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ArbG Lingen, Urteil vom 23.10.2014, 3 Ca 18/14
Schlagworte: | Massenentlassung, Betriebsrat, Interessenausgleich | |
Gericht: | Arbeitsgericht Lingen | |
Aktenzeichen: | 3 Ca 18/14 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 23.10.2014 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | ||
Wübbels, Gerichtsangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
ARBEITSGERICHT LINGEN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 Ca 18/14
In dem Rechtsstreit
A., A-Straße, A-Stadt
Klägerin,
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte B., B-Straße, B-Stadt
gegen
Rechtsanwalt D. , D-Straße, D-Stadt
Beklagter,
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte E., D-Straße, D-Stadt
hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Lingen auf die mündliche Verhandlung vom
23. Oktober 2014 durch
den Direktor des Arbeitsgerichts Schmedt als Vorsitzenden,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Spekkers,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Schütte als Beisitzer
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die klagende Partei zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 8.100,00 € festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht besonders zugelassen.
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Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
Die klägerische Partei war seit dem 01.07.1992 in einem Beschäftigungsverhältnis, zuletzt mit einem Bruttomonatseinkommen von 2.700,-- €.
Über das Vermögen der DTF Deutsche Textilfabrik GmbH Co. KG wurde mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 01.12.2013 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit Datum vom 23.12.2013 schlossen der Betriebsrat und der Beklagte einen Interessenausgleich, nachdem am 04.12.2013, 12.12.2013 und 19.12.2013 Verhandlungen zu dem Interessenausgleich stattgefunden hatten. In dem Interessenausgleich heißt es auszugsweise:
Präambel
Eine Aufrechterhaltung der Produktion ist angesichts der Umsätze und der notwendigen Umsätze von lediglich 1.300.000 € handelnd und einer monatlichen Vollkostenbelastung von 2.000.000 € nicht möglich. Vor diesem Hintergrund hat der Insolvenzverwalter mit Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses am 01.12.2013 die Betriebsstillegung des Untemehmensträgers DTF im Ganzen beschlossen.
§ 1 Geltungsbereich
(1) Dieser Interessenausgleich gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (zukünftig aus Gründen der Lesbarkeit zusammen Mitarbeiter) des Betriebes, soweit sie von Maßnahmen nach §§ 2,3 dieses Interessenausgleichs betroffen sind und dem Betriebsverfassungsgesetz unterliegen. Leitende Angestellte gern. § 5 Abs. 2 BetrVG sind ausdrücklich vom Geltungsbereich dieses Interessenausgleichs ausgenommen.
(2) Die lnsolvenzschuldnenn, die DTF Deutsche Textilfabrik GmbH & Co. KG, die Bothom GmbH, die Marido GmbH & Co. KG sowie die Heimtex Logistik und Service GmbH und Rileta GmbH haben einen gemeinschaftlichen Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gebildet. Dieses haben die Firmen und die Gesellschaften u. a. auch im Tarifvertrag vom 21.01.2013 und 14.02.2013 vereinbart...
§ 2 Unternehmerische Maßnahmen
(1) Gegenstand des Interessenausgleiches ist die Stilllegungsentscheidung des Insolvenzverwalters am 01.12.2013, den Betrieb des Untemehmensträgers DTF am Standort in Aschendorf zu schließen.
(2) Durch die Betriebsstilllegung entfallen alle Arbeitsplätze in sämtlichen Betriebsteilen spätestens zum 28.02.2014.0b untemehmensübergreifende Arbeitsplätze bei den Unternehmen Marido, HLuS und Bothom GmbH entfallen, ist nicht Gegenstand dieses Interessenausgleichs.
Die Auslaufproduktion- und Abwicklungsarbeiten, die bis spätestens zum 28 Februar 2014 abgeschlossen sein werden, werden mit Auslauf der Produktion von zurzeit 90 Mitarbeitern und 20 Auszubildenden durchgeführt.
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Sämtliche übrigen Mitarbeiter von insgesamt 257 der DTF sind vom lnsolvenzverwalter bereits freigestellt worden. Die Abwicklungsarbeiten erfolgen in der Auslaufproduktion, den Bereichen Buchhaltung, Personal und Verkauf
(3) Dementsprechend wird der lnsolvenzverwalter sämtlichen Mitarbeitern des Betriebes
der DTF betriebsbedingt kündigen.
§ 3 Durchführung des Personalabbaus
(1) Der lnsolvenzverwalter wird sämtliche bei der DTF beschäftigten Mitarbeiter durch betriebsbedingte Kündigungen entlassen. Die Entlassungen werden unter Einhaltung der jeweils geltenden Kündigungsfristen i. V. m. § 113 Ins° durchgeführt. Somit gilt eine Höchstkündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende, sofern sich nicht aus den Einzelverträgen oder dem Tarifvertrag eine kürzere Kündigungsfrist ergibt.
(2) Die Parteien dieses Interessenausgleichs sind sich darüber einig, dass die Kündigungen erst ab der 52. Kalenderwoche 2013, ab dem 27.12.2013 zugestellt werden sollen.
(3) Alle Mitarbeiter, für die eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht mehr besteht, können bis zum rechtlichen Ende ihres Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung bestehender Resturlaubs- und sonstiger Freizeitausgleichsansprüche freigestellt werden. Ein Anspruch auf Freistellung besteht nicht.
§ 4 Kündigung der Arbeitsverhältnisse
4. 1. Namensliste gem.§ § 1 Abs. 5 KSchG, 125 InsO, 111 BetrVG
Die zu kündigenden Mitarbeiter der DTF werden in der diesem Interessenausgleich als Anlage 1 beigefügten Namensliste, die vollinhaltlich Bestandteil des Interessenausgleichs ist, namentlich benannt. Die Sozialdaten sämtlicher Mitarbeiter sowie Kündigungsfristen sind in der Namensliste enthalten. Der Betriebsrat bestätigt die Vollständigkeit der Namensliste. Sollte wider Erwarten ein Mitarbeiter des Betriebs DTF nicht auf der Namensliste vermerkt sein, so besteht Einigkeit, dass auch solche Mitarbeiter der DTF vom Interessenausgleich erfasst sind und auch solchen Mitarbeitern mit Wirkung zu dem im § 2 des Interessenausgleichs genannten Datum gekündigt werden kann.
