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BAG, Ur­teil vom 11.02.2009, 10 AZR 222/08

   
Schlagworte: Inhaltskontrolle
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 10 AZR 222/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 11.02.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bamberg Kammer Coburg, Urteil vom 5.12.2006, 4 Ca 391/06 C
Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 22.02.2008, 3 Sa 333/07
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

10 AZR 222/08
3 Sa 333/07
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Nürn­berg

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
11. Fe­bru­ar 2009

UR­TEIL

Brüne, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Zehn­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 11. Fe­bru­ar 2009 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Frei­tag, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt

 

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Mar­quardt, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Brühler so­wie die eh­ren-amt­li­chen Rich­ter Sap­pa und Kiel für Recht er­kannt:

1. Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nürn­berg vom 22. Fe­bru­ar 2008 - 3 Sa 333/07 - wird zurück­ge­wie­sen.

2. Die Be­klag­te hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über ein Weih­nachts­geld für das Jahr 2005.

Die Kläge­rin ist seit dem 1. Mai 1995 bei der Be­klag­ten, die ein Kli­ni­kum be­treibt, als Kran­ken­schwes­ter tätig, zu­letzt mit ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 30,5 St­un­den und ei­nem Brut­to­ent­gelt von 2.375,00 Eu­ro mo­nat­lich. Im An­stel­lungs­ver­trag vom 30. Ja­nu­ar/2. Fe­bru­ar 1995 ist ua. ge­re­gelt:

„Zwi­schen ... wird nach­fol­gen­der Ar­beits­ver­trag ab-ge­schlos­sen.

Be­stand­teil die­ses Ar­beits­ver­tra­ges ist die Ar­beits-/So­zi­al­ord­nung in der je­weils gülti­gen Fas­sung. Die zur Zeit gülti­ge Fas­sung - Ar­beits- und So­zi­al­ord­nung 1995 - ist in der An­la­ge bei­gefügt.

1. Be­ginn ...

2. Ar­beits­be­ginn ...

3. Ar­beits­zeit (s. auch §§ 13/14 Ar­beits-/So­zi­al­ord­nung)

Die re­gelmäßige Ar­beits­zeit beträgt durch­schnitt­lich 38,5 St­un­den wöchent­lich an 5/6 Ta­gen pro Wo­che je nach Dienst­an­tei­len. ...

4. Vergütung und Lohn: (s. auch §§ 16/17/27 Ar­beits-/So­zi­al­ord­nung)

Für sei­ne Tätig­keit erhält der Mit­ar­bei­ter ei­ne fes­te Mo­nats­vergütung/Lohn iHv. DM 3.500,00 brut­to pro Mo­nat.

 

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...

9. Ar­beits- und So­zi­al­ord­nung

Der Mit­ar­bei­ter bestätigt aus­drück­lich, die oben an­geführ­te Ar­beits-/So­zi­al­ord­nung er­hal­ten zu ha­ben. Es be­steht Ei­nig­keit darüber, dass die­se Ar­beits-/So­zi­al­ord­nung Be­stand­teil die­ses Ver­tra­ges ist, so­weit nicht ei­ne Ab­wei­chung hier­von schrift­lich ver­ein­bart wur­de.

11. Ände­run­gen und Ergänzun­gen:

Ände­run­gen und Ergänzun­gen die­ses Ver­tra­ges bedürfen zu ih­rer Rechtsgültig­keit der schrift­li­chen Ver­ein­ba­rung. ...“

Der dem Ar­beits­ver­trag der Kläge­rin bei­gefügten „Ar­beits- und So­zi­al­ord­nung 1995“ (ASO 1995) ist fol­gen­de Präam­bel vor­an­ge­stellt:

„Die nach­ste­hen­de Ar­beits- und So­zi­al­ord­nung soll der Gleich­be­hand­lung al­ler Mit­ar­bei­ter, ei­nem har­mo­ni­schen Zu­sam­men­le­ben in­ner­halb der Be­triebs­ge­mein­schaft, der Gewähr­leis­tung ei­ner ste­ti­gen Leis­tungs­be­reit­schaft und op­ti­ma­len Auf­ga­ben­erfüllung der Kli­nik die­nen.“

In den fol­gen­den 32 Pa­ra­gra­phen sind um­fang­rei­che Re­ge­lun­gen für das Ar­beits­verhält­nis ent­hal­ten, zB die Dau­er der Pro­be­zeit, Ge­sund­heits­schutz, Un­fall­verhütung, Schutz- und Be­rufs­klei­dung, Schwei­ge­pflicht, Ne­bentätig­kei­ten, Ar­beits­versäum­nis, Ar­beits­zeit, Mehr­ar­beit und Über­stun­den, Zu­schläge, Kündi­gungs­fris­ten, Dau­er und Mo­da­litäten des Er­ho­lungs­ur­laubs, be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung, Frei­stel­lun­gen, Ar­beit­ge­ber­an­tei­le zur Kran­ken-und Ren­ten­ver­si­che­rung und Aus­schluss­fris­ten.

In § 27 der ASO 1995 ist ge­re­gelt:

„Es wird ein Weih­nachts­geld in Höhe ei­ner Mo­nats­vergütung zum 30. No­vem­ber ei­nes Jah­res be­zahlt, so­fern sich der Mit­ar­bei­ter zu die­sem Zeit­punkt in un­gekündig­tem Ar­beits­verhält­nis be­fin­det.

Der Mit­ar­bei­ter, der im lau­fen­den Ka­len­der­jahr nicht für al­le Ka­len­der­mo­na­te ei­nen An­spruch auf Vergütung aus ei­nem Ar­beits­verhält­nis hat, erhält ein gekürz­tes Weih­nachts­geld. Die­ses beträgt für je­den Ka­len­der­mo­nat, für den ein An­spruch auf Vergütung be­steht, ein Zwölf­tel der

 

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Mo­nats­vergütung nach § 16 Abs. 1.

Zu den durch­schnitt­li­chen fes­ten Mo­nats­bezügen zählen

...

