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LAG Düsseldorf, Urteil vom 10.10.2017, 8 Sa 284/17
Schlagworte: | Zahlungsverzug, Verzug: Pauschale | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Düsseldorf | |
Aktenzeichen: | 8 Sa 284/17 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 10.10.2017 | |
Leitsätze: | § 288 Abs. 5 BGB ist bei Verzug des Arbeitgebers mit der Leistung von Entgeltzahlungen an den Arbeitnehmer anwendbar. | |
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Oberhausen, Urteil vom 09.03.2017, 4 Ca 1280/16 nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.09.2018, 8 AZR 26/18 |
|
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 8 Sa 284/17
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 09.03.2017 - Az. 4 Ca 1280/16 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugunsten der Beklagten zugelassen, soweit sie zur Zahlung der Verzugspauschale (Ziffer 3 des erstinstanzlichen Urteilstenors) verurteilt wurde. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
1 |
T a t b e s t a n d : |
2 | Die Parteien streiten über die Zahlung einer monatlichen "Besitzstandszulage" in Höhe von 128,23 € brutto sowie die Zahlung von Verzugspauschalen. |
3 | Der Kläger war seit dem 11.04.2002 bei der T. GmbH & Co. KG als Baumaschinenführer am Standort in E. tätig. Die Arbeitsbedingungen des Klägers sind im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 11.04.2002 geregelt, wegen dessen Inhalts auf Blatt 115 ff. der Akte Bezug genommen wird. Gemäß Ziffer 15 des Arbeitsvertrages gilt für das Arbeitsverhältnis der Überleitungstarifvertrag i.d.F. vom 27.10.1997 (Beschäftigte der Betriebe des Unternehmensverbandes Umweltschutz und J.). Das Monatsgrundentgelt des Klägers belief sich bei 169 Stunden Arbeitsleistung pro Monat gemäß der zuletzt maßgeblichen Entgeltgruppe 8 auf 2.783,43 € brutto. |
4 | Am 01.04.2014 übernahm die Beklagte den Betrieb der T. GmbH & Co. KG sowie die dort bestehenden Arbeitsverhältnisse. Auch das Arbeitsverhältnis des Klägers ging gemäß § 613 a Abs. 1 BGB auf die Beklagte zu diesem Zeitpunkt über. Sowohl die T. GmbH & Co. KG als auch die Beklagte war bzw. ist Mitglied im Unternehmerverband J. und Dienstleistungen e.V. (im Folgenden UIS). Der Kläger trat zum 01.02.2014 der Industriegewerkschaft Metall bei. |
5 | Am 27.03.2014 vereinbarte der UIS mit der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (im Folgenden IG BAU) im Zusammenhang mit diesem Betriebsübergang einen Überleitungstarifvertrag (ÜTV) für die Arbeitnehmer der T. GmbH & Co. KG. In § 2 ÜTV ist geregelt, dass die Mitarbeiter der T. GmbH & Co. KG zum 01.04.2014 unter die Geltung der für die Mitarbeiter der Beklagten geltenden Tarifverträge und betrieblichen Arbeitsbedingungen übergeleitet werden. In § 3 ÜTV ist geregelt, dass die Mitarbeiter entsprechend der Anlage zum ÜTV in die tarifliche Entgeltstruktur bei der Beklagten - geprägt durch Tarifverträge des UIS mit der IG Metall - überführt werden. Aufgrund der Differenzen zwischen altem und neuem Monatsentgelt haben die Tarifvertragsparteien die Zahlung von zwei Besitzstandszulagen in § 4 ÜTV geregelt: |
6 | "Die Besitzstandszulage I wird wie folgt bestimmt: |
7 | a)Eine eventuelle Differenz zwischen altem und neuem tariflichen Monatsentgelt des jeweiligen Mitarbeiters nach Stand 31.03.2014, auf Basis der tariflichen Arbeitszeit einerseits unter Einbeziehung des regelmäßigen monatlichen Entgeltes und individueller Zulagen bei der T. GmbH & Co.KG Stahlstandort E. und andererseits bei der U. L. N. service & Systems GmbH unter Einbeziehung des regelmäßigen monatlichen Entgeltes sowie pauschaler Erschwerniszulagen, abzüglich der Besitzstandszulage II, wird auf Monatsbasis umgerechnet als Besitzstandszulage I gewährt. |
8 | b)Die unter a) genannten Entgeltbestandteile bei der T. GmbH & Co.KG werden bis auf die Besitzstandszulage I abgelöst; weiter gezahlt wird für die bisherigen Beschäftigten der T. GmbH & Co.KG die Jahressonderzahlung gemäß Ergänzungstarifvertrag vom 1. Dezember 2004 und die Besitzstandszulage II. |
9 | c)Die Besitzstandszulage I ist für die Dauer dieses Vertrages unwiderruflich und nicht dynamisch. |
10 | d)Sie wird bei allen Entgeltberechnungen berücksichtigt. |
11 | e)Die Besitzstandszulage I wird vom 1. April 2014 bis zum 30.04.2015 auf die jeweilige Arbeitsentgelterhöhung nicht angerechnet und in voller Höhe gezahlt. |
12 | Sie wird für den Zeitraum |
13 | vom 1. Mai 2015 bis zum 30. April 2016 zu 80 % |
14 | vom 1. Mai 2016 bis zum 30. April 2017 zu 60 % |
15 | vom 1. Mai 2017 bis zum 30. April 2018 zu 40 % und |
16 | vom 1. Mai 2018 bis zum 30. April 2019 zu 20 % |
17 | des ursprünglichen Beitrages gezahlt. |
18 | f)Mit Ablauf des 30. April 2019 entfällt die Besitzstandszulage I. |
19 | g)Soweit der Arbeitnehmer nach der Neueingruppierung höher gruppiert wird, mindert sich die Besitzstandszulage I oder sie entfällt ganz entsprechend dem Höherverdienst aufgrund der Höhergruppierung. |
20 | Die Besitzstandszulage II wird wie folgt bestimmt: |
21 | Arbeitnehmer, die von den alten Entgeltgruppen 8 und 9 gem. §§ 2 und 3 in die Entgeltgruppe 6 übergeleitet werden, erhalten dauerhaft und unwiderruflich eine monatliche dynamische Besitzstandszulage II in Höhe von Euro 85,--. Diese Besitzstandszulage nimmt zukünftig an allen Entgelterhöhungen teil und wird bei allen Entgeltberechnungen berücksichtigt. |
22 | Bei den Beträgen beider Besitzstandszulagen handelt es sich ausschließlich um Bruttobeträge." |
23 | Die Regelungen des § 3 ÜTV haben die Tarifvertragsparteien in der Anlage zum ÜTV (Bl. 35 d.A.) umgesetzt. Nach dieser Anlage wurde der Kläger von der bei der T. GmbH & Co. KG maßgeblichen Entgeltgruppe 8 mit einer monatlichen Grundvergütung i.H.v. 2.783,43 € brutto in die Lohngruppe 6 des bei der Beklagten anzuwendenden Tarifvertrages übergeleitet. Dem "alten" Monatsgrundlohn stellten die Tarifvertragsparteien den neuen Monatslohn bei der Beklagten i.H.v. 2.437,- € auf Basis einer auf 168,5 Stunden hochgerechneten monatlichen Arbeitszeit gegenüber. Die Differenz zwischen diesen beiden Monatsentgelten betrug nach Berechnung der Tarifvertragsparteien 345,95 €. Die Tarifvertragsparteien setzten als pauschalierte Erschwerniszulage für die T. GmbH & Co.KG 15,- € an und für die Beklagte 97,60 €, was zu einer Differenz bei den pauschalierten Zulagen von 82,60 € zugunsten der Beklagten führte. Da der Kläger von der Entgeltgruppe 8 in die Lohngruppe E 6 überführt wurde, setzten die Tarifvertragsparteien eine Besitzstandszulage II in Höhe von 85,-- Euro an und kamen unter Berücksichtigung der pauschalierten Differenz der Erschwerniszulagen nach ihrer Berechnung auf eine Besitzstandszulage I gemäß § 4 ÜTV von 183,35 € brutto. |
