HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Be­schluss vom 07.04.2011, C-519/09 - May

   
Schlagworte: Krankheit, Urlaub: Krankheit, Urlaub, Beamter, Arbeitnehmer
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-519/09
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 07.04.2011
   
Leitsätze: Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass der Begriff des Arbeitnehmers einen Angestellten einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung der sozialen Sicherheit einschließt, für den u. a. hinsichtlich seines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub die auf einen Beamten anwendbaren Vorschriften gelten.
Vorinstanzen:
   

BESCHLUSS DES GERICH­TSHOFS (Fünf­te Kam­mer)

7. April 2011(*)

„Art. 104 § 3 Abs. 1 der Ver­fah­rens­ord­nung – So­zi­al­po­li­tik – Ar­beits­zeit­ge­stal­tung – Richt­li­nie 2003/88/EG – Persönli­cher Gel­tungs­be­reich – Jah­res­ur­laub, der mit ei­nem Krank­heits­ur­laub zu­sam­menfällt – Ab­gel­tungs­zah­lung bei Krank­heit – Be­griff des Ar­beit­neh­mersAr­beit­neh­mer, auf die die für Be­am­te gel­ten­de Jah­res­ur­laubs­re­ge­lung an­wend­bar ist (‚Dienst­ord­nungs­an­ge­stell­te‘)“

In der Rechts­sa­che C-519/09

be­tref­fend ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nach Art. 267 AEUV, ein­ge­reicht vom Ar­beits­ge­richt Wup­per­tal (Deutsch­land) mit Ent­schei­dung vom 19. No­vem­ber 2009, beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 14. De­zem­ber 2009, in dem Ver­fah­ren

Die­ter May

ge­gen

AOK Rhein­land/Ham­burg – Die Ge­sund­heits­kas­se

erlässt

DER GERICH­TSHOF (Fünf­te Kam­mer)

un­ter Mit­wir­kung des Kam­mer­präsi­den­ten J.‑J. Ka­sel so­wie der Rich­ter E. Le­vits (Be­richt­er­stat­ter) und M. Saf­jan,

Ge­ne­ral­anwältin: V. Trs­ten­jak,

Kanz­ler: A. Ca­lot Es­co­bar,

gemäß Art. 104 § 3 Abs. 1 der Ver­fah­rens­ord­nung, wo­nach der Ge­richts­hof durch mit Gründen ver­se­he­nen Be­schluss ent­schei­den kann,

nach Anhörung der Ge­ne­ral­anwältin

fol­gen­den

Be­schluss

1

Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­trifft die Aus­le­gung von Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (ABl. L 299, S. 9).

2

Es er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits zwi­schen Herrn May und sei­ner ehe­ma­li­gen Ar­beit­ge­be­rin, der AOK Rhein­land/Ham­burg – Die Ge­sund­heits­kas­se (im Fol­gen­den: AOK), we­gen der Zah­lung ei­ner fi­nan­zi­el­len Vergütung für die Ta­ge des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs, die er in den Jah­ren 2006 und 2007 nicht neh­men konn­te.

Recht­li­cher Rah­men

Uni­ons­recht

3

Art. 1 der Richt­li­nie 2003/88 be­stimmt:

„Ge­gen­stand und An­wen­dungs­be­reich

(1) Die­se Richt­li­nie enthält Min­dest­vor­schrif­ten für Si­cher­heit und Ge­sund­heits­schutz bei der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung.

