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Haftung des Arbeitnehmers
Auf dieser Seite finden Sie Informationen zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmer auf Ersatz eines von ihnen verursachten Schadens haften und wie die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte den Umfang der Arbeitnehmerhaftung begrenzt.
Außerdem finden Sie Hinweise dazu, wann Arbeitnehmer für die Schädigung eines Kollegen haften und unter welchen Voraussetzungen sie vom Arbeitgeber Freistellung von ihrer Haftung gegenüber Dritten verlangen können.
von Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin
- Was kann Ihnen bei einem Schadensfall passieren?
- Wann sind Sie als Arbeitnehmer zum Schadensersatz verpflichtet?
- Wer muss das Verschulden des Arbeitnehmers im Schadensfall beweisen?
- Wie beschränkt das BGB Ihre Haftung als Arbeitnehmer?
- Wie beschränkt die Rechtsprechung Ihre Haftung als Arbeitnehmer?
- Wann liegt Vorsatz vor und wie wird der Schaden dann geregelt?
- Wann liegt grobe Fahrlässigkeit vor und wie wird der Schaden dann geregelt?
- Wann liegt "mittlere" Fahrlässigkeit vor und wie wird der Schaden dann geregelt?
- Wann liegt "leichteste" Fahrlässigkeit vor und wie wird der Schaden dann geregelt?
- Wann haften Sie für die Schädigung eines Kollegen?
- Wann können Sie "Freistellung" von Ihrem Arbeitgeber verlangen?
- Wann versagt der Freistellungsanspruch?
- Wo finden Sie mehr zum Thema Haftung des Arbeitnehmers?
- Was können wir für Sie tun?
Was kann Ihnen bei einem Schadensfall passieren?
Wenn Sie bei der Arbeit einen Schaden verursachen, d.h. Ihren Arbeitgeber, einen Kollegen oder eine betriebsfremde Person schädigen, wird sich Ihr Arbeitgeber vielleicht fragen, ob er Ihnen eine Abmahnung erteilen oder Sie sogar - ordentlich oder außerordentlich - kündigen kann.
Außerdem stehen Schadensersatzansprüche im Raum, d.h. es fragt sich, ob Sie vielleicht zum Ersatz des Schadens verpflichtet sind. Im folgenden geht es nur um die Haftung des Arbeitnehmers auf Schadensersatz.
Wann sind Sie als Arbeitnehmer zum Schadensersatz verpflichtet?
Arbeitnehmer haften ihrem Arbeitgeber im Prinzip unter den gleichen Voraussetzungen auf Schadensersatz, unter denen umgekehrt auch der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer schadensersatzpflichtig ist.
Konkret müssen Sie als Arbeitnehmer
- erstens gegen Ihre rechtlichen Pflichten verstoßen haben,
- zweitens durch den Pflichtverstoß einen Schaden verursacht haben, und
- drittens den Pflichtverstoß und den Schadenseintritt verschuldet haben, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Abweichend vom allgemeinen Schadensrecht verlangt das Bundesarbeitsgericht (BAG) zugunsten des Arbeitnehmers, dass sich sein Verschulden nicht nur auf den Pflichtverstoß, sondern auch auf die Schadensfolge bezieht.
Die erste Haftungsvoraussetzung ist in den meisten Fällen klar gegeben, da die arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten, die Sie als Arbeitnehmer treffen, weit gespannt sind. Auch Übermüdung, plötzliche Arbeitsüberlastung oder andere Umstände dieser Art ändern in aller Regel erst einmal nichts daran, dass praktisch jeder zum Schaden führende Fehler, den man als Arbeitnehmer machen kann, zugleich eine Verletzung rechtlicher Pflichten ist.
Auch die zweite Voraussetzung, der Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden, ist meistens gegeben, denn auf hohe oder geringe Wahrscheinlichkeiten oder auf andere "Schuldige" kommt es hier nicht an.
BEISPIEL: Ein Arbeitnehmer schließt abends weisungswidrig die Firmeneingangstür nicht ordentlich ab, doch ist ein Einbruch in dieser Gegend extrem unwahrscheinlich, da die Firma gegenüber einer Polizeiwache liegt. Trotzdem kommt es zum Einbruch durch unbekannte Täter und zu einem Schaden. In diesem Fall ändert weder die geringe Wahrscheinlichkeit eines Einbruchs noch die Tatsache, dass der Arbeitnehmer ja nicht der "wahre Schuldige" ist, etwas an der Kausalität zwischen Pflichtverstoß (unzureichendes Abschließen) und Schaden (Diebstahl von Firmeneigentum).