24 | Daneben besteht im Betrieb der Beklagten gemäß § 10 RTV i.V.m. einer hierzu abgeschlossenen Betriebsvereinbarung unter den dort normierten Voraussetzungen ein Anspruch auf Zahlung einer der Höhe nach variablen Erschwerniszulage. |
25 | Die Beklagte und die T. GmbH & Co. KG informierten die bei der T. GmbH & Co. KG beschäftigten Mitarbeiter mit Schreiben vom 28.03.2014 über den Betriebsübergang sowie die tatsächlichen und rechtlichen Folgen desselben. Eine Information über die künftige Entgeltzusammensetzung ist in diesem Schreiben nicht enthalten. |
26 | Der Kläger arbeitet seit dem 01.04.2014 für die Beklagte und erhielt im April 2014 seine erste Lohnabrechnung. |
27 | Die ehemaligen T.-Mitarbeiter beschwerten sich nach Erhalt der ersten Abrechnung für April 2014 über das aus ihrer Sicht nicht korrekte Monatsentgelt und den für die Höhe der variablen Zulagen (z.B. für Wochenend-, Feiertags- und Nachtarbeit) maßgeblichen Stundenlohn bei dem Betriebsrat der T. GmbH & Co KG, der aufgrund eines Restmandates weiterhin im Amt war. |
28 | Am 08.05.2014 teilte der Betriebsratsvorsitzende L. in einem Gespräch, an dem u.a. der damalige Personalleiter der Beklagten, Herr X. teilnahm, den Unmut der ehemaligen Arbeitnehmer der T. GmbH & Co. KG über die Höhe der für April 2014 gezahlten Vergütung mit. Der Inhalt dieses Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig. |
29 | Mit der Korrekturabrechnung für den Monat April 2014 zahlte die Beklagte an den Kläger und seine Kollegen eine weitere Besitzstandszulage in Höhe von 128,23 Euro brutto. Weitere Informationen über den Grund, eine etwaige Befristung und zur Höhe der Zahlung erteilte die Beklagte nicht. |
30 | In der Folgezeit zahlte die Beklagte ab Mai 2014 bis einschließlich April 2016 jeweils monatlich zusätzlich zur Besitzstandszulage I und II eine weitere Besitzstandszulage in Höhe von 128,23 Euro brutto. Die jeweilige Erschwerniszulage zahlte die Beklagte erst wieder ab Mai 2015. Seit dem 01.05.2016 zahlt die Beklagte an die ehemaligen Mitarbeiter der T. GmbH & Co. KG keine weitere Besitzstandszulage in Höhe von 128,23 € brutto mehr. Der Kläger erhält daher seit dem 01.05.2016 neben der Erschwerniszulage eine "Basisentgelt" i.H.v. 2.476,34 € brutto, die Besitzstandzulage I i.H.v. 110,01 € brutto sowie die Besitzstandszulage II i.H.v. 88,17 € brutto, insgesamt also 2.674,52 € brutto. |
31 | Mit Schreiben vom 01.08.2016 (Bl. 7, 8 der Akte) forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 12.08.2016 erfolglos zur Nachzahlung der Besitzstandszulage für Juli 2016 i.H.v. 128,23 € brutto auf. |
32 | Mit Schriftsatz vom 13.09.2016, welcher der Beklagten am 19.09.2016 zugestellt worden ist, hat der Kläger Klage auf Zahlung rückständiger Besitzstandzulage für die Monate Mai 2016 bis einschließlich Juli 2016 i.H.v. insgesamt 384,69 € brutto sowie auf Zahlung einer Verzugspauschale i.H.v. 120,- € netto erhoben. Mit Schriftsatz vom 24.10.2016, welcher der Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 27.10.2016 zugestellt worden ist, hat er die Klage um Ansprüche auf Zahlung der Besitzstandzulage für die Monate August 2016 und September 2016 i.H.v. insgesamt 256,46 € brutto erweitert. |
33 | Er hat gemeint, dass er auch für die Zeit ab Mai 2016 einen Anspruch auf Zahlung der monatlichen Besitzstandzulage i.H.v. 128,23 € brutto aus einer betrieblichen Übung habe. Er habe zudem für die Monate Juli 2016 bis einschließlich September 2016 gemäß § 288 Abs. 5 BGB einen Anspruch auf Zahlung einer Verzugspauschale i.H.v. von insgesamt 120,- € netto. |
34 | Der Kläger hat beantragt, |
35 | die Beklagte zu verurteilen, an ihn 384,69 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.08.2016 sowie 120,- € Schadensersatzpauschale zu zahlen, |
36 | die Beklagte zu verurteilen, an ihn 256,46 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. |
37 | Die Beklagte hat beantragt, |
38 | die Klage abzuweisen. |
39 | Sie hat die Auffassung vertreten, dass keine betriebliche Übung auf Zahlung einer weiteren monatlichen Besitzstandzulage i.H.v. 128,23 € brutto entstanden sei. Der Kläger habe kein schutzwürdiges Vertrauen auf die unbefristete Fortzahlung der streitigen Besitzstandszulage. Sie hat behauptet, dass sich die Betriebsparteien in dem Gespräch am 08.05.2014 nur darauf geeinigt hätten, dass die ehemaligen Mitarbeiter der T. GmbH & Co KG für die Dauer von 13 Monaten eine Ausgleichszahlung als Differenz zwischen dem Basisentgelt T. sowie der Summe aus Basisentgelt, Besitzstandszulage I und Besitzstandszulage II bei der Beklagten erhalten sollten und dass für diesen Zeitraum der Anspruch auf Zahlung von Erschwerniszulagen entfallen sollte. Von vornherein sei lediglich eine befristete Zahlung vereinbart worden. Die Beklagte beruft sich insofern auf ein Gesprächsprotokoll des damaligen Personalleiters X.. Dieses Protokoll habe der Herr X. auch an das Betriebsratsmitglied R. per Email versandt. Dass die Zahlung der Besitzstandszulage sodann nicht mit April 2015 eingestellt worden sei, sondern erst im April 2016, sei ein internes Versehen gewesen. Jedenfalls bestehe kein schutzwürdiges Vertrauen der Mitarbeiter auf die weitere Zahlung der Besitzstandszulage wegen der Absprache der Betriebsparteien. Vereinbarungsgemäß sei ab Mai 2015 die Erschwerniszulage gezahlt worden. Nur die Einstellung der Zahlung der Besitzstandszulage nach April 2015 sei entgegen der Absprache vergessen worden. Dieses Versehen sei wegen der Zahlung der Erschwerniszulagen für die betroffenen Mitarbeiter offensichtlich gewesen. Bei der Berechnung der weiteren Besitzstandszulage sei 2014 darüber hinaus nicht berücksichtigt worden, dass der bei T. gezahlte Stundenlohn sich auf eine Arbeitszeit von 169 Stunden im Monat beziehe, während bei der Beklagten lediglich 165 Stunden im Monat gearbeitet würden. Trotzdem sei die Besitzstandszulage in Höhe von 128,23 € brutto als Differenz des Basisentgelts bei der Beklagten in Höhe von 2.386,85 € brutto zuzüglich der beiden Besitzstandszulagen in Höhe von 311,79 € brutto und 85,- € brutto zum ehemaligen Basisentgelt bei der T. GmbH & Co. KG berechnet worden. Richtigerweise hätte man die Besitzstandszulage auf Basis einer Arbeitszeit von 165 Stunden pro Monat berechnen müssen und wäre zu einer niedrigeren Differenz gekommen. Durch die zu hoch angesetzte und zu lang gezahlte Besitzstandszulage sei das Entgelt der T. Mitarbeiter entgegen dem Willen der Tarifvertragsparteien höher geworden statt mit der Zeit geringer zu werden. |