Zei­ten, in de­nen der Be­zug von Ar­beits­lohn ent­fal­len ist, min­dern das Weih­nachts­geld ent­spre­chend, z.B. un-be­zahl­ter Ur­laub, Wehr­dienst, Wehr­dienstübun­gen, un­ent­schul­dig­te Fehl­zei­ten, Zei­ten oh­ne Lohn­fort­zah­lung, Er­zie­hungs­ur­laub.

Mit­ar­bei­ter, die in­ner­halb von 3 Mo­na­ten nach Er­halt des Weih­nachts­gel­des kündi­gen oder vor dem 31. März des Fol­ge­jah­res aus dem Be­trieb aus­schei­den, müssen das er­hal­te­ne Weih­nachts­geld zurück­zah­len.“

§ 32 der ASO 1995 enthält fol­gen­de Re­ge­lung:

„Die­se Ar­beits-/So­zi­al­ord­nung gilt bis zur Ver­ein­ba­rung ei­ner je­weils neu­en Fas­sung.“

In der von der Be­klag­ten er­las­se­nen ASO 1996 re­gelt § 25 das Weih­nachts­geld ähn­lich wie die Vorgänger­re­ge­lung, mo­di­fi­ziert es je­doch im Hin­blick auf die Fest­le­gung der Ok­to­ber­vergütung als Be­zugs­mo­nat. Seit April 1995 wird in Ab­wei­chung zu § 5 der ASO 1995 ei­ne mo­nat­li­che Pau­scha­le für Schutz­klei­dung an die Mit­ar­bei­ter ge­zahlt, auch an die Kläge­rin. Wei­ter­bil­dungs­maßnah­men wer­den eben­falls ab­wei­chend zur ASO 1995 durch­geführt. § 29 ASO 1996 re­gelt, dass sie mit der Un­ter­zeich­nung in Kraft tre­te und bis zum Er­lass ei­ner neu­en Ord­nung Gültig­keit be­hal­te.

Im Jahr 1999 wur­den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen über be­stimm­te Re­ge­lungs­be­rei­che ge­schlos­sen, et­wa über Ar­beits­zeit, Über­stun­den und Zu­schläge. Seit 2002 gilt ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung über Ur­laub und Son­der­ur­laub, die auch den Um­fang des Er­ho­lungs­ur­laubs re­gelt. Spätes­tens ab dem Jahr 2000 ver­ein­bart die Be­klag­te die Ar­beits­be­din­gun­gen ih­rer Mit­ar­bei­ter um­fas­send im Text des je­wei­li­gen Ar­beits­ver­trags. In die­sen Ar­beits­verträgen ist hin­sicht­lich der Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­ti­on aus­zugs­wei­se Fol­gen­des ge­re­gelt:

„(1) Der Ar­beit­neh­mer erhält ei­ne Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­ti­on, de­ren Höhe vom Ar­beit­ge­ber jähr­lich neu fest­ge­legt wird.

Im Jahr der Ein­stel­lung erhält der Ar­beit­neh­mer die Gra­ti­fi­ka­ti­on in Höhe von je 1/12 pro Beschäfti­gungs­mo­nat.

 

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(2) Die Zah­lung der Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­ti­on so­wie die Zah­lung et­wai­ger sons­ti­ger frei­wil­li­ger Son­der­leis­tun­gen liegt im frei­en Er­mes­sen des Ar­beit­ge­bers und er­folgt oh­ne An­er­ken­nung ei­ner Rechts­pflicht. Ins­be­son­de­re be­gründet auch ei­ne mehr­ma­li­ge Zah­lung oh­ne aus­drück­li­chen Vor­be­halt der Frei­wil­lig­keit kei­nen Rechts­an­spruch auf künf­ti­ge Zah­lun­gen.

(3) ...“

Die Gel­tung der Ar­beits- und So­zi­al­ord­nung ist in die­sen Verträgen 9 aus­drück­lich aus­ge­schlos­sen.

Mit Wir­kung zum 1. Ja­nu­ar 2005 er­ließ die Be­klag­te ei­ne neue Ar­beits- 10 und So­zi­al­ord­nung. Die­se sieht in § 12 vor, dass die Zah­lung der Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­ti­on, de­ren Höhe im Text nicht be­stimmt ist, im frei­en Er­mes­sen des Ar­beit­ge­bers liegt und oh­ne An­er­ken­nung ei­ner Rechts­pflicht er­folgt. Darüber hin­aus enthält die ASO 2005 ua. den Weg­fall von Kos­ten der Be­rufs­klei­dung, den Weg­fall von Mehr­ar­beits- und Fei­er­tags­zu­schlägen, ei­ne Min­de­rung künf­ti­ger Ju­biläums­zu­la­gen und ei­ne Verände­rung der Ur­laubs­ansprüche.

Die Kläge­rin hat im Jahr 2005 kein Weih­nachts­geld er­hal­ten.

Mit ih­rer am 31. März 2006 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge hat sie un­ter Hin­weis auf die ASO 1995 ein Weih­nachts­geld für das Jahr 2005 iHv. 2.375,00 Eu­ro ver­langt.

Die Kläge­rin hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die ASO 1995 sei wei­ter­hin auf ihr Ar­beits­verhält­nis an­wend­bar. Die Be­zug­nah­me auf die „je­weils“ gel­ten­de Fas­sung stel­le ei­nen Ände­rungs­vor­be­halt dar, der ei­ner Über­prüfung gem. den §§ 307, 308 Nr. 4 BGB nicht Stand hal­te. Vor­aus­set­zun­gen und Um­fang der vor­be­hal­te­nen Ände­run­gen sei­en nicht hin­rei­chend kon­kre­ti­siert. Die Be­zug­nah­me ver­s­toße auch ge­gen das Trans­pa­renz­ge­bot des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Präam­bel ent­hal­te kei­ne Vor­aus­set­zun­gen für Ände­run­gen bzw. den Er­satz der je­wei­li­gen ASO. We­der ei­ne gel­tungs­er­hal­ten­de Re­duk­ti­on noch ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung kämen in Be­tracht.

