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Erstattung von Detektivkosten auf Verdacht?
14.03.2014. Wer während einer Krankschreibung putzmunter anstrengende Arbeiten verrichtet, muss mit Betrugsvorwürfen und einer fristlosen Kündigung rechnen.
Außerdem stehen dann oft Detektivkosten im Raum: Denn um einem Arbeitnehmer nachzuweisen, dass er sich seine Krankschreibung erschlichen hat, d.h. tatsächlich arbeitsfähig war, oder dass er sich zumindest genesungswidrig verhalten hat, schalten Arbeitgeber oft Detekteien ein.
Nach bisheriger Rechtsprechung mussten Arbeitnehmer Detektivkosten nur tragen, wenn ihnen dadurch ein Pflichtverstoß bewiesen werden konnte. Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) soll ein dringender Tatverdacht genügen: BAG, Urteil vom 26.09.2013, 8 AZR 1026/12.
- Wann sind Detektivkosten Teil des Schadens, der bei schuldhafter Schadensverursachung auszugleichen ist?
- Der Fall des BAG: Busfahrer mit angeblicher Entzündung der Schultergelenkkapsel trägt Getränkekisten im Bistro des Schwiegervaters
- BAG: Liefert der Detektiv Verdachtsmomente für eine Verdachtskündigung und ist das verdächtige Verhalten des Arbeitnehmers rücksichtslos und schuldhaft, muss der die Detektivkosten erstatten
Wann sind Detektivkosten Teil des Schadens, der bei schuldhafter Schadensverursachung auszugleichen ist?
Wer einen anderen schädigt und daher zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat gemäß § 249 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Diese Vorschrift ist auf den normalen "kausalen" Ablauf gemünzt: Erst kommt die schädigende Verhaltensweise, die Schadenverursachung durch den Schädiger, und später tritt der Schaden ein, den der Schädiger ausgleichen muss.
Wenn der Arbeitgeber aber zuerst einen Detektiv beauftragt und dadurch, d.h. im weiteren zeitlichen Verlauf, den Arbeitnehmer einer Pflichtverletzung überführen kann, passt § 249 BGB nicht recht. Denn den Vermögensnachteil durch den Detektivauftrag hat der Arbeitnehmer nicht verursacht, und zwar auch dann nicht, wenn ihm der Detektiv später als Ergebnis der Observation einen Pflichtverstoß nachweisen kann. Hier legt § 249 BGB es nahe zu sagen, dass die Detektivkosten Teil der allgemeinen Überwachungs- und damit der Betriebskosten des Arbeitgebers sind, die er eben selbst zu tragen hat.
Trotzdem sagt die Rechtsprechung schon seit langen Jahren, dass Arbeitnehmer zur Detektivkostenerstattung verpflichtet sind, allerdings nur dann, wenn sie einen fortgesetzten bzw. gleichartigen Pflichtverstoß begehen und ihnen dieser Pflichtverstoß mit Hilfe des Detektivs nachgewiesen werden kann.
Konkret besteht nach bisheriger Rechtsprechung eine Pflicht des Arbeitnehmers zur Erstattung von Detektivkosten nur,
- wenn der Arbeitgeber wegen eines zur Zeit der Beauftragung bestehenden konkreten Tatverdachts einen Detektiv beauftragt,
- wenn der Arbeitnehmer durch den Detektiv einer vorsätzlichen Pflichtverletzung überführt wird, und
- wenn der Beauftragung des Detektivs nötig war, um (weitere) Schäden zu verhindern.
In einer aktuellen Entscheidung hat das BAG diese Anforderungen erheblich aufgeweicht und die Pflicht zur Kostenerstattung damit gegenüber seiner bisherigen Rechtsprechung auf Fälle erweitert, in denen bisher keine Kostenerstattung möglich war.
Der Fall des BAG: Busfahrer mit angeblicher Entzündung der Schultergelenkkapsel trägt Getränkekisten im Bistro des Schwiegervaters
Im Streitfall hatte sich ein langjährig beschäftigter Busfahrer immer erneut krankschreiben lassen, war jedoch trotz mehrfacher Aufforderungen seines Arbeitgebers nicht zum medizinischen Dienst gegangen.