40 | Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 09.03.2017 voll umfänglich statt gegeben und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Der Anspruch auf Fortzahlung der Besitzstandszulage ab Mai 2016 ergebe sich in Höhe von 108,91 € brutto pro Monat bereits aus § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Das sei die Differenz zwischen dem zuletzt bei der Firma T. gezahlten verstetigten Monatsentgelt und der im Mai 2016 gezahlten Summe aus dem Grundentgelt sowie den tariflichen Besitzstandszulagen. Eine den Anspruch abbedingende, formgerechte Vereinbarung sei weder zwischen den Betriebsparteien noch den Arbeitsvertragsparteien getroffen. Auch der ÜTV befreie die Beklagte nicht aus ihren Verpflichtungen nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB, weil die Beklagte (damals) nicht hinreichend zu einer beiderseitigen normativen Tarifbindung vorgetragen habe. So oder so und auch in Höhe der fehlenden 19,32 € brutto monatlich folge der Fortzahlungsanspruch des Klägers jedoch aus einer betrieblichen Übung. Die Beklagte habe die Besitzstandszulage über 25 Monate vorbehaltlos bezahlt. Dass dies eigentlich nur für 13 Monate habe geschehen sollen und sich die Beklagte danach im Irrtum befunden habe, habe der Kläger nicht erkennen können. Die Zusammensetzung seines Entgelts sei dem Kläger nicht erläutert worden. Dass das Wiedereinsetzen der Zahlung einer Erschwerniszulage gleichbedeutend mit dem Willen gewesen sei, die Besitzstandszulage wegfallen zu lassen, sei nicht transparent geworden. Wenn die Beklagte zur Vermeidung von Unmut in der Belegschaft Ergänzungszahlungen zu den Leistungen des ÜTV vornehme, könne sie nicht erwarten, dass die Arbeitnehmer erkannten, sie wolle irgendwann zum eventuell anwendbaren ÜTV zurückkehren. Die Verzugspauschale stehe dem Kläger für die Monate Juli bis September 2016 zu, weil § 288 Abs. 5 BGB auf Arbeitsverhältnisse und den hier gegebenen Zahlungsverzug des Arbeitgebers anwendbar sei. |
41 | Gegen das ihr am 17.03.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 28.03.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.06.2017 - mit einem weiteren, am 29.06.2017 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz auch begründet. |
42 | Die Beklagte rügt, die erstinstanzliche Entscheidung beruhe auf fehlerhaften Tatsachenfeststellungen und weise zudem Rechtsfehler auf. So sei das Arbeitsgericht zu Unrecht vom Fehlen einer beiderseitigen normativen Tarifbindung bei Abschluss des ÜTV ausgegangen. Dieser habe gerade eine Angleichung der Arbeitsbedingungen der ehemaligen Mitarbeiter der Firma T. mit ihrer Stammbelegschaft bezweckt. Die Absenkung des Monatsentgeltes des Klägers entgegen § 613a Abs. 1 BGB sei deshalb beabsichtigt gewesen. Im Übrigen erhalte der Kläger auch deshalb weniger, weil bei der Beklagten eine um vier Stunden geringere Monatsarbeitszeit gelte. Die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung lägen ebenfalls nicht vor. So sei bereits der Zahlungszeitraum zu kurz, als dass die Arbeitnehmer ein Vertrauen auf den dauerhaften Erhalt der Leistungen hätten entwickeln können. Überdies sei der Wille der Beklagten zur zeitlichen Begrenzung der Zahlung der Besitzstandszulage erkennbar gewesen. Ansonsten werde der Regelungsgehalt des ÜTV ad absurdum geführt. Es sei lebensnah anzunehmen, dass die Herren R. und L. die Belegschaft über den Inhalt des Gesprächs mit Herrn X. am 08.05.2014 informiert hätten; beweisen könne man dies indes nicht. Die Verzugspauschale schulde die Beklagte schon deshalb nicht, weil sie davon habe ausgehen dürfen, die Besitzstandszulage ab Mai 2016 nicht mehr habe zahlen zu müssen; die Nichtzahlung sei ohne Verschulden erfolgt. |
43 | Die Beklagte beantragt, |
44 | das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 09.03.2017 abzuändern und die Klage abzuweisen. |
45 | Der Kläger beantragt, |
46 | die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. |
47 | Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter ergänzender Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer klargestellt, dass er seine Forderung in erster Linie auf eine betriebliche Übung und nur nachrangig auf § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB stützt. |
48 | Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Rechtszüge verwiesen. |
49 |
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e: |
50 | A. |
51 | Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 lit. b) ArbGG an sich statthaft und form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG. |
52 | B. |
53 | Die Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. |
54 | I. |
55 | Die Klage ist zulässig. Sie weist insbesondere die gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderliche Bestimmtheit auf. Die Frage, ob es sich bei den im Raume stehenden Ansprüchen aus betrieblicher Übung und § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB wegen der Unterschiedlichkeit der zugrunde liegenden Lebenssachverhalte um verschiedene Streitgegenstände handelt, bedarf keiner Entscheidung. Der Kläger hat nach Maßgabe des erstinstanzlichen Inhalts seiner Schriftsätze die Klage nicht nur durchgehend allein auf eine betriebliche Übung gestützt, sondern auch in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer bestätigt, dass er seine Ansprüche in erster Linie aus der Zahlungspraxis der Beklagten nach dem Betriebsübergang ableitet. |
56 | II. |
57 | Die Klage ist begründet. Der Kläger kann die Fortzahlung der "Besitzstandszulage" in Höhe von insgesamt 641,15 € brutto für die Monate Mai bis September 2016 verlangen, weil das Leistungsverhalten der Beklagten zuvor eine betriebliche Übung zugunsten des Klägers begründet hat. |
58 | 1. |
59 | Die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts hat im Parallelrechtsstreit des Arbeitnehmers S. gegen die Beklagte (Az. 9 Sa 209/17) im Urteil vom 25.09.2017 zu den tatbestandlichen Voraussetzungen einer betrieblichen Übung und deren Vorliegen in zu entscheidenden Fall Folgendes ausgeführt: |