Die Betriebsparteien gehen auch davon aus, dass für Mitarbeiter, die sich bereits in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinden, eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung wegen Betriebsschließung aus Rechtsgründen nicht mehr möglich ist (Vergleiche: BAG, Urteil vom 05.12.2002, Az: 2 AZR 571/01). Es befinden sich derzeit vier Mitarbeiter in der Freistellungsphase in der Altersteilzeit. Diese sind somit von der Kündigung nicht betroffen. Im Zuge der Betriebsänderung werden die betroffenen Arbeitsverhältnisse nach Abschluss des Interessenaus¬gleichs zum in §§ 2,3 vorher genannten Zeitpunkt unverzüglich unter Beachtung der jeweils einzuhaltenden Kündi¬gungsfristen aus dringenden betrieblichen Gründen gekündigt. Soweit für den Ausspruch der Kündigung Zustim¬mung von Behörden eingeholt werden muss (z. 8, nach SGB IX, BEEG, MuSchG) werden diese vor Ausspruch der Kündigung vom Insolvenzverwalter eingeholt.
4.2 Sozialauswahl
Da es sich um eine einheitliche Schließung des Betriebes der DTF zu einem bestimmten Zeitpunkt handelt und alle Mitarbeiter des Betriebs einheitlich betroffen sind, ist eine Sozialauswahl nicht erforderlich.
§ 5 Sozialplan
Zum Ausgleich bzw. zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Mitarbeitern durch Betriebsstilllegung entstehen, wird ein Sozialplan abgeschlossen. Dieser Sozialplan ist in der Datierungshöhe nicht abschließend. Dies ergibt sich aus den Vereinbarungen aus dem Tarifvertrag vom 21.01.2013 zwischen der Bothorn GmbH, der DTF Deutsche Textilfabrik GmbH & Co. KG; der Marido GmbH & Co. KG; der Heimtex und Logistik Service GmbH und der IG Metall Bezirk Küste Bezirksleitung Hamburg sowie dem Anerkennungstarifvertrag mit der Rileta GmbH vom 14.02.2013 (Anerkennungstarifvertrag).
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Der Betriebsrat wird daher mit den genannten weiteren Unternehmen, mit Ausnahme der DTF, einen weiteren, ergänzenden Interessensausgleich und Sozialplan bezüglich der weiteren Betriebsteile, der Errichtung einer Trans¬fergesellschaft oder der Erhöhungen der Abfindungen dieses Sozialplans im Rahmen eines weiteren Sozialplans vereinbaren.
Der hier geschlossene lnteressensausgleich und der damit im Zusammenhang stehende zwischen den Parteien Insolvenzverwalter und Betriebsrat abzuschließende Sozialplan sind ausschließlich zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat abschließend, nicht jedoch gegenüber den anderen in Absatz 1 genannten Unterneh¬men mit Ausnahme der DTF Deutsche Textilfabrik GmbH & Co. KG.
§ 8 Anhörung des Betriebsrates gern. § 102 BetrVG
Im Hinblick auf die betriebsbedingten Kündigungen der Mitarbeiter besteht Einigkeit
zwischen den Parteien darüber, dass der Betriebsrat im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen gern. § 102 BetrVG unterrichtet und beteiligt worden ist. Ihm sind insbesondere die Namen der betroffenen Mitarbeiter, die Geburtsdaten, die Dauer
der Betriebszugehörigkeit, die Tätigkeit, die Familienstände, die Unterhaltspflichten, die Schwerbehinderung, eine Gleichstellung, besonderer Kündigungsschutz sowie die jeweiligen Kündigungsfristen und -termine mitgeteilt worden. Ferner wurden dem Betriebsrat sämtliche Mitarbeiter genannt, die laut Tarifvertrag, Arbeitsvertrag ordentlich unkündbar sind oder anderweitig Sonderkündigungsschutz genießen.
Der Betriebsrat nimmt die Betriebsschließung und den damit einhergehenden
Personalabbau mit Bedauern zur Kenntnis.
Nach Erörterung und Anhörung folgte eine Sitzung des beschlussfähigen Betriebsrates. Die Beschlüsse erfolgten in Abwesenheit der Arbeitgeberseite.
Der Betriebsrat bestätigt, im Rahmen der Erörterung und zur Erstellung der Namensliste, Anlage 1 zu diesem Interessenausgleich, zu allen Kündigungen ordnungsgemäß angehört worden zu sein.
Er erklärt, dass damit das Verfahren gern. § 102 BetrVG abgeschlossen ist.
§ 10 Konsultationsverfahren nach § 17 Kündigungsschutzgesetz
Der Betriebsrat wurde im Rahmen der Verhandlungen zu diesem Interessenausgleich am 04.12.2013 rechtzeitig und vollständig nach § 17 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz unterrichtet. Sodann haben Insolvenzverwalter und Betriebsrat am 12.12.2013 nochmals die Möglichkeit beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mindern. Die Betriebsparteien sind sich einig, dass den in der Anlage 1 zu diesem Interessen¬ausgleich aufgeführten Mitarbeitern betriebsbedingt zu kündigen ist. Dies ist kein Präjudiz für die in § 9 dieses Interessenausgleichs festgehaltene unterschiedliche Rechtsauffassung zur Kündigung von Betriebsratsmitgliedern. Der Betriebsrat bestätigt die Beendigung des Konsultationsverfahrens und erteilt seine Zustimmung zu den gemäß § 17 ff. Kündigungsschutzgesetz abzugeben Der Insolvenzverwalter wird der zuständigen Agentur für Arbeit seine Anzeige gemäß § 17 Kündigungsschutzgesetz i. V. m. § 125 Abs. 2 lnsO diesem Interessenausgleich vorlegen.
Mit Schreiben vom 17.01.2014 erteilte die Agentur für Arbeit die Zustimmung zu den in der Massenentlassungsanzeige angezeigten 257 Entlassungen.
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.12.2013 zum 31.03.2014.
- 5 -
Die klägerische Partei bestreitet das Vorliegen von Kündigungsgründen.
Die klägerische Partei beantragt,
es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien abgeschlossene Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 27.12.2013 nicht aufgelöst worden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, es liege ein ordnungsgemäßer Interessenausgleich mit Namensliste vor. Der Interessenausgleich sei insgesamt vor der Unterzeichnung einschließlich der Namensliste geäst und von den Beteiligten paraphiert und unterzeichnet worden. Text und Namensliste seien körperlich fest miteinander verbunden worden. Dies gelte für alle Ausfertigungen.
Es seien alle Arbeitnehmer in der Namensliste aufgenommen worden, in jedem Falle aber die Klagepartei. Aufgrund des geschlossenen Interessenausgleichs mit Namensliste würde das Vorliegen dringender betrieblicher Gründe nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 InsO vermutet.