Der Arbeitgeber wurde misstrauisch und engagierte ein Detektivbüro. Der Detektiv beobachtete den krankgeschriebenen Busfahrer dabei, wie er im Bistro seines Schwiegervaters Getränkekisten trug und einen Zaun um die Bistroterrasse montierte. Außerdem spielte er stundenlang bis spät in die Nacht mit dem Detektiv American Dart und trank dabei tüchtig.
Der Arbeitgeber sprach daraufhin eine außerordentliche und fristlose Kündigung aus, die er mit dem Vorwurf begründete, der Busfahrer hätte die Krankschreibung durch falsch Angaben erschwindelt und die Krankheit daher vorgetäuscht. Sollte eine Krankheit vorgelegen haben, hätte sich der Busfahrer genesungswidrig verhalten. Hilfsweise stützte der Arbeitgeber die Kündigung auf den Verdacht dieser Pflichtverletzungen.
Der Busfahrer erhob Kündigungsschutzklage, die vom Arbeitsgericht Frankfurt am Main abgewiesen wurde (Urteil vom 21.02.2011, 2 Ca 3494/10). Auch in der Berufung vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht (LAG) hatte er keinen Erfolg, denn das LAG erhob durch Zeugeneinvernahme des Hausarztes und durch Sachverständigengutachten Beweis über die streitige Frage, ob der Busfahrer an einer akuten Entzündung einer Schultergelenkkapsel litt, und das war nicht der Fall (Hessisches LAG, Urteil vom 02.10.2012, 18 Sa 492/11).
Doch obwohl eine Entzündung des Schultergelenks durch die Beweisaufnahme definitiv ausgeschlossen werden konnte, blieb die (sehr unwahrscheinliche) Möglichkeit bestehen, dass der Busfahrer aufgrund der Einnahme eines Morphinderivats fahruntüchtig gewesen sein könnte. Daher kam das LAG zu dem Ergebnis, dass die fristlose Kündigung (nur) wegen des dringenden Verdachts der Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit gerechtfertigt war, d.h. den Tatvorwurf sah es nicht als hundertprozentig erwiesen an.
Trotzdem segnete das LAG die Verurteilung des Busfahrers zur Erstattung von 1.000,00 EUR Detektivkosten an den Arbeitgeber ab. Denn, so das LAG: Auch ein Verhalten, das zu einem schwerwiegenden und erheblichen Verdacht führt und für sich betrachtet bereits pflichtwidrig ist, kann einen Anspruch auf Erstattung von Detektivkosten nach sich ziehen. Und hier im Streitfall, so das LAG, war das Verhalten des Busfahrers "zumindest genesungswidrig".
BAG: Liefert der Detektiv Verdachtsmomente für eine Verdachtskündigung und ist das verdächtige Verhalten des Arbeitnehmers rücksichtslos und schuldhaft, muss der die Detektivkosten erstatten
Das BAG hob die Entscheidung des LAG auf, da es den vom LAG erhobenen Vorwurf des genesungswidrigen Verhaltens zurecht als widersprüchlich ansah:
Denn nachdem das LAG selbst eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Schultergelenksentzündung nach Beweisaufnahme ausdrücklich ausgeschlossen hatte (eine solche Erkrankung lag definitiv nicht vor), konnte es die zur Detektivkostenerstattung führende Pflichtverletzung nicht damit begründen, dass sich der Busfahrer genesungswidrig verhalten hatte: Wo keine Krankheit, da keine Pflicht zum genesungsförderlichen Verhalten.
Daher hob das BAG die Verurteilung des Busfahrers zur Erstattung der 1.000,00 EUR Detektivkosten auf und verwies den Rechtsstreit an das LAG zurück (die Kündigungsschutzklage war inzwischen rechtskräftig abgewiesen, d.h. pro Arbeitgeber entschieden worden).
Allerdings kommt, so das BAG, eine Pflicht zur Erstattung von Detektivkosten auch dann in Betracht, wenn der Detektiv nur Verdachtsmomente belegen kann, d.h. Hilfstatsachen, auf die eine Verdachtskündigung gestützt werden kann. In diesem Punkt gab das BAG dem LAG ausdrücklich recht. Denn, so die Erfurter Richter:
"Es kommt insoweit nicht darauf an, ob sich der Kläger gesundheits- oder genesungswidrig verhalten hat, sondern darauf, ob er sich vorsätzlich so verhalten hat, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung der Schluss gezogen werden muss, er sei nicht arbeitsunfähig."