60 | "a)Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Dem Verhalten des Arbeitgebers wird eine konkludente Willenserklärung entnommen, die vom Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB stillschweigend angenommen werden kann. Dadurch wird ein vertragliches Schuldverhältnis geschaffen, aus dem bei Eintritt der vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf die üblich gewordene Vergünstigung erwächst. Ob eine für den Arbeitgeber bindende betriebliche Übung aufgrund der Gewährung von Leistungen an seine Arbeitnehmer entstanden ist, ist danach zu beurteilen, inwieweit die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung aller Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitsgebers schließen durften (BAG v. 21.02.2017 - 3 AZR 455/15, juris, Rz. 80; BAG v. 27.04.2016 - 5 AZR 311/15, juris, Rz. 27; BAG v. 19.03.2014 - 5 AZR 954/12, juris; BAG v. 15.05.2012 - 3 AZR 610/11, juris, Rz. 61; BAG v. 14.09.2011 - 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81; BAG v. 08.12.2010 - 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628; BAG v. 24.03.2010 - 10 AZR 43/09, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 90; BAG v. 10.02.2009 - 3 AZR 653/07, EzA BetrVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 6; BAG v. 28.02.2008 - 10 AZR 274/07, AP Nr. 80 zu § 242 BGB betriebliche Übung; BAG v. 30.07.2008 - 10 AZR 606/07, BAGE 127, 185; BAG v. 28.07.2004 - 10 AZR 19/04, AP Nr. 257 zu § 611 BGB Gratifikation). |
61 | Entscheidend ist also nicht, ob der Erklärende einen Verpflichtungswillen hatte, sondern ob der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) dahin verstehen konnte und durfte, der Arbeitgeber wolle sich zu einer über seine gesetzlichen, tarifvertraglichen und vertraglichen Pflichten hinausgehenden Leistung verpflichten (BAG v. 27.04.2016 - 5 AZR 311/15, juris, Rz. 27; BAG v. 19.03.2014 - 5 AZR 954/12, juris; BAG v. 14.09.2011 - 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81; BAG v. 8.10.2010 - 10 AZR 671/09, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51; BAG v. 24.03.2010 - 10 AZR 43/09, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 90). Dies ist im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers zu ermitteln. Die Anforderungen an den Erklärungswert bestimmen sich nach der Art des Verhaltens des Vertragspartners, das eine betriebliche Übung begründen soll. Eine vertragliche Bindung wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn besondere Umstände ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer begründen (vgl. BAG 13.06.2007 - 5 AZR 849/06 - Rn. 15, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 78). Dabei kommt dem konkreten Verhalten des Arbeitgebers, insbesondere dessen Intensität und Regelmäßigkeit, entscheidendes Gewicht zu. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht bisher keine verbindliche Regel aufgestellt, ab welcher Anzahl von Leistungen der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, er werde die Leistung auch zukünftig erhalten. Allerdings ist für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen die Regel aufgestellt worden, nach der eine zumindest dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt, falls nicht besondere Umstände hiergegen sprechen oder der Arbeitgeber bei der Zahlung einen Bindungswillen für die Zukunft ausgeschlossen hat (BAG v. 27.04.2016 - 5 AZR 311/15, juris, Rn. 27; BAG v. 19.03.2014 - 5 AZR 954/12, juris; BAG v. 15.05.2012 - 3 AZR 610/11, juris, Rz. 61; BAG v. 14.09.2011 - 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81; BAG v. 05.08.2009 - 10 AZR 483/08, AP Nr. 85 zu § 242 BGB betriebliche Übung). |
62 |
Für die zusätzliche Leistung von Entgelt bestehen zudem Besonderheiten. Gewährt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern zB wiederholt eine Erhöhung der Löhne und Gehälter, kann eine betriebliche Übung selbst bei über Jahre gleichbleibender Gehaltserhöhungspraxis nur entstehen, wenn deutliche Anhaltspunkte in seinem Verhalten dafür sprechen, er wolle die Erhöhungen auch ohne Bestehen einer Verpflichtung künftig, dh. auf Dauer vornehmen (BAG v. 27.04.2016 - 5 AZR 311/15, juris, Rz. 32; vgl. zur Weitergabe von Tarifentgelterhöhungen: BAG v. 19.10.2011 - 5 AZR 359/10, juris; BAG v. 24.02.2016 - 4 AZR 990/13, juris). Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber will seine Entscheidungsfreiheit über die künftige Lohn- und Gehaltsentwicklung behalten. Mit den freiwilligen Entgeltsteigerungen entsteht regelmäßig lediglich ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Fortzahlung des erhöhten Entgelts, nicht aber zugleich eine Verpflichtung des Arbeitgebers, Erhöhungen künftig überhaupt oder nach einem bestimmten Schema vorzunehmen (BAG v. 27.04.2016 - 5 AZR 311/15, juris, Rz. 32; BAG v. 19.10.2011 - 5 AZR 359/10, juris; BAG v. 24.02.2016 - 4 AZR 990/13, juris). Leistet der Arbeitgeber zusätzlich zu dem vereinbarten monatlichen Entgelt eine Sonderzahlung, ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln, ob er sich nur zu der konkreten Leistung oder darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet hat. Auch wenn keine betriebliche Übung besteht, weil der Arbeitgeber eine Leistung nur an einen Arbeitnehmer erbracht hat und damit das kollektive Element fehlt, kann ein Anspruch des Arbeitnehmers entstanden sein. Das ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer aus einem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers auf ein Angebot schließen durfte, das er durch schlüssiges Verhalten angenommen hat (BAG v. 23.03.2017 - 6 AZR 264/16, juris; BAG v. 13.05.2015 - 10 AZR 266/14, juris; BAG v. 14.09.2011 - 10 AZR 526/10, juris). |
63 | Letztlich ist im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers zu ermitteln, ob der Arbeitnehmer davon ausgehen musste, die Leistung werde nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur für eine bestimmte Zeit gewährt. |
