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BAG, Ur­teil vom 26.03.2015, 2 AZR 478/13

   
Schlagworte: Sozialauswahl: Altersgruppen, Kündigung: Betriebsbedingt
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 2 AZR 478/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 26.03.2015
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Dortmund, Urteil vom 19.11.2009, 2 Ca 1842/09
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 07.07.2010, 18 Sa 139/10
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.02.2012, 2 AZR 773/10
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 09.11.2012, 18 Sa 1095/12
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


2 AZR 478/13
18 Sa 1095/12
Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
26. März 2015

UR­TEIL

Schmidt, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 20. No­vem­ber 2014 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Kreft, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Ber­ger, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Nie­mann so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Kri­chel und Dr. Grim­berg für Recht er­kannt:

 

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Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm vom 9. No­vem­ber 2012 - 18 Sa 1095/12 - wird - auf ih­re Kos­ten - zurück­ge­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung.

Die 1953 ge­bo­re­ne, ver­hei­ra­te­te Kläge­rin ist seit 1992 als me­cha­ni­sche Hel­fe­rin in der Ma­gnet­mon­ta­ge bei der Be­klag­ten beschäftigt. Auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en fin­den auf­grund ein­zel­ver­trag­li­cher Be­zug­nah­me die Ta­rif­verträge für die Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie Nord­rhein-West­fa­len An­wen­dung. 

Die Be­klag­te beschäftig­te 798 Ar­beit­neh­mer. Auf­grund ei­nes er­heb­li­chen Auf­tragsrück­gangs ver­ein­bar­te sie am 5. März 2009 mit dem Be­triebs­rat ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich, der den „Ab­bau von 140 di­rek­ten und 82 in­di­rek­ten Voll­zeit­ar­beitsplätzen“ vor­sah. Nach ei­nem am sel­ben Tag ab­ge­schlos­se­nen „So­zi­al­plan“ wa­ren in­ner­halb der Grup­pen ver­gleich­ba­rer Ar­beit­neh­mer ei­ne Al­ters­grup­pe „bis 29 Jah­re“ und sie­ben wei­te­re Al­ters­grup­pen in Fünf-Jah­res-Schrit­ten zu bil­den. Fer­ner wur­de ein Punk­te­sche­ma für die Ge­wich­tung der ge­setz­li­chen Aus­wahl­kri­te­ri­en auf­ge­stellt. Die endgülti­ge So­zi­al­aus­wahl soll­te un­ter Abwägung al­ler Umstände des Ein­zel­falls er­fol­gen; so­fern die Be­triebs­par­tei­en be­son­de­re Umstände aus­mach­ten, soll­te dies schrift­lich do­ku­men­tiert wer­den. Für den Be­reich Pro­duk­ti­on und die dor­ti­gen „di­rek­ten“ Voll­zeit­ar­beitsplätze wur­de die so­zia­le Aus­wahl in­ner­halb der Grup­pe al­ler 368 - teil­wei­se in Teil­zeit beschäftig­ten - me­cha­ni­schen Hel­fe­rin­nen und Hel­fer durch­geführt. Die Na­men von 156 die­ser Ar­beit­neh­mer wur­den auf ei­ne mit dem In­ter­es­sen­aus­gleich fest ver­bun­de­ne Na­mens­lis­te ge­setzt. Dar­un­ter be­fand sich der Na­me

 

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der Kläge­rin. In der Al­ters­grup­pe, der sie an­gehörte (55 bis 59 Jah­re), soll­ten die Ar­beits­verhält­nis­se von 15 der 30 Ar­beit­neh­mer gekündigt wer­den. 

Mit Schrei­ben vom 27. März 2009 kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en - nach Anhörung des Be­triebs­rats - or­dent­lich zum 30. Sep­tem­ber 2009. 