Und weiter:
"Das Landesarbeitsgericht wird daher bezüglich der Detektivkosten zu prüfen haben, ob für seine Entscheidung über die Kündigung maßgebliche Hilfstatsachen auf die Observation durch das Detektivbüro (...) zurückzuführen sind. Das setzt voraus, dass ein Verhalten des Klägers beobachtet wurde, das in einer vom Kläger zu vertretenden Art und Weise (§ 619a BGB) die Rücksicht auf die Interessen der Beklagten (§ 241 Abs.2 BGB) derart vermissen ließ, dass es den Verdacht eines Betrugs zu Lasten der Beklagten (mit-)begründete."
Das heißt im Ergebnis, dass künftig ein pflichtwidriges (?) und schuldhaftes (?) Sich-verdächtig-machen dafür ausreichen soll, den Arbeitnehmer zur Erstattung der Kosten für einen Detektiveinsatz zu verpflichten, falls der Detektiveinsatz Tatsachen belegt, auf die der Arbeitgeber eine spätere Verdachtskündigung stützen kann. Dass der Arbeitnehmer aufgrund des Detektiveinsatzes einer Pflichtverletzung überführt werden kann, soll künftig nicht mehr erforderlich sein.
Immerhin weist das BAG auf § 619a BGB hin. Nach dieser Vorschrift muss der Arbeitgeber, wenn er den Arbeitnehmer in die Haftung nimmt, nicht nur einen objektiven Pflichtverstoß des Arbeitnehmers belegen (der dann wiederum nachweisen mag, dass er den Pflichtverstoß schuldlos begangen hat), sondern er muss dem Arbeitnehmer außerdem nachweisen, dass er den Pflichtverstoß schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig begangen hat.
Fazit: Das Urteil des BAG ist nicht überzeugend. Es gibt keine Pflicht, sich nicht verdächtig zu machen. Das zeigt der vorliegende Fall: Dem Busfahrer konnte gerade kein Betrug in Form des Täuschens über eine nicht gegebene Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen werden, weil er sich auf die (wenn auch sehr unwahrscheinliche) Einnahme eines Morphinderivats berufen hatte.
Daher war er eben gerade kein "Blaumacher", sondern des Blaumachens nur dringend verdächtig. Folglich waren die durch den Detektiveinsatz bewiesenen Verhaltensweisen allesamt nicht pflichtwidrig, geschweige denn schuldhaft. Insbesondere waren die anstrengenden Tätigkeiten des Busfahrers nicht genesungswidrig, weil objektiv keine Schulterentzündung vorlag. Auch wenn das Verhalten des Arbeitnehmers aus Sicht des Arbeitgebers und der mit dem Fall befassten Richter extrem dreist war, genügt das nicht, um ihm die Detektivkosten aufzuerlegen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.09.2013, 8 AZR 1026/12
- Bundesarbeitsgericht (Webseite)
- Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 02.10.2012, 18 Sa 492/11
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) - Haftungsbeschränkung und Haftungsverschärfung
- Handbuch Arbeitsrecht: Haftung des Arbeitnehmers
- Handbuch Arbeitsrecht: Krankheit
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Fristlose Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verdachtskündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 17/192 Kündigung wegen falscher Angabe von Arbeitszeiten
- Arbeitsrecht aktuell: 14/078 Kündigung wegen Nebentätigkeit trotz Krankheit
- Arbeitsrecht aktuell: 13/229 Fristlose Kündigung wegen Arbeit trotz Krankschreibung
- Arbeitsrecht aktuell: 13/171 Fristlose Kündigung wegen Täuschung über Krankheit
- Arbeitsrecht aktuell: 11/112 Detektivkosten: Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers
- Arbeitsrecht aktuell: 10/024 Kündigung wegen vorgetäuschter Krankheit
Letzte Überarbeitung: 22. Juli 2017
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