HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

ArbG Ulm, Ur­teil vom 20.08.2010, 1 Ca 74/10

   
Schlagworte: Urlaub: Abgeltung, Krankheit
   
Gericht: Arbeitsgericht Ulm
Aktenzeichen: 1 Ca 74/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 20.08.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

Ur­schrift
Ar­beits­ge­richt Ulm
Ak­ten­zei­chen: 1 Ca 74110
(Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!)

Verkündet am 20.08.2010
Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In der Rechts­sa­che

- Kläg. -

Proz.-Bev.:

ge­gen

- Bekl. -

Proz.-Bev.:

hat das Ar­beits­ge­richt Ulm - 1. Kam­mer -

durch den Rich­ter

d. eh­ren­amt­li­chen Rich­te­rin und d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter

auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20.08.2010

für Recht er­kannt:

1. Der Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin 16.61 Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

2. Von den Kos­ten des Rechts­streits trägt die Kläge­rin tra­gen.

3. Der Streit­wert wird auf 36.423,25 € fest­ge­setzt.

gez. 

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Tat­be­stand

Die Kläge­rin be­gehrt mit ih­rer Kündi­gungs­schutz­kla­ge die Fest­stel­lung, dass ihr Ar­beits­verhält­nis mit dem Be­klag­ten nicht be­en­det wur­de. Hilfs­wei­se macht sie So­zi­al­plan- und Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche gel­tend.

Die Kläge­rin ist 1956 ge­bo­ren, ver­wit­wet und nie­man­dem zum Un­ter­halt ver­pflich­tet. Sie ist gemäß Be­scheid des Ver­sor­gungs­am­tes Ulm vom 09.08.2004 mit ei­nem Grad der Be­hin­de­rung von 50 als schwer­be­hin­der­ter Mensch an­er­kannt. Ab dem 17.01.1977 war sie bei der L. AG an­ge­stellt und wur­de in der Fer­ti­gung als Be­die­ne­rin mit ei­nem Brut­to­mo­nats­ein­kom­men von 2.000,00 € beschäftigt. Die Kläge­rin hat letzt­mals am 29.01.2003 ge­ar­bei­tet und ist seit­her durch­ge­hend ar­beits­unfähig er­krankt. Die Wie­der­her­stel­lung der Ar­beits­kraft ist nicht ab­zu­se­hen. Die Ent­gelt­fort­zah­lung en­de­te am 21.03.2003, der Kran­ken­geld­be­zug am 19.04.2004. Der Kläge­rin ste­hen pro Jahr ins­ge­samt 30 Ta­ge Ur­laub bei ei­ner Fünf­ta­ge­wo­che zu.

Mit Be­schluss des Amts­ge­richts Ra­vens­burg vom 01.07.2009 wur­de das In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der Fir­ma L. AG eröff­net und der Be­klag­te zum In­sol­venz­ver­wal­ter be­stellt. Bei der L. AG kam es in der Fol­ge zu ei­ner Be­triebs­ein­schränkung, die mit ei­ner Re­du­zie­rung des Per­so­nal­be­stan­des ver­bun­den war. Die Ein­zel­hei­ten re­gel­te ein am 20.07.2009 ge­schlos­se­ner In­ter­es­sen­aus­gleich, der die Kläge­rin als zu kündi­gen­de Per­son na­ment­lich aus­wies. Der Be­klag­te beschäftigt weit mehr als 10 Per­so­nen aus­sch­ließlich der zur Be­rufs­bil­dung Beschäftig­ten.

Am 11.09.2009 kam zwi­schen dem Be­klag­ten und dem Be­triebs­rat der L. AG ein So­zi­al­plan zu­stan­de. In die­sem So­zi­al­plan war ei­ne Ab­fin­dung für Per­so­nen vor­ge­se­hen, die in den An­wen­dungs­be­reich des So­zi­al­pla­nes fal­len. Gemäß Punkt J." des So­zi­al­plans wa­ren von dem So­zi­al­plan un­ter an­de­rem aus­ge­schlos­sen „Ar­beit­neh­mer/-in­nen de­ren Ar­beits­verhält­nis aus per­so­nen- oder aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen gekündigt oder aus die­sen Gründen ein­ver­nehm­lich be­en­det wird."

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Der Kläge­rin wur­de mit Schrei­ben . vom 29.07.2009 ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung aus­ge­spro­chen, wo­bei zu­vor kei­ne Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes ein­ge­holt wor­den war. In dem dar­auf­hin vor dem Ar­beits­ge­richt. Ulm ver­han­del­ten Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren kündig­te die Pro­zess­ver­tre­tung des Be­klag­ten im Güte­ter­min an, aus der Kündi­gung kei­ne Rech­te mehr her­lei­ten zu wol­len, soll­te die Kläge­rin in­ner­halb ei­ner vom Ge­richt ge­setz­ten Frist die Kla­ge nicht zurück­neh­men. Wei­ter erklärte die Pro­zess­ver­tre­tung des Be­klag­ten, so­dann der Kläge­rin aus per­so­nen­be­ding­ten Gründen kündi­gen zu wol­len und so­mit den An­spruch auf ei­ne So­zi­al­plan­ab­fin­dung ent­fal­len zu las­sen. Ei­ne Kla­gerück­nah­me­erklärung in­ner­halb der vom Ge­richt ge­setz­ten Frist gab die Kläge­rin nicht ab.

Mit Schrei­ben vorn 19.10.2009 trat die Kläge­rin an den Be­klag­ten her­an und un­ter­brei­te­te ein Ver­gleichs­an­ge­bot, wo­nach der Rechts­streit un­ter Ein­schluss von Ansprüchen auf So­zi­al­plan­ab­fin­dung und Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüchen ge­gen ei­ne Zah­lung von 15.000,00 € an­ge­bo­ten wur­de. Der Be­klag­te war mit die­sem Ver­gleichs­vor­schlag nicht ein­ver­stan­den. Mit Schrei­ben vom 10.11.2009 erklärte die Kläge­rin des­we­gen ge­genüber dem Ar­beits­ge­richt Ulm, dass die Kündi­gungs­schutz­kla­ge zurück­ge­nom­men wer­de und das Ar­beits­verhält­nis in­so­fern - fort­be­ste­he.

Mit Schrei­ben vom 01.04.2010 wur­de das Ar­beits­verhält­nis von der Be­klag­ten aus per­so­nen­be­ding­ten Gründen gemäß § 113 Ins° zum 31.07.2010 gekündigt (vgl. AS. 15). Vor Aus­spruch der Kündi­gung er­hielt der Be­triebs­rat der L. AG am 22.03.2010 ein Anhörungs­schrei­ben zur be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung der Kläge­rin (AS. 50-52). Der Be­triebs­rat gab kei­ne Stel­lung­nah­me ab. Außer­dem wur­de am 16.11.2009 ein An­trag auf Zu­stim­mung zur Kündi­gung beim In­te­gra­ti­ons­amt ge­stellt. Mit Schrei­ben vom 12.03.2010 wur­de die Zu­stim­mung zur per­so­nen­be­ding­ten or­dent­li­chen Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses der Kläge­rin er­teilt. Die­se Vorgänge wur­den am 15.06.2010 in ei­nem Nach­trag zum So­zi­al­plan fest­ge­hal­ten (AS 76).

Die Kläge­rin meint,

die Kündi­gung sei un­wirk­sam, da kei­ne Kündi­gungs­gründe er­sicht­lich sei­en. Je­den­falls ste­he der Kläge­rin ein Ab­fin­dungs­an­spruch nach dem So­zi­al­plan zu.

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Dar­an ände­re sich auch da­durch nichts, dass per­so­nen­be­ding­te Gründe zur Stützung der Kündi­gung an­geführt sei­en. Aus dem Ge­sche­hens­ab­lauf er­ge­be sich, dass die Kündi­gung in Wahr­heit aus be­triebs­be­ding­ten Gründen aus­ge­spro­chen wor­den sei. Grund für die Her­an­zie­hung per­so­nen­be­ding­ter Kündi­gungs­gründe sei, dass der Be­klag­te nicht da­mit ein­ver­stan­den ge­we­sen sei, dass die Kläge­rin sich ge­gen die be­triebs­be­ding­te Kündi­gung zur Wehr setz­te. Un­abhängig da­von stünden der Kläge­rin Ansprüche auf Ur­laubs­ab­gel­tung für die Jah­re 2005 bis ein­sch­ließlich 2010 zu.

Die Kläge­rin be­an­tragt da­her:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis trotz Kündi­gungs­erklärung, da­tie­rend vom 01.04.2010 nicht auf­gelöst wor­den ist, son­dern un­verändert fort­be­steht.

2. Es wird hilfs­wei­se fest­ge­stellt, dass der Kläge­rin Mas­se­ansprüche in Höhe von € 13.719,25 brut­to nebst Zin­sen p.a. in Höhe von 5%-Punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz ab Rechtshängig­keit zu­ste­hen.

3. Der Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin 16.704,00 brut­to nebst Zin­sen p.a. in Höhe von 5%-Punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz ab Rechtshängig­keit zu be­zah­len.

Der Be­klag­te be­an­tragt

Klag­ab­wei­sung.

Er ist der An­sicht, dass die per­so­nen­be­ding­te Kündi­gung. auf­grund der un­si­che­ren Ge­sund­heits­pro­gno­se der Kläge­rin so­zi­al ge­recht­fer­tigt ist. Der hilfs­wei­se gel­tend ge­mach­te So­zi­al­plan­an­spruch be­ste­he nicht: Es könne kei­ne Re­de da­von sein, dass die aus per­so­nen­be­ding­ten Gründen aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung ei­ne Maßre­ge­lung der Kläge­rin. dar­stel­le, da sie sich nicht mit der be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung ab­ge­fun­den ha­be. Die be­triebs­be­ding­te Kündi­gung sei viel­mehr al­len Ar­beit­neh­mern aus­ge­spro­chen Wor­den, de­ren Ar­beits­stel­le von der Be­triebs­ein­schränkung der L. AG be­trof­fen ge­we­sen sei­en.