Die Beklagte behauptet weiter, er habe den ernstlichen und endgültigen Beschluss gefasst, den schuldnerischen Geschäftsbetrieb dauerhaft einzustellen. Der Gläubigerausschuss habe nach § 158 Absatz 1 InsO zugestimmt. Sämtlichen Mitarbeitern/-innen sei gekündigt worden. Es habe lediglich während der noch laufenden Kündigungsfristen bis Ende Februar 2014 eine Ausproduktion stattgefunden.
Die getroffene Stilllegungsentscheidung habe auch greifbare Formen angenommen.
Die Ayrus Handel- und Unternehmensberatung GmbH sei mit der Verwertung des gesamten Anlage- und Umlaufvermögens nach Beendigung der Auslaufproduktion beauftragt worden. Eine Vielzahl von Maschinen sei im Rahmen einer Einzelverwertung veräußert worden. Der auf ein Jahr befristet geschlossene Gaslieferungsvertrag sei Ende März 2014 ausgelaufen. Eine Produktion sei deshalb - auch aufgrund der Maschinenveräußerungen - technisch gar nicht mehr möglich.
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Seit März 2014 würden nur noch Abwicklungsarbeiten vorgenommen durch Beschäftigte des Verwertungsunternehmens.
Aufgrund der Kündigung sämtlicher Arbeitnehmer sei eine Sozialauswahl entbehrlich gewesen. Ein etwaig bestehender Gemeinschaftsbetrieb sei aufgrund der Stilllegungsentscheidung aufgelöst worden.
Der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigung im Rahmen der umfangreichen Verhandlungen zu dem Interessenausgleich angehört worden.
Dem Betriebsrat seien jeweils die Sozialdaten der Mitarbeiter/-innen mitgeteilt worden mit den entsprechenden Kündigungsterminen. Dies ergebe sich im Übrigen auch aus dem Inhalt des Interessenausgleichs und der Namensliste. Ein substantiiertes Bestreiten der klägerischen Partei liege nicht vor.
Zudem habe der Betriebsrat vor Unterzeichnung des Interessenausgleichs am 23.12.2013 ein Anhörungsschreiben erhalten. Insofern habe der Beklagte auch nicht die Wochenfrist abwar¬ten müssen, da dies wegen der Erklärung des Betriebsrates in § 8 des Interessenausgleichs eine bloße Förmelei gewesen wäre.
Am 27.12.2013 um 11.45 Uhr habe der Beklagte gegenüber der Agentur für Arbeit die Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG erstattet.
Herr Rechtsanwalt Brandt habe diese persönlich bei der Agentur für Arbeit in Nordhorn vorbeigebracht. Insbesondere habe auch ein Original der Betriebsvereinbarung über einen Inte-ressenausgleich der Massenentlassungsanzeige beigelegen.
Danach sei Herr Brandt ins Büro gefahren und habe die Fertigstellung und Versendung der Kündigungsschreiben veranlasst.
Der Betriebsrat sei vollständig nach § 17 Absatz 2 KSchG informiert worden, was er auch in § 10 des Interessenausgleichs bestätigt habe.
Bei einer ordnungsgemäßen Durchführung des Verfahrens nach den §§ 111 ff BetrVG sei auch den Anforderungen des § 17 Absatz 2 KSchG genüge getan.
Aufgrund der Unterzeichnung des Interessenausgleichs mit Namensliste sei nach § 125 Absatz 2 InsO die abschließende Stellungnahme im Sinne des § 17 Absatz 3 Satz 2 KSchG er-setzt.
Die klägerische Partei bestreitet eine Betriebsstilllegung, insbesondere seien Arbeitnehmer über den 28.02.14 bzw. 31.03.14 weiter beschäftigt worden.
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Die Schuldnerin gehöre der sog. „Bothorn-Gruppe" an. Diese sei für eine Sparte, nämlich für die Produktion und Veredelung von Textilien, zuständig gewesen. Der Gemeinschaftsbetrieb sei zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht aufgelöst gewesen. Ein Gemeinschaftsbetrieb sei im Interessenausgleich sogar ausdrücklich bestätigt worden und folge auch aus einem mit der IG Metall geschlossenen Tarifvertrag zur Führung eines Gemeinschaftsbetriebes vom 21.01.2013. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Tarifvertrag Bezug genommen.
Die übrigen Betriebe beschäftigten diverse mit der Klagepartei vergleichbare Arbeitnehmer, die deutlich weniger sozial schutzbedürftig seien.
Die Namensliste sei als Anlage 1 zum Interessenausgleich mit diesem nicht fest verbunden gewesen im Sinne einer einheitlichen Urkunde, als die Betriebsratsvorsitzende Frau Wessels unterzeichnet habe.
Es seien auch nicht sämtliche Arbeitnehmer in die Namensliste aufgenommen worden.
Es liege keine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung vor. Dem Betriebsrat seien wesentliche Informationen vorenthalten geblieben. Der Betriebsrat habe keine Kenntnis von den Kündigungsterminen erhalten.
Das Anhörungsschreiben sei von Rechtsanwalt Brandt unterzeichnet. Eine Bevollmächtigung werde mit Nichtwissen bestritten.
Eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige liege nicht vor. Die Beklagte habe nur Seite 1 vorgelegt. Tatsächlich sei die Massenentlassungsanzeige erst um 14.45 Uhr erstattet worden. Die Kündigung sei noch vor Eingang der Massenentlassungsanzeige zur Post gegeben worden. Das Vorbringen des Beklagten sei unsubstantiiert.
Trotz § 10 des Interessenausgleichs habe eine notwendige schriftliche Unterrichtung des Betriebsrates gemäß § 17 Absatz 2 Satz 1 KSchG nicht stattgefunden. Am 04.12. und 12.12.2014 hätten lediglich lnteressenausgleichsverhandlungen stattgefunden, ohne dass von Massenentlassungen die Rede gewesen sei. Ein Schriftstück, das die Angaben des § 17 Absatz 2 Satz 1 KSchG enthalte sei dem Betriebsrat nicht vorgelegt worden; dies sei ein Schriftformverstoß. § 17 Absatz 2 Satz 1 KSchG verlange die gesetzliche Schriftform nach § 126 BGB.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe
Die Kündigung des beklagten Insolvenzverwalters vom 27.12.2013 beendete das Arbeitsverhältnis der Parteien zum ausgesprochenen Termin.
Die Kündigung ist nicht sozialwidrig im Sinne von § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG. Sie ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG bedingt, die einer Weiterbeschäftigung der klägerischen Partei entgegenstehen. Die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Ins° ist nicht widerlegt.
