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ARBEITSRECHT AKTUELL // 13/229

Frist­lo­se Kün­di­gung we­gen Ar­beit trotz Krank­schrei­bung

Mas­seur hilft wäh­rend ei­ner Krank­schrei­bung bei Re­no­vie­rungs­ar­bei­ten und wird frist­los ge­kün­digt: Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 11.07.2013, 10 Sa 100/13
Wäh­rend ei­ner Krank­heit soll­te man sich scho­nen

09.08.2013. Wäh­rend ei­ner Krank­schrei­bung muss man nicht un­be­dingt im Bett lie­gen, denn nicht je­de Krank­heit ist mit Bett­lä­ge­rig­keit ver­bun­den.

Je nach Art der Er­kran­kung kön­nen Spa­zier­gän­ge oder so­gar Sport die Ge­ne­sung för­dern.

Al­ler­dings ist kör­per­lich an­stren­gen­de Ar­beit wäh­rend ei­ner Krank­schrei­bung in den meis­ten Fäl­len ein An­zei­chen da­für, dass ent­we­der die Krank­schrei­bung un­rich­tig war oder sich der Ar­beit­neh­mer nicht "ge­ne­sungs­för­der­lich" ver­hal­ten hat. Das kann ei­ne frist­lo­se Kün­di­gung zur Fol­ge ha­ben: Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 11.07.2013, 10 Sa 100/13.

Was soll­te man während ei­ner krankeits­be­ding­ten Ar­beits­unfähig­keit tun und was soll­te man bes­ser las­sen?

Sind Ar­beit­neh­mer durch Ar­beits­unfähig­keit in­fol­ge Krank­heit an der Ar­beits­leis­tung ge­hin­dert, oh­ne dass sie ein Ver­schul­den trifft, ha­ben sie gemäß § 3 Abs.1 Satz 1 Ent­gelt­fort­zah­lungs­ge­setz (EFZG) ei­nen An­spruch auf Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall für die Zeit der Ar­beits­unfähig­keit bis zu sechs Wo­chen.

Zum Streit über das Be­ste­hen ei­ner Ar­beits­unfähig­keit kommt es nicht all­zu oft, denn Ar­beit­neh­mer müssen ei­ne ärzt­li­che Be­schei­ni­gung über ih­re Ar­beits­unfähig­keit ein­rei­chen ("AU-Be­schei­ni­gung" bzw. "Krank­schrei­bung"), und die­se Be­schei­ni­gun­gen wer­den von den Ar­beits­ge­rich­ten im Nor­mal­fall als rich­tig an­ge­se­hen.

Al­ler­dings kann der "Be­weis­wert" ei­ner ärzt­li­chen Krank­schrei­bung im Aus­nah­me­fall ein­mal erschüttert wer­den, so z.B. dann, wenn der Ar­beit­neh­mer sich un­ter fragwürdi­gen Umstände krank mel­det und/oder wenn er während der Krank­schrei­bung körper­lich an­stren­gen­de Ar­bei­ten ver­rich­tet.

Glaubt der Ar­beit­ge­ber in sol­chen Aus­nah­mefällen der AU-Be­schei­ni­gung nicht, geht es meist nicht nur um die Ent­gelt­fort­zah­lung, son­dern es steht auch ei­ne frist­lo­se Kündi­gung im Raum. Denn das Vortäuschen ei­ner Ar­beits­unfähig­keit ist ein (ver­such­ter) Be­trug zu­las­ten des Ar­beit­ge­bers.

Der Fall des LAG Mainz: Herz­kran­ker Mas­seur hilft sei­ner Toch­ter trotz Krank­schrei­bung bei der Haus­re­no­vie­rung

Im Streit­fall war ein 59jähri­ger Mas­seu­er ei­ne Wo­che lang krank­ge­schrie­ben, da er un­ter Blut­hoch­druck und Atem­not litt. Die Be­schwer­den und die Krank­schrei­bung wa­ren plau­si­bel, da er erst kurz zu­vor ei­ne Krebs­er­kran­kung über­stan­den hat­te. Er war da­her ge­sund­heit­lich an­ge­schla­gen war und muss­te vie­le Me­di­ka­men­te ein­neh­men.

Sein Feh­ler: Er half während der Krank­schrei­bung an drei Ta­gen sei­ner Toch­ter bei der Haus­re­no­vie­rung und wur­de da­bei von ei­nem De­tek­tiv be­ob­ach­tet. Den De­tek­tiv hat­te der Ar­beit­ge­ber des Mas­seurs ein­ge­schal­tet, nach­dem ihm Ar­beits­kol­le­gen des Mas­seurs zu­ge­tra­gen hat­ten, dass die­ser trotz sei­ner Krank­schrei­bung auf dem Bau ar­bei­te­te.

Der Ar­beit­ge­ber war sau­er und kon­fron­tier­te den Mas­seur mit den Be­ob­ach­tun­gen des De­tek­tivs, die der Mas­seur im We­sent­li­chen als rich­tig bestätig­te. Dar­auf­hin sprach der Ar­beit­ge­ber nach vor­he­ri­ger Anhörung des Be­triebs­rats ei­ne frist­lo­se Kündi­gung aus.