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Man ha­be zunächst da­von ab­ge­se­hen, näher zu prüfen, ob ei­ne Kündi­gung auch un­ter an­de­ren Ge­sichts­punk­ten ge­recht­fer­tigt ge­we­sen wäre. Die nachträglich aus­ge­spro­che­ne per­so­nen­be­ding­te Kündi­gung stel­le da­her kei­ne Re­ak­ti­on auf die be­rech­tig­te In­ter­es­sen­wahr­neh­mung der Kläge­rin dar. Die wei­ter gel­tend ge­mach­ten Ansprüche auf Ur­laubs­ab­gel­tung sei­en eben­falls un­be­gründet. Zum ei­nen hand­le es sich hier größten­teils schon über­haupt nicht um Mas­se­ansprüche, die mit ei­ner Leis­tungs­kla­ge ver­folgt wer­den könn­ten. Zum an­de­ren könn­ten Ansprüche auf Ur­laubs­ab­gel­tung nicht end­los „ge­sam­melt" wer­den, wenn der Ar­beit­neh­mer auf­grund länger an­dau­ern­der Er­kran­kung über Jah­re hin­weg nicht in der La­ge ist, Ur­laub zu neh­men. Die Recht­spre­chung des EuGH ste­he dem nicht ent­ge­gen.

Ent­schei­dungs­gründe

I.

Der Kündi­gungs­schutz­an­trag ist zulässig, aber un­be­gründet. Die krank­heits­be­ding­te Kündi­gung vom 01.04.2010 ist gemäß § 1 KSchG so­zi­al ge­recht­fer­tigt und hat das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en be­en­det.

1. § 1 Abs. 1 KSchG be­stimmt, dass ei­ne Kündi­gung ge­genüber ei­nem Ar­beit­neh­mer, des­sen Ar­beits­verhält­nis in dem­sel­ben Be­trieb oder Un­ter­neh­men oh­ne Un­ter­bre­chung länger als sechs Mäna­te be­stan­den hat, rechts­un­wirk­sam ist, wenn sie so­zi­al nicht ge­recht­fer­tigt ist. Dies gilt auch in der In­sol­venz des Ar­beit­ge­bers. Die­se hat auf die grundsätz­li­che An­wend­bar­keit der ar­beits­recht­li­chen Schutz­vor­schrif­ten kei­ne Aus­wir­kun­gen. In­sol­venzrächt und Ar­beits­recht sind zwei selbständi­ge Rechts­ge­bie­te, die ne­ben­ein­an­der be­ste­hen, so­weit kei­ne Son­der­re­ge­lung vor­ge­se­hen ist. In der In­sol­venz gilt da­her der all­ge­mei­ne Kündi­gungs­schutz wei­ter, wo­bei al­ler­dings die Mo­di­fi­ka­tio­nen der §§ 113, 125-128 Ins° zu be­ach­ten sind (vgl. Vos­sen, in: Stahl­ha­cke/Preis­Nos­sen, Kündi­gung und Kündi­gungs­schutz im Ar­beits­ver­fah­ren, 10. Aufl. Rn. 2290 und 2303).

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So­zi­al ge­recht­fer­tigt ist ei­ne Kündi­gung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG u. a. dann, wenn sie durch Gründe, die in der Per­son des Ar­beit­neh­mers lie­gen, be­dingt ist. Häufigs­ter Fall der per­so­nen­be­ding­ten Kündi­gung ist die Kündi­gung we­gen Krank­heit (Grie­be­ling, in: Ge­mein­schafts­kom­men­tar zum Kündi­gungs­schutz­ge­setz (KR), 9. Auf­la­ge § 1 KSchG Rd­Nr. 319). Die Krank­heit als sol­che ist kein Kündi­gungs­grund. Die Krank­heit wird kündi­gungs­recht­lich erst dann re­le­vant, wenn von ihr stören­de Aus­wir­kun­gen auf das Ar­beits­verhält­nis aus­ge­hen (Oet­ker, in: Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht (ErfK), 10. Auf­la­ge § 1 Rd­Nr. 110). Dies kann der Fall sein bei häufi­gen Kurz­er­kran­kun­gen, krank­heits­be­ding­ter Min­de­rung der Leis­tungsfähig­keit und bei lang­an­hal­ten­der Krank­heit des Ar­beit­neh­mers (vgl. BAG, Ur­teil vom 21.05.1992 - 2 AZR 399/91 -).

Ob im Ein­zel­fall ei­ne krank­heits­be­ding­te Kündi­gung ge­recht­fer­tigt ist, be­ur­teilt sich an­hand ei­ner drei­stu­fi­gen Prüfung: Da­nach ist zunächst ei­ne ne­ga­ti­ve Pro­gno­se hin­sicht­lich des vor­aus­sicht­li­chen Ge­sund­heits­zu­stan­des er­for­der­lich, Die bis­he­ri­gen und nach der Pro­gno­se zu er­war­ten­den Aus­wir­kun­gen des Ge­sund­heits­zu­stan­des des Ar­beit­neh­mers müssen wei­ter zu ei­ner er­heb­li­chen Be­ein­träch­ti­gung der be­trieb­li­chen In­ter­es­sen führen. Sie können durch Störun­gen im Be­triebs­ab­lauf oder wirt­schaft­li­che Be­las­tun­gen her­vor­ge­ru­fen wer­den. In der drit­ten Stu­fe, bei der In­ter­es­sen­abwägung, ist dann zu prüfen, ob die er­heb­li­chen be­trieb­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen zu ei­ner bil­li­ger­wei­se nicht mehr hin­zu­neh­men­den Be­las­tung des Ar­beit­ge­bers führen. Die dau­ern­de Leis­tungs­unfähig­keit des Ar­beit­neh­mers führt da­bei grundsätz­lich zu ei­ner für den Ar­beit­ge­ber nicht mehr trag­ba­ren be­trieb­li­chen Be­ein­träch­ti­gung (BAG, Ur­teil vom 21.05.1992 - 2 AZR 399/91 -).

Steht fest, dass der Ar­beit­neh­mer in Zu­kunft die ge­schul­de­te Ar­beits­leis­tung über­haupt nicht mehr er­brin­gen kann, so ist schon aus die­sem Grund das Ar­beits­verhält­nis auf Dau­er ganz er­heb­lich gestört. Die auf das je­wei­li­ge Ar­beits­verhält­nis be­zo­ge­ne, be­trieb­li­che Be­ein­träch­ti­gung be­steht dar­in, dass der Ar­beit­ge­ber da­mit rech­nen muss, der Ar­beit­neh­mer sei auf Dau­er außer­stan­de, die von ihm ge­schul­de­te Leis­tung zu er­brin­gen.

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In die­sem Fall liegt die er­heb­li­che be­trieb­li­che Be­ein­träch­ti­gung dar­in, dass der Ar­beit­ge­ber auf un­ab­seh­ba­re Zeit ge­hin­dert wird, sein Di­rek­ti­ons­recht aus­zuüben. Er kann .den Ar­beit­neh­mer schon al­lein hin­sicht­lich der Be­stim­mung von Zeit und Rei­hen­fol­ge der Ar­beit nicht mehr frei ein­set­zen; ei­ne ir­gend­wie ge­ar­te­te Pla­nung sei­nes Ein­sat­zes ist eben­so we­nig möglich wie der von Ver­tre­tungs­kräften.

Dem - auf ge­sund­heit­li­chen Gründen be­ru­hen­den - dau­ern­den Un­vermögen des Ar­beit­neh­mers, die ge­schul­de­te Ar­beits­leis­tung zu er­brin­gen, ist die Un­ge­wiss­heit, wann der Ar­beit­neh­mer wie­der hier­zu in der La­ge sein wird, gleich­zu­stel­len, wenn im Zeit­punkt der Kündi­gung die Wie­der­her­stel­lung der Ar­beitsfähig­keit noch völlig un­ge­wiss ist. Dann ist der Ar­beit­ge­ber in ei­ner dem Fall der fest­ste­hen­den Leis­tungs­unfähig­keit ver­gleich­ba­ren La­ge. Dies gründet sich auf fol­gen­de Erwägun­gen: Im Schuld­recht steht die dau­ern­de Unmöglich­keit der vorüber­ge­hen­den gleich, wenn die­se die Er­rei­chung des Ver­trags­zwe­ckes in Fra­ge stellt und dem an­de­ren Ver­trags­teil die Ein­hal­tung des Ver­tra­ges bis zum Weg­fall des Leis­tungs­hin­der­nis­ses nicht zu­zu­mu­ten ist. Ob das zu­trifft, ist un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände und der Be­lan­ge bei­der Par­tei­en nach Treu und Glau­ben zu ent­schei­den (vgl. Pa­landt/Hein­richs, BGB, 68. Auf­la­ge, § 275 Rd­Nr. 26 und 27, m. weit. Nachw.). Auch das Ar­beits­verhält­nis ist ein, wenn auch durch ei­nen be­son­de­ren Ar­beit­neh­mer­schutz ge­prägtes, Aus­tausch­verhält­nis. Des­halb ist bei der Prüfung der mögli­chen nach­tei­li­gen Fol­gen krank­heits­be­ding­ter Fehl­zei­ten auch die er­heb­li­che Störung des Äqui­va­lenz­verhält­nis­ses zu berück­sich­ti­gen. Es genügt al­ler­dings nicht be­reits ein nur un­aus­ge­wo­ge­nes Verhält­nis zwi­schen Erfüllung der Ar­beits- und Lohn­fort­zah­lungs­pflicht, um un­ter dem Ge­sichts­punkt der wirt­schaft­li­chen Be­las­tung mit Lohn­fort­zah­lungs­kos­ten ei­ne Kündi­gung we­gen häufi­ger Er­kran­kun­gen so­zi­al zu recht­fer­ti­gen (BAG, Ur­teil vom 16.02.1989 - 2 AZR 299/88 - zu B III 1 c bb der Gründe). Bei lang­an­hal­ten­der Krank­heit, bei der - von dem Fall be­son­de­rer ta­rif­li­cher Re­ge­lun­gen ab­ge­se­hen - die wirt­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen in den Hin­ter­grund tre­ten, wird die­ses Äqui­va­lenz­verhält­nis des­halb be­son­ders gestört, wenn ei­ne Leis­tungsfähig­keit des Ar­beit­neh­mers über­haupt nicht mehr ab­seh­bar ist. Des­halb kann der Be­ein­träch­ti­gung des Verhält­nis­ses von Leis­tung und Ge­gen­leis­tung durch ei­ne fest­ste­hen­de Leis­tungs­unfähig­keit die Be­ein­träch­ti­gung durch ei­ne lang­an­dau­ern­de gleich­ge­stellt wer­den, wenn die Dau­er der Leis­tungs­unfähig­keit zu­min­dest völlig un­ge­wiss, oder so­gar nicht ab­zu­se­hen ist, ob die Leis­tungsfähig­keit über­haupt wie­der her­ge­stellt wer­den kann.