1.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 Satz 1 lnsO sind erfüllt.
a)
Dass eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG vorliegt, die für die Kündigung des Arbeitnehmers kausal ist, und der Arbeitnehmer in dem Interessenausgleich ordnungsgemäß be-nannt wurde, hat der Arbeitgeber substantiiert darzulegen und ggf. zu beweisen (BAG vom 12.05.2010 - 2 AZR 551/08).
b)
Die Kündigung beruht auf einer Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG.
Um eine Betriebsänderung handelt es sich auch bei einem bloßen Personalabbau, wenn die Zahlen und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht sind (vgl. die ständige Rspr. des BAG 20. September 2012 - 6 AZR 253/11 - Rn. 46 mwN). Ausschlaggebend ist die Zahl der in einem Betrieb erfolgenden Kündigungen im Verhältnis zur Zahl der in der Regel in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer.
Der Personalabbau überschritt die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG, da alle 257 Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin entlassen worden sind und damit der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG von mehr als 25 zu Kündigenden erreicht ist.
c)
Es liegt ein formgerechter Interessenausgleich mit Namensliste vor.
- 9 -
aa)
Die Namensliste weist den Namen der klagenden Partei aus, was von ihr auch nicht näher bestritten worden ist.
bb)
Namensliste und Interessenausgleich waren vor der Unterzeichnung durch den Insolvenzverwalter und die Betriebsratsvorsitzende Frau Wessels fest miteinander verbunden. Dies steht zur Überzeugung der Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest.
Sind bei einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird nach § 125 I InsO zum einen vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Zum anderen kann die soziale Auswahl nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
Nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist ein Interessenausgleich über eine geplante Betriebsänderung schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und vom Betriebsrat zu unterschreiben. Auf das gesetzliche Schriftformerfordernis sind die §§ 125, 126 BGB anwendbar. Nach § 126 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB muss bei einem Vertrag die Unterzeichnung der Parteien eigenhändig durch Namensunterschrift auf derselben Urkunde erfolgen. Da § 125 InsO verlangt, dass die zu entlassenden Arbeitnehmer „in einem Interessenausgleich namentlich bezeichnet" werden, erstreckt sich das Schriftformerfordernis auch auf die Namensliste. Ihm wird ohne weiteres Genüge getan, wenn die Namensliste zwar nicht im Interessenausgleich selbst, sondern in einer Anlage enthalten ist, und Interessenausgleich und Namensliste eine einheitli¬che Urkunde bilden (st. Rspr., BAG vom 6. Juli 2006 - 2 AZR 520/05 - Rn. 33; 7. Mai 1998 - 2 AZR 55/88 -).
Eine einheitliche Urkunde liegt unzweifelhaft vor, wenn sowohl Interessenausgleich als auch Namensliste unterschrieben und von Anfang an körperlich miteinander verbunden sind.
Eine einheitliche Urkunde kann aber selbst dann vorliegen, wenn die Namensliste getrennt vom Interessenausgleich erstellt worden ist. Voraussetzung ist, dass im Interessenausgleich auf die zu erstellende Namensliste verwiesen wird, die erstellte Namensliste - ebenso wie zuvor der Interessenausgleich - von den Betriebsparteien unterschrieben worden ist und die Liste ihrerseits eindeutig auf den Interessenausgleich Bezug nimmt (vgl. BAG vom 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interes¬senausgleich Nr. 11; 6. Juli 2006 - 2 AZR 520/05 - aaO).
Das BAG hat ferner angenommen, dass auch eine nicht unterschriebene Namensliste als Anlage die Schriftform noch wahrt, wenn die Unterschrift unter dem Interessenausgleich sie
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als dessen Teil noch deckt. Das ist der Fall, wenn der Interessenausgleich selbst unterschrieben ist, in ihm auf die Anlage ausdrücklich Bezug genommen wird und Interessenausgleich und Anlage schon bei dessen Unterzeichnung mit einer Heftmaschine körperlich derart miteinander verbunden waren, dass eine Lösung nur durch Gewaltanwendung (Lösen der Heft¬klammer) möglich war (BAG vom 6. Juli 2006 - 2 AZR 520/05 - ; 6. Dezember 2001 - 2 AZR 422/00 -).
Nach diesen Grundsätzen lag ein formgerechter Interessenausgleich mit Namensliste vor Unterzeichnung desselben vor.
§ 4 des Interessenausgleichs nimmt ausdrücklich auf die Anlage 1 zum Interessenausgleich, also der „beigefügten Namensliste" Bezug.
Der Zeuge Brandt hat in sich widerspruchsfrei und detailliert den Ablauf der Unterzeichnung des Interessenausgleichs und deren feste Ösung mit der Namensliste beschrieben und erläu¬tert, dass er vor der Unterzeichnung selbst die feste Verbindung zwischen dem Text des Interessenausgleichs und der Namensliste herbeigeführt hat und dann nach Unterzeichnung durch den Insolvenzverwalter die Betriebsratsvorsitzende Frau Wessels am 23.12.2014 den mit der Namensliste fest verbundenen Interessenausgleich unterzeichnet hat. Insoweit kann die Kammer dahinstehen lassen, ob nicht bereits die erfolgte Paraphierung der einzelnen Seiten der Namensliste ausreichend sein kann, jedenfalls steht im Sinne der zuvor zitierten Rechtsprechung des BAG damit fest, dass Interessenausgleich und Namensliste vor der Unterzeichnung körperlich fest verbunden waren. Anzeichen für ein nicht glaubwürdiges Aussageverhalten des Zeugen Brandt sind nicht ersichtlich.
Die Aussagen der gegenbeweislich benannten Zeugen Michels (stellv. Betriebsratsvorsitzender) und Wessels (Betriebsratsvorsitzende) waren dagegen nicht ergiebig. Beide Zeugen konnten sich an den Geschehensablauf kaum noch erinnern und gaben dies in ihrer Aussage auch freimütig zu. Sie stellten aus ihrer Erinnerung nur noch vage Vermutungen an, ohne dass die Kammer aus ihren Aussagen verwertbare Details entnehmen konnte, wobei die Zeugin Wessels letztlich den Vortrag des Beklagten sogar bestätigt hat, ohne jedoch die einzelnen Abläufe im Detail wiedergeben zu können.
Damit hat die Kammer von einem formgerechten Interessenausgleich mit Namensliste auszugehen.
2.