Hier­ge­gen hat die Kläge­rin sich recht­zei­tig mit der vor­lie­gen­den Kla­ge ge­wandt. Sie hat ua. die An­sicht ver­tre­ten, die vor­ge­nom­me­ne So­zi­al­aus­wahl sei grob feh­ler­haft. Der „So­zi­al­plan“ le­ge nicht fest, in wel­chem Verhält­nis zu­ein­an­der in den ein­zel­nen Al­ters­grup­pen Kündi­gun­gen er­fol­gen soll­ten. Auch im Übri­gen sei die ge­trof­fe­ne Aus­wahl nicht nach­voll­zieh­bar. Die Kündi­gun­gen sei­en un­abhängig von der er­reich­ten An­zahl an „So­zi­al­punk­ten“ nach willkürli­chen Kri­te­ri­en aus­ge­spro­chen wor­den. So sei­en in ih­rer Al­ters­grup­pe - un­strei­tig - zwei Ar­beit­neh­me­rin­nen wei­ter­beschäftigt wor­den, die zehn bzw. zwan­zig Punk­te we­ni­ger auf­ge­wie­sen hätten als sie. Auch in an­de­ren Al­ters­grup­pen sei­en zahl­rei­che ihr ge­genüber so­zi­al deut­lich stärke­re Mit­ar­bei­ter ver­schont ge­blie­ben. 

Die Kläge­rin hat be­an­tragt

fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en durch die or­dent­li­che Kündi­gung vom 27. März 2009 nicht auf­gelöst wor­den ist. 

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat ge­meint, die So­zi­al­aus­wahl sei ord­nungs­gemäß er­folgt. Durch die Bil­dung von Al­ters­grup­pen ha­be die be­ste­hen­de Per­so­nal­struk­tur ge­si­chert wer­den sol­len. In den Al­ters­grup­pen sei­en die Ar­beits­verhält­nis­se von et­was mehr als 42 % der Ar­beit­neh­mer gekündigt und rund 40 % der Ar­beits­platz­ka­pa­zität ab­ge­baut wor­den. Je­den­falls sei das Aus­wahl­er­geb­nis in Be­zug auf die Kläge­rin nicht zu be­an­stan­den. Die­se ha­be in ih­rer Al­ters­grup­pe nach „So­zi­al­punk­ten“ an zehnt­letz­ter Stel­le ge­stan­den. Ihr Ar­beits­verhält­nis sei da­mit in je­dem Fall zu kündi­gen ge­we­sen. 

Die Vor­in­stan­zen ha­ben der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Mit ih­rer Re­vi­si­on be­gehrt die Be­klag­te wei­ter­hin de­ren Ab­wei­sung. 

 

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Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet. Die un­ter Gel­tung des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung der Be­klag­ten hat das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht auf­gelöst. Sie ist gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt und des­halb nach § 1 Abs. 1 KSchG un­wirk­sam.  

I. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist ei­ne Kündi­gung trotz Vor­lie­gens drin­gen­der be­trieb­li­cher Er­for­der­nis­se im Sin­ne von § 1 Abs. 2 KSchG so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt, wenn der Ar­beit­ge­ber bei der Aus­wahl des Ar­beit­neh­mers die Dau­er der Be­triebs­zu­gehörig­keit, das Le­bens­al­ter, be­ste­hen­de Un­ter­halts­pflich­ten und ei­ne Schwer­be­hin­de­rung nicht oder nicht aus­rei­chend berück­sich­tigt hat. Nach § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG kann die so­zia­le Aus­wahl nur auf gro­be Feh­ler­haf­tig­keit über­prüft wer­den, wenn die Kündi­gung auf­grund ei­ner Be­triebsände­rung im Sin­ne von § 111 Be­trVG er­folgt und die zu kündi­gen­den Ar­beit­neh­mer in ei­nem In­ter­es­sen­aus­gleich zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat na­ment­lich be­zeich­net sind.  

II. Die Aus­wahl der Kläge­rin war so­zi­al grob feh­ler­haft im Sin­ne von § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG. 

1. Die Be­klag­te ist zu Un­recht da­von aus­ge­gan­gen, die So­zi­al­aus­wahl sei un­ter Berück­sich­ti­gung der von den Be­triebs­par­tei­en ver­ein­bar­ten Al­ters­grup­pen vor­zu­neh­men ge­we­sen. Sie hat die An­for­de­run­gen ver­kannt, die an die Zulässig­keit ei­ner Kündi­gung im Rah­men ei­ner Al­ters­grup­pen­bil­dung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG zu stel­len sind. 

a) § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ge­stat­tet in Ab­wei­chung von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG die Vor­nah­me der So­zi­al­aus­wahl im Rah­men von Al­ters­grup­pen, wenn dies zur Si­che­rung ei­ner aus­ge­wo­ge­nen Al­ters­struk­tur der Be­leg­schaft im be­rech­tig­ten be­trieb­li­chen In­ter­es­se liegt. Das setzt vor­aus, dass die im kon­kre­ten Fall vor­ge­nom­me­ne Al­ters­grup­pen­bil­dung und die dar­aus ab­ge­lei­te­ten Kündi­gungs­ent­schei­dun­gen zur Si­che­rung der be­ste­hen­den Per­so­nal­struk­tur tatsäch-

 

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lich ge­eig­net sind (BAG 24. Ok­to­ber 2013 - 6 AZR 854/11 - Rn. 49, BA­GE 146, 234; 19. Ju­li 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 26, BA­GE 142, 339).  

aa) In­wie­weit Kündi­gun­gen Aus­wir­kun­gen auf die Al­ters­struk­tur des Be­triebs ha­ben, wel­che Nach­tei­le sich dar­aus er­ge­ben und ob die­se ei­ne Ab­wei­chung von den Vor­ga­ben des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG recht­fer­ti­gen, hängt von den be­trieb­li­chen Verhält­nis­sen ab und kann nicht abs­trakt für al­le denk­ba­ren Fälle be­schrie­ben wer­den. Der Ar­beit­ge­ber muss die Aus­wir­kun­gen und mögli­chen Nach­tei­le des­we­gen im Ein­zel­nen dar­le­gen, wenn er sich we­gen der Si­che­rung der Per­so­nal­struk­tur auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG be­ru­fen will (BAG 19. De­zem­ber 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 33; 15. De­zem­ber 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 65, BA­GE 140, 169). Zu­min­dest dann, wenn - wie hier - die An­zahl der Ent­las­sun­gen in­ner­halb der Grup­pe ver­gleich­ba­rer Ar­beit­neh­mer im Verhält­nis zur An­zahl al­ler Ar­beit­neh­mer des Be­triebs die Schwel­len­wer­te des § 17 KSchG er­reicht, kom­men ihm da­bei Er­leich­te­run­gen zu­gu­te; ein be­rech­tig­tes be­trieb­li­ches In­ter­es­se an der Bei­be­hal­tung der Al­ters­struk­tur wird un­ter die­ser Vor­aus­set­zung - wi­der­leg­bar - in­di­ziert (BAG 24. Ok­to­ber 2013 - 6 AZR 854/11 - Rn. 54, BA­GE 146, 234; 19. Ju­li 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 28, BA­GE 142, 339). 

bb) In je­dem Fall muss die sich er­ge­ben­de Ver­tei­lung der bis­lang Beschäftig­ten auf die ge­bil­de­ten Al­ters­grup­pen ih­re pro­zen­tua­le Ent­spre­chung in der An­zahl der in der je­wei­li­gen Al­ters­grup­pe zu kündi­gen­den Ar­beits­verhält­nis­se fin­den (BAG 19. Ju­li 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 31, BA­GE 142, 339; 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 33). Es müssen in­ner­halb des zur So­zi­al­aus­wahl an­ste­hen­den Per­so­nen­krei­ses - dh. in­ner­halb der Ver­gleichs­grup­pe - nach sach­li­chen Kri­te­ri­en Al­ters­grup­pen ge­bil­det (Schritt 1), die pro­zen­tua­le Ver­tei­lung der Be­leg­schaft auf die Al­ters­grup­pen fest­ge­stellt (Schritt 2) und die Ge­samt­zahl der aus­zu­spre­chen­den Kündi­gun­gen die­sem Pro­porz ent­spre­chend auf die ein­zel­nen Al­ters­grup­pen ver­teilt wer­den (Schritt 3; BAG 24. Ok­to­ber 2013 - 6 AZR 854/11 - Rn. 49, BA­GE 146, 234; 15. De­zem­ber 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 60, BA­GE 140, 169). 