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Auch bei ei­ner Kündi­gung we­gen dau­ern­der oder die­sem Tat­be­stand gleich­ste­hen­der Ar­beits­unfähig­keit auf un­ab­seh­ba­re Zeit ist ei­ne In­ter­es­sen­abwägung er­for­der­lich. Die­se kann aber nur bei Vor­lie­gen ei­ner be­son­de­ren Schutz­bedürf­tig­keit des Ar­beit­neh­mers zu dem Er­geb­nis führen, dass der Ar­beit­ge­ber trotz der er­heb­li­chen Störung des Ar­beits­verhält­nis­ses auf nicht .ab­seh­ba­re Zeit de­ren Fort­set­zung bil­li­ger­wei­se wei­ter hin­neh­men muss. (zum Gan­zen BAG, Ur­teil vom 21.05.1992 - 2 AZR 399191 -).

2. In An­wen­dung die­ser Grundsätze ist die Kündi­gung vom 01.04.2010 wirk­sam und hat das
Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en be­en­det.

a) Das Kündi­gungs­schutz­ge­setz fin­det auf das Ar­beits­verhält­nis- der Par­tei­en An­wen­dung. Die Kläge­rin hat die War­te­zeit nach § 1 KSchG. lan­ge erfüllt und die ln­sol­venz­schuld­ne­rin bzw. der Be­klag­te beschäftigt mehr als 10 Ar­beit­neh­mer im Sin­ne des § 23 KSchG.

b) Die Kläge­rin ist seit 2003 und da­mit seit über sie­ben Jah­ren ar­beits­unfähig er­krankt. Die Be­haup­tung des Be­klag­ten, die Ar­beits­unfähig­keit daue­re an und ei­ne Wie­der­her­stel­lung der Ar­beitsfähig­keit sei un­ge­wiss, ist als zu­ge­stan­den an­zu­se­hen, nach­dem die Kläge­rin dem nicht ent­ge­gen­ge­tre­ten ist, § 138 Abs. 3 ZPO. Da­her liegt ein Fall vor, der nach den vor­ste­hend ge­schil­der­ten Grundsätzen ei­nem dau­ern­den Un­vermögen der Kläge­rin, die ge­schul­de­te Ar­beits­leis­tung zu er­brin­gen, gleich­zu­set­zen ist. Der Dar­le­gung ei­ner über die­se Störung des Ar­beits­verhält­nis­ses hin­aus­ge­hen­den Be­ein­träch­ti­gung be­trieb­li­cher Be­lan­ge be­darf es nicht. Ei­ne be­son­de­re Schutz­bedürf­tig­keit der Kläge­rin, die im Rah­men der In­ter­es­sen­abwägung ei­ne an­de­re Be­wer­tung recht­fer­ti­gen könn­te, ist we­der vor­ge­tra­gen, noch sonst er­sicht­lich.

c) An­halts­punk­te für ei­ne nicht ord­nungs­gemäße Be­tei­li­gung des In­te­gra­ti­ons­am­tes oder des Be­triebs­ra­tes der In­sol­venz­schuld­ne­rin lie­gen nicht vor.

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II.

Der zulässi­ge An­trag auf Zah­lung ei­ner So­zi­al­plan­ab­fin­dung ist un­be­gründet. Der Kläge­rin steht nach dem So­zi­al­plan kein An­spruch auf Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung zu. Dies gilt auch un­ter Berück­sich­ti­gung des Maßre­ge­lungs­ver­bo­tes nach § 612a BGB.

1. Der An­trag auf Fest­stel­lung, dass der Kläge­rin nach dem So­zi­al­plan Mas­se­ansprüche zu­ste­hen, ist zulässig. Förde­run­gen aus ei­nem nach Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens auf­ge­stell­ten So­zi­al­plan sind gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 Ins° Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten, die nach § 53 In­sO vor­weg zu be­frie­di­gen sind. § 123 Abs. 3 Satz 2 In­sO be­stimmt je­doch, dass ei­ne Zwangs­voll­stre­ckung in die Mas­se we­gen ei­ner So­zi­al­plan­for­de­rung schlecht­hin un­zulässig ist. Ei­ner Leis­tungs­kla­ge ge­gen den In­sol­venz­ver­wal­ter we­gen For­de­run­gen aus ei­nem von ihm ver­ein­bar­ten So­zi­al­plan fehlt das er­for­der­li­che Recht­schutz­bedürf­nis, weil ein ent­spre­chen­der Leis­tungs­ti­tel dau­er­haft kei­ne Voll­stre­ckungs­grund­la­ge wäre. Der Gläubi­ger ist auf die zulässi­ge Fest­stel­lungs­kla­ge ver­wie­sen (BAG, Ur­teil vom 21.01.2010 - 6 AZR 785/08 -; Ur­teil vom 22. No­vem­ber 2005 - 1 AZR 458/04 -; Zwan­zi­ger, Das Ar­beits­recht der In­sol­venz­ord­nung, 3. Auf­la­ge § 123 Ins0 Rd­Nr. 37).

2. Der Kläge­rin steht kein An­spruch auf Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung nach dem So­zi­al­plan vom 11.09.2009 zu, da der So­zi­al­plan auf die Kläge­rin kei­ne An­wen­dung fin­det.

a) Die Kläge­rin ist von den Re­ge­lun­gen des So­zi­al­pla­nes aus­ge­schlos­sen.

aa) Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts sind So­zi­alpläne als Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen be­son­de­rer Art we­gen ih­rer aus § 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 Be­trVG fol­gen­den nor­ma­ti­ven Wir­kung wie Ta­rif­verträge aus­zu­le­gen. Aus­zu­ge­hen ist dem­ent­spre­chend zunächst vom Wort­laut und dem durch ihn ver­mit­tel­ten Wort­sinn.

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Darüber hin­aus kommt es auf den Ge­samt­zu­sam­men­hang und die Sys­te­ma­tik der Be­stim­mung an. Von be­son­de­rer Be­deu­tung sind fer­ner der Sinn und Zweck der Re­ge­lung. Der tatsächli­che Wil­le der Be­triebs­par­tei­en ist zu berück­sich­ti­gen, so­weit er in dem Re­ge­lungs­werk sei­nen Nie­der­schlag ge­fun­den hat. Im Zwei­fel gebührt der­je­ni­gen Aus­le­gung .der Vor­zug, die zu ei­nem sach­ge­rech­ten, zweck­ori­en­tier­ten, prak­tisch brauch­ba­ren und ge­set­zes­kon­for­men Verständ­nis der Re­ge­lung führt (BAG, Ur­teil vom 13.03.2007 - 1 AZR 262/06 - ). Fin­det ein So­zi­al­plan sei­nem Wort­laut nach kei­ne An­wen­dung für be­stimm­te Per­so­nen­grup­pen, ist an­hand die­ses Maßsta­bes zu be­stim­men, wel­che Fälle von dem je­wei­li­gen Aus­schluss­tat­be­stand er­fasst sind.

bb) In An­wen­dung die­ser Grundsätze ist der So­zi­al­plan nicht auf die Kläge­rin an­zu­wen­den, so dass auch ein Ab­fin­dungs­an­spruch aus­schei­det. Dies folgt dar­aus, dass der So­zi­al­plan sei­nem Wort­laut nach nicht auf Mit­ar­bei­ter An­wen­dung fin­det, de­nen aus per­so­nen­be­ding­ten Gründen gekündigt wur­de. Nach all­ge­mei­nem Sprach­ge­brauch um­fasst die per­so­nen­be­ding­te Kündi­gung ins­be­son­de­re die Fall­grup­pen der krank­heits­be­ding­ten Kündi­gung. Es be­steht kein Grund da­von aus­zu­ge­hen, dass die Be­triebs­par­tei­en von die­sem Sprach­ge­brauch ab­wei­chen woll­ten. Un­ter den so zu ver­ste­hen­den Be­griff der per­so­nen­be­ding­ten Kündi­gung fällt da­her auch die streit­ge­genständ­li­che Kündi­gung, die mit der lang­an­hal­ten­den Krank­heit der Kläge­rin be­gründet wur­de.

b) Ge­gen die grundsätz­li­che Zulässig­keit ei­nes sol­chen Aus­schluss­tat­be­stan­des in ei­nem So­zi­al­plan be­ste­hen kei­ne Be­den­ken. Es stand den am So­zi­al­plan­ab­schluss be­tei­lig­ten Par­tei­en frei, kei­ne Ab­fin­dung für Mit­ar­bei­ter vor­zu­se­hen, de­ren Ar­beits­verhält­nis aus per­so­nen­be­ding­ten Gründen gekündigt wur­de.

aa) Bei der Schaf­fung von So­zi­al­plan­re­ge­lun­gen stellt der So­zi­al­planzweck ei­ne recht­li­che Gren­ze der Re­ge­lungs­macht der Be­triebs­par­tei­en dar.