64 | Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Anspruch aus betrieblicher Übung nur entstehen, wenn es an einer anderen kollektiv- oder individualrechtlichen Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Vergünstigung fehlt. Ähnlich wie bei der Anwendung des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes greift eine betriebliche Übung aber nicht ein, wenn der Arbeitgeber nur einer vertraglichen Verpflichtung nachkommt. Die bloße Vertragserfüllung oder der bloße Normvollzug begründen keine betriebliche Übung (BAG v. 21.02.2017 - 3 AZR 455/15, juris, Rz. 80; BAG v. 19.03.2014 - 5 AZR 954/12, juris; BAG v. 17.09.2013 - 3 AZR 300/11, juris, Rz. 60; BAG v. 15.05.2012 - 3 AZR 610/11, juris, Rz. 61; BAG v. 24.11.2004 - 10 AZR 202/04; vgl. zur Gleichbehandlung etwa: BAG v. 31.09.2011 - 5 AZR 520/10, juris; BAG v. 23.02.2011 - 5 AZR 84/10, juris; BAG v. 31.08.2005 - 5 AZR 517/04, juris). Sie entsteht auch nicht, wenn sich der Arbeitgeber irrtümlich zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte. Wenn der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar aufgrund einer anderen und sei es auch tatsächlich nicht bestehenden Rechtspflicht hat erbringen wollen, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden (BAG v. 21.02.2017 - 3 AZR 455/15, juris, Rz. 82; BAG v. 10.12.2013 - 3 AZR 832/11, juris, Rz. 62; BAG v. 18.04.2007 - 4 AZR 653/05, juris; BAG v. 30.05.2006 - 1 AZR 111/05, juris, Rz. 37). |
65 | In welchen Handlungen eine ausreichende Betätigung des Annahmewillens zu finden ist, kann grundsätzlich nur durch Würdigung des konkreten Einzelfalles entschieden werden. Ein Schluss auf einen entsprechenden Annahmewillen ist jedoch gewöhnlich dann gerechtfertigt, wenn der Erklärungsempfänger ein für ihn lediglich vorteilhaftes Angebot nicht durch eine nach außen erkennbare Willensäußerung abgelehnt hat (vgl. BAG v. 15.05.2012 - 3 AZR 610/11, juris). |
66 | Will der Arbeitgeber verhindern, dass aus der Stetigkeit seines Verhaltens eine in Zukunft wirkende Bindung entsteht, muss er einen entsprechenden Vorbehalt erklären. Der Vorbehalt muss klar und unmissverständlich kundgetan werden. Ohne Bedeutung ist, ob der Hinweis aus Beweisgründen bereits im Arbeitsvertrag enthalten ist oder vor der jeweiligen Leistungsgewährung erfolgt. Dem Arbeitgeber steht auch die Form des Vorbehalts frei. Er kann den Vorbehalt beispielsweise durch Aushang, Rundschreiben oder durch Erklärung gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern bekannt geben. Er ist auch nicht verpflichtet, den Vorbehalt mit einem bestimmten Inhalt zu formulieren. Es reicht vielmehr aus, dass sich der Vorbehalt durch Auslegung des Verhaltens mit Erklärungswert ermitteln lässt. So können Ansprüche von Leistungsempfängern für die zukünftigen Jahre bereits dann ausgeschlossen sein, wenn sich das Leistungsversprechen erkennbar auf das jeweilige Jahr beschränkt oder der Arbeitgeber nach außen hin zum Ausdruck bringt, dass er die Vergünstigung von einer Entscheidung im jeweiligen Einzelfall abhängig machen oder in jedem Jahr wieder neu darüber entscheiden möchte, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Leistung erfolgen wird (vgl. BAG v. 15.05.2012 - 3 AZR 610/11, juris, Rz. 61). |
67 | b)Auf dieser Grundlage ist aus Sicht der Kammer eine betriebliche Übung auf Zahlung einer weiteren Besitzstandszulage in Höhe von 128,23 € entstanden. Denn der Kläger durfte unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte gemäß § 242 BGB und den Begleitumständen im konkreten Fall aufgrund des Verhaltens der Beklagten davon ausgehen, dass ihm auf Dauer eine weitere Besitzstandszulage gewährt werden sollte. |
68 | Die Beklagte hat - nachdem sich die Mitarbeiter unmittelbar nach dem Betriebsübergang bei dem ehemaligen Personalleiter beschwerten - durch die Zahlung der weiteren Besitzstandszulage eine Anpassung an die zuvor - bei unterschiedlicher (geringerer) Stundenzahl - von der T. gezahlten Löhne vorgenommen. Aufgrund dieser Anpassung erreichte der Lohn des Klägers wieder den Betrag, den die Tarifvertragsparteien ausweislich der Anlage zum Überleitungstarifvertrag als ehemaliges "T.-Gehalt" errechnet hatten. Insgesamt erreichte der Lohn des Klägers durch die Zahlung der weiteren Zulage 2.912,31 €, nachdem der bisherige Lohn des Klägers bei T. mit 2.911,87 € angegeben wurde. |
69 | Die Zahlung dieser zusätzlichen Besitzstandszulage konnten die Mitarbeiter nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung aller Begleitumstände nach Auffassung der erkennenden Kammer nur dahingehend verstehen, dass sich die Beklagte über ihre bestehenden Pflichten zu einer weiteren Leistung verpflichten wollte, gerade um die bisherige Lohnhöhe zu sichern. |
70 |
Dies ergibt sich zunächst aus der unstreitigen Tatsache, dass sich die übergegangenen Mitarbeiter unmittelbar nach der ersten Lohnzahlung über den aus ihrer Sicht zu niedrigen Lohn beschwerten. Sie hatten die Regelungen anlässlich des Betriebsübergangs offenbar so verstanden, dass die Beklagte ihnen unter Einrechnung der beiden im Überleitungstarifvertrag zugesagten Besitzstandszulagen I und II den gleichen Lohn wie bisher zahlten sollte. Die Beklagte reagierte mit der Zahlung der weiteren Zulage also auf die Beschwerden der Mitarbeiter und zahlte fortan eine weitere Zulage in Höhe von 128,23 € an den Kläger und die übrigen Mitarbeiter, um die bisherige Lohnhöhe zu sichern. |
71 | Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Beklagte diese Zulage in der Lohnabrechnung ausdrücklich als Besitzstandszulage bezeichnet hat. Insoweit erhielt der Kläger in der Folgezeit jeweils Lohnabrechnungen, aus denen sich nicht nur die beiden im Überleitungstarifertrag geregelten Besitzstandszulagen I und II, sondern eben auch die weitere Besitzstandszulage ergab. Diese wurde in Abgrenzung zu den als "Besitzstand dynam." und "Besitzstand anrech." bezeichneten Zulagen des Überleitungstarifvertrages schlicht "Besitzstandszulage" genannt. Auch hierdurch wird eine unbegrenzte Sicherungsfunktion zum Ausdruck gebracht. |
72 | Auch diese Gesamtheit der Zulagen lässt den Willen der Beklagten erkennen, hier - gerade in Abweichung von einem eigentlich bestehenden Anspruch - durch die Zahlung einer weiteren Zulage eine bestimmte Größenordnung des Lohnes zu erreichen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Beklagte weder tarifvertraglich noch individualvertraglich zur Zahlung eines weiteren entgeltlichen Bestandteils in Höhe von 128,23 € verpflichtet war. Es kann dabei offen bleiben, durch welche Rechtsnorm der Kläger in das Rechtsregime der Beklagten übergeleitet worden ist. Insbesondere ist unerheblich, ob sich seine Überleitung nach § 613a Abs. 1 Satz 1 oder nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB vollzog, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien kollektivrechtlich durch eine beiderseitige Tarifbindung geprägt und der Kläger, der zunächst Mitglied der IG-Bauen-Agrar-Umwelt gewesen ist, in zeitlichem Zusammenhang mit dem Betriebsübergang zur IG-Metall wechselte. Entscheidend ist, dass weder eine rechtliche Regelung bestand noch die Beklagte irrtümlich glaubte, eine bestehende Pflicht zu erfüllen. Die Beklagte sah sich selbst nicht aus § 613a Abs. BGB verpflichtet, sondern wollte dem "Druck" der ehemaligen T. Mitarbeiter Rechnung tragen. Dem entsprach die Reaktion der übergeleiteten Arbeitnehmer. Sie verhielten sich ruhig, weil sie ihr vormaliges Entgelt erhielten. |