 

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Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie 2.375,00 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 30. No­vem­ber 2005 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat zu ih­rem Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag vor­ge­tra­gen, so­wohl die ASO 1995 als auch die­je­ni­ge von 1996 sei­en wirk­sam durch die ASO 2005 ab­gelöst wor­den, die ei­ne Ver­pflich­tung zu ei­nem Weih­nachts­geld nicht mehr vor­se­he. Der Ar­beits­ver­trag und die Be­zug­nah­me auf die ASO 1995 ent­hiel­ten ei­nen zulässi­gen ein­sei­ti­gen Ände­rungs­vor­be­halt, der auch ei­ner Über­prüfung nach den §§ 305 ff. BGB Stand hal­te. Be­zug­nah­men auf außer­halb des Ar­beits­verhält­nis­ses lie­gen­de Re­ge­lungs­wer­ke sei­en möglich und sinn­voll, wo­durch Ar­beits­be­din­gun­gen auch nach­tei­lig verändert wer­den könn­ten. Im Zwei­fel sei­en sie im­mer dy­na­misch. Die Ände­rungsmöglich­kei­ten beträfen nicht den Kern­be­reich des Ar­beits­ver­trags. Ar­beits­zeit und Vergütung sei­en be­reits im Ar­beits­ver­trag fest­ge­legt und da­her nicht abänder­bar. So­weit Ände­run­gen möglich sei­en, blie­ben die­se un­ter 25 - 30 % der Jah­res­vergütung. Der größte Teil der ASO ha­be kei­ne wirt­schaft­li­che Be­deu­tung, al­so kei­nen Leis­tungs­cha­rak­ter. Der Um­fang der abänder­ba­ren Leis­tun­gen sei ein­deu­tig. Die Vor­aus­set­zun­gen der Ände­rung sei­en durch die Präam­bel min­des­tens der Rich­tung nach er­kenn­bar. Je­den­falls fal­le die Re­ge­lung nicht vollständig weg, son­dern sei im We­ge der ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung so zu ver­ste­hen, dass bei Ver­schlech­te­rung der wirt­schaft­li­chen Verhält­nis­se auch die Son­der­leis­tun­gen sich ver­rin­gern könn­ten.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen. Mit ih­rer Re­vi­si­on ver­folgt die Be­klag­te ih­ren Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag wei­ter, während die Kläge­rin be­an­tragt, die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.

 

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Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet. Der Kläge­rin steht ein An­spruch auf Weih­nachts­geld für das Jahr 2005 auf­grund des Ar­beits­ver­trags in Ver­bin­dung mit der ASO 1995 zu.

I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, dass die Re­ge­lun­gen der ASO 1995 zum Be­stand­teil des Ar­beits­ver­trags ge­wor­den und durch nach-fol­gen­de ein­sei­ti­ge Re­ge­lun­gen nicht be­sei­tigt wor­den sei­en. Der Vor­be­halt der Be­zug­nah­me auf die je­weils gülti­ge Fas­sung stel­le ei­ne all­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung dar, die ei­ner In­halts­kon­trol­le nicht Stand hal­te. Die Klau­sel be­nach­tei­li­ge die Kläge­rin un­an­ge­mes­sen und sei da­her nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB un­wirk­sam. Zwar entsprächen dy­na­mi­sche Be­zug­nah­me­klau­seln auf an­de­re Re­ge­lungs­wer­ke ei­ner übli­chen Tech­nik in Ar­beits­verträgen, da sie grundsätz­lich im In­ter­es­se bei­der Par­tei­en lie­gen könn­ten. Dies gel­te je­den­falls für Kol­lek­tiv­ver­ein­ba­run­gen, weil dort ei­ne sach­ge­rech­te Berück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen al­ler Ver­trags­par­tei­en un­ter­stellt wer­de. Dies sei aber bei ein­sei­tig ge­setz­ten Ar­beits­be­din­gun­gen an­ders. Über § 32 ASO 1995 hätten we­sent­li­che Be­din­gun­gen des Ar­beits­verhält­nis­ses ab­geändert wer­den können, zB die Ar­beits­zeit, was auf die Höhe des Vergütungs­an­spruchs Ein­fluss ha­be, die Zu­schläge und die Ur­laubs­dau­er. Da­durch wer­de der Kündi­gungs­schutz nach § 2 KSchG um­gan­gen. Ei­ne gel­tungs­er­hal­ten­de Re­duk­ti­on auf ei­nen zulässi­gen Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt kom­me nicht in Be­tracht, eben­falls kei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung, weil die Be­klag­te nicht ver­sucht ha­be, während der Über­g­angs­frist den Ver­trag an­zu­pas­sen. Die Ab­sicht, die Mit­ar­bei­ter gleich zu be­han­deln, las­se die Ände­run­gen der ASO 2005 nicht zu. Die Ver­trags­frei­heit ha­be Vor­rang. Ei­ne kon­klu­den­te Ver­tragsände­rung sei nicht zu­stan­de ge­kom­men.

II. Die­se Ausführun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts hal­ten im Er­geb­nis den An­grif­fen der Re­vi­si­on Stand. Zu Recht hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt an­ge­nom­men, dass der An­spruch der Kläge­rin aus dem Ein­gangs­satz des

 

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Ar­beits­ver­trags folgt, der die ASO 1995 in Be­zug nimmt. Die­se re­gelt in § 27 das hier strei­ti­ge Weih­nachts­geld. Der An­spruch ist durch nach­fol­gen­de Ar­beits- und So­zi­al­ord­nun­gen nicht be­sei­tigt wor­den.

1. Die Be­klag­te rügt er­folg­los, dass das Lan­des­ar­beits­ge­richt „un­strei­ti­gen“ Vor­trag über­g­an­gen ha­be, in­dem es von der Gel­tung der ASO 1995 aus­ge­gan­gen sei. Zwar hat­te die Kläge­rin zweit­in­stanz­lich die Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts nicht mehr pro­ble­ma­ti­siert, das den An­spruch aus § 25 der ASO 1996 her­ge­lei­tet hat­te. Dies be­trifft aber kei­ne Tat­sa­chen, son­dern recht­li­che Wer­tun­gen. Die Kläge­rin hat da­mit auch nicht mit­tel­bar ei­ne grundsätz­li­che Abänder­bar­keit der ASO 1995 zu­ge­stan­den, viel­mehr hat­te sie be­reits in der Kla­ge­be­gründung ih­ren An­spruch auf die ASO 1995 gestützt und aus­geführt, dass die­se Re­ge­lung nicht ha­be ab­geändert wer­den können.