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Der So­zi­al­plan soll durch ei­ne Be­triebsände­rung ent­ste­hen­de wirt­schaft­li­che Nach­tei­le der Be­triebsände­rung aus­glei­chen oder mil­dern. Un­zulässig sind da­her So­zi­al­plan­re­ge­lun­gen, die al­lei­ne die Ar­beit­neh­mer be­las­ten, was z. B. bei der Kürzung von Lohn­ansprüchen der Fall sein kann. Die Be­triebs­part­ner ha­ben aber grundsätz­lich ei­nen wei­ten Ge­stal­tungs­spiel­raum bei der Aus­ge­stal­tung des So­zi­al­pla­nes (Fit­ting, Kom­men­tar zum Be­trVG, 24. Auf­la­ge §§ 112,112a Rd­Nr. 138).

Wei­te­re recht­li­che Gren­zen für die Zulässig­keit von So­zi­al­plan­re­ge­jun­gen er­ge­ben sich aus zwin­gen­dem staat­li­chem Rächt. Be­son­de­re Be­deu­tung kommt da­bei § 75 Be­trVG zu, der die Be­triebs­part­ner zur Be­hand­lung der Ar­beit­neh­mer nach Recht und Bil­lig­keit und ins­be­son­de­re zur Wah­rung des all­ge­mei­nen Gleich­heits­sat­zes ver­pflich­tet (ErfKl­Ka­nia, 10. Auf­la­ge § 112a Rd­Nr. 23 f.).

bb) Ge­mes­sen dar­an be­geg­net es kei­nen Be­den­ken, ei­ne Re­ge­lung in den So­zi­al­plan auf­zu­neh­men, wo­nach sol­che Mit­ar­bei­ter von ei­ner Ab­fin­dungs­re­ge­lung aus­ge­nom­men wer­den, de­ren Ar­beits­verhält­nis aus per­so­nen­be­ding­ten Gründen be­en­det wird. Der Zweck des So­zi­al­pla­nes, wirt­schaft­li­che Nach­tei­le we­gen ei­ner Be­triebsände­rung aus­zu­sch­ließen oder zu mil­dern, ver­bie­tet ei­ne sol­che Re­ge­lung nicht. Wird das Ar­beits­verhält­nis aus krank­heits­be­ding­ten Gründen be­en­det, fehlt es an Nach­tei­len, die ge­ra­de durch ei­ne Be­triebsände­rung ent­ste­hen und mit dem So­zi­al­plan aus­ge­gli­chen wer­den müssen. Ein Ver­s­toß ge­gen die Grundsätze von Recht und Bil­lig­keit ist eben­falls nicht er­sicht­lich.

c) Die streit­ge­genständ­li­che Kündi­gung verstößt nicht ge­gen das Maßre­ge­lungs­ver­bot des § 612a BGB.

aa) Nach § 612 a BGB darf der Ar­beit­ge­ber ei­nen Ar­beit­neh­mer bei ei­ner Ver­ein­ba­rung oder Maßnah­me nicht be­nach­tei­li­gen, weil der Ar­beit­neh­mer in zulässi­ger Wei­se sei­ne Rech­te ausübt.

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Da­mit ver­bie­tet § 612a BGB je­de Be­nach­tei­li­gung des Ar­beit­neh­mers. Ein Ver­s­toß ge­gen § 612a BGB liegt des­halb nicht nur dann vor, wenn der Ar­beit­neh­mer ei­ne Einbüße er­lei­det, d. h. wenn sich sei­ne Si­tua­ti­on ge­genüber dem bis­he­ri­gen Zu­stand ver­schlech­tert, son­dern auch dann, wenn ihm Vor­tei­le vor­ent­hal­ten wer­den, wel­che der Ar­beit­ge­ber an­de­ren Ar­beit­neh­mern gewährt, wenn die­se ent­spre­chen­de Rech­te nicht aus­geübt ha­ben (BAG, Ur­teil vom 23. Fe­bru­ar 2000 - 1.0 AZR 1/99 - m. w. N.). Dies gilt auch im Be­reich frei­wil­li­ger Leis­tun­gen (BAG, Ur­teil vom 12.06.2002 - 10 AZR 340/01; BAG, Ur­teil vom 28.'Ju­li 1992 - 1 AZR 87192 - zu Il der Gründe). in der Art und Wei­se be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer können ver­lan­gen, dass die rechts­wid­ri­ge Be­nach­tei­li­gung durch den Ar­beit­ge­ber un­ter­bleibt (ErfK/PreiS, 10. Auf­la­ge § 612a BGB Rd­Nr. 3). Kei­ne Be­nach­tei­li­gung im Sin­ne des § 612a BGB liegt al­ler­dings vor, wenn die Vor­ent­hal­tung der Vor­tei­le sach­lich ge­recht­fer­tigt oder in der Rechts­ord­nung schon an­ge­legt ist (BAG, Ur­teil vom 26.10.1994 - 10 AZR 482/93 - ; ErfK/Preis, 10. Auf­la­ge § 612a Rd­Nr. 19, der für die­sen Fall vom Feh­len der für § 612a BGB er­for­der­li­chen Kau­sa­lität aus­geht). Wenn auf­grund der zulässi­gen Ausübung der Rech­te des Ar­beit­neh­mers ein be­stimm­ter Vor­teil entfällt, folgt aus § 612a BGB al­ler­dings nicht, dass der Ar­beit­ge­ber den so ent­fal­le­nen Vor­teil dem Ar­beit­neh­mer auf an­de­rem We­ge zu­kom­men las­sen muss. § 612a BGB ver­folgt den Zweck, vor Be­nach­tei­li­gun­gen zu schützen, die den Ar­beit­neh­mer auf­grund zulässi­ger Rechts­ausübung tref­fen. Die­ser Zweck ge­bie­tet aber nicht, dem Ar­beit­neh­mer nachträglich Vor­tei­le zu ver­schaf­fen, die er zu­vor selbst be­sei­tigt hat.

bb) Ob ei­ne Maßre­ge­lung we­gen ei­ner zulässi­gen Wahr­neh­mung von Ar­beit­neh­mer­rech­ten vor­liegt, rich­tet sich bei ei­ner Kündi­gung nach den glei­chen Grundsätzen, di4 für das Ver­bot der Kündi­gung we­gen des Be­triebsüber­g­an­ges nach § 613a Abs. 4 BGB gel­ten (BAG, Ur­teil vom 02.04.1987 - 2 AZR 227/86 - ; KR/Pfeif­fer, 9. Auf­la­ge Rd­Nr. 7).

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Ei­ne Kündi­gung we­gen ei­ner zulässi­gen Rechts­ausübung liegt dem­gemäß dann vor, wenn die Rechts­ausübung für die Kündi­gung nicht nur in ir­gend­ei­ner Wei­se auch ursächlich und nicht nur de­ren äußerer An­lass, son­dern für die Kündi­gung der tra­gen­de Be­weg­grund, d. h. das we­sent­li­che Mo­tiv ge­we­sen ist. Wenn der Kündi­gungs­ent­schluss des Ar­beit­ge­bers nicht nur we­sent­lich, son­dern aus­sch­ließlich durch die zulässi­ge Rechts­ver­fol­gung des Ar­beit­neh­mers be­stimmt ge­we­sen ist, dann deckt sich das Mo­tiv des Ar­beit­ge­bers mit dem ob­jek­ti­ven An­lass zur Kündi­gung. Den Ar­beit­neh­mer trifft aber die vol­le . Be­weis­last dafür, dass er vom Ar­beit­ge­ber durch den Aus­spruch der Kündi­gung oder an­der­wei­tig be­nach­tei­ligt wor­den ist, weil er in zulässi­ger Wei­se sei­ne Rech­te aus­geübt hat (BAG, Ur­teil vom 25.11.1993 - 2 AZR 517/93 -).

cc) Ge­mes­sen dar­an liegt in der per­so­nen­be­dingt aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung kei­ne Maßre­ge­lung gemäß § 612a BGB. Die Kläge­rin hat­te es nach Aus­spruch der be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung in der Hand, die­se hin­zu­neh­men und so ei­nen An­spruch auf Zah­lung ei­ner So­zi­al­plan­ab­fin­dung zu er­lan­gen. Nach­dem die Kläge­rin im Kündi­gungs­schutz­pro­zess er­folg­reich den Fort­be­stand ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses ein­ge­for­dert hat­te, ging da­mit als not­wen­di­ge Fol­ge ein­her, dass ei­ne So­zi­al­plan­ab­fin­dung nicht mehr ver­langt wer­den konn­te, da kei­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­ge­ben war. Da­mit be­ruht die Vor­ent­hal­tung der So­zi­al­plan­ab­fin­dung auf dem Ver­hal­ten der Kläge­rin, mit dem als Re­flex das Ent­fal­len der So­zi­al­plan­ab­fin­dung ver­bun­den war. Ei­ne Maßre­ge­lung durch den Be­klag­ten liegt in­so­fern nicht vor. So­weit die Kläge­rin meint, die per­so­nen­be­ding­te Kündi­gung stel­le sich als un­ge­recht­fer­tig­te Be­stra­fung für das Vor­ge­hen ge­gen die be­triebs­be­ding­te Kündi­gung dar, kann dem nicht ge­folgt wer­den. Es ist nicht er­sicht­lich, dass da­mit Vor­tei­le vor­ent­hal­ten wor­den sind, wel­che der Be­klag­te an­de­ren Ar­beit­neh­mern gewährt hat, die ent­spre­chen­de Rech­te nicht aus­geübt ha­ben.