Auch die dritte Voraussetzung für die Schadensersatzpflicht des Arbeitnehmers - dass er nämlich vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat - ist vielen Fällen gegeben. Denn nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), das auch im Arbeitsrecht gilt, genügt schon der kleinste Verstoß gegen die "im Verkehr erforderliche Sorgfalt" dafür, dass man "fahrlässig" und somit schuldhaft gehandelt hat (§ 276 Abs.2 BGB).
BEISPIEL: Ein angestellter Kraftfahrer parkt den Firmentransporter bei Dunkelheit und starkem Regen in eine enge Parklücke ein. Infolge der schlechten Sicht fährt er fahrlässig gegen eine Mauerecke und verursacht dadurch einen Lackschaden am Firmentransporter.
Wer muss das Verschulden des Arbeitnehmers im Schadensfall beweisen?
An dieser Stelle, d.h. bei der Beweislast, steht der Arbeitnehmer besser als ein "normaler" Schädiger da.
Denn im Normalfall ist zu vermuten, dass ein objektiver Pflichtverstoß auch schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig, begangen wurde. Das folgt aus § 278 Abs.1 Satz 2 BGB, wonach der Schuldner (in dem vom ihm zu beweisenden Ausnahmenfall) nicht ersatzpflichtig ist, wenn er "die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat". Der Schädiger hat daher im Normalfall vor Gericht im Schadensersatzprozess sein Nicht-Verschulden zu beweisen.
Demgegenüber muss der Arbeitgeber als Geschädigter Anspruchsteller im Haftungsprozess beweisen, dass der Arbeitnehmer vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Das folgt aus § 619a BGB. Diese Vorschrift lautet:
"Abweichend von § 280 Abs.1 hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Ersatz für den aus der Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Schaden nur zu leisten, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat."
Aber auch § 619a BGB ändert nichts daran, dass die o.g. BGB-Vorschriften zum Schadensersatzrecht in (zu) vielen Fällen zur Folge hätten, dass Arbeitnehmer zum Ausgleich (zu) hoher Schäden verpflichtet wären. Davor müssen sie rechtlich geschützt werden, soll das Arbeitsverhältnis nicht zur Haftungsfalle werden.
Wie beschränkt das BGB Ihre Haftung als Arbeitnehmer?
Eine wichtige Vorschrift zugunsten desjenigen, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, ist in § 254 BGB enthalten. Danach ist der Umfang der Schadensersatzpflicht gemindert, wenn den Geschädigten ein Mitverschulden trifft. Das Mitverschulden kann sowohl bei der Entstehung des Schadens eine Rolle gespielt haben (§ 254 Abs.1 BGB) als auch darin, dass es der Geschädigte unterlassen hat, die Höhe des Schadens zu mindern (§ 254 Abs.2 BGB).
BEISPIEL: Ein Arbeitnehmer fährt einen LKW auf dem Firmengelände rückwärts an eine Laderampe, um ihn dort zu entladen. Es ist kurz vor Feierabend und er hat für das Entladen nur noch eine halbe Stunde Zeit. Das ist zu knapp, und außerdem müsste nach ein Kollege anwesend sein, um den fahrenden Arbeitnehmer beim Rücksetzen des LKW durch Einweisen zu unterstützen. Trotzdem erteilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Weisung, den LKW allein an die Rampe heranzufahren und zu entladen. Der Arbeitnehmer beeilt sich und stößt beim Zurücksetzen fahrlässig so heftig gegen die Laderampe, dass ein Teil der Ladung umstürzt und beschädigt wird.
Hier im Beispiel hat ein überwiegendes Mitverschulden des Arbeitgebers an der Entstehung des Schadens mitgewirkt, so dass die Haftung des Arbeitnehmers gemäß § 254 Abs.1 BGB auf weniger als die Hälfte gemindert ist.
Wie beschränkt die Rechtsprechung Ihre Haftung als Arbeitnehmer?