 

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b) Wird ei­ne Al­ters­grup­pe statt­des­sen über­pro­por­tio­nal her­an­ge­zo­gen, wird die be­ste­hen­de Al­ters­struk­tur nicht „ge­si­chert“, son­dern verändert. Das hat zur Fol­ge, dass nicht nur die Kündi­gun­gen un­wirk­sam sind, die un­ter Bei­be­hal­tung des Al­ters­grup­pen­sys­tems über den ei­gent­lich auf die Al­ters­grup­pe ent­fal­len­den An­teil hin­aus­ge­hen (aA Krie­ger/Rei­ne­cke DB 2013, 1906, 1911). Viel­mehr ist da­mit die ge­sam­te So­zi­al­aus­wahl nach Al­ters­grup­pen hinfällig und ist die frag­li­che Kündi­gung oh­ne die­ses Pri­vi­leg an § 1 Abs. 3 Satz 1, § 1 Abs. 5 KSchG zu mes­sen. Der ent­spre­chen­de Feh­ler im Aus­wahl­ver­fah­ren führt da­mit zwar nicht per se zur Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung. Je­doch er­streckt sich die Er­geb­nis­kon­trol­le nun­mehr auf die ge­sam­te Ver­gleichs­grup­pe, weil die Vor­aus­set­zun­gen der Aus­nah­me­re­ge­lung des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht - al­le­samt - erfüllt sind. 

c) Die von der Be­klag­ten ge­trof­fe­ne Aus­wahl der Kläge­rin genügte nicht den An­for­de­run­gen an ei­ne So­zi­al­aus­wahl im Rah­men von Al­ters­grup­pen. Ei­ne Ab­wei­chung von den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG war des­halb nicht ge­recht­fer­tigt. Die Mo­di­fi­ka­ti­on des Prüfungs­maßstabs durch § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG ändert dar­an nichts.  

aa) Es kann da­hin­ste­hen, ob ei­ne zur Er­hal­tung der vor­han­de­nen Per­so­nal­struk­tur ge­eig­ne­te, pro­por­tio­na­le Be­tei­li­gung al­ler Al­ters­grup­pen nach dem ei­ge­nen Vor­brin­gen der Be­klag­ten schon des­halb nicht möglich war, weil die Be­triebs­par­tei­en dann gemäß den Vor­ga­ben des In­ter­es­sen­aus­gleichs nicht nach „Köpfen“, son­dern nach ab­zu­bau­en­den „Voll­zeit­ar­beitsplätzen“ vor­ge­gan­gen wären. Das wäre ein im Sin­ne von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG un­taug­li­cher An­satz, wenn man die Per­so­nal­struk­tur des Be­triebs nach dem Le­bens­al­ter al­ler sei­ner Ar­beit­neh­mer - un­abhängig von ih­rer ver­trag­li­chen Ar­beits­zeit - be­stim­men woll­te.  

bb) Je­den­falls hat die Be­klag­te die ge­bil­de­ten Al­ters­grup­pen so­wohl nach „Köpfen“ als auch nach „Stel­len­an­tei­len“ in nicht zu recht­fer­ti­gen­der Wei­se un­gleichmäßig am Ge­samt­per­so­nal­ab­bau be­tei­ligt.  

 

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(1) Die Be­klag­te hat aus der Zahl der 368 Beschäftig­ten der Ver­gleichs­grup­pe und den 156 aus­zu­spre­chen­den Kündi­gun­gen ei­ne Kündi­gungs­quo­te von 42,4 % er­rech­net. In den Al­ters­grup­pen stan­den je­doch zwi­schen 37,29 % (35 bis 39 Jah­re) und 58,33 % (60 bis 64 Jah­re) der Ar­beit­neh­mer zur Kündi­gung an. Die­se Schwan­kun­gen las­sen sich nicht durch rech­ne­ri­sche Run­dun­gen erklären. Im Übri­gen ent­spricht ein Ab­bau nach „Köpfen“ nicht den Vor­ga­ben des In­ter­es­sen­aus­gleichs.  