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Viel­mehr wur­de Kläge­rin durch den Aus­spruch der be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung zunächst oh­ne recht­fer­ti­gen­den Grund in den An­wen­dungs­be­reich des So­zi­al­pla­nes ein­be­zo­gen; ihr hätte von vorn­her­ein ei­ne per­so­nen­be­ding­te Kündi­gung aus­ge­spro­chen wer­den können. Dass dies zunächst un­ter­las­sen wur­de, recht­fer­tigt un­ter dem Ge­sichts­punkt des § 612a BGB aber nicht, dem Be­klag­ten für die Zu­kunft ei­ne Be­ru­fung auf per­so­nen­be­ding­te Kündi­gungs­gründe ab­zu­schnei­den. Der Ar­beit­ge­ber kann auch im Hin­blick auf den all­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz nicht ge­hal­ten sein; nur be­triebs­be­ding­te Kündi­gungs­gründe aus­zu­spre­chen, wenn ein­zel­nen Mit­ar­bei­tern auch per­so­nen­be­dingt gekündigt wer­den könn­te, das Ar­beits­verhält­nis al­so un­abhängig von ei­ner Be­triebsände­rung gestört ist. Mit ei­nem sol­chen Ver­hal­ten würde nicht ei­ne Maßre­ge­lung ver­hin­dert, son­dern ei­ne Gleich­be­hand­lung von we­sent­lich Un­glei­chem ge­for­dert, da in­so­fern nicht das glei­che Bedürf­nis für den Aus­gleich von wirt­schaft­li­chen Nach­tei­len im Zu­sam­men­hang mit ei­ner Be­triebsände­rung be­steht.

Im Übri­gen ist nicht er­sicht­lich, dass die Maßre­ge­lung der Kläge­rin die -we­sent­li­che und tra­gen­de Ur­sa­che für den Aus­spruch der per­so­nen­be­ding­ten Kündi­gung war. Die Kläge­rin konn­te aus Sicht der Kam­mer das Vor­brin­gen des Be­klag­ten nicht wi­der­le­gen, wo­nach aus Gründen der Ver­ein­fa­chung zunächst al­len zu kündi­gen­den Mit­ar­bei­tern oh­ne Rück­sicht auf den Ein­zel­fall be­triebs­be­dingt gekündigt wur­de und ei­ne Ein­zel­fall­be­gut­ach­tung nur bei feh­len­dem Ein­verständ­nis vor­ge­nom­men wur­de. Die­ses Vor­ge­hen des Be­klag­ten be­ruht aus Sicht der Kam­mer auf ver­fah­rens­wirt­schaft­li­chen Über­le­gun­gen und lässt ei­ne aus­rei­chen­de Maßre­ge­lungs­ten­denz im Sin­ne des § 612a BGB nicht er­ken­nen.

III.

Der An­trag auf Ur­laubs­ab­gel­tung ist zulässig und be­gründet.

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1. Die Kla­ge ist als Leis­tungs­kla­ge zulässig. Et­was an­de­res gilt auch nicht in An­be­tracht des In­sol­venz­ver­fah­rens. Bei Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüchen han­delt es sich um Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten, die im We­ge der Leis­tungs­kla­ge gel­tend ge­macht wer­den können.

a) In der In­sol­venz können Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten mit ei­ner Leis­tungs­kla­ge ge­gen den In­sol­venz­ver­wal­ter vor dem zuständi­gen Pro­zess­ge­richt gel­tend ge­macht wer­den (BAG, Ur­teil vom 04.06.2003 - 10 AZR 586/02 -). Wenn das Ar­beits­verhält­nis nach Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens be­en­det wor­den ist, sind Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche nach § 7 Abs. 4 BUrIG Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten im Sin­ne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 In­sO. Dies gilt auch so­weit Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche aus Ka­len­der­jah­ren vor der In­sol­ven­zeröff­nung stam­men (BAG, Ur­teil vom 15.02.2005 - 9 AZR 78/04 -). Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche ent­ste­hen erst mit Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses und können nicht ei­nem frühe­ren Zeit­raum zu­ge­ord­net wer­den (vgl. Düwefl/Pulz, NZA 2008, 786, 787 m. w. Nachw.). Des­halb ist es für die Ein­ord­nung als Mas­se­ver­bind­lich­keit un­er­heb­lich, ob die Zeit nach Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens bis zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses aus­ge­reicht hätte, den Ur­laubs­an­spruch durch Frei­stel­lung von der Ar­beits­pflicht zu erfüllen (BAG, Ur­teil vom 25.03.2003 - 9 AZR 174/02 -).

b) In An­wen­dung die­ser Gründsätze ist die Leis­tungs­kla­ge zulässi­ge Rechts­schutz­form für das von der Kläge­rin ver­folg­te Be­geh­ren. Das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin wur­de auf­grund der per­so­nen­be­ding­ten Kündi­gung vom 01.04.2010 und da­mit nach der In­sol­ven­zeröff­nung be­en­det. Der gel­tend ge­mach­te An­spruch auf fi­nan­zi­el­le Ur­laubs­ab­gel­tung ist nach den vor­ste­hend erörter­ten Grundsätzen dem­nach ei­ne Mas­se­schuld, die im We­ge der Leis­tungs­kla­ge ver­folgt wer­den kann.

2. Der An­spruch auf Ur­laubs­ab­gel­tung ist be­gründet. Der Kläge­rin steht ein An­spruch, auf fi­nan­zi­el­le Ur­laubs­ab­gel­tung für die Jah­re 2005-2010 gemäß § 7 Abs. 3 BUrIG zu. Die­ser An­spruch ist nicht we­gen der Ar­beits­unfähig­keit der Kläge­rin gemäß § 7 Abs. 3 .BUrIG ver­fal­len.

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a) Gemäß § 7 Abs. 4 BUrIG ist Ur­laub, der we­gen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ganz oder teil­wei­se nicht mehr gewährt wer­den kann, fi­nan­zi­ell ab­zu­gel­ten. Bei der Fra­ge, in wel­chem Um­fang Ur­laub ab­zu­gel­ten ist, ist § 7 Abs. 3 BUrIG zu berück­sich­ti­gen. Nach die­ser Vor­schrift muss Ur­laub' im lau­fen­den Ka­len­der­jahr gewährt und ge­nom­men wer­den. Ei­ne Über­tra­gung des Ur­laubs auf das nächs­te Ka­len­der­jahr ist nur statt­haft, wenn, drin­gen­de be­trieb­li­che oder in der Per­son des Ar­beit­neh­mers lie­gen­de Gründe dies recht­fer­ti­gen. Für den Fall der Über­tra­gung muss der Ur­laub in den ers­ten drei Mo­na­ten des fol­gen­den Ka­len­der­jah­res gewährt und ge­nom­men wer­den. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat die­se Re­ge­lung seit 1982 in ständi­ger Recht­spre­chung zunächst da­hin­ge­hend aus­ge­legt,' dass der Ur­laubs­an­spruch nur im Ur­laubs­jahr und ggf. bei Vor­lie­gen der be­son­de­ren in § 7 Abs. 3 BUrIG ge­nann­ten Merk­ma­le darüber hin­aus noch im Über­tra­gungs­zeit­raum be­ste­he, da­nach aber erlösche. Nach der ge­setz­li­chen Re­ge­lung in §.1 und § 7 Abs. 3 BUrIG be­ste­he der Ur­laubs­an­spruch im Ur­laubs­jahr, nicht für das Ur­laubs­jahr (BAG, Ur­teil vom 13.05.1982 - 6 AZR 360/80 - zu II 4 b bis e der Gründe; ErfK/Dörner, 10. Auf­la­ge § 7 BurtG Rd­Nr. 38 ff. m. w. Nachw.; BAG, Ur­teil vom 26. Ju­ni 1969 ¬5 AZR 393/68 -). Mit Aus­nah­me der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses sei der fi­nan­zi­el­le Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch an die­sel­ben Vor­aus­set­zun­gen ge­bun­den, wie der Ur­laubs­an­spruch selbst (vgl. nur BAG, Ur­teil vom 21. Ju­ni 2005 - 9 AZR 200/04. ¬zu 11 1 a der Gründe; Ur­teil vom 10. Mai 2005 - 9 AZR 253/04 - zu III 2 a der Gründe). Aus die­sem Gleich­lauf fol­ger­te das Bun­des­ar­beits­ge­richt wei­ter, dass sich der ge­setz­li­che Ur­laubs­an­spruch bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht in den Er­satz ei­nes Ab­gel­tungs­an­spruchs nach § 7 Abs. 4 BUrIG um­wan­de­le, wenn der Ur­laubs­an­spruch am En­de des Ur­laubs­jah­res oder - im Fall der Über­tra­gung - am En­de des Über­tra­gungs­zeit­raums nicht erfüll­bar ge­we­sen wäre. Der Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch erlösche in die­sem Fall eben­so wie der Ur­laubs­an­spruch selbst. Erfüll­bar war der Ur­laubs­an­spruch nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ins­be­son­de­re auch dann nicht, wenn der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer den Ur­laub we­gen krank­heits­be­ding­ter Ar­beits­unfähig­keit nicht während des Be­zugs- und des Über­tra­gungs­zeit­raums gewähren konn­te, weil der Ar­beit­neh­mer bis zum En­de des Über­tra­gungs­zeit­raums ar­beits­unfähig. blieb (BAG, Ur­teil vom 13.05.1982 - 6 AZR 360/80 -).