2. Es be­steht kein Streit darüber, dass es sich bei der Be­zug­nah­me­klau­sel des Ar­beits­ver­trags auf die je­weils gülti­ge Ar­beits- und So­zi­al­ord­nung so­wie de­ren § 32, wo­nach die ASO 1995 bis zur Ver­ein­ba­rung ei­ner je­weils neu­en Fas­sung gel­te, um All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen iSd. §§ 305 ff. BGB han­delt. Sie sind ein­sei­tig von der Be­klag­ten vor­ge­ge­ben und für ei­ne Viel­zahl von An­wen­dungsfällen for­mu­liert wor­den. Die Be­zug­nah­me auf die „je­weils“ gülti­ge Fas­sung der Ar­beits- und So­zi­al­ord­nung iVm. § 32 der ASO 1995 hält ei­ner In­halts­kon­trol­le nicht Stand.

a) Zu Recht hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt die §§ 305 ff. BGB auf die hier zu be­ur­tei­len­den Klau­seln an­ge­wandt. Die Re­ge­lung zur Ge­stal­tung der Schuld­verhält­nis­se durch All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen in der zum 1. Ja­nu­ar 2002 in Kraft ge­tre­te­nen Fas­sung des Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set­zes fin­den gem. § 310 Abs. 4 BGB auch auf das Ar­beits­recht grundsätz­lich An­wen­dung. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB steht dem nicht ent­ge­gen, da es sich bei der ASO 1995 nicht um ei­ne Kol­lek­tiv­ver­ein­ba­rung in die­sem Sin­ne han­delt. Nur in sol­chen Ver­ein­ba­run­gen muss da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die wech­sel­sei­ti­gen In­ter­es­sen der ver­tre­te­nen Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber an­ge­mes­sen berück­sich­tigt wor­den sind. Gem. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB

 

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un­ter­liegt die Über­prüfung der ASO 1995 ab dem 1. Ja­nu­ar 2003 der neu­en Fas­sung des Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set­zes.

b) Die im Ar­beits­ver­trag fest­ge­hal­te­ne Be­zug­nah­me auf die „je­wei­li­ge“ Fas­sung der Ar­beits- und So­zi­al­ord­nung und die in § 32 der ASO 1995 for­mu­lier­te Gültig­keits­dau­er bis zum Er­lass ei­ner neu­en Ar­beits- und So­zi­al­ord­nung stel­len in­halt­lich ein Ver­tragsände­rungs­recht der Ar­beit­ge­be­rin dar, die durch ein­sei­tig von ihr for­mu­lier­te Ar­beits- und So­zi­al­ord­nun­gen die Ar­beits­be­din­gun­gen abändern kann. Da­mit ver­folgt sie das glei­che Ziel wie mit an­de­ren Be­stim­mungs­rech­ten, ins­be­son­de­re der Be­fris­tung ein­zel­ner Ar­beits­be­din­gun­gen und ei­nem Wi­der­rufs­vor­be­halt. Der Abände­rungs­vor­be­halt stellt ei­ne von Rechts­vor­schrif­ten ab­wei­chen­de Re­ge­lung gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar. Grundsätz­lich sind Verträge bin­dend. Dies gehört zu den Grund­ele­men­ten des Ver­trags­rechts.

Ob ein Wi­der­rufs­recht wirk­sam ist, ist nach § 308 Nr. 4 BGB als der ge­genüber § 307 BGB spe­zi­el­le­ren Norm zu be­ur­tei­len. Da § 308 Nr. 4 BGB § 307 BGB kon­kre­ti­siert, sind auch die Wer­tun­gen die­ser Norm her­an­zu­zie­hen. Außer­dem sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die im Ar­beits­recht gel­ten­den Be­son­der­hei­ten an­ge­mes­sen zu berück­sich­ti­gen (BAG 12. Ja­nu­ar 2005 - 5 AZR 364/04 - BA­GE 113, 140; 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - mwN, AP BGB § 308 Nr. 7 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 20). Da­nach ist die Ver­ein­ba­rung ei­nes Rechts des Ver­wen­ders un­wirk­sam, die ver­spro­che­ne Leis­tung zu ändern oder von ihr ab­zu­wei­chen, wenn nicht die Ver­ein­ba­rung der Ände­rung oder Ab­wei­chung un­ter Berück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen des Ver­wen­ders für den an­de­ren Ver­trags­teil zu­mut­bar ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn für die Ände­rung ein trif­ti­ger Grund vor­liegt und die­ser be­reits in der Ände­rungs­klau­sel be­schrie­ben ist (BAG 12. Ja­nu­ar 2005 - 5 AZR 364/04 - aaO). Das Wi­der­rufs­recht muss we­gen der un­si­che­ren Ent­wick­lung der Verhält­nis­se als In­stru­ment der An­pas­sung not­wen­dig sein (vgl. BGH 19. Ok­to­ber 1999 - XI ZR 8/99 - NJW 2000, 651).

c) Bei der An­ge­mes­sen­heits­kon­trol­le ist nicht auf die tatsächlich er­folg­ten Ände­run­gen durch die ein­sei­ti­gen Ar­beits- und So­zi­al­ord­nun­gen der Be­klag­ten

 

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ab­zu­stel­len, son­dern auf die Möglich­kei­ten, die die Be­zug­nah­me­klau­seln ge­ben. Es ist - an­ders als bei der frühe­ren Prüfung im Rah­men des § 242 BGB - bei zu weit ge­fass­ten Klau­seln nicht mehr zu prüfen, ob der Ar­beit­neh­mer im kon­kre­ten Fall schutzwürdig ist. Die In­halts­kon­trol­le nach § 307 BGB zwingt zu ei­ner ge­ne­rel­len, ty­pi­sie­ren­den Prüfung (BAG 24. Ok­to­ber 2007 - 10 AZR 825/06 - AP BGB § 307 Nr. 32 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 26). Die ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten der §§ 305 ff. BGB miss­bil­li­gen be­reits das Stel­len in­halt­lich un­an­ge­mes­se­ner all­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen, nicht erst den un­an­ge­mes­se­nen Ge­brauch ei­ner Klau­sel im kon­kre­ten Ein­zel­fall. Die Rechts­fol­ge der Un­wirk­sam­keit tra­gen auch sol­che Klau­seln, die in ih­rem Über­maßteil in zu be­an­stan­den­der Wei­se ein Ri­si­ko re­geln, das sich im Ent­schei­dungs­fal­le nicht rea­li­siert hat (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - BA­GE 118, 36).

d) Da­nach ist der ein­sei­tig vor­be­hal­te­ne Abände­rungs­vor­be­halt der Be­klag­ten un­wirk­sam.

