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Sexuelle Belästigung auch ohne sexuelle Motivation
13.10.2017. Wer eine Arbeitskollegin (oder einen Kollegen) massiv und/oder wiederholt sexuell belästigt, muss mit einer außerordentlichen und in der Regel fristlos ausgesprochenen Kündigung rechnen.
Grundlage einer solchen Kündigung ist § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach eine fristlose Kündigung auch nach langer Beschäftigungsdauer möglich ist, wenn es dafür einen "wichtigen Grund" gibt. Und da der Arbeitgeber sexuell belästigte Arbeitnehmer(innen) vor weiteren Übergriffen gemäß § 12 Abs.3 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) effektiv schützen muss, notfalls auch durch eine Kündigung des Täters, können sexuelle Belästigungen eine fristlose Kündigung im Prinzip rechtfertigen.
Wie ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zeigt, muss eine sexuelle Belästigung nicht notwendig mit einer eigenen sexuellen Absicht des belästigenden Arbeitnehmers verbunden sein. Auch ein "scherzhafter" Griff in die Weichteile eines männlichen Kollegen kann eine so massive sexuelle Belästigung darstellen, dass eine fristlose Kündigung trotz langer Betriebszugehörigkeit angemessen erscheint: BAG, Urteil vom 29.06.2017, 2 AZR 302/16.
- Liegt eine sexuelle Belästigung auch dann vor, wenn sich der Handelnde nur einen (schlechten) Scherz erlaubt?
- Im Streit: Langjährig beschäftigter Metallarbeiter greift Leiharbeits-Kollegen von hinten in den Schritt
- BAG: Grabschen am Arbeitsplatz setzt keine sexuellen Absichten des Täters voraus
Liegt eine sexuelle Belästigung auch dann vor, wenn sich der Handelnde nur einen (schlechten) Scherz erlaubt?
Was eine sexuelle Belästigung ist, wird in § 3 Abs.4 AGG definiert. Danach liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn
- unerwünschte
- sexuell bestimmte Berührungen oder
- Bemerkungen sexuellen Inhalts
- "bezwecken oder bewirken", dass die Würde des Betroffenen verletzt wird.
Sexuell "bestimmt" sind Berührungen sicherlich dann, wenn sie vom Handelnden auch so gemeint sind, wie das beim typischen Hintern- oder Busengrabschen der Fall ist. Fällt dann noch eine entsprechende Bemerkung, ist der Fall klar.
Aber wie ist es, wenn der Handelnde mit einer Berührung intimer Stellen des Körpers einer Kollegin oder eines Kollegen "nur" einen (schlechten) Scherz machen möchte? Liegt dann keine sexuelle Belästigung vor, so z.B. dann, wenn ein Kollege einen anderen plötzlich von hinten in die Genitalien kneift?
Im Streit: Langjährig beschäftigter Metallarbeiter greift Leiharbeits-Kollegen von hinten in den Schritt
Im Streitfall ging es um einen 44-jährigen gewerblichen Arbeiter, der seit 23 Jahren in einem großen metallverarbeitenden Unternehmen arbeitete und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet war. Er kniff am 22.10.2014 während der Arbeit einen Leiharbeits-Kollegen ohne irgendeinen Anlass von hinten in die Hoden. Auf die erschrockene Reaktion des misshandelten Kollegen hin äußerte er sinngemäß "Du hast aber dicke Eier. Will noch jemand?".
Aufgrund dieses Vorfalls erklärte der Arbeitgeber Anfang November 2014 die fristlose Kündigung und kurz darauf eine hilfsweise ordentliche Kündigung (für den Fall, dass die fristlose Kündigung unwirksam sein sollte).
Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage, die das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven abwies, da es die streitige fristlose Kündigung für rechtens hielt (Urteil vom 23.04.2015, 5 Ca 5261/14). Das für die Berufung zuständige Landesarbeitsgericht (LAG) Bremen sah das anders und gab der Klage statt (LAG Bremen, Urteil vom 16.12.2015, 3 Sa 60/15). Begründung des LAG: Das Verhalten des Klägers stellte zwar an sich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar, doch war diese Maßnahme hier letztlich unverhältnismäßig, so jedenfalls die Bremer Richter. Eine Abmahnung hätte als Reaktion ausgereicht.