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b) An die­sen Grundsätzen kann nicht fest­ge­hal­ten wer­den. Die Kam­mer schließt sich voll­umfäng­lich den Ausführun­gen an, mit de­nen das Bun­des­ar­beits­ge­richt sei­ne Recht­spre­chung in­so­fern mo­di­fi­ziert hat (BAG, Ur­teil vom 24.03.2009 - 9 AZR 983/07 -). Da­nach gilt: Die Aus­le­gung, die § 7 Abs. 3 und 4. BUrIG in der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts für Fälle krank­heits­be­ding­ter Ar­beits­unfähig­keit er­fah­ren hat, die bis zum En­de des Ur­laubs­jah­res und/oder des Über­tra­gungs­zeit­raums an­dau­er­te, wi­der­spricht se­kundärem Ge­mein­schafts­recht. Das folgt aus dem Ur­teil des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten vom 20. Ja­nu­ar 2009 (- C-350106 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 2003/88 Nr. 1). Dort hat der EuGH in Aus­le­gung von Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (sog. Ar­beits­zeit­richt­li­nie, ABI. EG Nr. L 299 vom 18. No­vem­ber 2003 S. 9) im Rah­men ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung nach Art. 234 EG der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ent­ge­gen­ste­hen­de Rechtssätze auf­ge­stellt. Die­se Aus­le­gungs­er­geb­nis­se sind für die Kam­mer in­halt­lich ver­bind­lich. Der EuGH ist als ge­setz­li­cher Rich­ter im Sin­ne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zur endgülti­gen Ent­schei­dung über die Aus­le­gung des Ge­mein­schafts­rechts be­ru­fen (vgl. nur BVerfG, Be­schluss vom 22. Ok­to­ber 1986 - 2 BvR 197/83 - [So­lan­ge II] zu B I 1 a der Gründe; BVerwG, Be­schluss 10. No­vem­ber 2000 - 3 C 3.00 - zu 3.1 der Gründe). An­ge­sichts der Bin­dung an die Aus­le­gungs­er­geb­nis­se des zuständi­gen Ge­richts der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten hat die Kam­mer nicht aus­zuführen, ob sie der Aus­le­gung des EuGH zu­stimmt.

Art. 7 Abs. 1 der Richt­li­nie 2003/88/EG ist "da­hin aus­zu­le­gen, dass er ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten oder Ge­pflo­gen­hei­ten ent­ge­gen­steht, nach de­nen der An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub bei Ab­lauf des Be­zugs­zeit­raums und/oder ei­nes im na­tio­na­len Recht fest­ge­leg­ten Über­tra­gungs­zeit­raums auch dann er­lischt, wenn der Ar­beit­neh­mer während des gesarhten Be­zugs­zeit­raums oder ei­nes Teils da­von krank­ge­schrie­ben war und sei­ne Ar­beits­unfähig­keit bis zum En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses fort­be­stand, wes­halb er sei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nicht ausüben konn­te" (EuGH, Ur­teil vom 20. Ja­nu­ar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Rn. 33 und 52).

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Art. 7 Abs. 1 der Ar­beits­zeit­richt­li­nie steht ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung, die für die Ausübung des mit der Richt­li­nie aus­drück­lich ver­lie­he­nen An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub Mo­da­litäten vor­sieht, nicht ent­ge­gen. Die­se Mo­da­litätän können so­gar den Ver­lust des An­spruchs am En­de des Be­zugs­zeit­raums oder ei­nes Über­tra­gungs­zeit­raums be­inhal­ten. Das gilt al­ler­dings nur un­ter der Vor­aus­set­zung, dass der Ar­beit­neh­mer tatsächlich die Möglich­keit hat­te, den ihm. von der Richt­li­nie ver­lie­he­nen Ur­laubs­an­spruch aus­zuüben (vgl. EuGH, Ur­teil vom 20. Ja­nu­ar 2009 - C-350106 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Rd­Nr. 43).

c) In An­wen­dung die­ser Grundsätze ist § 7 Abs. 3 und 4 BUrIG so zu ver­ste­hen, dass ge­setz­li­che Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche nicht erlöschen, wenn Ar­beit­neh­mer bis zum En­de des Ur­laubs­jah­res und/oder des Über­tra­gungs­zeit­raums er­krankt und des­we­gen ar­beits­unfähig sind. Das ent­spricht Wort­laut, Sys­te­ma­tik und Zweck der in­ner­staat­li­chen Re­ge­lun­gen, wenn die Zie­le des Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richt­li­nie 2003/88/EG und der re­gelmäßig an­zu­neh­men­de Wil­le des na­tio­na­len Ge­setz­ge­bers zur ord­nungs­gemäßen Um­set­zung von Richt­li­ni­en berück­sich­tigt wer­den (für ei­ne ge­bo­te­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung von § 7 Abs. 3 und 4 BUrIG LAG Düssel­dorf 2. Fe­bru­ar 2009 - 12 Sa 486106 zu B II der Gründe, in dem auf die Vor­ab­ent­schei­dung des EuGH in der Sa­che Schultz-Hoff er­gan­ge­nen Be­ru­fungs­ur­teil).

d) Die­se Grundsätze gel­ten in ers­ter Li­nie für den ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub nach dem BUr1G. Die Par­tei­en des Ein­zel­ar­beits­ver­trags können Ur­laubs- und Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Ar­beits­zeit­richt­li­nie gewähr­leis­te­ten und von § 3 Abs. 1 BUrIG be­gründe­ten Min­dest­jah­res­ur­laubs­an­spruch von vier Wo­chen über­stei­gen, frei re­geln. Ih­re Re­ge­lungs­macht ist nicht durch die für ge­setz­li­che Ur­laubs­ansprüche er­for­der­li­che richt­li­ni­en­kon­for­me Fort­bil­dung des § 7 Abs. 3 und 4 BUrIG be­schränkt.

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Dem ein­zel­ver­trag­lich an­ge­ord­ne­ten Ver­fall des über­ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruchs und sei­ner Ab­gel­tung steht nach dem kla­ren Richt­li­ni­en­recht und der ge­si­cher­ten Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs kein Ge­mein­schafts­recht ent­ge­gen (vgl. zu die­sen Er­for­der­nis­sen für ei­ne ei­ge­ne Aus­le­gung des Ge­mein­schafts­rechts durch das na­tio­na­le Ge­richt EuGH, Ur­teil vom 6. Ok­to­ber 1982 - C-283181 - [C.I.L.F.I.T.1 Rn. 13 ff., Sig. 1982, 3415). Für ei­nen Re­ge­lungs­wil­len der Par­tei­en des Ein­zel­ar­beits­ver­trags, der zwi­schen ge­setz­li­chen und über­ge­setz­li­chen ver­trag­li­chen Ansprüchen un­ter­schei­det, müssen im Rah­men der Aus­le­gung nach §§ 133, 157 BGB deut­li­che An­halts­punk­te be­ste­hen, wo­von nur im Aus­nah­me­fall aus­ge­gan­gen wer­den kann (BAG, Ur­teil vom 24.03.2009 - 9 AZR 983/07 - Rd­Nr. 81, 84 - Ju­ris).

e) Ar­beit­ge­bern ist im Hin­blick auf die frühe­re Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zur Ur­laubs­ab­gel­tung bei lang­an­dau­ern­der Krank­heit kein Ver­trau­ens­schutz zu­zu­bil­li­gen. Dies gilt nicht nur für die Zeit nach dem Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen des LAG Düssel­dorf im Jah­re 2006, das zur erwähn­ten Ent­schei­dung des EuGH in der Rechts­sa­che Schultz-Hoff führ­te (vgl. LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 29.04.2010 - 11 Sa 64/09 -).

Nach der neue­ren Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG, Ur­teil vom 23.03.2010 - 9 AZR 128/09 -), der sich die Kam­mer voll­umfäng­lich an­sch­ließt, gilt fol­gen­des: Die langjähri­ge Recht­spre­chung der Ur­laubs­se­na­te des Bun­des­ar­beits­ge­richts, die seit 1982 vom Ver­fall von Ur­laubs(-ab­gel­tungs)ansprüchen bei fort­dau­ern­der Ar­beits­unfähig­keit bis zum En­de des Über­tra­gungs­zeit­raums aus­ging, war zwar ge­eig­net, Ver­trau­en der Ar­beit­ge­ber­sei­te auf die Fort­dau­er die­ser Recht­spre­chung zu be­gründen. Die Ver­trau­ens­grund­la­ge ent­fiel aber mit Ab­lauf der Um­set­zungs­frist für die ers­te Ar­beits­zeit­richt­li­nie 93/104/EG am 23. No­vem­ber 1996. Seit dem 24. No­vem­ber 1996 war das Ver­trau­en von Ar­beit­ge­bern auf den Fort­be­stand der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung nicht länger schutzwürdig (zu der nöti­gen zwei­stu­fi­gen Prüfung nach Ver­trau­ens­grund­la­ge und Schutzwürdig­keit des Ver­trau­ens z. B. Höpfner, RdA 2006, 156, 157 ff.).