(2) Der im In­ter­es­sen­aus­gleich an­ge­leg­te Ab­bau an Ar­beits­zeit­vo­lu­men soll in den Al­ters­grup­pen zwi­schen 36,60 % (35 bis 39 Jah­re) und 63,70 % (60 bis 64 Jah­re) be­tra­gen ha­ben. Der Vor­trag der Be­klag­ten lässt nicht er­ken­nen, dass sich die­se noch beträcht­li­che­ren Un­ter­schie­de et­wa auf­grund der „Ta­ges­stun­den“ der nach ih­ren So­zi­al­kri­te­ri­en von den Kündi­gun­gen be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer er­ge­ben hätten. Im Übri­gen ist nicht fest­stell­bar, dass in den Al­ters­grup­pen ei­ne Aus­wahl an­hand der ge­setz­li­chen So­zi­al­kri­te­ri­en - zu­mal in de­ren Ge­wich­tung durch das im „So­zi­al­plan“ ver­ein­bar­te Punk­te­sche­ma - tatsächlich vor­ge­nom­men wor­den wäre. 

cc) Die Be­tei­li­gung der ein­zel­nen Al­ters­grup­pen am Per­so­nal­ab­bau hat auch im An­wen­dungs­be­reich des § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG streng pro­por­tio­nal zu er­fol­gen.  

(1) Be­tei­ligt der Ar­beit­ge­ber die Al­ters­grup­pen pro­por­tio­nal un­ter­schied­lich stark an dem Per­so­nal­ab­bau, führt dies zu ei­ner Verände­rung der vor­han­de­nen Al­ters­struk­tur. Ei­ne sol­che stellt kein be­rech­tig­tes In­ter­es­se im Sin­ne von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG dar. Die­se Norm ge­stat­tet le­dig­lich ei­ne Si­che­rung der vor­han­de­nen Per­so­nal­struk­tur. Mit die­sem Ziel verstößt sie nicht ge­gen das uni­ons­recht­li­che Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung (Art. 21 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on) und des­sen Aus­ge­stal­tung durch die Richt­li­nie 2000/78/EG (vgl. BAG 19. De­zem­ber 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 23 ff.; 15. De­zem­ber 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 46 ff., BA­GE 140, 169). Ei­ne Verände­rung der Per­so­nal­struk­tur wird durch das na­tio­na­le Recht nur im An­wen­dungs­be­reich des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 In­sO ermöglicht. Die Schaf­fung ei­ner aus­ge­wo­ge­nen Al­ters­struk­tur ist al­lein durch das Ziel der Sa­nie­rung ei­nes

 

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in­sol­ven­ten Un­ter­neh­mens ge­recht­fer­tigt. Da­bei ha­ben die Ge­rich­te die Er­for­der­lich­keit und An­ge­mes­sen­heit der Al­ters­grup­pen­bil­dung mit Blick auf die uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben und § 10 AGG im Ein­zel­fall zu über­prüfen (vgl. BAG 19. De­zem­ber 2013 - 6 AZR 790/12 - aaO). Ge­stat­te­te man dem­ge­genüber auch im „nicht-in­sol­venz­li­chen“ Gel­tungs­be­reich des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ei­ne dis­pro­por­tio­na­le Be­tei­li­gung der Al­ters­grup­pen, könn­ten sich die Be­triebs­par­tei­en willkürlich selbst über die nicht zu ih­rer Dis­po­si­ti­on ste­hen­den ge­setz­li­chen Grund­be­din­gun­gen der so­zia­len Aus­wahl hin­weg­set­zen (zu die­sem Maßstab der gro­ben Feh­ler­haf­tig­keit vgl. BAG 19. De­zem­ber 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 44; 20. Sep­tem­ber 2012 - 6 AZR 483/11 - Rn. 22).  

(2) In der For­de­rung nach ei­ner streng pro­por­tio­na­len Be­tei­li­gung der Al­ters­grup­pen am Per­so­nal­ab­bau - sei es nach „Köpfen“ oder nach „Ar­beits­zeit­an­tei­len“ - liegt kein Wi­der­spruch zu den Grundsätzen für die An­nah­me gro­ber Feh­ler­haf­tig­keit bei der Bil­dung der aus­wahl­re­le­van­ten Ar­beit­neh­mer­grup­pen (vgl. BAG 24. Ok­to­ber 2013 - 6 AZR 854/11 - Rn. 26, BA­GE 146, 234; 15. De­zem­ber 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 38, BA­GE 140, 169) und bei der Her­aus­nah­me ein­zel­ner Ar­beit­neh­mer aus der So­zi­al­aus­wahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG (vgl. BAG 10. Ju­ni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 29). Dort wer­den den Be­triebs­par­tei­en Einschätzungs- und Er­mes­sens­spielräume in - oft schwie­ri­gen - Be­ur­tei­lungs- oder Abwägungs­fra­gen zu­ge­bil­ligt. Für sol­che Über­le­gun­gen ist im vor­lie­gen­den Zu­sam­men­hang kein Raum. Hier geht es um schlich­te „Arith­me­tik“. Dem­ent­spre­chend be­steht bei der So­zi­al­aus­wahl nach Al­ters­grup­pen im Sin­ne von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ein Ge­stal­tungs­raum le­dig­lich bei der Fest­le­gung der Grup­pen (Schritt 1; vgl. BAG 15. De­zem­ber 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 65, aaO; 20. April 2005 - 2 AZR 201/04 - Rn. 17; zu § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 In­sO: BAG 19. De­zem­ber 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 50; 24. Ok­to­ber 2013 - 6 AZR 854/11 - Rn. 53, aaO).  