Da man als Arbeitnehmer
- immer auf Anweisung seines Arbeitgebers und in dessen Betrieb tätig wird, und
- meist keinen Einfluß auf die betrieblichen Abläufe und Gefahren hat, und
- meist nicht in der Lage ist, mit seinem Arbeitsverdienst hohe Verluste bei betrieblichen Schadensfällen auszugleichen,
begrenzt die Rechtsprechung die Pflicht des Arbeitnehmers zum Schadensersatz gegenüber dem allgemeinen Zivilrechtganz erheblich.
Konkret gelten für alle Schäden des Arbeitgebers, die ein Arbeitnehmer durch eine betrieblich veranlaßte Tätigkeit rechtswidrig verursacht, die folgenden Haftungsregeln:
- Bei Vorsatz haftet der Arbeitnehmer voll, d.h. er haftet auf Ersatz des gesamten Schadens.
- Bei grober Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer "in der Regel" voll, d.h. er haftet in den meisten Fällen auf Ersatz des gesamten Schadens, doch gibt es auch Ausnahmefälle, in denen die Ersatzpflicht gemindert ist.
- Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt.
- Bei leichtester Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer gar nicht.
Achtung: Diese von der Rechtsprechung zugunsten des Arbeitnehmers aufgestellten Regeln gelten nur bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten, d.h. bei Schadensfällen "auf der Arbeit".
BEISPIEL: Der Arbeitnehmer besucht den Arbeitgeber in der Freizeit privat zu Hause, wobei er mit dem Fahrrad fährt. Da er zu schnell in der Garageneinfahrt des Arbeitgebers einbiegt, verletzt er fahrlässig den dort liegenden Hund des Arbeitgebers.
Hier im Beispiel muss der Arbeitnehmer nach den allgemeinen Vorschriften des Schadensersatzrechts für die Tierarztkosten aufkommen. Denn der Unfall hatte mit der Arbeit nichts zu tun. Der Besuch des Arbeitgebers und das Einfahren in dessen Garageneinfahrt war nicht betrieblich veranlasst.
Wann liegt Vorsatz vor und wie wird der Schaden dann geregelt?
Vorsatz liegt vor, wenn der Arbeitnehmer wissentlich und willentlich nicht nur einen Pflichtverstoß begangen hat, sondern dadurch auch wissentlich und willentlich einen Schaden herbeigeführt hat.
BEISPIEL: Der Arbeitnehmer hat eine betriebsbedingte Kündigung erhalten und muss noch einige Wochen lang Restarbeiten erledigen. Da er sich durch die Kündigung ungerecht behandelt fühlt, löscht er die gesamte Festplatte seine Firmen-PC und den gesamten E-Mail-Verkehr, um es dem Arbeitgeber "heimzuzahlen". Die Datensabotage fliegt auf und die verlorenen Daten können durch eine EDV-Firma wieder hergestellt werden, was den Arbeitgeber 10.000,00 EUR kostet.
Hier im Beispielsfall muss der Arbeitnehmer die 10.000,00 EUR erstatten, da er wissentlich und willentlich (= vorsätzlich) durch einen Pflichtverstoß einen Schaden herbeigeführt hat.
Wann liegt grobe Fahrlässigkeit vor und wie wird der Schaden dann geregelt?
Grobe Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn man ganz naheliegende Sorgfaltsregeln, die in der gegebenen Situation "jeder" befolgt hätte, außer acht läßt. Der Verstoß gegen die "im Verkehr erforderliche Sorgfalt" muß also sehr krass sein. Man muß förmlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn man von dem Schadensereignis erfährt.
Von der Rechtsprechung entschiedene Fälle für diese Art von Fahrlässigkeit sind zum Beispiel
- das Einfahren in eine Kreuzung bei roter Ampel,
- Alkohol am Steuer,
- das Telefonieren mit dem Mobiltelefon im Auto ohne Freisprechanlage.
Auch wenn der Arbeitnehmer bei grober Fahrlässigkeit "in der Regel" den gesamten Schaden ersetzen muss, so heißt das noch nicht, daß diese Ersatzpflicht starr, d.h. ohne jede Ausnahme eintritt.