Die klagende Partei hat die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Ins° nicht widerlegt.
a)
Liegt - wie im vorliegenden Rechtsstreit - ein wirksamer Interessenausgleich im Sinne des § 111 BetrVG vor, wirkt die Vermutung nach § 292 ZPO für den Beklagten. Er braucht die Betriebsbedingtheit der Kündigung nicht im Einzelnen vorzutragen. Für den Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin genügt es dann nicht, nur den gesetzlich vermuteten Umstand in Zweifel zu ziehen. Vielmehr ist substantiierter Tatsachenvortrag erforderlich, der die Vermutung ausschließt. Die Partei muss vortragen, weshalb der Arbeitsplatz trotz der Betriebsänderung noch vorhanden ist oder wo er sonst im Betrieb im bisherigen Umfang beschäftigt werden kann (Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Auflage, § 1 KSchG Rn. 809).
b)
Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen gehört die Stilllegung des gesamten Betriebs durch den Arbeitgeber. Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Der Arbeitgeber ist allerdings nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Es kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Wird die Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, so kann sie ausgesprochen werden, wenn die betreffenden betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben. Solche greifbaren Formen liegen vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung auf Grund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben (BAG vom 24.02.2005 - 2 AZR 214/04 -).
Der Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht steht nicht entgegen, dass sich der Arbeitgeber entschlossen hat, die gekündigten Arbeitnehmer in ihrer jeweiligen Kündigungsfrist noch für die Abarbeitung vorhandener Aufträge einzusetzen, statt die fraglichen Arbeiten sofort einzustellen. Der Arbeitgeber erfüllt damit gegenüber den tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern lediglich seine auch im bereits gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht. Durch einen solchen Stilllegungsbeschluss, wenn er im Zeitpunkt der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hat, entfällt das Beschäftigungsbedürfnis für die Arbeitnehmer des Betriebs jeweils mit dem Ablauf der für sie einschlägigen Kündigungsfrist. Bei einem derartigen unternehmerischen Stilllegungskonzept mit der sofortigen und gleichzeitigen Kündigung aller Arbeitsverhältnisse entfällt auch das Erfordernis einer sozialen Auswahl gern. § 1 Abs. 3 KSchG. Würde man die noch zu erledigenden Restaufgaben nicht nach der Dauer
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der jeweiligen Kündigungsfrist, sondern nach sozialen Gesichtspunkten verteilen, so würde die Verlängerung der Kündigungsfrist bei sozial schutzwürdigeren Arbeitnehmern gemessen an den die Arbeitsgerichte bindenden unternehmerischen Vorgaben zu einem Arbeitskräfteüberhang führen (BAG vom 07.07.2005 - 2 AZR 447/04 -).
Nach diesen zu § 1 III KSchG aufgestellten Grundsätzen hat der Beklagte vorliegend sogar überobligatorisch im Hinblick auf die Vermutungswirkung nach § 125 InsO dargelegt, dass er den ernstlichen und endgültigen Beschluss gefasst habe, den schuldnerischen Geschäftsbetrieb dauerhaft einzustellen. Der Gläubigerausschuss habe nach § 158 Absatz 1 InsO zugestimmt. Sämtlichen Mitarbeitern/-innen sei gekündigt worden. Es habe lediglich während der noch laufenden Kündigungsfristen bis Ende Februar 2014 eine Ausproduktion stattgefunden. Zudem habe die getroffene Stilllegungsentscheidung auch greifbare Formen angenommen. Die Ayrus Handel- und Unternehmensberatung GmbH sei mit der Verwertung des gesamten Anlage- und Umlaufvermögens nach Beendigung der Auslaufproduktion beauftragt worden. Eine Vielzahl von Maschinen sei im Rahmen einer Einzelverwertung veräußert worden. Der auf ein Jahr befristet geschlossene Gaslieferungsvertrag sei Ende März 2014 ausgelaufen. Eine Produktion sei deshalb - auch aufgrund der Maschinenveräußerungen - technisch gar nicht mehr möglich. Seit März 2014 würden nur noch Abwicklungsarbeiten vorgenommen durch Beschäftigte des Verwertungsunternehmens.
Diesen Vortrag hat die klagende Partei lediglich bestritten, ohne die Vermutungswirkung des § 125 InsO damit widerlegen zu können. Es ist ein kein substantiierter Tatsachenvortrag erkennbar, der die nach der gesetzlichen Regelung zu vermutende Betriebsstilllegung ausschließt oder deutlich macht, dass weiterhin konkrete Beschäftigungsmöglichkeiten über den Ablauf der Kündigungsfrist bestehen würden.
c)
Die soziale Auswahl kann nach § 125 12 InsO nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Der eingeschränkte Prüfungsmaßstab gilt für die sozialen Indikatoren und deren Gewichtung selbst, sowie für die Vergleichbarkeit der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer (Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Auflage, § 1 KSchG Rn. 801). Grob fehlerhaft ist eine Sozialauswahl dann, wenn ihr ein evidenter, ins Auge springender Fehler anhaftet und sie jede Ausgewogenheit vermissen lässt (Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Auflage, § 1 KSchG Rn. 804 m.w.N.).
Nach diesem Maßstab kann die getroffene Sozialauswahl nicht als grob fehlerhaft angesehen werden. Grundsätzlich wäre bei einer Betriebsstilllegung gar keine Sozialauswahl durchzuführen, wenn alle Beschäftigten des Betriebes entlassen worden sind. Angesichts der Kündigung
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sämtlicher Arbeitnehmer der DTF besteht insoweit bereits kein Ansatz für eine grobe Fehlerhaftigkeit.
Daran ändert auch die Auffassung der klägerischen Partei nichts, wenn sie auf einen bestehenden Gemeinschaftsbetrieb mit der „Bothorn-Unternehmensgruppe" verweist und meint, dass die Sozialauswahl auch auf die Beschäftigten dieser Firmen zu erstrecken gewesen wäre, insbesondere unter Berücksichtigung des Tarifvertrages vom 21.01.2013.
Zu Recht hat der Beklagte in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des BAG hingewiesen. Danach gilt: Bilden mehrere Unternehmen einen gemeinschaftlichen Betrieb, so ist die Sozialauswahl bis zu einer etwaigen Auflösung des Gemeinschaftsbetriebs auf den gesamten Betrieb zu erstrecken. Eine unternehmensübergreifende Sozialauswahl ist dann nicht vorzunehmen, wenn der Gemeinschaftsbetrieb im Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr besteht. Ist im Zeitpunkt der Kündigung einer der Betriebe, die einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet haben, stillgelegt, so sind damit i.d.R. die Arbeitgeberfunktionen im Bereich der sozialen und personellen Angelegenheiten sowie die unternehmerischen Funktionen im Bereich der wirtschaftlichen Angelegenheiten dem vormals einheitlichen Leitungsapparat der beteiligten Unternehmen entzogen, der Gemeinschaftsbetrieb aufgelöst. In diesem Fall ist die "gemeinsame Klammer", die eine unternehmensübergreifende Sozialauswahl veranlasst hat, entfallen (BAG vom 24.02.2005 - 2 AZR 214/04 -).