73 | Dass sich die Beklagte nicht verpflichtet sah, zeigt auch das durch die Zahlung der weiteren Zulage begründete Ergebnis. Es bestand in einer Kombination aus Umsetzung des Überleitungstarifvertrages mit einer weiteren "übertariflichen" Besitzstandszulage. Einerseits finden sich in den Entgeltabrechnungen der Mitarbeiter nämlich die im Überleitungstarifvertrag geregelten Besitzstände wieder, andererseits aber eben auch die weitergehende Zulage. Diese Sichtweise wird ergänzt durch die in der Abrechnung verwendeten Begriffe. Die Hinweise "dynam." und "anrech." zeigen einmal mehr, dass die Beklagte insoweit den Überleitungstarifvertrag beachten wollte. Mit der Bezeichnung der weiteren Leistung als "Zulage" wird deutlich, dass es der Beklagten gerade nicht darum ging, insoweit den Überleitungstarifvertrag zu erfüllen, sondern eine zusätzliche Schuld zu begründen. Denn aus dem Überleitungstarifvertrag hatte der Kläger zu keinem Zeitpunkt Anspruch auf Zahlung von drei Besitzstandszulagen. Dass sich die Beklagte nur vermeintlich in der Pflicht sah, ist ihrem Sachvortrag nicht zu entnehmen. Denn sie wollte - jedenfalls für die Dauer eines Jahres - die Besitzstandzulage selbst zahlen, um den Mitarbeitern entgegenzukommen, oder sie zu beruhigen. An eine rechtliche Pflicht glaubte sie selbst nicht. |
74 | Diese Zulage hat die Beklagte in der Folgezeit für einen Zeitraum von 25 Monaten vorbehaltlos an den Kläger gezahlt und ihn in der Lohnabrechnung ausgewiesen und dadurch einen Vertrauenstatbestand begründet. |
75 | Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, dass die Mitarbeiter selbst diese Zulage nur für die Dauer eines Jahres gefordert hätten. Diese Behauptung ist substanzlos. Unabhängig vom konkreten Inhalt der Gespräche ist zu beachten, dass völlig unklar ist, woher der Kläger wissen soll, was der Betriebsratsvorsitzende L. gegenüber dem seinerzeitigen Personalleiter der Beklagten forderte. Hinzu kommt, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer selbst aufgezeigt hat, dass in dem damaligen Gespräch mit dem Vorsitzenden des Betriebsrates keine Einigung auf eine bestimmte Regelung erfolgte. Vielmehr hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass man sinngemäß geäußert habe, man lasse sich etwas einfallen. Was sich die Beklagte dann hat einfallen lassen, konnten die Mitarbeiter dann an Hand ihrer Lohnabrechnung erkennen. Diese Lohnabrechnung enthält aber gerade - was ohne weiteres möglich gewesen wäre - keinerlei Hinweis auf eine Befristung der Zulage. Auch ist nicht dargelegt, was die beteiligten Betriebsratsmitglieder nach dem Gespräch den Mitarbeiter gesagt haben sollen. Der Sachvortrag der Beklagten besteht insofern aus Vermutungen. Der Kernpunkt der Argumentation der Beklagten bleibt in diesem Zusammenhang, dass die Mitarbeiter selbst nur eine befristete Zulage haben wollten und die verhandelnden Mitglieder des Betriebsrates nur dies gefordert hätten. Dies ist indes nirgends konkret dargelegt, zumal auch nicht erkennbar ist, welche Relevanz diese Aussagen im Hinblick auf die Mitglieder des Betriebsrates haben sollen, weil unklar bleibt, auf welcher rechtlichen Grundlage sie überhaupt handelten. Dass der Betriebsrat die Mitarbeiter entsprechend informiert hätte, hat der Kläger für sich bestritten; das Gegenteil kann die Beklagte nicht beweisen. Eine Vermutung, Betriebsräte würden derartige Verhandlungserfolge in allen Details mitteilen, existiert nicht. Für die Arbeitnehmer war deshalb wie für die erkennende Kammer nur erkennbar, dass es eine Beschwerde der Mitarbeiter über die Höhe des gezahlten Gehaltes gegeben hat und die Beklagte dann für die Dauer von 25 Monaten eine weitere Zulage zahlte, die sie als Besitzstandszulage bezeichnete und wodurch die bisherige Lohnhöhe erreicht wurde. Im Umkehrschluss zu den Zulagen des Überleitungstarifvertrages wurde diese Zulage mit keinerlei Zusatz versehen, aus dem die Mitarbeiter schließen konnten, dass die Beklagte diese nur befristet zahlen wollte. |
76 | Nach Auffassung der Beklagten hätten die Mitarbeiter die Befristung jedenfalls erkennen können, als sie die Zahlung der Erschwerniszulage wieder aufgenommen habe. Auch diese Auffassung teilt die erkennende Kammer nicht. Richtig ist, dass die Beklagte nach Ablauf von 13 Monaten wieder die Erschwerniszulage zahlte, zu der sie ohnehin durch die bei ihr geltenden Tarifverträge verpflichtet ist. Welche Rückschlüsse die Mitarbeiter hieraus für die Qualität der Zulage hätten ziehen sollen, erschließt sich der Kammer indes nicht. Die Beklagte mag in ihrer Vorstellung eine Zusammenrechnung vorgenommen haben, als sie die weitere Besitzstandszulage für die betroffenen Mitarbeiter berechnete. Entscheidend ist jedoch, dass sie diese Zusammensetzung nicht kommunizierte. Nach den unstreitigen Feststellungen zahlte die Beklagte diese Zulage aufgrund des Tarifvertrages in wechselnder Höhe je nach Anfall. Zudem hat die Erschwerniszulage auch einen anderen Zweck als die Besitzstandszulage. Sie soll besondere Belastungen ausgleichen. Sie wurde deshalb von der Beklagten auch nicht für Zeiten von Urlaub oder Erkrankung gezahlt. Wie der Kläger angesichts der jeweils wechselnden Höhe der Erschwerniszulage und dem andersartigen Leistungszweck erkennen können sollte, dass hierdurch die fixe in konkreter Höhe von 128,23 € fortlaufend gezahlte Zulage abgelöst werden sollte, ist der Kammer nicht vermittelt worden. Zutreffend hat schon das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass insoweit gar keine Kommunikation erfolgte. Aus diesem Grunde ist die Wiederaufnahme der Zahlung der Erschwerniszulage kein Argument gegen, sondern im Gegenteil für den Vertrauensschutz. Denn für den Kläger war nur erkennbar, dass die Beklagte die Zahlung der Besitzstandszulage fortführte und zudem die Erschwerniszulage zahlte. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang nichts gegenüber dem Kläger kommuniziert, was einem Vertrauenstatbestand entgegenstehen würde. Erst ein Jahr später stellte die die Zahlung der Besitzstandzulage ein. |