Die Arbeitsgerichte machen nämlich auch bei grober Fahrlässigkeit zugunsten des Arbeitnehmers Ausnahmen von der vollen Haftung, so zum Beispiel dann, wenn das Missverhältnis zwischen Arbeitsverdienst und Schadenshöhe zu extrem wäre, oder auch dann, wenn der Arbeitgeber ebenfalls dazu beigetragen hat, daß der Schaden so hoch ausgefallen ist (zum Beispiel dadurch, daß er nicht durch eine Versicherung vorgebeugt hat).
Auch bei einer grob fahrlässigen Verursachung des Schadens ist es also durchaus möglich, daß der Arbeitnehmer nur einen Teil des Schadens tragen muß.
Wann liegt "mittlere" Fahrlässigkeit vor und wie wird der Schaden dann geregelt?
Mittlere Fahrlässigkeit ist das "schlichte" Außerachtlassen der "im Verkehr erforderlichen Sorgfalt". Wenn es keine Anhaltspunkte für "leichteste" oder für "grobe" Fahrlässigkeit gibt, dann ist von mittlerer oder "normaler" Fahrlässigkeit auszugehen.
Die in solchen Fällen gebotene "Aufteilung" des Schadens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer heißt aber nicht, dass die Arbeitsgerichte schematisch "Halbe-Halbe" macht. Vielmehr sind sämtliche Umstände des Einzelfalles in die Betrachtung einzubeziehen. Viele dieser Umstände sprechen im Ergebnis für eine weitgehende Entlastung des Arbeitnehmers, d.h. für eine Schadensteilung, die den ganz überwiegenden Anteil des Schadens dem Arbeitgeber zuweist. Sogar die hundertprozentige Entlastung des Arbeitnehmers ist nach der Rechtsprechung eine mögliche Variante der "Schadensteilung".
Besondere Umstände des Einzelfalls, die zu einer Entlastung des Arbeitnehmers führen können, sind zum Beispiel
- die objektive Gefährlichkeit der Arbeit (ihre "Gefahrgeneigtheit"),
- die Höhe des Schadens,
- die Vergütung des Arbeitnehmers (die eine Risikoprämie enthalten kann),
- die Stellung des Arbeitnehmers in der Betriebshierarchie,
- die Möglichkeit des Arbeitgebers, dem Schaden durch eine Versicherung vorzubeugen,
- der bisherige Verlauf des Arbeitsverhältnisses (wie hat der Arbeitnehmer bisher gearbeitet?).
Alle diese Umstände können im Einzelfall eine Herabsetzung des vom Arbeitnehmer zu tragenden Anteils am Schaden zur Folge haben.
Wann liegt "leichteste" Fahrlässigkeit vor und wie wird der Schaden dann geregelt?
Die leichteste Fahrlässigkeit ist gleichsam das Gegenstück zur groben Fahrlässigkeit, d.h. sie ist ein Ausnahmefall, in dem man dem Arbeitnehmer von vornherein nur ein ganz geringes Verschulden vorwerfen kann.
Leichteste Fahrlässigkeit kommt zum Beispiel bei extremer Überforderung in Betracht, also etwa dann, wenn der Arbeitnehmer durch eine Anweisung des Arbeitgebers in eine Situation gebracht wurde, der er nach seiner bisherigen Arbeitserfahrung von vornherein nicht gewachsen war.
In solchen Fällen ist eine Haftung des Arbeitnehmers vollständig ausgeschlossen. Solche Fälle kommen allerdings eher selten vor.
Wann haften Sie für die Schädigung eines Kollegen?
Wenn Sie bei der Arbeit bzw. "durch eine betriebliche Tätigkeit" einen Kollegen schädigen, ist Ihre Haftung - ebenso wie die Haftung Ihres Arbeitgebers in solchen Fällen - ausgeschlossen, wenn der Schaden
- in einem Personenschaden besteht und
- auf einen "Versicherungsfall" im Sinne des Unfallversicherungsrechts zurückzuführen ist, und wenn
- der Arbeitgeber diesen Versicherungsfall bzw. Personenschaden nicht vorsätzlich herbeigeführt hat.