Gleiches gilt, wenn im Zeitpunkt der Kündigung der eine der Betriebe, die zusammen einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet haben, zwar noch nicht stillgelegt ist, auf Grund einer unternehmerischen Entscheidung, die bereits greifbare Formen angenommen hat, aber feststeht, dass er bei Ablauf der Kündigungsfrist des Arbeitnehmers stillgelegt sein wird. Kündigungs¬grund ist in einem solchen Fall das dringende betriebliche Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in dem stillzulegenden Betrieb nach Ablauf seiner Kündigungsfrist entgegensteht. Eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in dem bis zur Stilllegung des einen Betriebsteils zwischen beiden Unternehmen gebildeten Gemeinschaftsbetrieb kommt damit nicht mehr in Betracht. Wird, wie dies regelmäßig geschieht, mit der Stilllegung des einen Betriebs auch die gemeinsame Leitungsstruktur beseitigt, so besteht ab dem Stilllegungszeitpunkt nur noch ein Betrieb fort, in dessen Führung durch den Unternehmer, dessen Betrieb stillgelegt worden ist, nicht mehr eingegriffen werden kann. Der Inhaber des stillzulegenden Betriebs ist damit nicht mehr in der Lage, eine Weiterbeschäftigung seiner Arbeitnehmer, denen wegen der Stilllegung betriebsbedingt zu kündigen ist, in dem fortgeführten Betrieb des anderen Unternehmers rechtlich durchzusetzen (vgl. BAG 18. September 2003 - 2 AZR 139/03 - AP KSchG 1969 Konzern § 1 Nr. 12) . Damit fehlt es für eine Sozialauswahl zwischen den Arbeitnehmern des ursprünglichen Gemeinschaftsbetriebs an der Vergleichbarkeit.
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Bereits daraus folgt, dass regelmäßig bei einer Betriebsstilllegung von einer Auflösung des Gemeinschaftsbetriebes auszugehen ist und eine betriebsübergreifende Sozialauswahl nicht vorzunehmen ist. Wenn hier der Insolvenzverwalter entsprechend der Rechtsprechung des BAG gehandelt hat, kann darin erst Recht nicht ein evidenter, sofort und klar herausstechen¬der rechtlicher Auswahlfehler gesehen werden. Zumal auch die klägerische Partei nicht näher dargelegt hat, dass der Insolvenzverwalter überhaupt in der Lage gewesen wäre, eine Weiterbeschäftigung in dem fortgeführten Betrieb des anderen Unternehmens rechtlich durchzusetzen.
Gegen diese Annahme spricht auch nicht der am 21.01.2013 mit der IG Metall abgeschlossene Tarifvertrag zum Gemeinschaftsbetrieb. Angesichts des anzuwendenden Prüfungsma߬stabes ist die Kammer nicht gehalten, den Tarifvertrag im Einzelnen auszulegen. Jedenfalls enthält der Tarifvertrag keine der zuvor zitierten Rechtsprechung des BAG entgegenstehende Rechtsfolgenvereinbarung. Der Tarifvertrag beschäftigt sich mit der Frage der Begründung eines Gemeinschaftsbetriebes und deren kollektivrechtlichen Auswirkungen, einschließlich einer Einstandspflicht für Sozialplanansprüche in § 6. Er enthält aber keine Regelungen, wie zu verfahren ist, wenn eines der Unternehmen des Gemeinschaftsbetriebes stillgelegt wird und welche Rechtsfolgen daraus für eine individualrechtliche Sozialauswahl folgen. Entsprechend kann aus dem Tarifvertrag ebenfalls nicht gefolgert werden, der Beklagte hätte bei der Sozialauswahl grob fehlerhaft gehandelt im Sinne des Vorliegens eines evidenten Fehlers.
Die Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG ist nicht zu beanstanden.
1
Zutreffend ist, dass auch bei Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste i.S.d. § 125 Abs. 1 Ins° die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG keinen erleichterten Anforderungen unterliegt.
Allerdings braucht der Kündigungssachverhalt dem Betriebsrat nicht erneut mitgeteilt zu werden, wenn dieser schon aus den Verhandlungen über den Interessenausgleich bekannt ist (BAG 20. Mai 1999 - 2 AZR 532/98 - BAGE 91, 341).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG bedarf es keiner weiteren Darlegung der Kündigungsgründe durch den Arbeitgeber nach § 102 BetrVG, wenn der Betriebsrat bei Einleitung des Anhörungsverfahrens bereits über den erforderlichen Kenntnisstand verfügt, um zu der konkret beabsichtigten Kündigung eine sachgerechte Stellungnahme abgeben zu können (BAG vom 28. März 1974 - 2 AZR 472/73 - BAGE 26, 102; BAG vom 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - BAGE 49, 136). Hat der Betriebsrat den erforderlichen Kenntnisstand, um sich über
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die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe ein Bild zu machen und eine Stellungnahme hierzu abgeben zu können, und weiß dies der Arbeitgeber oder kann er dies nach den gegebenen Umständen jedenfalls als sicher annehmen, so würde es dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit gemäß § 2 Abs. 1 BetrVG widersprechen und es wäre eine kaum verständliche Förmelei, vom Arbeitgeber dann gleichwohl noch eine detaillierte Begründung zu verlan-gen (BAG vom 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - aaO mwN).
Regelmäßig - und so war es auch hier - gehen dem Abschluss eines Interessenausgleichs, der mit einer Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer verbunden ist, längere Verhandlungen voran, auf Grund derer beim Betriebsrat erhebliche Vorkenntnisse über die vom Arbeitgeber geltend gemachten Kündigungsgründe und auch die vielleicht mit dem Betriebsrat zusammen vorgenommene Sozialauswahl vorhanden sein können. Die dem Betriebsrat aus diesen Verhandlungen bekannten Tatsachen muss der Arbeitgeber im Anhörungsverfahren nicht erneut vortragen. (BAG vom 20. Mai 1999 - 2 AZR 532/98 - BAGE 91, 341).