77 | Soweit sich die Beklagte auf die Frist des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB beruft, ist zu beachten, dass diese Bestimmung keine Frist enthält, die einen Automatismus begründet, der es dem jeweiligen Erwerber ermöglichen würde, sich einseitig vorbehaltlos von eingegangenen Verpflichtungen lösen zu können. Vielmehr bedarf es eines Ablösungstatbestandes. Dieser kann - darauf hat bereits das Arbeitsgericht hingewiesen - nicht in der behaupteten Vereinbarung selbst liegen. Selbst wenn die Beklagte diese Vorstellung gehabt hätte, reicht der von ihr begründete Vertrauenstatbestand über den Zeitraum der behaupteten eingegangenen Verpflichtung hinaus. Denn die Beklagte zahlt auch nach Ablauf eines Jahres die Zulage fort, ohne dass für die Mitarbeiter erkennbar gewesen wäre, dass die Zulage eine Befristung enthält. |
78 | Hinzu kommt: Die Einbuße, deren Ausgleich ein "Besitzstand" dient, war dauerhaft. Die Beklagte hat die Mitarbeiter zu keinem Zeitpunkt und an keiner Stelle, insbesondere nicht in der Lohnabrechnung darauf hingewiesen, dass die Zulage nur befristet gezahlt werden sollte. Auch Hinweise im Intranet oder einem Aushang erfolgten nicht. |
79 | Auch die Dauer der Zahlung von 25 Monaten reicht aus, den Vertrauenstatbestand zu begründen. Eine betriebliche Praxis der Gewährung von Vorteilen an die Arbeitnehmer verdichtet sich erst nach Ablauf einer gewissen Zeit zu einer betrieblichen Übung. Wie lange die Übung bestehen muss, damit die Arbeitnehmer berechtigt erwarten können, dass sie fortgesetzt werde, hängt davon ab, wie häufig die Leistungen oder Vergünstigungen erbracht worden sind (BAG v. 17.09.2013 - 3 AZR 300/11, Rn. 59, juris; BAG v. 15.05.2012 - 3 AZR 610/11, Rn. 58, juris; BAG v. 19.08.2008 - 3 AZR 194/07, Rn. 26, juris; BAG v. 30.10.1984 - 3 AZR 236/82, juris). Hier zeigt bereits die Bezeichnung der entgeltlichen Leistung als "Besitzstandszulage" den Willen der Beklagten zur dauerhaften Gewährung. Darüber hinaus ist im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung zu beachten, dass es sich um eine nicht unerhebliche Erhöhung des bisherigen - durchaus im unteren Lohnsegment befindlichen - Gehaltes handelte, auf dessen vollständigen Erhalt sich der Kläger sowie die übrigen Arbeitnehmer der Beklagten für ihre Lebensführung einstellen durften. |
80 |
80 |
81 | Die Kammer schließt sich diesen zutreffenden und auch für den vorliegenden Rechtsstreit gültigen Ausführungen der 9. Kammer an und erlaubt sich nur folgende Ergänzungen: |
82 | (1)Für die Zahlung der Besitzstandszulage ab dem 01.04.2014 war keine andere Rechtsgrundlage gegeben (die im Übrigen dann auch bis heute bestehen würde). Insbesondere musste die Beklagte ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs weder objektiv gemäß § 613a Abs. 1 BGB das Entgelt des Klägers auf das T.-Niveau anheben, noch hat sie an eine solche Verpflichtung geglaubt. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB greift nicht, weil sich der Kläger wegen seiner Mitgliedschaft in der IG Metall gemäß § 613 Abs. 1 Satz 3 BGB den Inhalt der von dieser und dem UIS geschlossenen Tarifverträge für den Betrieb der Beklagten entgegen halten lassen muss. Für eine Fortgeltung günstigerer Arbeitsbedingungen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB - die die Beklagte mit ihrer Berufung ja gerade in Abrede stellt - ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte, weil dem schriftlichen Arbeitsvertrag des Klägers zumindest im Hinblick auf die Vergütung eine Tarifdynamik entnommen werden kann mit der Folge, dass insoweit eine inhaltliche Umgestaltung durch die Bestimmungen des ÜTV in Betracht kommt, der am 27.03.2014 und damit vor dem Betriebsübergang geschlossen wurde und in Kraft trat. Ebenfalls nicht erkennbar ist, dass die Beklagte gleichwohl geglaubt hat, sie müsse kraft Gesetzes das Monatsentgelt des Klägers aufstocken, weil ansonsten den Vorgaben des § 613a Abs. 1 BGB nicht genügend Rechnung getragen werde. Vielmehr glaubte sie an die Wirksamkeit des ÜTV, um deren Transparentmachung es den Betriebsparteien es am 08.05.2014 lediglich gegangen sei (vgl. Blatt 5 des Schriftsatzes vom 23.11.2016). Im Übrigen wäre es im Falle der Unwirksamkeit des ÜTV mit einer verstetigten Zahlung von 128,23 € brutto - und schon gar nicht für lediglich ein Jahr - nicht getan gewesen, weil die von den Arbeitnehmern hinzunehmende Einbuße im zeitlichen Verlauf nicht etwa gleich blieb, sondern durch das sukzessive Abschmelzen der anrechenbaren Besitzstandszulage I des § 4 ÜTV sogar größer wurde. |
83 | (2)Der von der Beklagten geschilderte Irrtum bei der Zahlung über ein Jahr hinaus war für den Kläger keinesfalls erkennbar. Ausdrückliche Informationen erteilte die Beklagte unstreitig nicht. Das Einsetzen der Zahlung einer Erschwerniszulage musste der Kläger ohne Detailkenntnisse des Gesprächs der Herren R., L. und X. vom 08.05.2014 (mit dem von der Beklagten geschilderten Inhalt) keineswegs mit einem Willen gleichsetzen, ab diesem Zeitpunkt von der Gewährung der Besitzstandszulage abzusehen. Beide Zahlungen verfolgten unterschiedliche Zwecke, wurden unterschiedlich bezeichnet, wiesen unterschiedliche Höhen auf (einer verstetigten Zahlung von 128,23 € standen durchgehend geringere variable Zahlungen von zum Teil nur etwas mehr als 30,00 € gegenüber) und waren in unterschiedlichen Lohnabrechnungen enthalten, in denen jeglicher Hinweis auf eine gewollte Verknüpfung der Leistungen fehlte. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter die bei der Beklagten vergütete Erschwerniszulage ab April bzw. Mai 2014 auch nicht zwangsläufig vermissen mussten, weil sie so vorher bei der T. GmbH & Co. KG nicht gezahlt worden war. In Anbetracht der Komplexität der gesetzlichen Betriebsübergangsregelungen und des ÜTV, aber auch ihrer eigenen Abrechnungen hätte die Beklagte daher ihre Mitarbeiter detaillierter informieren müssen. |
84 | 2. |
85 | Wegen der Berechtigung der Zinsforderung wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter Ziffer I.4.) der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. |