Die Be­klag­te hat sich vor­be­hal­ten, sämt­li­che Be­stand­tei­le der ASO 1995 ein­sei­tig abändern zu können. Da­mit sind na­he­zu al­le Be­din­gun­gen des Ar­beits­verhält­nis­ses von ei­ner mögli­chen Ände­rung be­trof­fen, so­wohl sol­che, die sich auf die Vergütung aus­wir­ken, als auch sol­che, die dies nicht un­mit­tel­bar tun, wie bei­spiels­wei­se der Zeug­nis­an­spruch. Be­trof­fen ist auch die Ur­laubs­dau­er, die sich nach der ASO 2005 um ei­nen Tag jähr­lich ver­rin­gert hat. Auch die Möglich­keit, die Zu­schläge für Ar­beit an Fei­er­ta­gen, des Nachts, im Be­reit­schafts­dienst, im Schicht­dienst uä. ab­zuändern, hat ge­ra­de bei ei­nem Be­trieb wie dem der Be­klag­ten, in der rund um die Uhr ge­ar­bei­tet wer­den muss, ganz be­son­de­re Be­deu­tung und wirkt sich un­mit­tel­bar auf die Vergütung aus.

aa) We­der der Ar­beits­ver­trag noch die ASO 1995 nen­nen ei­nen trif­ti­gen Grund für die mögli­chen Ände­run­gen oder be­schrei­ben ihn. Es kann da­her gar nicht be­ur­teilt wer­den, ob ei­ne Verände­rung als In­stru­ment der An­pas­sung not­wen­dig sein kann.

bb) Aus der Präam­bel der ASO 1995 geht kein trif­ti­ger Grund für ei­ne Abände­rung her­vor. Wenn die Ar­beits- und So­zi­al­ord­nung 1995 der „Gleich-

 

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be­hand­lung al­ler Mit­ar­bei­ter“ die­nen soll, wird nicht ein­mal die Rich­tung deut­lich, in der Ände­run­gen möglich sein soll­ten. Soll­te da­mit die Ab­sen­kung ei­nes Vergütungs­ni­veaus ge­meint sein, wäre dies nicht hin­zu­neh­men, denn auch im Fal­le der Über­prüfung der so­zia­len Recht­fer­ti­gung ei­ner Ände­rungskündi­gung ist es dem Ar­beit­ge­ber ver­wehrt, un­ter Be­ru­fung auf den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ei­ne (höhe­re) Vergütung dem Lohn der übri­gen Ar­beit­neh­mer an­zu­pas­sen (BAG 1. Ju­li 1999 - 2 AZR 826/98 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 53 = EzA KSchG § 2 Nr. 35). Das Glei­che gilt für das „har­mo­ni­sche Zu­sam­men­le­ben in­ner­halb der Be­triebs­ge­mein­schaft“. Auch die „Gewähr­leis­tung ei­ner ste­ti­gen Leis­tungs­be­reit­schaft“, die wohl die­je­ni­ge der Mit­ar­bei­ter meint, be­schreibt kei­nen Verände­rungs­rah­men oder -grund, eben­so we­nig wie die „op­ti­ma­le Auf­ga­ben­erfüllung der Kli­nik“. Ins­be­son­de­re kann dar­aus nicht ge­schlos­sen wer­den, dass bei wirt­schaft­li­chen Schwie­rig­kei­ten Ver­schlech­te­run­gen möglich sein sol­len, da die op­ti­ma­le Auf­ga­ben­erfüllung der Kli­nik nicht gleich­zei­tig de­ren wirt­schaft­li­chen Er­folg be­deu­ten muss. Im Ge­gen­teil ist es so­gar denk­bar, dass die Kli­nik be­son­ders un­wirt­schaft­lich ar­bei­tet, wenn sie ih­re Auf­ga­ben, nämlich die Ver­sor­gung der Pa­ti­en­ten, op­ti­mal erfüllt.

e) Die Berück­sich­ti­gung der im Ar­beits­recht gel­ten­den Be­son­der­hei­ten be­freit nicht von der Not­wen­dig­keit, Gründe für ei­ne Abände­rung ver­trag­li­cher Be­din­gun­gen zu nen­nen und die­se ggf. in­halt­lich zu über­prüfen. Auch wenn grundsätz­lich Be­zug­nah­men auf an­de­re Re­ge­lungs­wer­ke in Ar­beits­verträgen möglich und zulässig sind und ins­be­son­de­re dy­na­mi­sche Be­zug­nah­me­klau­seln ei­ner übli­chen Re­ge­lungs­tech­nik im Ar­beits­ver­trag ent­spre­chen und den In­ter­es­sen bei­der Par­tei­en die­nen können (vgl. BAG 14. März 2007 - 5 AZR 630/06 - AP TVG § 1 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 18) sind sie den­noch nicht oh­ne Wei­te­res der In­halts­kon­trol­le ent­zo­gen. Es ist im­mer zu un­ter­su­chen, ob die In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­part­ner an­ge­mes­sen berück­sich­tigt wer­den. So­weit es sich da­bei um Kol­lek­tiv­ver­ein­ba­run­gen han­delt, wird dies we­gen der Pa­rität der Ver­hand­lungs­part­ner ver­mu­tet (BAG 24. Sep­tem­ber 2008 - 6 AZR 76/07 -). Kei­ne Be­den­ken be­ste­hen auch bei der Be­zug­nah­me auf be­am­ten­recht­li­che Re­ge­lun­gen, ins­be­son­de­re wenn es sich nur um ein­zel­ne Ar­beits­be­din­gun­gen han­delt (BAG 14. März 2007

 

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- 5 AZR 630/06 - aaO). Auch hier be­steht ei­ne ge­wis­se Rich­tig­keits- oder Ge­rech­tig­keits­gewähr schon da­durch, dass der Ge­setz- oder Ver­ord­nungs­ge­ber als de­mo­kra­ti­sche In­sti­tu­ti­on Re­ge­lun­gen trifft, die die In­ter­es­sen der be­trof­fe­nen Be­am­ten berück­sich­tigt.