Im Interessenausgleich selbst sind in der Präambel und insbesondere in den folgenden §§ 2 und 3 die geplanten unternehmerischen Maßnahmen, der beabsichtigte Kündigungszeitraum, die Kündigungsfrist von 3 Monaten dargestellt, sowie sämtliche Namen und Sozialdaten der zu kündigenden Beschäftigten in der Namensliste. Ebenso wird in § 4 darauf hingewiesen, dass wegen der kompletten Betriebsstillegung eine Sozialauswahl nicht notwendig ist. Der Betriebsrat hatte danach - auch unabhängig von den mündlichen Erklärungen in den Verhandlungen - allein aufgrund der Abfassung und des Inhalts des Interessenausgleichs erhebliche Vorkenntnisse über die vom Arbeitgeber geltend gemachten Kündigungsgründe einschließlich der Sozialauswahl. Zudem ist der Betriebsrat nochmals mit den vom Beklagten jeweils vorgelegten Anhörungsschreiben, isoliert bezogen auf die klägerische Partei, zur be-absichtigten Kündigung vor Ausspruch derselben angehört worden.
Angesichts dessen, wäre es Aufgabe der klägerischen Partei gewesen, konkret darzulegen, warum dennoch nicht von einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates vor Ausspruch der Kündigung auszugehen ist.
Insofern reicht es nicht aus, lediglich pauschal und unsubstantiiert darauf zu verweisen, dass dem Betriebsrat wesentliche Informationen vorenthalten geblieben seien.
2.
Die Betriebsratsanhörung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil der Beklagte nach Vorlage des Anhörungsschreibens vor Unterzeichnung des Interessenausgleichs am 23.12.2013 bis zum Ausspruch der Kündigung am 27.12.2013 nicht die Wochenfrist des § 102 Absatz 2 Satz 1 BetrVG abgewartet hat.
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Kann der Arbeitgeber aus der Mitteilung des Betriebsrats entnehmen, der Betriebsrat wünsche keine weitere Erörterung des Falles, seine Stellungnahme solle also abschließend sein, dann ist das Anhörungsverfahren beendet und der Arbeitgeber kann die Kündigung wirksam aussprechen. Vom Arbeitgeber in einem solchen Fall noch ein Abwarten bis zum Ablauf der Frist des § 102 Abs. 2 BetrVG zu verlangen, wäre ein überflüssiger Formalismus. Der Arbeitgeber kann und muss hier nicht mehr damit rechnen, der Betriebsrat werde mehr als geschehen tun. Der Arbeitgeber kann demnach vor Fristablauf des § 102 Abs. 2 BetrVG auf Grund einer Stellungnahme des Betriebsrats regelmäßig die Kündigung zulässigerweise erklären. Solange der Arbeitgeber nicht mehr mit der Möglichkeit rechnen muss, der Betriebsrat werde noch eine weitere Stellungnahme abgeben, muss er die beabsichtigte Kündigung - längstens bis zum Ablauf der Frist des § 102 Abs. 2 BetrVG - nicht zurückstellen (BAG vom 24.06.2004 ¬2 AZR 461/03 -).
Eine entsprechende abschließende Stellungnahme des Betriebsrates ergibt sich aus dem Interessenausgleich, unstreitig unterschrieben am 23.12.2013 nach Vorlage der Anhörungsschreiben. Dort hat der Betriebsrat in § 8 erklärt, dass „das Verfahren gern. § 102 BetrVG abgeschlossen ist".
3.
Soweit noch die Bevollmächtigung von Rechtsanwalt Brandt im Hinblick auf das schriftliche Anhörungsschreiben bestritten wird, ist dieser Einwand unerheblich. Denn dem Zweck des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG ist auch genügt, wenn der Bote oder Vertreter des Arbeitgebers keinen Nachweis seiner Botenmacht oder keine Vollmacht vorlegt (BAG vom 13.12.2012 - 6 AZR 348/11 -). Der Betriebsrat ist auch in einem solchen Fall nicht gehindert, seine Auffassung zu der Kündigung zu äußern und Einfluss auf den Willensbildungsprozess des Arbeitgebers zu nehmen. Hat er Zweifel an der Boten- oder Vertreterstellung desjenigen, der ihm gegenüber bei der Anhörung aufgetreten ist, oder bezweifelt er, dass dieser seine Einwände zur Kenntnis nimmt und/oder an den Arbeitgeber weiterleitet, kann er seine Ein¬wände dem Arbeitgeber unmittelbar mitteilen und den (betriebsfremden) Dritten umgehen. Ein abstrakt schützenswertes Interesse daran, klare Verhältnisse zu schaffen und sicher zu sein, dass die Stellungnahmefrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu laufen beginnt oder begonnen hat, hat der Betriebsrat vor dem Hintergrund des Zwecks des § 102 BetrVG nicht.
III.
Die Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG ist ordnungsgemäß erfolgt.
1.
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Unstreitig bestand eine Anzeigepflicht nach § 17 1 KSchG (vgl. auch die Entscheidungsgründe zu I.1.b).
2.
Beabsichtigte anzeigepflichtige Entlassungen im Sinne des § 17 I KSchG muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung gegenüber der Agentur für Arbeit ordnungsgemäß anzeigen.
Dies steht zur Überzeugung der Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aufgrund der Vernehmung des Zeugen Brandt fest. Dieser hat im Einzelnen bekundet, dass er sich am 27.12.2013 gegen 10.00 Uhr mit der Massenentlassungsanzeige einschließlich dem Interessenausgleich im Original zur Agentur für Arbeit begeben und dort die Massenentlassungsanzeige nebst Interessenausgleich gegen 11.45 Uhr abgegeben hat. Auf dem Rückweg habe er mit seinem Sekretariat telefoniert und darum gebeten, dass die elektronisch vor-bereiteten Kündigungen ausgedruckt werden und bei seiner Rückkehr dem Beklagten zur Unterschrift vorgelegt werden. Am selben Tag seien dann die Kündigungen zu den üblichen Postlaufzeiten ca. 16.00 Uhr / 17.00 Uhr zur Post gegeben worden.
Anzeichen, die gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen Brandt sprechen, sind nicht erkennbar. Zweifel ergeben sich auch nicht dadurch, dass der Zeuge zunächst die Örtlichkeit der Agentur für Arbeit in Nordhorn mit Lingen vertauscht hat.
3.
Ebenso steht damit fest, dass der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG die Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen beifügt war. Insoweit hat der Zeuge Brandt das Original des Interessenausgleichs samt Namensliste am 27.12.2013 bei der Agentur für Arbeit vorgelegt. Dieser ersetzte nach § 125 Abs. 2 InsO die Stellungnahme des Betriebsrats i.S.v. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG (BAG vom 20.09.2012 - 6 AZR 155/11 -).
4.
Der Beklagte hat auch nicht seine Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verletzt.
Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, und die vorgesehenen Kriterien für die Berechnung etwaiger Abfindungen.
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Mit § 10 des Interessenausgleichs vom 23.12.2013 erklärte der Betriebsrat, rechtzeitig und vollständig über die anzeigepflichtigen Entlassungen unterrichtet worden zu sein. Das allein genügt jedoch zum Nachweis der Erfüllung der Konsultationspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG noch nicht. Die Vorlage des Interessenausgleichs mit Namensliste ersetzt nur die Stel-lungnahme des Betriebsrats oder Gesamtbetriebsrats gegenüber der Agentur für Arbeit. Erforderlich ist daneben noch die vorherige schriftliche Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 33 und 39 mwN, EzA KSchG § 6 Nr. 4).
Eine derartige schriftliche Unterrichtung in den Verhandlungen zum Interessenausgleich vor dem 23.12.2013 ist auch nach dem Vortrag des Beklagten nicht ersichtlich. Nach der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 20.09.2012 - 6 AZR 155/11 -) kann der Insolvenzverwalter allerdings seiner Unterrichtungspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG auch mithilfe der Anga-ben im Interessenausgleich gerecht werden.
Insoweit stellt das BAG klar, dass die Verbindung des lnteressenausgleichsverfahrens mit der Erfüllung der Unterrichtungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG zulässig ist.
Das BAG lässt es zudem auf sich beruhen, ob § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG die gesetzliche Schriftform i.S.v. § 126 Abs. 1 BGB verlangt. Sollte das zutreffen, wäre ein etwaiger Schriftformverstoß durch die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats in § 10 des Interessenausgleichs geheilt. Denn der Betriebsrat hat mit seiner abschließenden Stellungnahme, indem er in § 10 des Interessenausgleichs die Beendigung des Konsultationsverfahrens bestätigt hat, deutlich gemacht, dass er sich für ausreichend unterrichtet hielt und die Zweiwochenfrist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht ausschöpfen wollte.
In diesem Falle, wenn die von § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verlangten Angaben gegenüber dem Betriebsrat in einem schriftlichen Text, wie dem noch nicht unterschriebenen Interessenausgleich, dokumentiert werden, genügt die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats, um einen eventuellen Schriftformverstoß zu heilen (weiter gehend LAG Hamm 6. Juni 1986 - 16 Sa 2188/86 - LAGE KSchG § 17 Nr. 2; HaKo/Pfeiffer 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 54; KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 65, die eine mündliche Unterrichtung bei abschließender Stellung¬nahme des Betriebsrats für ausreichend halten; offengelassen von APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 76). Dafür spricht der Zweck des Unterrichtungserfordernisses. Die Arbeitnehmervertretung soll konstruktive Vorschläge unterbreiten können, um die Massenentlassung zu verhindern oder einzuschränken. Bringt das Gremium, dem die Angaben nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG in einem schriftlich abgefassten Text deutlich vor Augen geführt wurden, selbst zum Ausdruck, dass es sich für ausreichend unterrichtet hält, drückt es damit zugleich aus, dass es keine weiteren Vorschläge unterbreiten kann oder will (vgl. BAG 21. März 2012 - 6
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AZR 596/10 - Rn. 23, EzA KSchG § 17 Nr. 25). Die Arbeitnehmervertretung will in einem solchen Fall gerade nicht die Zweiwochenfrist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ausschöpfen.
Im Interessenausgleich nebst der Namensliste sind auch die nach § 17 Absatz 2 Nr. 1-6 KSchG geforderten Angaben enthalten. Sowohl die Gründe für die Entlassungen, die Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer, der Zeitraum der Entlassungen, die fehlende Notwendigkeit einer Sozialauswahl und der Hinweis auf einen Sozialplan sind genannt.
Im Übrigen hat die klägerische Partei Verstöße gegen den gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 6 KSchG erforderlichen Inhalt der Unterrichtung nicht hinreichend gerügt.
Sie ist vielmehr konkret nur darauf eingegangen, dass es an der erforderlichen Schriftform mangele. Zudem wäre angesichts der Angaben im Interessenausgleich auch nur zweifelhaft, ob der Beklagte dem Betriebsrat mitgeteilt hat, welche Berufsgruppen von der Maßnahme erfasst wären. Eine solche fehlerhafte Unterrichtung in Fällen wie dem vorliegenden, bei de¬nen ohnehin alle Arbeitnehmer entlassen werden sollen, könnte für den Arbeitgeber jedoch keine nachteiligen Rechtsfolgen nach sich ziehen. Die Unterrichtungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG soll es dem Betriebsrat ermöglichen, „konstruktive Vorschläge" zu unterbreiten. Unterrichtet der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht über die Berufsgruppen der zu entlassen¬den Arbeitnehmer, kann dies bei der Entlassung aller Arbeitnehmer keine Folgen für diese Prüfung durch den Betriebsrat haben und sich der Fehler nicht zu Lasten der betroffenen Ar¬beitnehmer auswirken (siehe auch BAG vom 20.09.2012 - 6 AZR 155/11 -).
IV.
Damit ist das Arbeitsverhältnis durch die ausgesprochene Kündigung des Insolvenzverwalters beendet worden. Einwendungen hinsichtlich der Kündigungsfrist nach § 113 InsO wurden nicht erhoben.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 I ArbGG i.V.m. § 42 Absatz 2 GKG.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann Berufung eingelegt werden,
a) wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist oder
b) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt oder
c) in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses.
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Soweit die Voraussetzungen zu a), b) oder c) nicht vorliegen, ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben. Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; an seiner Stelle können Vertreter der Gewerkschaften oder von Vereinigungen von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglied Partei sind.
Die Berufungsschrift muss binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Urteils bei dem
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Siemensstraße 10, 30173 Hannover
eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss das Urteil bezeichnen, gegen das die Berufung gerichtet wird und die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Ihr soll ferner eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils beigefügt werden.
Die Berufung ist gleichzeitig oder innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils in gleicher Form zu begründen.
Dabei ist bei nicht zugelassener Berufung der Wert des Beschwerdegegenstandes glaubhaft zu machen; die Versicherung an Eides Statt ist insoweit nicht zulässig.
Die für die Zustellung an die Gegenseite erforderliche Zahl von beglaubigten Abschriften soll mit der Berufungs- bzw. Begründungsschrift eingereicht werden.
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen bittet darum, die Berufungsbegründung und die Berufungserwiderung in 5-facher Ausfertigung, für jeden weiteren Beteiligten ein Exemplar mehr, einzureichen.
Schmedt
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