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Urlaubsabgeltung nach langer Krankheit auch für Beamte
04.05.2012. Anfang 2009 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Grundsatzurteil, dass der Mindesturlaub von vier Wochen pro Jahr gemäß der Richtlinie 2003/88/EG nicht verfallen darf, wenn er wegen einer langfristen Krankheit nicht genommen werden konnte (EuGH, Urteil vom 20.01.2009, C-350/06 - Schultz-Hoff - zu den Auswirkungen dieses Urteils siehe Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub und Krankheit).
Die Hauptfolge des Schultz-Urteils besteht darin, dass langfristig erkrankte Arbeitnehmer bei Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses hohe Ansprüche auf Urlaubsabgeltung haben, da sie ja infolge ihrer Krankheit jahrelang keinen Urlaub nehmen konnten. Das ist im deutschen Arbeitsrecht im Prinzip anerkannt, nicht aber im Beamtenrecht - obwohl Beamte unstreitig als "Arbeitnehmer" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG anzusehen sind. Daher hatte das Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt am Main Mitte 2010 den EuGH gefragt, ob das Schultz-Hoff-Urteil auch für Beamte gilt (Beschluss vom 25.06.2010, 9 K 836/10.F - wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 10/200 Urlaubsabgeltung für langzeitig erkrankte Beamte?)
Gestern hat der EuGH sein Urteil in dieser Sache gesprochen und bestätigt, dass auch langzeitig erkrankte Beamte bei ihrer Pensionierung Urlaubsabgeltung verlangen können (EuGH, Urteil vom 03.05.2012, C-337/10 - Neidel gg. Frankfurt).
- Urlaubsabgeltung für Beamte, die nach langer Krankheit in den Ruhestand treten - eurparechtlich geboten, beamtenrechtlich ausgeschlossen?
- Der Streitfall: Der Hauptbrandmeister Georg Neidel verlangt von der Stadt Frankfurt am Main Urlaubsabgeltung
- EuGH: Beamte haben können bei Pensionierung Urlaubsabgeltung verlangen, wenn sie zuvor aus Krankheitsgründen ihren vierwöchigen Mindesturlaub nicht nehmen konnten
Urlaubsabgeltung für Beamte, die nach langer Krankheit in den Ruhestand treten - eurparechtlich geboten, beamtenrechtlich ausgeschlossen?
Artikel 7 Abs.1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG) schreibt vor, dass jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Jahresurlaub von mindestens vier Wochen haben muss.
Wie erwähnt stellte der EuGH 2009 klar, dass der Verfall von Resturlaubsansprüchen infolge längerer Krankheit mit dem Europarecht unvereinbar ist, da sonst der von der Richtlinie 2003/88/EG bezweckte Erholungszweck nicht erreicht würde. Krankheitsbedingt nicht genommener Urlaub darf daher nicht verfallen, sondern muss ohne zeitliche Begrenzung auf die Folgejahre übertragen werden (EuGH, Urteil vom 20.01.2009, C-350/06 - Schultz-Hoff - wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell 09/023: Bei dauerhafter Krankheit kein Verfall von Resturlaubsansprüchen). Endet das Arbeitsverhältnis nach jahrelanger Krankheit, ist daher ein im Laufe der Zeit immer größer gewordener Resturlaubsanspruch abzugelten.
Die deutschen Arbeitsgerichte setzen das Schultz-Hoff-Urteil des EuGH rasch um, allen voran das Bundesarbeitsgericht (BAG) Anfang 2009 (BAG, Urteil vom 24.03.2009, 9 AZR 983/07, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell 09/057: Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes entsprechend dem Schultz-Hoff-Urteil des EuGH und in: Arbeitsrecht aktuell 09/126: Kein Verfall von Resturlaubsansprüchen infolge von Krankheit seit dem 02.08.2006).
Anders als die Arbeitsgerichte hielten die meisten deutschen Verwaltungsgerichte aber trotz des Schultz-Hoff-Urteils daran fest, dass es für langjährig erkrankte Beamte keine Urlaubsabgeltung bei Eintritt in den Ruhestand geben könne. Dabei beriefen sie sich auf die deutschen Beamtengesetze, denen zufolge das Beamtenverhältnis mit dem Eintritt in den Ruhestand nicht endet, sowie auf die gute soziale Gesamt-Absicherung von Beamten. Diese Auffassung steht aber auf wackligen Füßen, da die Richtlinie 2003/88/EG unzweifelhaft auch Beamte erfasst.
Das VG Frankfurt am Main war hier vor zwei Jahren anderer Meinung. Es fragte daher den EuGH, ob ein pensionierter Beamter Urlaubsabgeltung auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG verlangen kann, wenn er wegen langer Krankheit nicht in der Lage war, seinen Urlaub zu nehmen (Beschluss vom 25.06.2010, 9 K 836/10.F).
Der Streitfall: Der Hauptbrandmeister Georg Neidel verlangt von der Stadt Frankfurt am Main Urlaubsabgeltung
Im Streitfall arbeitete der Feuerwehrbeamter Georg Neidel seit 1970 im Dienst der Stadt Frankfurt am Main. Seit Mitte Juni 2007 war er ohne Unterbrechung arbeitsunfähig krank. Ende August 2009 trat er in den Ruhestand. Von 2007 bis 2009 konnte er krankheitsbedingt keinen Urlaub nehmen, so dass sich 86 Urlaubstage angesammelt hatten.
Das ergab in Geld fast 17.000,00 EUR brutto, deren Auszahlung Herr Neidel verlangte. Da die Stadt diesen Anspruch zurückwies, zog er vor das Verwaltungsgericht Frankfurt und klagte den Betrag ein, wobei er sich auf das Schultz-Hoff-Urteil des EuGH berief.