So­weit sich die Be­klag­te dar­auf be­ruft, die Be­zug­nah­me auch auf ein­sei­tig ge­setz­te Re­ge­lungs­wer­ke sei in der Recht­spre­chung als un­pro­ble­ma­tisch an­er­kannt wor­den, so be­tra­fen die­se Fälle Zeiträume, die vor In­kraft­tre­ten des Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set­zes la­gen und Ver­sor­gungs­ord­nun­gen bzw. Un­terstützungs­kas­sen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung, de­ren Vor­aus­set­zun­gen und Abänder­bar­kei­ten durch das Be­trAVG en­ge Gren­zen ge­setzt sind (BAG 22. Fe­bru­ar 2000 - 3 AZR 39/99 - AP Be­trAVG § 1 Be­am­ten­ver­sor­gung Nr. 13 = EzA Be­trAVG § 1 Be­am­ten­ver­sor­gung Nr. 3; 12. Ok­to­ber 2004 - 3 AZR 432/03 - EzA Be­trAVG § 1 Un­terstützungs­kas­se Nr. 13). Auch aus dem Grund­satz, dass Be­zug­nah­men auf an­de­re Re­ge­lungs­wer­ke wie Dienst- oder Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen im Zwei­fel als dy­na­misch aus­zu­le­gen sind (vgl. BAG 23. Sep­tem­ber 1997 - 3 AZR 529/96 - AP Be­trAVG § 1 Ablösung Nr. 23 = EzA Be­trAVG § 1 Ablösung Nr. 14) geht nicht her­vor, dass des­halb ei­ne An­ge­mes­sen­heits- und In­halts­kon­trol­le un­ter­blei­ben durf­te.

3. Der un­wirk­sa­me Ände­rungs­vor­be­halt fällt er­satz­los weg.

a) Ei­ne gel­tungs­er­hal­ten­de Re­duk­ti­on kommt nicht in Be­tracht. Un­wirk­sa­me Klau­seln sind grundsätz­lich nicht auf ei­nen mit dem Recht der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen zu ver­ein­ba­ren­den Re­ge­lungs­ge­halt zurück­zuführen. § 306 BGB sieht ei­ne sol­che Rechts­fol­ge nicht vor. Ei­ne Auf­recht­er­hal­tung mit ein­ge­schränk­tem In­halt wäre auch nicht mit dem Zweck der §§ 305 ff. BGB ver­ein­bar. Das Ge­setz will auf ei­nen an­ge­mes­se­nen In­halt der in der Pra­xis ver­wen­de­ten Geschäfts­be­din­gun­gen hin­wir­ken. Der Ver­trags­part­ner des Klau­sel­ver­wen­ders soll den Um­fang sei­ner Rech­te und Pflich­ten zu­verlässig er­fah­ren und die­sen nicht erst in ei­nem Pro­zess klären müssen. Wer die Möglich­keit nut­zen kann, die ihm der Grund­satz der Ver­trags­frei­heit für die Auf­stel­lung von all­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen eröff­net, muss auch das vollständi­ge Ri­si­ko ei­ner Klau­sel­un­wirk­sam­keit tra­gen. An­dern­falls lie­fen

 

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das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot und das Trans­pa­renz­ge­bot des § 307 Abs. 1 BGB weit­ge­hend ins Lee­re (BAG 24. Ok­to­ber 2007 - 10 AZR 825/06 - mwN, AP BGB § 307 Nr. 32 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 26).

b) Die ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Be­zug­nah­me­klau­sel iVm. der Je­wei­lig­keits­klau­sel der ASO 1995 kann auch nicht im We­ge ei­ner ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung so ge­stal­tet wer­den, dass sie ei­ner In­halts­kon­trol­le Stand hiel­te.

Al­ler­dings ist der Ar­beits­ver­trag vor In­kraft­tre­ten des Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set­zes ge­schlos­sen wor­den. Es ist in der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts an­er­kannt, dass in sol­chen Altfällen Ver­trags-klau­seln, die nach den §§ 305 ff. BGB un­wirk­sam sind, nicht stets er­satz­los weg­fal­len. Ei­ne durch den Weg­fall der un­wirk­sa­men Klau­sel ent­stan­de­ne Lücke ist im We­ge der ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung zu schließen, wenn dis­po­si­ti­ves Ge­set­zes­recht für den be­tref­fen­den Re­ge­lungs­sach­ver­halt nicht zur Verfügung steht und ein er­satz­lo­ser Weg­fall der un­wirk­sa­men Klau­sel un­verhält­nismäßig in die Pri­vat­au­to­no­mie ein­grei­fen und kei­ne an­ge­mes­se­ne, den ty­pi­schen In­ter­es­sen der Ver­trags­part­ner Rech­nung tra­gen­de Lösung bie­ten würde (24. Ok­to­ber 2007 - 10 AZR 825/06 - AP BGB § 307 Nr. 32 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 26; vgl. 11. Ok­to­ber 2006 - 5 AZR 721/05 - AP BGB § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6; 19. De­zem­ber 2006 - 9 AZR 294/06 - AP BGB § 611 Sach­bezüge Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 17). Ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung kommt nur dann in Fra­ge, wenn sich das Fest­hal­ten am Ver­trag oh­ne die un­wirk­sa­me Klau­sel für den Ver­wen­der als un­zu­mut­ba­re Härte iSd. § 306 Abs. 3 BGB dar­stel­len würde oder wenn ei­ne ver­fas­sungs­kon­for­me, den Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit wah­ren­de Aus­le­gung und An­wen­dung der un­wirk­sa­men Ver­trags­klau­sel ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung des­halb ge­bie­ten, weil die §§ 307 ff. BGB hin­sicht­lich der An­for­de­run­gen an wirk­sa­me Ver­trags­for­mu­lie­run­gen für Alt­verträge auf ei­ne ech­te Rück­wir­kung hin­aus­lau­fen (19. De­zem­ber 2006 - 9 AZR 294/06 - aaO).