(3) Die Be­klag­te hat nicht vor­ge­tra­gen, dass die Ab­wei­chun­gen vom gleichmäßigen Pro­porz in ir­gend­ei­ner Wei­se mit den Vor­ga­ben von § 1 Abs. 3 KSchG in Zu­sam­men­hang stünden. So­fern der Al­ters­durch­schnitt in den je­wei­li­gen Al­ters­grup­pen durch den Per­so­nal­ab­bau nur leicht erhöht und da­mit die

 

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Al­ters­struk­tur des Be­triebs - fast - ge­wahrt wor­den sein soll­te, war dies nicht die Fol­ge ei­ner kor­rek­ten Be­tei­li­gung der Al­ters­grup­pen, son­dern das Er­geb­nis ei­ner willkürli­chen Be­stim­mung der zu kündi­gen­den Ar­beit­neh­mer in­ner­halb der Al­ters­grup­pen (vgl. da­zu BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 35). Ei­ne ord­nungs­gemäße So­zi­al­aus­wahl hätte mögli­cher­wei­se zu ei­ner stärke­ren Erhöhung des Durch­schnitts­al­ters geführt. Im Übri­gen be­sag­te ein nach „Köpfen“ be­rech­ne­tes Durch­schnitts­al­ter nichts über die Si­che­rung der Per­so­nal­struk­tur, wenn man die­se über „Ta­ges­stun­den“ de­fi­nie­ren woll­te.  

2. La­gen die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Ab­wei­chung von den Grundsätzen der So­zi­al­aus­wahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht vor, hat­te die So­zi­al­aus­wahl oh­ne Rück­sicht auf Al­ters­grup­pen zu er­fol­gen (vgl. BAG 19. De­zem­ber 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 58; 19. Ju­li 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 33, BA­GE 142, 339). Be­zo­gen auf die Ge­samt­grup­pe der ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mer (sämt­li­che me­cha­ni­schen Hel­fer) er­weist sich die Aus­wahl der Kläge­rin als grob feh­ler­haft.  

a) Die So­zi­al­aus­wahl ist grob feh­ler­haft, wenn ei­ne evi­den­te, ins Au­ge sprin­gen­de er­heb­li­che Ab­wei­chung von den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG vor­liegt und der In­ter­es­sen­aus­gleich je­de so­zia­le Aus­ge­wo­gen­heit ver­mis­sen lässt (st. Rspr., BAG 24. Ok­to­ber 2013 - 6 AZR 854/11 - Rn. 26, BA­GE 146, 234; 19. Ju­li 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 34, BA­GE 142, 339). Da­bei muss sich die ge­trof­fe­ne Aus­wahl ge­ra­de mit Blick auf den kla­gen­den Ar­beit­neh­mer im Er­geb­nis als grob feh­ler­haft er­wei­sen. Nicht ent­schei­dend ist, dass das gewähl­te Aus­wahl­ver­fah­ren als sol­ches An­lass zu Be­an­stan­dun­gen gibt (BAG 19. Ju­li 2012 - 2 AZR 352/11 - aaO; 15. De­zem­ber 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 39, BA­GE 140, 169). Die Würdi­gung des Ge­richts, die so­zia­le Aus­wahl sei - grob - feh­ler­haft, setzt die Fest­stel­lung vor­aus, dass der vom Ar­beit­neh­mer gerügte Aus­wahl­feh­ler tatsächlich vor­liegt, al­so ein be­stimm­ter mit dem Gekündig­ten ver­gleich­ba­rer Ar­beit­neh­mer in dem nach dem Ge­setz er­for­der­li­chen Maß we­ni­ger schutz­bedürf­tig ist (BAG 20. Sep­tem­ber 2012 - 6 AZR 483/11 - Rn. 25; 10. Ju­ni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 19).  