EuGH: Beamte haben können bei Pensionierung Urlaubsabgeltung verlangen, wenn sie zuvor aus Krankheitsgründen ihren vierwöchigen Mindesturlaub nicht nehmen konnten
Wie der EuGH gestern entschied, hatte Herr Neidel im Prinzip recht. Denn er untersteht als Beamter dem Schutz der Richtlinie 2003/88/EG, und es ist auch nicht zu bezweifeln, dass sein "Arbeitsverhältnis" mit Eintritt in den Ruhestand beendet wird, so der EuGH. Würde dann der Urlaub ersatzlos infolge der langjährigen Erkrankung ersatzlos verfallen, würde das dem Schutzzweck der Richtlinie 2003/88/EG nicht gerecht werden.
Dabei macht der EuGH allerdings zwei Einschränkungen:
Erstens garantiert die Richtlinie 2003/88/EG nur einen jährlichen Mindesturlaub von vier Wochen. Haben Arbeitnehmer oder Beamte einen längeren Urlaubsanspruch, kann der Urlaub, der über die vier Wochen hinausgeht, auch bei Krankheit ersatzlos verfallen, wenn das jeweils einschlägige Recht der EU-Mitgliedsstaaten dies vorsieht.
Zweitens verweist der EuGH auf sein Urteil in dem Streitfall KHS gg. Schulte (EuGH, Urteil vom 22.11.2011, C-214/10 - KHS gg. Schulte - wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell 11/234 Urlaub und Krankheit: Krankheitsbedingt nicht genommener Urlaub kann nach 15 Monaten verfallen). In diesem Urteil hat der EuGH sein Schultz-Hoff-Urteil in einem wesentlichen Punkt eingeschränkt und zugunsten der Arbeitgeberseite klargestellt, dass die Richtlinie 2003/88/EG kein "endloses" Ansammeln von Urlaubsansprüchen verlangt. Vielmehr ist es europarechtlich in Ordnung, wenn nationale Rechtsvorschriften oder Tarifverträge einen Verfall von Urlaubsansprüchen auch in Krankheitsfällen vorsehen, solange diese Urlaubsansprüche nur für eine "deutlich" längere Zeit als ein Jahr aufrecht erhalten werden.
Fazit: Das jetzige EuGH-Urteil überrascht nicht. Der EuGH hat nämlich schon vor gut einem Jahr klargestellt, dass Dienstordnungsangestellte nach langer Erkrankung Urlaubsabgeltung verlangen können; Dienstordnungsangestellte sind Arbeitnehmer, die auf arbeitsvertraglicher Grundlage wie Beamte beschäftigt werden: EuGH, Beschluss vom 07.04.2011, C-519/09 - May - wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 11/143 Urlaubsabgeltung für Beamte.
Treten Beamte nach langer Krankheit in den Ruhestand, kann ihnen eine Urlaubsabgeltung also künftig nicht mehr mit dem Argument verweigert werden, die Richtlinie 2003/88/EG gelte gar nicht für sie. Betroffene Beamte sollten daher unter Berufung auf die May-Entscheidung und das jetzt ergangene Neidel-Urteil des EuGH Urlaubsabgeltung verlangen - und notfalls vor dem Verwaltungsgericht einklagen.
Allerdings haben es die Anstellungskörperschaften in der Hand, die beamtenrechtlichen Vorschriften so zu ändern, dass die Absicherung von Urlaubsansprüchen in Krankheitsfällen zeitlich beschränkt wird, z.B. auf 18 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres. Ohne solche beamtenrechtlichen Vorschriften können langfristig erkrankte Beamten aber ohne zeitliche Beschränkung Urlaubsansprüche ansammeln und bei Beginn ihres Ruhestandes als Urlaubsabgeltung einfordern.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 03.05.2012, C-337/10 - Neidel gg. Frankfurt
- Europäischer Gerichtshof, Pressemitteilung Nr. 57/12, vom 03.05.2012
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 22.11.2011, C-214/10 - KHS gg. Schulte
- Europäischer Gerichtshof, Beschluss vom 07.04.2011, C-519/09 - May
- Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.06.2010, 9 K 836/10.F
- Arbeitsgericht Wuppertal, Beschluss vom 19.11.2009, 7 Ca 2453/09
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub, Urlaubsanspruch
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub und Krankheit
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaubsabgeltung
- Arbeitsrecht aktuell 12/159 Urlaub bei langer Krankheit
- Arbeitsrecht aktuell 11/234 Urlaub und Krankheit: Krankheitsbedingt nicht genommener Urlaub kann nach 15 Monaten verfallen
- Arbeitsrecht aktuell 11/143 Urlaubsabgeltung für Beamte
- Arbeitsrecht aktuell 10/135: Urlaubsabgeltung auch für Beamte?
- Arbeitsrecht aktuell 10/200 Urlaubsabgeltung für langzeitig erkrankte Beamte?
- Arbeitsrecht aktuell 10/029: Urlaubsabgeltung nach langer Krankheit: Auch für Beamte und Dienstordnungsangestellte?
- Arbeitsrecht aktuell 09/126: Kein Verfall von Resturlaubsansprüchen infolge von Krankheit seit dem 02.08.2006
- Arbeitsrecht aktuell 09/057: Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes entsprechend dem Schultz-Hoff-Urteil des EuGH
- Arbeitsrecht aktuell 09/023: Bei dauerhafter Krankheit kein Verfall von Resturlaubsansprüchen
Letzte Überarbeitung: 16. November 2020
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