c) Es spricht viel dafür, dass ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung schon des­halb aus­schei­det, weil, wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt aus­geführt hat, die

 

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Be­klag­te nicht ver­sucht hat, die un­wirk­sa­me Be­zug­nah­me­klau­sel mit den Mit­teln des Ver­trags­rechts in­ner­halb der vom Ge­setz­ge­ber ein­geräum­ten Über­g­angs­frist bis zum 1. Ja­nu­ar 2003 wirk­sam zu ge­stal­ten. Der Neun­te Se­nat hat in der Ent­schei­dung vom 19. De­zem­ber 2006 (- 9 AZR 294/06 - AP BGB § 611 Sach­bezüge Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 17) an­ge­nom­men, dass durch die Einräum­ung der Über­g­angs­frist der Ge­setz­ge­ber dem Ver­trau­ens­schutz ei­nes Klau­sel­ver­wen­ders in die Wirk­sam­keit ih­rer Ver­trags­klau­seln genügt hat. Erst in ei­nem sol­chen Fall könne ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung in Fra­ge kom­men. Hätte die Be­klag­te der Kläge­rin ein Ver­tragsände­rungs­an­ge­bot un­ter­brei­tet, das die Klau­sel auf ein zu­mut­ba­res Maß zurück­geführt hätte, hätte die Kläge­rin die­ses An­ge­bot red­li­cher­wei­se an­neh­men müssen und der Ver­trag wäre nun­mehr ergänzend aus­zu­le­gen. Der Se­nat hat die­se Fra­ge im Ur­teil vom 24. Ok­to­ber 2007 (- 10 AZR 825/06 - AP BGB § 307 Nr. 32 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 26) of­fen­ge­las­sen und im Ur­teil vom 10. De­zem­ber 2008 (- 10 AZR 1/08 -) aus­ge­drückt, dass viel für die­se Auf­fas­sung des Neun­ten Se­nats spre­che. Wenn un­ter­sucht wird, was die Par­tei­en red­li­cher­wei­se ver­ein­bart hätten, wenn ih­nen die Un­wirk­sam­keit ei­ner Klau­sel be­kannt ge­we­sen wäre, kann nicht außer Acht ge­las­sen wer­den, was sie mit­tels der In­stru­men­te des Ver­trags­rechts zulässi­ger­wei­se un­ter­nom­men ha­ben, so lan­ge sie die Möglich­keit hat­ten, die ih­nen das Ge­setz bot. Un­ter­neh­men sie kei­ne An­stren­gun­gen, un­wirk­sa­me Klau­seln zu er­set­zen, kann nicht oh­ne Wei­te­res auf ei­nen hy­po­the­ti­schen zeit­lich zurück­lie­gen­den Wil­len zur Ergänzung ge­schlos­sen wer­den.

d) Die Fra­ge kann auch in die­sem Fall letzt­lich da­hin­ste­hen, denn es gibt kei­ne Möglich­keit, den Ver­trag und die Je­wei­lig­keits­klau­seln so an­zu­pas­sen, dass sie klar, verständ­lich, wi­der­spruchs­frei, trans­pa­rent und an­ge­mes­sen sind.

aa) Bei der ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung ist an­ders als bei der gel­tungs­er­hal­ten­den Re­duk­ti­on nicht nach dem „ge­ra­de noch Zulässi­gen“ zu su­chen. Es ist zu fra­gen, was die Par­tei­en ver­ein­bart hätten, wenn ih­nen die ge­setz­lich an­ge­ord­ne­te Un­wirk­sam­keit der Abände­rungs­klau­sel be­kannt ge­we­sen wäre, wo­bei nicht die sub­jek­ti­ve Vor­stel­lung ei­ner Ver­trags­par­tei maß-

 

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geb­lich ist, son­dern was die Par­tei­en bei an­ge­mes­se­ner Abwägung ih­rer In­ter­es­sen nach Treu und Glau­ben als red­li­che Ver­trags­par­tei ver­ein­bart hätten (BAG 11. Ok­to­ber 2006 - 5 AZR 721/05 - AP BGB § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6; 12. Ja­nu­ar 2005 - 5 AZR 364/04 - BA­GE 113, 140). Die Ant­wort auf die­se Fra­ge muss in­ner­halb des durch den Ver­trag selbst ge­zo­ge­nen Rah­mens ge­sucht wer­den und darf nicht in Wi­der­spruch zu dem im Ver­trag aus­ge­such­ten Par­tei­wil­len ste­hen (BAG 13. No­vem­ber 2002 - 4 AZR 393/01 - mwN, BA­GE 103, 364).

bb) Die Be­klag­te ist der An­sicht, die Wirk­sam­keit der ein­sei­ti­gen Abände­rungs­be­fug­nis könne al­len­falls dar­an schei­tern, dass kei­ne Gründe für die Abände­run­gen der Son­der­leis­tun­gen be­nannt sind. Sie meint da­her, dass es genüge, den Ver­trag so aus­zu­le­gen, dass Abände­run­gen bei ei­ner Ver­schlech­te­rung der wirt­schaft­li­chen Verhält­nis­se zulässig sei­en.