 

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b) Die Aus­wahl der Kläge­rin aus der Ge­samt­grup­pe der me­cha­ni­schen Hel­fer lässt ge­mes­sen an den Kri­te­ri­en des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG je­de Aus­ge­wo­gen­heit ver­mis­sen. Sie ist nach dem ei­ge­nen Vor­trag der Be­klag­ten auch sonst durch nichts ge­recht­fer­tigt. 

aa) Es kann da­hin­ste­hen, ob die Re­ge­lung im So­zi­al­plan ei­ne nicht ab­geänder­te und da­mit die Be­klag­te bin­den­de (BAG 24. Ok­to­ber 2013 - 6 AZR 854/11 - Rn. 40, BA­GE 146, 234) Aus­wahl­richt­li­nie im Sin­ne von § 95 Abs. 1 Be­trVG dar­stellt. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, dass die Kläge­rin un­abhängig von der dort vor­ge­nom­me­nen Ge­wich­tung der So­zi­al­kri­te­ri­en je­den­falls of­fen­sicht­lich so­zi­al weit­aus schutz­bedürf­ti­ger sei als die­je­ni­gen nicht gekündig­ten Ar­beit­neh­mer der un­ters­ten Al­ters­grup­pe (30 bis 34 Jah­re), die kin­der­los und nicht schwer­be­hin­dert sind. Die Be­vor­zu­gung die­ser im Verhält­nis zur Kläge­rin au­genfällig so­zi­al stärke­ren Ar­beit­neh­mer sei un­ter kei­nem denk­ba­ren Ge­sichts­punkt zu recht­fer­ti­gen. Die­se Würdi­gung lässt kei­nen Rechts­feh­ler er­ken­nen. 

bb) Die Be­klag­te be­haup­tet kei­ne Berück­sich­ti­gung „be­son­de­rer Umstände des Ein­zel­falls“ im Sin­ne des So­zi­al­plans. Nach ih­rem Vor­trag ist es un­ter den me­cha­ni­schen Hel­fern auch nicht zu ei­ner ein­zel­fall­be­zo­ge­nen Her­aus­nah­me sog. Leis­tungs­träger aus der So­zi­al­aus­wahl im Sin­ne von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ge­kom­men.  

cc) Im Übri­gen ermöglicht das Vor­brin­gen der Be­klag­ten kei­ne Er­geb­nis­kon­trol­le. Nach dem In­ter­es­sen­aus­gleich war ein be­stimm­tes Vo­lu­men an „Voll­zeit­ar­beitsplätzen“ ab­zu­bau­en. Die Zahl der dafür zu be­en­den­den Ar­beits­verhält­nis­se stell­te erst das Er­geb­nis der So­zi­al­aus­wahl dar. Sie hing von der Zahl der nach - ord­nungs­gemäßer - Aus­wahl be­trof­fe­nen Teil­zeit­ar­beit­neh­mer und de­ren „Ar­beits­zeit­an­tei­len“ ab. Die Be­klag­te hat aber we­der vor­ge­tra­gen, wie vie­le „Voll­zeit­ar­beitsplätze“ im Be­reich der di­rek­ten Ar­beit­neh­mer vor Durchführung der Maßnah­me vor­han­den wa­ren, noch hat sie dar­ge­legt, wie vie­le Ar­beit­neh­mer der Ver­gleichs­grup­pe mit wel­chen Stel­len­an­tei­len in der Rei­hen­fol­ge ih­rer So­zi­al­punk­te hätten gekündigt wer­den müssen, um den er­streb­ten Ar­beits­platz­ab­bau - un­gefähr - zu er­rei­chen. 

 

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III. Die Be­klag­te hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kos­ten ih­rer er­folg­lo­sen Re­vi­si­on zu tra­gen.

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