Dieser Haftungsausschluß ergibt sich aus § 105 Abs.1 Satz 1 SGB VII (Sozialgesetzbuch VII). Diese Vorschrift lautet:
"§ 105 Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen
(1) | Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, sind diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur dann verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs.2 Nr.1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben" |
Der Grund für diesen Haftungsausschluss liegt darin, daß in diesen Fällen die Unfallversicherung für den Schaden des Arbeitskollegen (des "Versicherten") aufkommt. Der Ausschluß der Haftung umfasst auch den Anspruch auf Schmerzensgeld.
Für Sachschäden eines zu Schaden gekommenen Kollegen, d.h. zum Beispiel für beschädigte Kleidung, Uhr, Brille etc. ist dagegen Ersatz zu leisten, da die Unfallversicherung hier keine Leistungen erbringt und der gesetzliche Haftungsausschluss dementsprechend nicht eingreift.
Dafür kann der Arbeitnehmer aber in einem solchen Fall möglicherweise von seinem Arbeitgeber Freistellung verlangen, d.h. er kann verlangen, daß der Arbeitgeber für ihn einspringt und dem geschädigten Kollegen Ersatz leistet.
Wann können Sie "Freistellung" von Ihrem Arbeitgeber verlangen?
Ein Freistellungsanspruch setzt voraus, daß Sie den Unfall weder vorsätzlich noch grob fahrlässig sowie durch eine betrieblich veranlasste Tätigkeit herbeigeführt haben. Dann nämlich würden die oben beschriebenen Haftungsbeschränkungen eingreifen, wenn anstatt des geschädigten Kollegen der Arbeitgeber der Geschädigte wäre.
Anders gesagt: In dem Umfang, in dem Sie Ihrem Arbeitgeber gemäß den o.g. drei Regeln nicht zum Schadensersatz verpflichtet wären, falls er selbst der Geschädigte wäre, in dem Umfang können Sie verlangen, dass er für den Schaden Ihres Kollegen aufkommt.
Wenn Sie also bei einer betrieblich veranlaßten Tätigkeit durch "leichteste" Fahrlässigkeit einen Sachschaden bei einem Kollegen herbeiführen, besteht der Freistellungsanspruch in voller Höhe, d.h. Sie können von dem Arbeitgeber verlangen, dass er für den Schaden in voller Höhe aufkommt. Bei "mittlerer" Fahrlässigkeit kommt ein "anteiliger" Freistellungsanspruch in Betracht und bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schädigung besteht in der Regel gar kein Freistellungsanspruch.
Wann versagt der Freistellungsanspruch?
Ihr Freistellungsanspruch ist wirtschaftlich nur etwas wert, wenn der Arbeitgeber ihn auch erfüllen kann. Er versagt daher, wenn der zu ersetzende Schaden die finanziellen Möglichkeiten Ihres Arbeitgebers übersteigt.
BEISPIEL: Der Arbeitnehmer lenkt einen Lkw, mit dem er im Auftrag seines Arbeitgebers fährt, mit leichtester Fahrlässigkeit in den Graben, wodurch ein Schaden von 120.000 EUR entsteht. Bei der Schadenabwicklung stellt sich heraus, daß der Lkw gar nicht dem Arbeitgeber, sondern einem Autohaus oder einer Bank gehört. Der Arbeitgeber wird in der Folge der Ereignisse zahlungsunfähig.
In solchen Fällen haben Sie zwar einen Anspruch gegen Ihren Arbeitgeber auf Freistellung von dem Schadenersatzanspruch, den der geschädigte Dritte Ihnen gegenüber hat, doch versagt Ihr Freistellungsanspruch praktisch, weil Ihr Arbeitgeber ihn aufgrund seiner Zahlungsunfähigkeit nicht erfüllen kann.
Anders gesagt: Sie können Ihren Freistellungsanspruch wirtschaftlich nicht durchsetzen, weil Ihr Arbeitgeber nicht ausreichend zahlungsfähig ist. Daher bleiben Sie als Schadensverursacher in vollem Umfang in der Haftung gegenüber dem geschädigten Dritten.
Für Arbeitnehmer gilt daher die folgende rechtliche Empfehlung (die natürlich alles andere als leicht umsetzen ist!): Verlangt der Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer mit von geleasten oder auf Kredit gekauften Sachen arbeitet, kann der Arbeitnehmer diese Arbeit verweigern, solange für diese Sachen keine ausreichende Versicherung, d.h. keine Vollkaskoversicherung mit überschaubarer Selbstbeteiligung besteht.