86 | II. |
87 | Der Kläger kann zudem Zahlung der Verzugspauschale von jeweils 40,00 € für die Monate Juli 2016 bis September 2016 gemäß § 288 Abs. 5 BGB verlangen. |
88 | 1. |
89 | § 288 Abs. 5 BGB ist auf Vergütungsansprüche aus einem Arbeitsverhältnis anzuwenden. Die Kammer schließt sich insoweit der bisher einhelligen Auffassung der Landesarbeitsgerichte an. |
90 |
Eine für den Bereich des Arbeitsrechts verdrängende analoge Anwendung des § 12a ArbGG kommt deswegen nicht in Betracht, weil es bereits bezüglich der Verzugspauschale gemäß § 288 Abs. 5 BGB an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Denn die Ausgestaltung durch die gesetzliche Neuregelung im Jahr 2014 stellt sich als eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers dar, die eine planwidrige Regelungslücke bereits im Ansatz ausschließt. |
91 | So spricht insbesondere auch der Wortlaut für eine Anwendung auch auf arbeitsrechtliche Entgeltansprüche. Eine Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht sieht der Wortlaut der Vorschrift in keiner Weise vor. |
92 | Darüber hinaus dient diese Vorschrift der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr und der deutsche Gesetzgeber hat mit dieser Norm die Vorgaben der Richtlinie bewusst übererfüllt. Hieraus lässt sich aufgrund einer historischen Auslegung der Vorschrift eindeutig schließen, dass ihr Anwendungsbereich auch im Arbeitsrecht eröffnet ist. |
93 | Ferner erscheint es nicht überzeugend, sondern im Gegenteil systemwidrig, wenn ein Arbeitnehmer bei verspäteter oder unvollständiger Zahlung des Arbeitsentgeltes zwar den gesetzlichen Verzugszins nach § 288 Abs. 1 BGB und ggfls. den weitergehenden Verzugsschaden nach § 288 Abs. 4 BGB geltend machen könnte, ihm jedoch der neue Pauschalschadensersatz nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB verwehrt bliebe. Denn diese Neuregelung knüpft systematisch gerade an die vorherigen Absätze des § 288 Abs. 5 und den gesetzlichen Verzugszins an (Grundsätze des LAG Niedersachsen, Urteil vom 20.04.2017 - 5 Sa 1263/16, AE 2017, 105; ebenso LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.03.2017 - 15 Sa 1992/16, juris; ausführlich LAG Köln, Urteil vom 22.11.2016 - 12 Sa 524/16, ArbR 2017, 47 und LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.10.2016 - 3 Sa 34/16, juris). |
94 | 2. |
95 | Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 288 Abs. 5 BGB liegen vor. |
96 | a. |
97 | Die zahlungspflichtige Beklagte ist keine Verbraucherin im Sinne des § 13 BGB. Sie befand sich zudem im Verzug. Sie hat die Nichtzahlung der Besitzstandszulagen im Sinne der §§ 286 Abs. 4, 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB zu vertreten; insbesondere kann sie sich nicht darauf berufen, sie habe ohne Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt davon ausgehen dürfen, rechtlich nicht zur Fortzahlung der streitigen Zulage verpflichtet zu sein. An einen entschuldbaren Rechtsirrtum sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Geltungsanspruch des Rechts erfordert im Grundsatz, dass der Schuldner das Risiko eines Rechtsirrtums selbst trägt und es nicht dem Gläubiger überbürden kann. Beruht die Ungewissheit über die Schuld auf rechtlichen Zweifeln des Schuldners, ist dieser entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat. Es müssen gewichtige Anhaltspunkte für die Richtigkeit der vertretenen Rechtsmeinung sprechen. Dazu genügt etwa die Berufung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BAG, Urteile vom 19.08.2015 - 5 AZR 975/13, NZA 2015, 1460; vom 16.09.2008 - 9 AZR 781/07, NZA 2008, 1285). Über derartige Anhaltspunkte verfügte die Beklagte hier nicht. In Anbetracht des gerichtlich noch keiner Prüfung unterzogenen Sachverhalts musste die Beklagte ohne weiteres damit rechnen, dass die Kläger ihren Rechtsstandpunkt zur Fortzahlung der Besitzstandszulage aufgrund betrieblicher Übung würden durchsetzen können. Soweit ersichtlich, hat in der Folge denn auch kein mit dem Sachverhalt befasstes Arbeitsgericht bzw. keine Kammer des Landesarbeitsgerichts zugunsten der Beklagten entschieden. |
98 | b. |
99 | Die Verzugspauschale von 40,00 € ist für jeden der Monate Juli, August und September 2016 erneut zu zahlen. Bei fehlerhafter oder unterlassener Abrechnung fällt sie in der Regel monatlich erneut an. Mit der Kostenpauschale soll auch der Ärger und die aufgewendete Arbeitszeit kompensiert werden. Die Besitzstandszulage von 128,23 € war monatlich zu zahlen; der Kläger musste entsprechende Kontrollen durchführen und für eine rechtzeitige Geltendmachung Sorge tragen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.03.2017 - 15 Sa 1992/16, juris, Rdz. 20). Überdies bezweckt § 288 Abs. 5 BGB, den Druck auf potentiell säumige Zahler zu erhöhen, ihren Zahlungsverpflichtungen pünktlich und vollständig nachzukommen (LAG Köln, Urteil vom 22.11.2016 - 12 Sa 524/16, aaO). |
100 |
C. |
101 | Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, soweit die Beklagte zur Zahlung der Verzugspauschale des § 288 Abs. 5 BGB verurteilt wurde. Ansonsten war sie mangels Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen. |
102 | RECHTSMITTELBELEHRUNG |
103 | Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei |
104 | R E V I S I O N |
105 | eingelegt werden, soweit sie zur Zahlung der Verzugspauschale (Ziffer 3 des erstinstanzlichen Urteilstenors) verurteilt wurde. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen. |
106 | Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG verwiesen. |
107 | Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben. |
108 | Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim |
109 | Bundesarbeitsgericht |
110 | Hugo-Preuß-Platz 1 |
111 | 99084 Erfurt |
112 | Fax: 0361-2636 2000 |
113 | eingelegt werden. |
114 | Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. |
115 | Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen: |
116 | 1.Rechtsanwälte, |
117 | 2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, |
118 | 3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet. |
119 | In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben. |
120 | Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten. |
121 | Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen. |
122 | * eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden. |
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