(2) Ge­gen­stand die­ser Richt­li­nie sind

a) … der Min­dest­jah­res­ur­laub …

(3) Die­se Richt­li­nie gilt un­be­scha­det ih­rer Ar­ti­kel 14, 17, 18 und 19 für al­le pri­va­ten oder öffent­li­chen Tätig­keits­be­rei­che im Sin­ne des Ar­ti­kels 2 der Richt­li­nie 89/391/EWG [des Ra­tes vom 12. Ju­ni 1989 über die Durchführung von Maßnah­men zur Ver­bes­se­rung der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer bei der Ar­beit (ABl. L 183, S. 1)].“

…“

4

Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 lau­tet:

Jah­res­ur­laub

(1) Die Mit­glied­staa­ten tref­fen die er­for­der­li­chen Maßnah­men, da­mit je­der Ar­beit­neh­mer ei­nen be­zahl­ten Min­dest­jah­res­ur­laub von vier Wo­chen nach Maßga­be der Be­din­gun­gen für die In­an­spruch­nah­me und die Gewährung erhält, die in den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten und/oder nach den ein­zel­staat­li­chen Ge­pflo­gen­hei­ten vor­ge­se­hen sind.

(2) Der be­zahl­te Min­dest­jah­res­ur­laub darf außer bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht durch ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung er­setzt wer­den.“

5

Art. 17 der Richt­li­nie 2003/88 er­laubt den Mit­glied­staa­ten, von ei­ni­gen Vor­schrif­ten der Richt­li­nie ab­zu­wei­chen. Ei­ne Ab­wei­chung von Art. 7 der Richt­li­nie ist nicht zu­ge­las­sen.

6 Der An­wen­dungs­be­reich der Richt­li­nie 89/391 ist in ih­rem Art. 2, auf den Art. 1 Abs. 3 der Richt­li­nie ver­weist, fest­ge­legt. Dort heißt es:

„(1) Die­se Richt­li­nie fin­det An­wen­dung auf al­le pri­va­ten oder öffent­li­chen Tätig­keits­be­rei­che (ge­werb­li­che, land­wirt­schaft­li­che, kaufmänni­sche, ver­wal­tungsmäßige so­wie dienst­leis­tungs- oder aus­bil­dungs­be­zo­ge­ne, kul­tu­rel­le und Frei­zeittätig­kei­ten usw.).

(2) Die­se Richt­li­nie fin­det kei­ne An­wen­dung, so­weit dem Be­son­der­hei­ten be­stimm­ter spe­zi­fi­scher Tätig­kei­ten im öffent­li­chen Dienst, z. B. bei den Streit­kräften oder der Po­li­zei, oder be­stimm­ter spe­zi­fi­scher Tätig­kei­ten bei den Ka­ta­stro­phen­schutz­diens­ten zwin­gend ent­ge­gen­ste­hen.

…“

Na­tio­na­les Recht

7

Die Ver­ord­nung über den Er­ho­lungs­ur­laub der Be­am­tin­nen und Be­am­ten und Rich­te­rin­nen und Rich­ter im Lan­de Nord­rhein‑West­fa­len (Er­ho­lungs­ur­laubs­ver­ord­nung) in der Fas­sung vom 14. Sep­tem­ber 1993 be­stimmt in ih­rem § 8:

„Der Er­ho­lungs­ur­laub soll im Lau­fe des Ur­laubs­jah­res nach Möglich­keit voll aus­ge­nutzt wer­den. Der Ur­laub ist auf Wunsch ge­teilt zu gewähren; je­doch ist im All­ge­mei­nen die Tei­lung in mehr als zwei Ab­schnit­te zu ver­mei­den.

Ur­laub, der nicht in­ner­halb von neun Mo­na­ten nach dem En­de des Ur­laubs­jah­res in An­spruch ge­nom­men wor­den ist, verfällt. [Be­ginnt oder en­det das Be­am­ten­verhält­nis im Lau­fe des Ur­laubs­jah­res] verfällt der Ur­laub erst am En­de des fol­gen­den Jah­res.“

8

8 Die Dienst­ord­nung für die An­ge­stell­ten der AOK Rhein­land in der Fas­sung vom 1. Ja­nu­ar 1999 be­stimmt in ih­rem § 20 Abs. 1:

„So­weit nicht durch be­son­de­re ge­setz­li­che Vor­schrif­ten oder in die­ser Dienst­ord­nung et­was an­de­res be­stimmt ist, gel­ten für die An­ge­stell­ten und für die Ver­sor­gungs­empfänger ent­spre­chend oder sinn­gemäß die je­wei­li­gen Vor­schrif­ten über Lan­des­be­am­te über:

f) Ur­laub.“

Aus­gangs­ver­fah­ren und Vor­la­ge­fra­ge

9

Herr May war vom 1. April 1966 bis 31. März 2009 bei der AOK beschäftigt. Vom 24. April 2006 bis zu sei­nem Aus­schei­den war er über­wie­gend ar­beits­unfähig er­krankt.

