung.

Zur Be­gründung ih­res Stand­punk­tes ver­wies sie dar­auf, dass zwar et­wa 2/3 der Be­leg­schaft weib­lich sei­en, trotz­dem aber al­le 27 Führungs­po­si­tio­nen mit Männern be­setzt sei­en. So gab es seit 1976 kei­ne Di­rek­to­rin, Be­zirks­di­rek­to­rin oder Vor­stands­frau bei dem Be­klag­ten. Drei wei­te­re Frau­en, die stell­ver­tre­ten­de Lei­te­rin­nen wa­ren, blie­ben bei der Ver­ga­be von frei­wer­den­den Lei­tungs­pos­ten un­berück­sich­tigt, die der Be­klag­te statt­des­sen mit Männern be­setz­te.

Als In­di­ztat­sa­che stütze sie sich ins­be­son­de­re auf die sta­tis­ti­sche Un­ter­re­präsen­ta­ti­on von Frau­en in Führungs­po­si­tio­nen. Der Be­klag­te wand­te ein, er ha­be Herrn R. nicht aus ge­schlechts­spe­zi­fi­schen Gründen aus­gewählt, son­dern weil die­ser als Aka­de­mi­ker für die zu be­set­zen­de Po­si­ti­on bes­ser ge­eig­net sei.

Das Ar­beits­ge­richt Ber­lin wies die Kla­ge ab (Ur­teil vom 30.01.2008, 35 Ca 7441/07). Es sah kei­ne In­di­zi­en für ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung. Der ge­rin­ge An­teil von Frau­en in Spit­zen­po­si­tio­nen ha­be kei­ne In­dizwir­kung, weil die­se Si­tua­ti­on auch über­kom­me­ne ge­sell­schaft­li­che Verhält­nis­se ab­bil­den könne.

LAG Ber­lin-Bran­den­burg: Sind Frau­en in den Führungs­po­si­tio­nen ei­nes Be­triebs sta­tis­tisch un­ter­re­präsen­tiert, kann das ein In­diz für ei­ne Frau­en­dis­kri­mi­nie­rung sein

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hob das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts auf und gab der Kläge­rin recht. Es ver­ur­teil­te den Be­klag­ten, an die Kläge­rin - zeit­lich un­be­grenzt - die Dif­fe­renz zwi­schen ih­rer Vergütung und der ih­res beförder­ten Mit­be­wer­bers, Herrn R., zu zah­len. Außer­dem ver­ur­teil­te es die Be­klag­te, ei­ne Entschädi­gung in Höhe von 20.000,00 EUR zu zah­len.

Nach An­sicht des LAG stellt die sta­tis­ti­sche Un­ter­re­präsen­ta­ti­on von Frau­en auf der höhe­ren Hier­ar­chie­ebe­ne bei dem Be­klag­ten ein aus­rei­chen­des In­diz für ei­ne dis­kri­mi­nie­ren­de Be­hand­lung auf­grund des Ge­schlechts dar. Sta­tis­ti­sche Nach­wei­se müss­ten schon des­we­gen Berück­sich­ti­gung fin­den, weil ei­ne ver­deck­te Dis­kri­mi­nie­rung bei der Beförde­rung - die so­ge­nann­te „gläser­ne De­cke“ - an­dern­falls nicht er­mit­tel­bar sei. Fälle of­fe­ner Dis­kri­mi­nie­rung kämen kaum vor und sei­en des­halb in der Pra­xis ir­re­le­vant. Dass ein Ar­beit­ge­ber sich of­fen zur Dis­kri­mi­nie­rung be­ken­ne, sei dem Vor­sit­zen­den in 17 Jah­ren nur ein Mal pas­siert.

Das Ge­richt führt aus, dass in Deutsch­land Frau­en in höhe­ren Po­si­tio­nen sta­tis­tisch un­ter­re­präsen­tiert sei­en. Es kommt zu dem Schluss, dass die­se Sta­tis­ti­ken kein Zu­fall sein könn­ten. Viel­mehr sei da­von aus­zu­ge­hen, dass min­des­tens auch dis­kri­mi­nie­ren­de Struk­tu­ren-, Denk- oder Ver­hal­tens­wei­sen in den Be­trie­ben die Auf­stiegsmöglich­kei­ten von Frau­en ver­hin­der­ten.

Die­ser ver­deck­ten Dis­kri­mi­nie­rung müsse sich die Recht­spre­chung stel­len. Sie könne nicht als Aus­druck über­kom­me­ner ge­sell­schaft­li­cher Verhält­nis­se außer Be­tracht blei­ben, wie das Ar­beits­ge­richt mei­ne. Dies hätte zur Kon­se­quenz, dass ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung erst dann recht­lich re­le­vant sei, wenn sie über das in der Ge­samt­ge­sell­schaft ver­brei­te­te Maß hin­aus­gin­ge. Ei­ne der­ar­ti­ge Ein­schränkung sei we­der dem AGG noch dem in Art.3 Grund­ge­setz (GG) ent­hal­te­nen Gleich­be­rech­ti­gungs­grund­satz zu ent­neh­men.

Im kon­kre­ten Fall stel­le die Tat­sa­che, dass bei dem Be­klag­ten oh­ne Aus­nah­me al­le 27 Führungs­po­si­tio­nen nur mit Männern be­setzt sei­en, ob­wohl Frau­en et­wa 2/3 der Be­leg­schaft stell­ten, ein aus­rei­chen­des In­diz für ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne des § 22 AGG dar. Bei dem Be­klag­ten sei die Un­ter­re­präsen­ta­ti­on von Frau­en in höhe­ren Po­si­tio­nen weit höher als in ver­gleich­ba­ren Un­ter­neh­men in Deutsch­land. Dafür sprächen auch die wei­te­ren von der Kläge­rin ge­schil­der­ten Fälle, in de­nen der Be­klag­te frei­wer­den­de ho­he Po­si­tio­nen nicht mit Frau­en be­setzt ha­be.