Aber auch da­mit lässt sich die Klau­sel nicht auf­recht­er­hal­ten. Auch dann würde die Kläge­rin nämlich im­mer noch un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­ligt. Da­bei kommt es nicht nur auf die nun­mehr strei­ti­ge Abände­rung der Son­der­leis­tung „Weih­nachts­geld“ an, die - iso­liert be­trach­tet - mögli­cher­wei­se un­ter ei­nen Wi­der­rufs­vor­be­halt aus wirt­schaft­li­chen Gründen hätte ge­stellt wer­den können, son­dern auf die ge­sam­te Reich­wei­te der Abände­rungs­klau­sel, wie sie der Ver­trag vor­sieht (vgl. BGH 14. Mai 2003 - VIII ZR 308/02 - ZIP 2003, 1301 zum Zu­sam­men­wir­ken meh­re­rer Ver­trags­klau­seln). Es ist aber nicht in­ter­es­sen­ge­recht, wenn bis auf die im Ar­beits­ver­trag ge­re­gel­te Grund­vergütungshöhe und die Ar­beits­zeit na­he­zu sämt­li­che wei­te­ren Ver­trags­be­din­gun­gen im ein­sei­ti­gen Dis­po­si­ti­ons­recht der Be­klag­ten ste­hen sol­len. So­gar hin­sicht­lich Grund­vergütung und Ar­beits­zeit be­ste­hen Be­den­ken dar­an, ob die­se Klau­seln über­haupt klar und verständ­lich blie­ben, wenn sie im Klam­mer­zu­satz je­weils auf Vor­schrif­ten der Ar­beits- und So­zi­al­ord­nung Be­zug neh­men, die ja ge­ra­de gem. § 32 ASO 1995 je­der­zeit abänder­bar sein sol­len. Es be­steht die Ge­fahr, dass die Ar­beit­neh­me­rin Rech­te nicht in An­spruch nimmt, wenn sie ei­ner­seits auf den kon­kre­ten im Ar­beits­ver­trag for­mu­lier­ten In­halt ver­trau­en darf, an­de­rer­seits aber durch die Be­zug­nah­me auf die je­der­zeit

 

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abänder­ba­re ASO 1995 den Ein­druck ge­win­nen könne, auch die­se Ver­ein­ba­run­gen stünden un­ter ei­nem Ände­rungs­vor­be­halt - wenn auch aus wirt­schaft­li­chen Gründen.

Wei­ter­hin er­scheint es als un­an­ge­mes­sen, wenn die für die Kläge­rin vergütungsmäßig re­le­van­ten Zu­schlags­re­ge­lun­gen und die Dau­er des Er­ho­lungs­ur­laubs sich aus wirt­schaft­li­chen Gründen ver­schlech­tern können. Da­durch verändert sich das ver­trag­li­che Sy­nal­lag­ma. Auch wenn in der ASO 1995 teil­wei­se ge­setz­li­che Ver­pflich­tun­gen der Be­klag­ten wie­der­ge­ge­ben wer­den, wie zum Ge­sund­heits­schutz und zur Un­fall­verhütung, kann doch der Ein­druck ent­ste­hen, auch die­se Ver­pflich­tun­gen lägen im Be­lie­ben der Be-klag­ten und könn­ten ver­schlech­tert oder be­sei­tigt wer­den. Wenn in § 9 der ASO 1995 be­son­de­re Pflich­ten der Ar­beit­neh­mer for­mu­liert wer­den, die ihr Auf­ent­halts­recht in be­stimm­ten Räum­en und Be­rei­chen, die Be­nut­zung von Ört­lich­kei­ten des Be­triebs, die Be­hand­lung von Pri­vat­ei­gen­tum, die Nut­zung der Ar­beits­zeit für Pri­vat­ar­bei­ten, die Nut­zung der Fern­spre­cher uä. be­tref­fen, er­scheint es un­an­ge­mes­sen, sol­che Pflich­ten je­der­zeit verändern zu können, oh­ne hierüber ei­ne Übe­r­ein­kunft er­zielt zu ha­ben (vgl. BAG 9. Mai 2006 - 9 AZR 424/05 - BA­GE 118, 184).

Dar­auf, dass nach der Rech­nung der Be­klag­ten sämt­li­che vergütungs­re­le­van­ten Tei­le der ab­zuändern­den Leis­tun­gen nicht das Maß von 25 % der Ge­samt­vergütung er­rei­chen, kommt es nicht an (vgl. da­zu BAG 11. Ok­to­ber 2006 - 5 AZR 721/05 - AP BGB § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6). Auch die nicht un­mit­tel­bar vergütungs­re­le­van­ten Be­stim­mun­gen der ASO 1995 ge­stal­ten das Ar­beits­verhält­nis we­sent­lich. Wenn sie al­le je­der­zeit ein­sei­tig verändert wer­den können, so­bald die Be­klag­te wirt­schaft­li­che Gründe hierfür gel­tend ma­chen kann, weiß der be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer nicht, „was auf ihn zu­kommt“. Die Va­ria­ti­ons­brei­te der mögli­chen Ände­run­gen ist groß und nicht nur fi­nan­zi­ell zu mes­sen.

In je­dem Fall ist die An­pas­sungs- bzw. Abände­rungs­klau­sel zu weit ge­fasst. Ei­ne Re­du­zie­rung der An­pas­sungs­klau­sel in der Wei­se, dass sie nur die Son­der­leis­tun­gen Weih­nachts­geld oder Ju­biläums­geld be­tref­fen soll­te, schei­det

 

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aus. Ließe man ei­ne der­ar­tig weit ge­fass­te ein­sei­ti­ge Ver­tragsände­rungs­be­fug­nis der Be­klag­ten zu, lie­fe auch die von den Par­tei­en vor­ge­se­he­ne Schrift­form­klau­sel für Ände­run­gen leer.

Es kommt da­her auch nicht dar­auf an, dass mitt­ler­wei­le von der Be­klag­ten ei­ne „Kli­nik­prämie“ ge­zahlt wird und dass mit an­de­ren Ar­beit­neh­mern Ver­trags­be­din­gun­gen im We­ge ein­zel­ver­trag­li­cher Ge­stal­tun­gen ge­trof­fen wor­den sind. Wenn die Be­klag­te die Ar­beits­ver­trags­be­din­gun­gen der Kläge­rin an­pas­sen möch­te, ist sie auf die übli­chen ar­beits­ver­trag­li­chen Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten zu ver­wei­sen, nämlich ein­ver­nehm­li­che Ände­run­gen oder Ände­rungskündi­gung.

Dr. Frei­tag

Mar­quardt

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