10

Herr May hat sei­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub für die Jah­re 2008 und 2009 ge­nom­men.

11

Mit sei­ner Kla­ge vor dem Ar­beits­ge­richt Wup­per­tal ver­langt Herr May ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für 11 Ta­ge des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs aus dem Jahr 2006 so­wie 28 sol­cher Ta­ge aus dem Jahr 2007, die er nicht neh­men konn­te.

12

Die AOK be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie macht gel­tend, dass ein An­ge­stell­ter ei­ner Kran­ken­kas­se des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len, der ei­ner Dienst­ord­nung un­ter­wor­fen sei, be­sol­det wer­de und da­her wie ein Lan­des­be­am­ter vergütet wer­de, der nach den in­ner­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten kei­nen An­spruch auf fi­nan­zi­el­le Vergütung von Jah­res­ur­laub bei Be­en­di­gung sei­nes Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses ha­be.

13

Nach An­sicht des vor­le­gen­den Ge­richts ergäbe sich ein An­spruch auf ei­ne sol­che fi­nan­zi­el­le Vergütung von Jah­res­ur­laub aus Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richt­li­nie 2003/88, wenn der dort ver­wen­de­te Be­griff des „Ar­beit­neh­mers“ auch ei­nen Dienst­ord­nungs­an­ge­stell­ten wie den Kläger des Aus­gangs­ver­fah­rens ein­sch­ließt.

14

Vor die­sem Hin­ter­grund hat das Ar­beits­ge­richt Wup­per­tal be­schlos­sen, das bei ihm anhängi­ge Ver­fah­ren aus­zu­set­zen und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­ge zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­zu­le­gen:

Um­fasst der Be­griff des Ar­beit­neh­mers im Sin­ne des Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richt­li­nie 2003/88 auch ei­nen Dienst­ord­nungs­an­ge­stell­ten ei­ner Körper­schaft des öffent­li­chen Rechts, de­ren auf­grund bun­des­ge­setz­li­cher Ermäch­ti­gung er­las­se­nes au­to­no­mes Sat­zungs­recht für die Ur­laubs­ansprüche des Dienst­ord­nungs­an­ge­stell­ten auf die für Be­am­te gel­ten­den Vor­schrif­ten des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len ver­weist?

Zur Vor­la­ge­fra­ge

15

Nach Art. 104 § 3 Abs. 1 sei­ner Ver­fah­rens­ord­nung kann der Ge­richts­hof, wenn die Ant­wort auf ei­ne zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­leg­te Fra­ge klar aus der Recht­spre­chung ab­ge­lei­tet wer­den kann, nach Anhörung des Ge­ne­ral­an­walts je­der­zeit durch ei­nen mit Gründen ver­se­he­nen Be­schluss ent­schei­den, der auf die be­tref­fen­de Recht­spre­chung ver­weist.

16

Die­se Vor­schrift ist in der vor­lie­gen­den Rechts­sa­che an­zu­wen­den.

17

Mit sei­ner Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob der Be­griff des Ar­beit­neh­mers im Sin­ne von Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 auch ei­nen An­ge­stell­ten ei­ner öffent­lich-recht­li­chen Ein­rich­tung der so­zia­len Si­cher­heit ein­sch­ließt, für den u. a. hin­sicht­lich sei­nes An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub die auf ei­nen Be­am­ten an­wend­ba­ren Vor­schrif­ten gel­ten.