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aa) Däs Uni­ons­recht bin­det die na­tio­na­le Rechts­an­wen­dung grundsätz­lich mit sei­nem In­kraft­tre­ten. Für Richt­li­ni­en gilt das (spätes­tens) mit Ab­lauf der Um­set­zungs­frist. Die ein­zel­staat­li­chen Ge­rich­te sind ab die­sem Zeit­punkt ver­pflich­tet, das in­ner­staat­li­che Recht richt­li­ni­en­kon­form aus­zu­le­gen oder fort­zu­bil­den, um das in der Richt­li­nie fest­ge­leg­te Ziel zu er­rei­chen und da­mit Art. 288 Abs. 3 AE.UV zu genügen (vgl. z. B. EuGH Ur­teil vom 16. Ju­li 2009 - C-12108 - Rd­Nr. 60). Ei­ne Rechts­fort­bil­dung ist uni­ons­recht­lich ge­bo­ten, wenn die na­tio­na­le Me­tho­den­leh­re die­ses In­stru­ment kennt.

bb) Na­tio­na­ler Ver­trau­ens­schutz in ei­ne be­ste­hen­de, vom Richt­li­ni­en­recht ab­wei­chen­de na­tio­na­le Recht­spre­chung ist .im Pri­vat­rechts­ver­kehr aus­nahms­wei­se an­zu­er­ken­nen, wenn das ein­zel­staat­li­che Recht der richt­li­ni­en­kon­for­men Rechts­fin­dung Gren­zen setzt. In die­sem Fall kann sich der na­tio­na­le Ver­trau­ens­schutz durch­set­zen. Die­ses sel­te­ne und nur aus­nahms­wei­se an­zu­neh­men­de Er­geb­nis wird von der Rspr. des EuGH an­er­kannt (EuGH Ur­teil vom 16. Ju­li 2009 - C-12/08 - Rd­Nr. 61).

cc) Die Er­mitt­lung na­tio­na­len Ver­trau­ens­schut­zes muss eben­so wie die richt­li­ni­en­kon­for­me Rechts­fin­dung den grundsätz­li­chen Durch­set­zungs­an­spruch des Uni­ons­rechts be­ach­ten. Das Sys­tem meh­re­rer recht­li­cher Ebe­nen, die von Uni­ons­recht und na­tio­na­lem Recht ge­bil­det wer­den, ist dem Grund­ge­setz nicht • fremd. Zu Ge­setz und Recht, die die in­ner­staat­li­che Recht­spre­chung nach Art. 20 Abs. 3 GG bin­den, gehören die uni­ons­recht­li­chen Richt­li­ni­en­vor­ga­ben. Auch das In­kraft­tre­ten ei­ner Richt­li­nie ist ein ver­trau­ens­be­gründen­der Um­stand. Der durch die Richt­li­nie Begüns­tig­te kann sich auf die richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung oder Fort­bil­dung des na­tio­na­len Rechts ver­las­sen, ob­wohl die Richt­li­nie zwi­schen Pri­va­ten nicht un­mit­tel­bar wirkt (vgl. Rie­sen­hu­ber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21).

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dd) Für die Schutzwürdig­keit des Ver­trau­ens auf ei­ne bis­he­ri­ge richt­li­ni­en­wid­ri­ge na­tio­na­le Recht­spre­chung kommt es in dem Meh­re­be­nen­sys­tem von Uni­ons­recht und ein­zel­staat­li­chem Recht nicht (nur) dar­auf an, ob sich die Rechts­un­ter­wor­fe­nen über­wie­gend auf die• in­ner­staat­li­che Rechts­an­wen­dung ver­las­sen. Die Durch­set­zung des Uni­ons­rechts ist in gleich­wer­ti­ger Wei­se si­cher­zu­stel­len wie die Durch­set­zung des ein­zel­staat­li­chen Rechts .(sog. Äqui­va­lenz­grund­satz). Das be­deu­tet, dass das Ver­trau­en auf die Durch­set­zung uni­ons­recht­lich gewähr­leis­te­ter Rech­te eben­so zu schützen ist wie das • Ver­trau­en auf die Beständig­keit na­tio­na­ler Rechts­an­wen­dung. Die uni­ons­recht­lich verbürg­ten Rech­te dürfen im Er­geb­nis nicht leer­lau­fen (sog. Ef­fek­ti­vitäts­grund­satz). Das Uni­ons­recht ver­langt der na­tio­na­len Me­tho­den­leh­re da­her ab, sei­ne Durch­set­zung so weit wie möglich si­cher­zu­stel­len (vgl. Rie­sen­hu­ber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr..21).

ee) Da­mit kommt es nicht zu ei­ner „ver­kapp­ten" un­mit­tel­ba­ren Wir­kung von Richt­li­ni­en im Pri­vat­rechts­ver­kehr. Viel­mehr ist schützens­wer­tes Ver­trau­en auf ei­ne ein­zel­staat­li­che richt­li­ni­en­wid­ri­ge ständi­gen Recht­spre­chung we­gen der Mehr­glied­rig­keit von Uni­ons­recht und in­ner­staat­li­chem Recht nur aus­nahms­wei­se an­zu­neh­men. Na­tio­na­ler Ver­trau­ens­schutz setzt be­son­de­re Umstände vor­aus. Die richt­li­ni­en­wid­ri­ge Rechts­fin­dung darf nur im Aus­nah­me­fall fort­ge­setzt wer­den.

ff) Die nöti­gen be­son­de­ren Umstände für in­ner­staat­li­chen Ver­trau­ens­schutz wa­ren seit dem En­de der Um­set­zungs­frist für die ers­te Ar­beits­zeit­richt­li­nie 93/104/EG am 23. No­vem­ber 1996 nicht länger ge­ge­ben. Nach Ab­lauf der Um­set­zungs­frist • für die ers­te Ar­beits­zeit­richt­li­nie 93/104/EG am 23. No­vem­ber 1996 stan­den sich im recht­li­chen Meh­re­be­nen­sys­tem der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten (heu­te: der Eu­ropäischen Uni­on)" die Deu­tungs­ho­heit des EuGH für Art. 7 der Ar­beits­zeit­richt­li­nie und .die In­ter­pre­ta­ti­ons­kom­pe­tenz des Bun­des­ar­beits­ge­richts für das Bun­des­ur­laubs­ge­setz ge­genüber.

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Mit In­kraft­tre­ten von Art. 7 der ers­ten Ar­beits­zeit­richt­li­nie war un­klar, ob der EuGH die frühe­re Auf­fas­sung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, wo­nach Ur­laubs(-ab­gel­tungs)ansprüche bei Ar­beits­unfähig­keit bis zum En­de des Über­tra­gungs­zeit­raums un­ter­gin­gen, auf der Grund­la­ge des Richt­li­ni­en­rechts tei­len würde. Art. 7 der ers­ten Ar­beits­zeit­richt­li­nie traf nach Ab­lauf der Um­set­zungs­frist mit dem 23. No­vem­ber 1996 auf ei­ne seit über 14 Jah­ren be­ste­hen­de Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu §§ 1, 3 Abs. 1, § 7 BUrIG. Mit Ab­lauf der Um­set­zungs­frist für die ers­te Ar­beits­zeit­richt­li­nie im Jahr 1996 trat des­we­gen ei­ne ob­jek­ti­ve und be­deu­ten­de Un­si­cher­heit dar­in auf, wie § 7 BUrIG richt­li­ni­en­kon­form zu ver­ste­hen war. Der EuGH mach­te mit sei­ner ers­ten Ent­schei­dung BEC­TU zu Art. 7 der Ar­beits­zeit­richt­li­nie sei­ne Aus­le­gungs­kom­pe­tenz für das Uni­ons­recht deut­lich (Ur­teil vom 26. Ju­ni 2001 C-173/99 - Sig. 2002, 1-4881). Er trat dort im Ur­laubs­recht erst­mals ei­ner na­tio­na­len - bri­ti­schen - Aus­le­gung ur­laubs­recht­li­cher Pflich­ten ent­ge­gen. Hin­zu kommt, dass die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu § 7 Abs. 3 und 4 BUrIG bei Ar­beits­unfähig­keit nicht von je­her ein­heit­lich war. Der Fünf­te Se­nat, der vor 1982 für das Ur­laubs­recht zuständig . war, hat­te noch an­ge­nom­men, dass Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche bei krank­heits­be­ding­ter Ar­beits­unfähig­keit bis zum En­de des Über­tra­gungs­zeit­raums nicht ver­fie­len (grund­le­gend: Ur­teil vom 13. No­vem­ber 1969 - 5 AZR 82/69 - zu 2 der Gründe). Das Ver­trau­en dar­auf, dass § 7 Abs. 3 und 4 BUrIG bei krank­heits­be­ding­ter Ar­beits­unfähig­keit bis zum En­de des Über­tra­gungs­zeit­raums nicht richt­li­ni­en­kon­form aus­zu­le­gen oder fort­zu­bil­den sein würde, ist aus die­sen Gründen seit 1996 nicht mehr schutzwürdig.

f) Der Ur­laubs­ab­ge­i­tungs­an­spruch un­ter­liegt kei­ner Ver­fall­frist nach Art. 9 des Übe­r­ein­kom­mens Nr. 132 der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on vom 24.06.1970 (BGBl. 1975 II S. 746).