Wo finden Sie mehr zum Thema Haftung des Arbeitnehmers?
Weitere Informationen, die Sie im Zusammenhang mit dem Thema Haftung des Arbeitnehmers interessieren könnten, finden Sie hier:
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) - Haftungsbeschränkung und Haftungsverschärfung
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) - Mankoabrede
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) - Vertragsstrafe
- Handbuch Arbeitsrecht: Ausschlussfrist
- Handbuch Arbeitsrecht: Gebot fairen Verhandelns
- Handbuch Arbeitsrecht: Haftung des Arbeitgebers
- Handbuch Arbeitsrecht: Verjährung
- Übersicht Handbuch Arbeitsrecht
Kommentare unseres Anwaltsteams zu aktuellen Fragen rund um das Thema Haftung des Arbeitnehmers finden Sie hier:
- Update Arbeitsrecht 19|2022 LAG Baden-Württemberg: Auslegung tarifvertraglicher Ausschlussfristen
- Update Arbeitsrecht 10|2021 BAG: Erstattung von Anwaltskosten zur Aufdeckung erheblicher vorsätzlicher Pflichtverstöße
- Update Arbeitsrecht 08|2020 LAG Schleswig-Holstein: 39.500 EUR Schadensersatz für zwei gestohlene Flaschen Wein
- Arbeitsrecht aktuell: 17/170 Fristlose Kündigung wegen Sachbeschädigung
- Arbeitsrecht aktuell: 16/039 Auf der Arbeit bestohlen - Wer haftet?
- Arbeitsrecht aktuell: 15/337 Schadensersatz und Mitverschulden des Arbeitgebers
- Arbeitsrecht aktuell: 15/076 Haftung von Auszubildenden
- Arbeitsrecht aktuell: 14/290 Hamburger Zahngoldfall geht in die nächste Runde
- Arbeitsrecht aktuell: 14/088 Erstattung von Detektivkosten auf Verdacht?
- Arbeitsrecht aktuell: 12/067 Arbeitnehmer-Verkehrsunfall mit Lkw und hohem Schaden
- Arbeitsrecht aktuell: 11/221 Betrug bei Bewerbung - Bewerbungsbetrug führt nur selten zu Ansprüchen auf Lohnrückzahlung
- Arbeitsrecht aktuell: 11/218 Kunstwerk von Putzfrau zerstört: Installation Martin Kippenbergers kaputtgeputzt
- Arbeitsrecht aktuell: 11/196 Ausschlussklausel in AGB wirkt gegen Arbeitgeber, auch wenn die Frist zu kurz ist
- Arbeitsrecht aktuell: 11/129 Dienstwagen: Schadensersatz bei Unfall mit dem Dienstwagen
- Arbeitsrecht aktuell: 11/112 Detektivkosten: Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers
- Arbeitsrecht aktuell: 09/128 Was kostet eine Ohrfeige?
- Arbeitsrecht aktuell: 09/119 Ausschlussfristen und Regressforderungen
- Arbeitsrecht aktuell: 08/129 Nach tagelangem Warten auf dem Flughafen in Bangkok Ärger mit dem Arbeitgeber?
- Arbeitsrecht aktuell: 07/13 LAG Köln stärkt zweistufige Ausschlussklauseln.
Letzte Überarbeitung: 23. September 2022
Was können wir für Sie tun?
Wenn Sie Fragen im Zusammenhang mit einem Schadensfall haben, in den Sie verwickelt sind, oder wenn der Arbeitgeber, ein geschädigter Arbeitskollege oder ein geschädigter Betriebsfremder bereits an Sie mit Ersatzforderungen herangetreten ist, beraten und unterstützen wir Sie gerne. Selbstverständlich unterstützen wir Sie auch bei der Abwehr der Ihnen gegenüber erhobenen Schadensersatzansprüche. Je nach Lage des Falles bzw. entsprechend Ihren Wünschen treten wir entweder nach außen nicht in Erscheinung oder aber wir verhandeln in Ihrem Namen mit dem Geschädigten. Für eine möglichst rasche und effektive Beratung benötigen wir folgende Unterlagen:
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Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:
Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
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