Der Be­klag­te könne auch nicht da­mit gehört wer­den, er ha­be von den Be­wer­bern ein Hoch­schul­stu­di­um ver­langt und da­her die Kläge­rin ab­ge­lehnt bzw. ih­ren Mit­be­wer­ber Herrn R. befördert, so dass ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung nicht vor­ge­le­gen ha­be.

Denn bei ei­ner Ein­stel­lung oder Beförde­rung dürfe sich der Ar­beit­ge­ber zum Nach­weis sach­li­cher Un­ter­schei­dungs­gründe nur auf sol­che Tat­sa­chen stützen, die er zu­vor im Aus­wahl­ver­fah­ren of­fen als ent­schei­dungs­er­heb­lich ge­kenn­zeich­net ha­be.

An­dern­falls hätte es der Ar­beit­ge­ber in der Hand, nachträglich die (an­geb­li­chen) „An­for­de­run­gen“ an ei­ne zu be­set­zen­de Stel­le so fest­zu­le­gen, dass die nicht berück­sich­tig­ten Be­wer­ber dem (an­geb­li­chen) An­for­de­rungs­pro­fil nicht entsprächen. Dem Ar­beit­ge­ber wäre da­durch prak­tisch im­mer ei­ne Ent­las­tung möglich, wo­mit die Durch­set­zung des Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bots prak­tisch unmöglich ge­macht würde.

Da der Be­klag­te im vor­lie­gen­den Fall der Aus­wahl kein schrift­li­ches An­for­de­rungs­pro­fil zu­grun­de ge­legt hat­te, sah das LAG die zu sei­ner Ent­las­tung an­geführ­ten Sach­gründe für die Be­vor­zu­gung von Herrn R. als nicht aus­rei­chend an.

Der Kläge­rin ste­he des­halb ein Scha­dens­er­satz­an­spruch gemäß § 15 AGG auf die Vergütungs­dif­fe­renz zwi­schen ih­rer Stel­le und der Po­si­ti­on, auf die sie sich be­wor­ben hat­te, oh­ne zeit­li­che Be­gren­zung zu. Ei­ne zeit­li­che Ein­schränkung des Scha­dens­er­sat­zes auf den Zeit­punkt der Möglich­keit ei­ner ers­ten Kündi­gung sah das LAG nicht als ge­bo­ten an.

Ei­ne sol­che Kündi­gung sei ei­ne maßre­geln­de Re­ak­ti­on auf die Ausübung der Rech­te des dis­kri­mi­nier­ten Be­wer­bers, was § 16 AGG aber ge­ra­de ver­bie­te. Al­len­falls dann, wenn auch das Ar­beits­verhält­nis des beförder­ten Be­wer­bers rechtmäßig aus be­triebs­be­ding­ten Gründen be­en­det wor­den wäre, kom­me ei­ne zeit­li­che Be­gren­zung des Er­satz­an­spruchs in Be­tracht. Vor­lie­gend bestünde das Ar­beits­verhält­nis des beförder­ten Herrn R. je­doch fort.

Sch­ließlich sprach das Ge­richt der Kläge­rin auch ei­ne Entschädi­gung gemäß § 15 Abs.2 AGG zu. Die ge­schlechts­be­zo­ge­ne Be­nach­tei­li­gung bei der Beförde­rung sei ei­ne Her­abwürdi­gung der be­ruf­li­chen Fähig­kei­ten der Kläge­rin und zu­gleich ei­ne Ver­let­zung ih­rer Würde als Per­son. Das LAG hielt da­her ei­ne Entschädi­gung von 20.000,00 EUR für an­ge­mes­sen, aber auch für aus­rei­chend, d.h. die von der Kläge­rin be­gehr­ten 90.000,00 EUR sprach es nicht zu.

Fa­zit: Mit die­ser en­ga­gier­ten Ent­schei­dung, die bis­lang noch nicht rechts­kräftig ist, stärkt das LAG die Rech­te dis­kri­mi­nier­ter Ar­beit­neh­mer(in­nen). Wie das LAG al­ler­dings klar­stellt, sind Ar­beit­ge­ber in­fol­ge die­ser Ent­schei­dung nicht zu ei­ner strik­ten Quo­tie­rung von Führungs­po­si­tio­nen ge­zwun­gen. Auch ei­ne gra­vie­ren­de Un­ter­re­präsen­ta­ti­on von Frau­en "ist" nicht schon ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung, son­dern in­di­ziert sie nur, so dass der Ar­beit­ge­ber be­wei­sen muss, dass die Un­ter­re­präsen­ta­ti­on von Frau­en nicht das Er­geb­nis ih­rer Dis­kri­mi­nie­rung ist.

Dass das Ge­richt im vor­lie­gen­den Fall dem Ar­beit­ge­ber den recht­fer­ti­gen­den Ver­weis auf ein an­geb­li­ches An­for­de­rungs­pro­fil ver­sag­te, steht im Ein­klang mit der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung, die ver­hin­dern will, dass Be­wer­ber­pro­fi­le nachträglich so „ergänzt“ wer­den, dass der An­schein ei­ner ob­jek­tiv be­gründe­ten Be­nach­tei­li­gung ent­steht.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) über den Fall ent­schie­den und das Ur­teil des LAG auf­ge­ho­ben. In­for­ma­tio­nen zu der BAG-Ent­schei­dung fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de