18

In­so­weit ist zunächst fest­zu­stel­len, dass nach Art. 1 Abs. 3 der Richt­li­nie 2003/88 in Ver­bin­dung mit Art. 2 der Richt­li­nie 89/391, auf den der erst­ge­nann­te Ar­ti­kel ver­weist, bei­de Richt­li­ni­en für al­le pri­va­ten oder öffent­li­chen Tätig­keits­be­rei­che gel­ten, um die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer bei der Ar­beit zu ver­bes­sern und be­stimm­te As­pek­te der Ge­stal­tung ih­rer Ar­beits­zeit zu re­geln.

19

So hat der Ge­richts­hof be­reits ent­schie­den, dass der An­wen­dungs­be­reich der Richt­li­nie 89/391 weit zu ver­ste­hen ist und dem­zu­fol­ge die in ih­rem Art. 2 Abs. 2 Un­terabs. 1 vor­ge­se­he­nen Aus­nah­men eng aus­zu­le­gen sind (vgl. in die­sem Sin­ne u. a. Ur­tei­le vom 3. Ok­to­ber 2000, Si­map, C-303/98, Slg. 2000, I-7963, Rand­nrn. 34 und 35, so­wie vom 12. Ja­nu­ar 2006, Kom­mis­si­on/Spa­ni­en, C-132/04, Rand­nr. 22). Die­se Aus­nah­men sind nämlich al­lein zu dem Zweck er­las­sen wor­den, das ord­nungs­gemäße Funk­tio­nie­ren der Diens­te zu gewähr­leis­ten, die in Si­tua­tio­nen von be­son­de­rer Schwe­re und be­son­de­rem Aus­maß für den Schutz der öffent­li­chen Si­cher­heit, Ge­sund­heit und Ord­nung un­erläss­lich sind (Ur­teil vom 5. Ok­to­ber 2004, Pfeif­fer u. a., C-397/01 bis C-403/01, Slg. 2004, I‑8835, Rand­nr. 55).

20

Da bei ei­nem An­ge­stell­ten, der sich in ei­ner Si­tua­ti­on wie der des Klägers des Aus­gangs­ver­fah­rens be­fin­det, kei­ner die­ser Umstände vor­liegt, fällt die Tätig­keit ei­nes sol­chen An­ge­stell­ten in den An­wen­dungs­be­reich der Richt­li­nie 2003/88.

21

So­dann ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass der Be­griff „Ar­beit­neh­mer“ im Sin­ne von Art. 45 AEUV nach ständi­ger Recht­spre­chung ein au­to­no­mer Be­griff ist, der nicht eng aus­zu­le­gen ist. Als „Ar­beit­neh­mer“ ist je­der an­zu­se­hen, der ei­ne tatsächli­che und ech­te Tätig­keit ausübt, wo­bei Tätig­kei­ten außer Be­tracht blei­ben, die ei­nen so ge­rin­gen Um­fang ha­ben, dass sie sich als völlig un­ter­ge­ord­net und un­we­sent­lich dar­stel­len. Das we­sent­li­che Merk­mal des Ar­beits­verhält­nis­ses be­steht nach die­ser Recht­spre­chung dar­in, dass je­mand während ei­ner be­stimm­ten Zeit für ei­nen an­de­ren nach des­sen Wei­sung Leis­tun­gen er­bringt, für die er als Ge­gen­leis­tung ei­ne Vergütung erhält (vgl. u. a. Ur­tei­le vom 3. Ju­li 1986, La­wrie-Blum, 66/85, Slg. 1986, 2121, Rand­nrn. 16 und 17, vom 23. März 2004, Col­lins, C-138/02, Slg. 2004, I-2703, Rand­nr. 26, und vom 7. Sep­tem­ber 2004, Tro­ja­ni, C-456/02, Slg. 2004, I-7573, Rand­nr. 15).

22

Die vor­ste­hen­den Ausführun­gen des Ge­richts­hofs zum Be­griff des „Ar­beit­neh­mers“ im Sin­ne von Art. 45 AEUV gel­ten eben­falls für den Ar­beit­neh­mer­be­griff, der in Rechts­ak­ten nach Art. 288 AEUV ver­wen­det wird (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 17. Ju­li 2008, Rac­ca­nel­li, C-94/07, Slg. 2008, I-5939, Rand­nr. 27).