Denn obwohl der Kläger vor Gericht den zielgerichteten Griff an die Geschlechtsteile des Kollegen bestritt, hielt ihm das LAG zugute, dass er bei seinem Übergriff "subjektiv nicht in dem Bewusstsein handelte, hierdurch eine sexuelle Belästigung zu begehen" (LAG Bremen, Urteil vom 16.12.2015, 3 Sa 60/15, S.22 f.).
BAG: Grabschen am Arbeitsplatz setzt keine sexuellen Absichten des Täters voraus
Das BAG ließ zunächst die Revision des Arbeitgebers nachträglich zu, nachdem das LAG entschieden hatte, dass der Fall nicht vor das BAG gehöre. Die Revision ging dann zwar zugunsten des Arbeitgebers aus, doch erklärte das BAG die Kündigung nicht endgültig für rechtens, sondern verwies den Fall zurück zum LAG.
Denn auf der Grundlage der vom LAG vorgenommenen Aufklärung des Falles steht derzeit noch nicht fest, ob die streitige Kündigung wirksam war oder nicht. Jedenfalls aber waren die Urteilsgründe des LAG rechtlich neben der Spur, so die Kritik des BAG.
Die Bremer Richter hatten dem gekündigten Arbeitnehmer nämlich ohne ausreichende Tatsachengrundlage eine nicht-sexuelle Motivation zugute gehalten und ihm "ein situatives unreflektiertes Verhalten" attestiert (LAG Bremen, Urteil vom 16.12.2015, 3 Sa 60/15, S.23). Diese Täter-Versteherei machen die Erfurter Richter nicht mit. Denn erstens kann eine sexuelle Belästigung im Sinne von § 3 Abs.4 AGG auch ohne eigene sexuelle Motive verübt werden, und zweitens gab es hier gar keine Tatsachengrundlage für irgendwelche Vermutungen über die Motive des gekündigten Übeltäters (BAG, Urteil vom 29.06.2017, 2 AZR 302/16, S.10 f.). Denn der hatte vor Gericht stur behauptet, er habe seinen Kollegen nur flüchtig und unabsichtlich am Gesäß berührt. Dementsprechend konnte er sich gar nicht zu der Frage äußern, aus welchen Gründen er seinem Kollegen in die Hoden gekniffen hatte.
Fazit: Wer absichtlich die Geschlechtsteile eines Kollegen oder einer Kollegin berührt, nimmt immer eine "sexuell bestimmte" Berührung im Sinne von § 3 Abs.4 AGG vor. Denn dabei handelt es sich immer um einen Eingriff in die körperliche Intimsphäre des oder der Betroffenen. Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchen Motiven die Berührung vorgenommen wurde, d.h. ob hier eine sexuelle Motivation vorliegt oder nicht (wie anscheinend hier im Streitfall).
Für den gekündigten Arbeitnehmer wäre der Fall wohl weniger dramatisch verlaufen, wenn er den Übergriff frühzeitig zugegeben und sich bei dem betroffenen Kollegen entschuldigt hätte. Hätte der Arbeitgeber dann trotzdem gekündigt, hätte er es angesichts einer 23-jährigen Beschäftigungsdauer und einer reumütigen Haltung des Übeltäters schwerer gehabt, die Kündigung vor Gericht zu verteidigen. Das folgt aus dem Grundsatzurteil des BAG aus dem Jahre 2010 im Fall "Emmely" (Urteil vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09).
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.06.2017, 2 AZR 302/16
- Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 16.12.2015, 3 Sa 60/15
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09 (Barbara "Emmely" Emme")
- Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung
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- Arbeitsrecht aktuell: 15/062 Sexueller Übergriff am Arbeitsplatz, was tun?
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- Arbeitsrecht aktuell: 06/17 LAG Schleswig-Holstein: Fristlose Kündigung wegen sexueller Belästigung
Letzte Überarbeitung: 28. Juni 2020
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