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aa) Gemäß Art. 9 Nr. 1 des ge­nann­ten Übe­r­ein­kom­mens ist der in Ar­ti­kel 8 Ab­satz 2 die­ses Übe­r­ein­kom­mens erwähn­te un­un­ter­bro­che­ne Teil des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs spätes­tens ein Jahr und der übri­ge Teil des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs spätes­tens acht­zehn Mo­na­te nach Ab­lauf des Jah­res, für das der Ur­laubs­an­spruch er­wor­ben wur­de, zu gewähren und zu neh­men. in der Recht­spre­chung wird er­wo­gen, in die­ser Be­stim­mung ei­ne mit § 7 Abs. 3 BUrIG ver­gleich­ba­re Aus­schluss­frist für Ur­laubs­ansprüche zu se­hen (LAG Hamm, Vor­la­ge­be­schluss zum EuGH vom 15.04.2010 - 16 Sa 1176109 -).

bb) Nach An­sicht der Kam­mer kommt Art. 9 Nr. 1 des Übe­r­ein­kom­mens. Nr. 132 der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on (IA0) vom 24.06.1970 kei­ne Be­deu­tung für den Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch zu. Zwar teilt die Kam­mer die Be­den­ken ge­gen die Fol­gen der Schultz-Hoff-Recht­spre­chung des EuGH. Ins­be­son­de­re ist nicht zu ver­ken­nen, dass die­se Ju­di­ka­tur die Stel­lung der Ar­beit­neh­mer in­so­fern ge­genüber der vor­ma­li­gen BAG-Li­nie ver­schlech­tert, als Ar­beit­ge­ber nun­mehr ge­neigt sein dürf­ten, lang­fris­tig er­krank­ten Ar­beit­neh­mern zur Ver­mei­dung von wei­te­ren Ur­laubs­ansprüchen zu kündi­gen. Pro­ble­ma­tisch ist aus Sicht .der Kam­mer wei­ter, dass ein Bedürf­nis für be­zahl­ten Ur­laub sich nicht oh­ne wei­te­res er­sch­ließt, wenn über ei­nen Zeit­raum von meh­re­ren Jah­ren über­haupt nicht ge­ar­bei­tet wur­de. Un­ge­ach­tet des­sen ist nach der­zei­ti­gen Stand der Recht­spre­chung und Ge­setz­ge­bung nicht da­von aus­zu­ge­hen, dass sich über Art. 9 Nr. 1 des Übe­r­ein­kom­mens Nr. 132 der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on oder an­der­wei­tig ei­ne zeit­li­che Be­schränkung der Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche bei Krank­heit er­rei­chen lässt.

Nach na­tio­na­lem Recht ist Art. 9 Abs. 1 des IA0-Übe­r­ein­kom­mens Nr. 132 vom 24.06.1970 kei­ne un­mit­tel­bar an­wend­ba­re völker­recht­li­che Norm. Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land hat dem Übe­r­ein­kom­men zwar durch Ge­setz vom 30.04.1975 zu­ge­stimmt.

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Hier­durch ist das Übe­r­ein­kom­men Nr. 132 al­ler­dings nicht in­ner­staat­li­ches Recht in dem Sin­ne ge­wor­den, dass sei­ne Vor­schrif­ten nor­ma­tiv auf al­le Ar­beits­verhält­nis­se in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ein­wir­ken (BAG; Ur­teil vom 07.12.1993 - 9 AZR 683/92 -). Die An­wend­bar­keit des Ab­kom­mens er­gibt sich auch nicht dar­aus, dass der EuGH in der Rechts­sa­che Schultz-Hoff zur Be­gründung sei­ner Rechts­an­sicht aus­geführt hat, dass die Richt­li­nie 2003/88 aus­weis­lich ih­res sechs­ten Erwägungs­grun­des den Grundsätzen der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on hin­sicht­lich der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung Rech­nung ge­tra­gen ha­be (EuGH, Ur­teil vom 20. Ja­nu­ar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Rd­Nr. 37). Viel­mehr spricht die­ser Um­stand ge­gen ei­ne An­wend­bar­keit des Art. 9 Nr. 1 des IAO-Übe­r­ein­kom­mens Nr. 132. Der EuGH hat sich im Wei­te­ren je­der Aus­sa­ge ent­hal­ten, ob und wie das na­tio­na­le Recht ei­ne an­de­re zeit­li­che Be­gren­zung als Ka­len­der­jahr und Über­tra­gungs­zeit­raum für den Fort­be­stand des nicht un­ter­ge­gan­ge­nen Ur­laubs­an­spruchs aus den Vor­jah­ren vor­se­hen kann. Ge­ra­de we­gen der Erwähnung des 1A0-Übe­r­ein­kom­mens an an­de­rer Stel­le wäre ei­ne aus­drück­li­che Aus­sa­ge zur Aus­schluss­frist des Art. 9 IAO-Übe­r­ein­kom­men zu er­war­ten ge­we­sen, wenn der EuGH die­ser Vor­schrift für den vor­lie­gen­den Zu­sam­men­hang Be­deu­tung bei­ge­mes­sen hätte. Dem­nach las­sen die Ent­schei­dungs­gründe des EuGH we­gen ih­rer in­so­weit deut­li­chen Dik­ti­on nur den Schluss zu, dass kei­ner­lei Be­gren­zung für den Fort­be­stand möglich ist.

g) Be­steht dem Grun­de nach ein An­spruch auf Ur­laubs­ab­gel­tung, ist die­ser der Höhe nach in An­leh­nung an § 13 BUrIG zu be­rech­nen. Bei ei­ner Fünf­ta­ge­wo­che ist der an­zu­set­zen­de Brut­to­mo­nats­ver­dienst mit drei (Mo­na­ten) zu mul­ti­pli­zie­ren, durch 13 (Wo­chen), so­dann durch fünf (Wo­chen­ar­beits­ta­ge) zu tei­len und mit der An­zahl der bei Be­en­di­gung of­fe­nen Ur­laubs­ta­ge zu mul­ti­pli­zie­ren (vgl. BAG, Ur­teil vom 23.03.2010 - 9 AZR 128/09 - Rd­Nr. 122).

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3. In An­wen­dung der vor­ste­hen­den Grundsätze steht der Kläge­rin der aus­ge­ur­teil­te Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch zu. Hier­an ändert sich nichts durch die dau­er­haf­te Er­kran­kung der Kläge­rin oder die zwi­schen 1982 und 2009 ent­ge­gen­ste­hen­de ständi­ge Recht­spre­chung des BAG. Bei 6 Beschäfti­gungs­jah­ren mit 30 Ur­laubs­ta­gen er­rech­net sich der aus­ge­ur­teil­te Be­trag (2000 x 3 : 13 : 5 x 180 = 16.615,38 €).

IV.

1. Die Kos­ten des Rechts­streits wa­ren ent­spre­chend dem Aus­maß des je­wei­li­gen Ob­sie­gens bzw. Un­ter­lie­gens hin­sicht­lich der je­wei­li­gen Anträge zu ver­tei­len, § 92 ZPO.

2. Die Fest­set­zung des Werts des Streit­ge­gen­stands be­ruht dem Grun­de nach auf § 61 Abs. 1 ArbGG und ent­spricht in der Höhe dem ad­dier­ten Streit­wert der Ein­zel­anträge.

- 26 -

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil können d. Par­tei­en Be­ru­fung ein­le­gen.

Wird das Ur­teil nicht in dem Um­fang an­ge­foch­ten, in dem d. Par­tei­en un­ter­le­gen sind, hängt die Zulässig­keit der Be­ru­fung da­von ab, dass der Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des 600,00 EUR über­steigt oder der Be­schwer­de­ge­gen­stand das Be­ste­hen, das Nicht­be­ste­hen oder die Kündi­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses be­trifft.

Die Ein­le­gung der Be­ru­fung hat bin­nen ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils schrift­lich beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg, Börsen­str. 6, 70174 Stutt­gart zu er­fol­gen. Die Be­ru­fungs­schrift muss die Be­zeich­nung des Ur­teils, ge­gen das die Be­ru­fung ge­rich­tet wird, so­wie die Erklärung, dass ge­gen die­ses Ur­teil Be­ru­fung ein­ge­legt wer­de, ent­hal­ten. Die Be­ru­fung ist, so­fern nicht be­reits in der Be­ru­fungs­schrift er­folgt, bin­nen zwei Mo­na­ten nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils schrift­lich ge­genüber dem Lan­des­ar­beits­ge­richt zu be­gründen.

Der Be­ru­fungskläger muss sich vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt durch ei­nen bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt ver­tre­ten las­sen, ins­be­son­de­re müssen Be­ru­fungs- und ei­ne ‚even­tu­el­le Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift von ei­nem sol­chen un­ter­zeich­net sein.

An sei­ne Stel­le kann auch ein Ver­tre­ter ei­nes Ver­ban­des (Ge­werk­schaf­ten, Ar­beit­ge­ber­ver­ei­ni­gun­gen) oder ei­nes Spit­zen­ver­ban­des (Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände) tre­ten, so­fern er kraft Sat­zung oder Voll­macht zur Ver­tre­tung be­fugt und die Par­tei Mit­glied des Ver­ban­des oder Spit­zen­ver­ban­des ist. An die Stel­le der vor­ge­nann­ten Ver­tre­ter können auch An­ge­stell­te ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner die­ser. Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, tre­ten, so­fern die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung der Ver­bands­mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt und der Ver­band für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet. Ist die Par­tei Mit­glied ei­nes Ver­ban­des oder Spit­zen­ver­ban­des, kann sie sich auch durch ei­nen Ver­tre­ter ei­nes an­de­ren Ver­ban­des oder An­ge­stell­ten ei­ner der oben ge­nann­ten ju­ris­ti­schen Per­so­nen mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung ver­tre­ten las­sen.

Mit der Be­ru­fungs­schrift soll ei­ne Aus­fer­ti­gung oder be­glau­big­te Ab­schrift des an­ge­foch­te­nen Ur­teils vor­ge­legt wer­den. Die Geschäfts­stel­le des Lan­des­ar­beits­ge­richts bit­tet, Schriftsätze in fünf­fa­cher Fer­ti­gung ein­zu­rei­chen.

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