23

Die Vor­la­ge­ent­schei­dung enthält kei­nen An­halts­punkt, der Zwei­fel dar­an auf­kom­men las­sen könn­te, dass das Beschäfti­gungs­verhält­nis zwi­schen Herrn May und sei­ner Ar­beit­ge­be­rin, der AOK, die in Rand­nr. 21 des vor­lie­gen­den Be­schlus­ses ge­nann­ten Merk­ma­le ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses auf­weist.

24

Aus den vor­ste­hen­den Ausführun­gen er­gibt sich be­reits, dass die Vor­la­ge­fra­ge zu be­ja­hen ist; den­noch ist ab­sch­ließend noch dar­auf hin­zu­wei­sen, dass der Ge­richts­hof schon ent­schie­den hat, dass es man­gels jeg­li­cher Un­ter­schei­dung in der die Beschäfti­gung in der öffent­li­chen Ver­wal­tung be­tref­fen­den Aus­nah­me­klau­sel des Art. 45 Abs. 4 AEUV oh­ne Be­deu­tung ist, ob ein Ar­beit­neh­mer als Ar­bei­ter, An­ge­stell­ter oder Be­am­ter beschäftigt wird oder ob sein Beschäfti­gungs­verhält­nis öffent­li­chem oder pri­va­tem Recht un­ter­liegt. Die­se recht­li­chen Qua­li­fi­zie­run­gen können je nach den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten ver­schie­de­nen In­halt ha­ben und sind des­we­gen für die Bedürf­nis­se des Uni­ons­rechts als Aus­le­gungs­merk­mal un­ge­eig­net. (vgl. Ur­teil vom 12. Fe­bru­ar 1974, Sot­giu, 152/73, Slg. 1974, 153, Rand­nr. 5).

25

Der Vollständig­keit hal­ber sei an­ge­merkt, dass der Ge­richts­hof aus­drück­lich fest­ge­stellt hat, dass ein deut­scher Uni­ver­sitätspro­fes­sor un­abhängig vom Be­am­ten­sta­tus, den ihm das in­ner­staat­li­che Recht zu­weist, ein Ar­beit­neh­mer im Sin­ne von Art. 45 AEUV ist (vgl. in die­sem Sin­ne Be­schluss vom 10. März 2005, Mar­hold, C-178/04, Rand­nr. 19).

26

Nach al­le­dem ist fest­zu­stel­len, dass aus der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs klar her­vor­geht, dass ein bei ei­ner öffent­lich-recht­li­chen Ein­rich­tung An­ge­stell­ter wie der Kläger ein „Ar­beit­neh­mer“ im Sin­ne von Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 ist.

27

Folg­lich ist auf die Vor­la­ge­fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richt­li­nie 2003/88 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass der Be­griff des Ar­beit­neh­mers ei­nen An­ge­stell­ten ei­ner öffent­lich-recht­li­chen Ein­rich­tung der so­zia­len Si­cher­heit ein­sch­ließt, für den u. a. hin­sicht­lich sei­nes An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub die auf ei­nen Be­am­ten an­wend­ba­ren Vor­schrif­ten gel­ten.

Kos­ten

28

Für die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem bei dem vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streit; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts. Die Aus­la­gen an­de­rer Be­tei­lig­ter für die Ab­ga­be von Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof sind nicht er­stat­tungsfähig.

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Fünf­te Kam­mer) für Recht er­kannt:

Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung ist da­hin aus­zu­le­gen, dass der Be­griff des Ar­beit­neh­mers ei­nen An­ge­stell­ten ei­ner öffent­lich-recht­li­chen Ein­rich­tung der so­zia­len Si­cher­heit ein­sch­ließt, für den u. a. hin­sicht­lich sei­nes An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub die auf ei­nen Be­am­ten an­wend­ba­ren Vor­schrif­ten gel­ten.

Un­ter­schrif­ten


* Ver­fah­rens­spra­che: Deutsch.

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

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