Der Mas­seur er­hob Kündi­gungs­schutz­kla­ge und hat­te da­mit in der ers­ten In­stanz Er­folg (Ar­beits­ge­richt Lud­wigs­ha­fen, Ur­teil vom 05.12.2012, 3 Ca 1271/12).

LAG Rhein­land-Pfalz: Der Ge­ne­sung ab­trägli­ches Fehl­ver­hal­ten während ei­ner Krank­schrei­bung kann ei­ne frist­lo­se Kündi­gung recht­fer­ti­gen

Das LAG als Be­ru­fungs­ge­richt gab dem Ar­beit­ge­ber recht, d.h. es hielt die Kündi­gung für wirk­sam. Zur Be­gründung stützt sich das LAG im We­sent­li­chen auf zwei Ar­gu­men­te:

Ers­tens war der Be­weis­wert der ärzt­li­chen AU-Be­schei­ni­gung hier im Streit­fall erschüttert, da körper­lich an­stren­gen­de Ar­bei­ten nicht mit der ärzt­lich be­schei­nig­ten Ar­beits­unfähig­keit, d.h. mit Blut­hoch­druck und Atem­not zu ver­ein­ba­ren sind. Wer Schlei­far­bei­ten mit Atem­mas­ke ver­rich­tet wie hier der Mas­seur im Haus sei­ner Toch­ter, kann (und muss) auch sei­ne Ar­beit als Mas­seur ver­rich­ten, so das LAG.

Zwei­tens mein­te das LAG, der Mas­seur hätte die Pflicht zur Förde­rung sei­ner Ge­ne­sung ver­letzt. Denn ein zur Kündi­gung be­rech­ti­gen­der Pflicht­ver­s­toß kann auch dar­in lie­gen, dass ein Ar­beit­neh­mer bei be­schei­nig­ter Ar­beits­unfähig­keit den Hei­lungs­er­folg durch ge­sund­heits­wid­ri­ges (Ar­beits- oder Frei­zeit-)Ver­hal­ten gefähr­det, so das LAG un­ter Be­ru­fung auf ei­ne Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) aus dem Jah­re 2006 (BAG, Ur­teil vom 02.03.2006, 2 AZR 53/05).

Kri­tisch ist an­zu­mer­ken, dass die bloße Erschütte­rung des Be­weis­wer­tes der AU-Be­schei­ni­gung ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung nicht recht­fer­ti­gen kann. Denn wenn die Rich­tig­keit ei­ner AU-Be­schei­ni­gung in­fol­ge der Umstände des Ein­zel­falls zwei­fel­haft ist, muss das Ge­richt die­se Zwei­fel ausräum­en, d.h. es muss den Arzt als Zeu­gen ver­neh­men. Das hat die 10. Kam­mer des LAG Rhein­land-Pfalz erst vor kur­zem rich­tig ent­schie­den (LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 06.06.2013, 10 Sa 17/13 - wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 13/171 Frist­lo­se Kündi­gung we­gen Täuschung über Krank­heit).

Auch ei­ne sog. Ver­dachtskündi­gung kommt in sol­che Fällen meist nicht in Be­tracht, denn wenn der Ar­beit­ge­ber we­gen des Ver­dachts der Er­schlei­chung ei­ner un­rich­ti­gen AU-Be­schei­ni­gung kündi­gen will, muss er den Ar­beit­neh­mer vor der Kündi­gung nicht nur zu den Umständen anhören, die die Zwei­fel an der AU-Be­schei­ni­gung be­gründen, son­dern auch zu den ärzt­lich fest­ge­stell­ten Dia­gno­sen. Letzt­lich müss­te der Ar­beit­ge­ber den Arzt vor Aus­spruch der Kündi­gung zu sei­ner Dia­gno­se be­fra­gen, nach­dem der Ar­beit­neh­mer den Arzt von der Schwei­ge­plicht ent­bun­den hat.

Trotz­dem war die hier strei­ti­ge frist­lo­se Kündi­gung wohl rech­tens, aber nicht et­wa des­halb, weil die vom Mas­seur ver­rich­te­ten körper­lich an­stren­gen­den Ar­bei­ten den Be­weis­wert sei­ner Krank­schrei­bung erschüttert hat­ten (was zwar der Fall war, aber für die Kündi­gung nicht aus­reicht) oder weil der Mas­seur sei­ne Krank­heit vor­getäuscht hätte (denn ei­ne Täuschung war nicht nicht er­wie­sen). Der für die außer­or­dent­li­che Kündi­gung er­for­der­li­che wich­ti­ge Grund (§ 626 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB) lag hier viel­mehr in dem kras­sen Ver­s­toß ge­gen die Pflicht zum ge­ne­sungsförder­li­chen Ver­hal­ten.

Fa­zit: Auch wer mit ei­ner kor­rek­ten ärzt­li­chen Dia­gno­se zu­recht krank­ge­schrie­ben ist, kann frist­los gekündigt wer­den, wenn er sich während der Krank­schrei­bung ex­trem un­vernünf­tig verhält und da­mit sei­ne Ge­ne­sung gefähr­det. Denn an­ders als im Ur­laub können krank­ge­schrie­be­ne Ar­beit­neh­mer nicht ma­chen was sie wol­len, son­dern ha­ben ih­rem Ar­beit­ge­ber ge­genüber die Pflicht, den Hei­lungs­pro­zess zu fördern.

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Letzte Überarbeitung: 6. Dezember 2017

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